#Autor_innenSonntag am 10.3.2024: Schreibst du gern Spice?

Die Pride-Flagge für Grauasexualität

Content Note: Erwähnung von Erotik, Sex, Pornografie und expliziten Sexszenen

Lesezeit: ca. 3 Minuten.

Ich verbinde das Thema des Autor_innensonntags mit weiteren: Grauasexualität (1) und das Schreiben von Romance oder Erotik, aus persönlicher Sicht.

Ich bin grau-asexuell und wohl auch ein bisschend demisexuell. Beides fällt in das weite asexuelle Spektrum. Ich habe mich schon mehrfach im Romance-Genre versucht. Mehrmals kam da allerdings das Feedback, da fehle die Emotionalität oder die Sinnlichkeit. Und nun frage ich mich, ob das teilweise an meiner Grauasexualität liegen könnte. Und zwar im Hinblick auf Folgendes: Lange oder auch wiederholte Beschreibungen und Gedankengänge, wie toll und attraktiv eine Figur aussieht, gefallen mir nicht, bzw. ich kann damit wenig anfangen. Entsprechend halte ich mich mit solchen Beschreibungen eher zurück. Bzw. ich muss mich dazu zwingen, das mehr einzubauen oder erhalte entsprechendes Feedback, das ich das tun sollte.

In meinen Alltag „springe“ ich auch nicht auf vieles an, das allosexuelle Leute (2) interessiert, die dann z.B. sagen oder denken: „Was für ein knackiger Hintern!“ oder „Was für tolle Muskeln“ oder „Was für ein schöner Busen“ und so weiter. Auf mich persönlich wirken solche Betrachtungen oft wie eine Objektifizierung – selbst, wenn das nicht so gemeint ist.

Auf der anderen Seite hat es mir früher viel Freude gemacht, explizite Sexszenen zu schreiben. Eine mögliche Erklärung dafür ist die Aegosexualität (früher bekannt als Autochorissexualität). Das ist eine Untergruppe der Asexualität, die wie folgt definiert wird: „Eine Trennung zwischen sich selbst und einem sexuellen Ziel/Objekt der Erregung; kann sexuelle Fantasien oder Erregung als Reaktion auf Erotik oder Pornografie beinhalten, aber ohne den Wunsch, an den darin enthaltenen sexuellen Aktivitäten teilzunehmen.“ Ein weiterer Aspekt dieser Sexualität: „[Entsprechende Personen] phantasieren über Sex, stellen sich dabei aber andere Personen als sich selbst vor und/oder sehen diese in der dritten Person, als ob sie diese im Fernsehen sehen würden (…)“ (3)

Und so ähnlich ging es mir früher auch, wenn ich explizite Sexszenen geschrieben habe, die dann entsprechend in meinem „Kopfkino“ abliefen. Inzwischen hat sich schriftstellerisch ein Wandel für mich ergeben, ich schreibe keine expliziten Szenen mehr, sondern blende an der Schlafzimmertür, dem Bett oder anderen Orten quasi ab. Aber man soll nie „Nie“ sagen. Vielleicht schreibe ich doch mal wieder ein Buch mit expliziten Szenen, wer weiß. Wenn es zur Story passt, warum nicht?

Eine Pride Flagge für romantische Asexualität

Wichtig im Zusammenhang mit dem asexuellen Spektrum ist auch das Split-Attraction-Modell (4): Eine Aufteilung in sexuelle und romantische Anziehung, bzw. auch noch andere Formen von Anziehung. Hier ein persönliches Beispiel: Ich habe in meinem Alltagsleben ein großes Interesse an Romantik, aber weniger an Sex. In diesem Zusammenhang fand ich den Begriff „romoace“ oder „romantic asexual“ interessant, den ich neulich kennengelernt habe. (5)

(1) Ein erklärender Text über Grauasexualität: http://demisexuality.org/deutsch/was-ist-grau-asexualita%CC%88t/

(2) Was ist Allosexualität? https://100mensch.de/allosexuell/

(3) (übersetzt von dieser Seite: https://asexuals.fandom.com/wiki/Aegosexual )

(4) Das wird hier auf Englisch näher beleuchtet: https://en.wikipedia.org/wiki/Split_attraction_model

(5) Das wird hier auf Englisch beschrieben: https://asexuals.fandom.com/wiki/Romoace

#Autor_innensonntag: Wo finde ich Inspiration?

Was einige Geschichten betrifft, kann ich das sehr genau sagen, bei anderen eher nicht, da kam die Inspiration sozusagen aus dem Nichts, bzw. ein Plotbunny hat laut an meine Tür geklopft. Was mich schon mehrfach inspiriert hat, waren historische Recherchen, teilweise für kleinere Details, manchmal auch für größere Plotpoints.
Ich habe eine ganze Reihe an Lieblings-Schauspieler*innen und manchmal inspirieren mich deren Rollen, oder etwas, das sie in Interviews erzählen (ein solches Beispiel gibt es weiter unten). Außerdem besetze ich gern Figuren im Geiste mit realen Schauspieler*innen, das wirft dann beim Schreiben mein inneres »Kopfkino« an.

Ich möchte nun von einigen Dingen erzählen, die mich direkt inspiriert haben. Die Kurzgeschichte »Mein Regenbogenschirm« wäre nicht möglich gewesen ohne Tom Hollands Drag-Auftritt mit Rihannas Song »Umbrella« in der Show »Lipsync Battle«, hier auf YouTube zu sehen: https://youtu.be/jPCJIB1f7jk

Auf die Handlung des Romans »Love & Crime 101« kam ich, nachdem ich ein Interview mit Oscar Isaac, Daisy Ridley und John Boyega in der »Ellen Show« gesehen habe. Wie es dazu genau kam, das habe ich in dem kurzen Video »Making Of Love & Crime 101« erzählt:
https://youtu.be/KDDAOf4C86o

Daniel Defoes »Robinson Crusoe« war natürlich eine Inspiration für die Novelle »Frei und doch verbunden«, in der zwei Männer in der Regency Ära auf einer einsamen Insel im Indischen Ozean stranden.


Die Jack the Ripper Morde im viktorianischen London, die bis heute nicht aufgeklärt werden konnten, bildeten nicht nur eine Inspiration für »Berlingtons Geisterjäger 2 – Mördernächte«, sondern kommen auch in der Handlung teilweise vor. Ich habe dafür
sehr viel recherchiert, denn es gibt viele Dokumente und Theorien zu diesen Mordfällen.


Gaston Leroux’ Roman »Das Phantom der Oper« und das gleichnamige Musical von Andrew Lloyd Webber haben mich teilweise zu »Berlingtons Geisterjäger 4: Untotentanz« inspiriert.


Dieses viktorianisches Portrait hat mich zu der Reihe »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray« inspiriert und es stand lange Zeit auf meinem Schreibtisch, während ich daran geschrieben habe.

Die romantische Komödie „Austenland“ bot mir eine lose Inspiration für „Regency Park“. In diesem Film, der auf einem Roman von Shannon Hale basiert, geht es unter anderem um ein immersives Freizeit-Event, das die Besucher*innen in die Regency-Ära und die Welt von Jane Austen eintauchen lässt.

#Autor_innensonntag: Wie versetze ich mich in meine Protagonist*innen?

Das ist eine Frage, über die ich bisher gar nicht bewusst nachgedacht habe. Was mir sicherlich hilft sind meine Hobbyerfahrungen mit Pen & Paper Rollenspiel und Liverollenspiel, bei denen ich immer wieder in andere Rollen schlüpfe, besonders stark im Liverollenspiel, denn da geht es nicht „nur“ um eine Vorstellung im Kopf, sondern auch das Verkörpern, mit Bewegung, Kostümen (Gewandungen), Requisiten und so weiter. Das hat viel auch Ähnlichkeit mit Schauspiel, nur ohne vorgegebene Rollen, Texte, Regieanweisungen.

Ich fühle mich also oft in andere Figuren hinein. Und dann frage ich mich: Was empfindet diese Figur in dieser oder jener Situation. Wie würde ich reagieren? Wie reagiert sie? Ist es bei ihr wie bei mir oder anders, weil diese Figur ganz anders ist als ich?

Ich neige oft dazu, Figuren zu schreiben, die mir in mancher Hinsicht ähnlich sind, z.B. ängstlich in manchen Situationen, eher schüchtern oder unsicher im Umgang mit Menschen, oder zurückhaltend, gelassen und ruhig. Vermutlich, weil ich mich in solche Figuren am leichtesten hineinfühlen kann.

Ich habe auch schon ganz im Sinne von Own Voices über Themen geschrieben, die mich selbst betreffen, z.B. Queerness, eine Gehbehinderung, die bipolare Störung/Neurodivergenz und Depressionen. Da habe ich natürlich dann auch eigene Erfahrungen mit einfließen lassen, ohne dass die entsprechenden Geschichten autobiografisch geworden sind.

Aber natürlich habe ich auch schon ganz andere Charaktere geschrieben, z.B. so richtig fiese, menschenverachtende Antagonist*innen. Und wenn ich mich in diese hineinversetzen möchte, oder auch in Figuren, die mir kaum ähnlich sind, dann lasse ich mich von dem inspirieren, was ich aus der Popkultur kenne.

Oft gibt es, gerade in der Phantastik, aber auch darüber hinaus Tropes und Archetypen, hier einige Beispiele: Der Heiler. Die weise Alte. Die Kriegerin. Gelehrte und Mentor*innen. Zauberkundige Figuren. Smarte Detektiv*innen. Bücherwürmer, die sich viel Wissen angeeignet haben. Der lustige Sidekick, der für Lacher sorgt. Der Love Interest. Die Freundin, die mit einem Pferde stehlen gehen würde. Und so weiter. Mit anderen Worten, es gibt bestimmte Figurentypen, die immer wieder auftauchen, in tausend Varianten. Und entsprechend frage ich mich dann beim Schreiben: Wie tickt diese Figur? Was ist ihr wichtig, was ist ihre herausragendste Motivation? Was sind ihre Schwächen und Stärken? Je genauer ich das weiß, desto besser kann ich die Figur so schreiben, wie sie sein soll. Um das zu erreichen, habe ich z.B. schon mal „Protagonist*innen-Interviews“ geführt (siehe z.B. diese englischsprachige Vorlage: https://www.helpingwritersbecomeauthors.com/nanowrimo-outlining-character-interviews/)

Teilweise sind solche archetypischen Charaktere mit einigen Klischees verbunden und da ist es natürlich eine Herausforderung, entweder die Klischees zu demontieren, sie quasi auf den Kopf zu stellen, oder sie bewusst einzusetzen, ohne zu tief in die Klischeekiste zu greifen.

Last but not least: Ein Trick, den ich mir angeeignet habe und der ein bisschen schräg klingen mag: Ich „besetze“ gern, wenn auch nicht immer, Hauptfiguren gedanklich mit real existierenden Schauspieler*innen – das hilft mir oft sehr, mein inneres Kopfkino anzukurbeln. Ich verrate aber nicht, wen ich da für welche Figur besetze, denn ich möchte Leser*innen nicht meine Vorstellung einer Figur überstülpen. Letztendlich entsteht ja meistens im Kopf von Lesenden ein ganz eigenes Bild von einer Figur.

Meine Empfehlungen für mehr Vielfalt im Bücherregal

Dieses Thema gibt es im Rahmen des #Autor_innensonntags von Justine Pust.

Wenn ihr gern Phantastik lest, schaut gern mal auf diese Liste – die dort aufgelisteten Autor*innen sind queer, BI_PoC oder auf andere Weise divers, zum Teil auch intersektional (Teil mehrerer marginalisierter Gruppen):
https://bit.ly/diversePhantastikAutor_innen (oder den QR Code im Bild nutzen).

Und hier folgen einige weitere Empfehlungen:

Tommy Herzsprung schreibt Gay Bücher und Thriller

Der Buchblog »Like a dream« berichtet seit über 15 Jahren über queere Literatur, darunter auch Jugendbücher.

Linus Giese hat ein Buch über seine Lebensgeschichte als trans Mann veröffentlicht (»Ich bin Linus«) und ist als Buchblogger aktiv.

Schwarzrund ist Autor*in der Bücher »Biskaya« und »Quasi«.

Abschließend einige empfehlenswerte (nonfiction) Bücher zum Thema Antirassismus:

exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen
von Tupoka Ogette
Unrast Verlag
ISBN: 978-3897712300

Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus
von Noah Sow
Books on Demand
ISBN: 978-3746006819

Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
von Alice Hasters
Hanserblau Verlag
ISBN: 978-3446264250

Unter Weißen – Was es heißt, privilegiert zu sein
von Mohamed Amjahid
Hanser Literaturverlage
ISBN: 978-3-446-25472-5

Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken
von Mohamed Amjahid
Piper Verlag, München 2021
ISBN: 978-3-492-06216-9

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
Von Reni Eddo-Lodge 
Tropen-Verlag 
ISBN: 978-3608504194

Autor_innensonntag: Wie können wir LGBTIAQ+ unterstützen?

Ich bin queer, entsprechend ist auch mein Blickwinkel auf dieses Thema. Hier sind einige Vorschläge von mir dazu, mit mehreren verlinkten Seiten.

An die Autor*innen unter euch:
Sensitivity Reading

Wenn ihr als Autor*innen über queere (LGBTIAQ+) Menschen schreibt, aber selbst nicht queer seid (oder auf andere Weise als eure Figuren) macht euch bitte auf die Suche nach Sensitivity Readern, die es sind. Sie können euch helfen, schädliche Stereotypen, unabsichtliche Darstellungen von Mikroaggressionen oder andere problematische Dinge zu eliminieren, die ihr möglicherweise versehentlich in euren Text bringt, einfach weil ihr nicht die entsprechende Lebenserfahrungen teilt. Auf diese Weise könnt ihr problematische Darstellungen von LGBTIAQ+ Menschen vermeiden, z.B. das fürchterliche Handlungsmuster »Bury your gays«, zu dem die Autorin Elea Brandt kürzlich einen interessanten Beitrag in ihrem Blog geschrieben hat. Auf dieser Seite findet ihr Sensitivity Reader, oder fragt in Social Media:
https://sensitivity-reading.de/

Recherchieren
Sicherlich recherchiert ihr allerhand für eure schriftstellerischen Projekte, nicht wahr? Hier gibt es Recherchematerial in Sachen Diversität – auf dieser Liste findet ihr Links zu zahlreichen Texten, z.B. Blogbeiträge, Artikel, außerdem Bücher, Podcasts u.a., die sich mit Diversität und auch mit der Repräsentation von queeren Menschen befassen (Google Doc):

http://bit.ly/literaturundlinksdiversität

Hier außerdem einige englischsprachige Texte (Google Doc):

http://bit.ly/linksandtextsdiversity

Mein Essayband »Diversity in der Literatur« beschäftigt sich ebenfalls mit vielen Diversitätsthemen, auch mit queeren Menschen.

An die Leserinnen unter euch
Werft einmal einen kritischen Blick in euer Bücherregal. Seht ihr da ausschließlich Bücher von cisgender, heterosexuellen Autor*innen? Klar, bei vielen ist das nicht auf Anhieb ersichtlich und natürlich muss jede Person ganz individuell für sich entscheiden, ob, wann oder wie sie sich outet. Aber es gibt online Listen und Buchempfehlungen zu queeren (auch genannt »Own Voices«) Autor*innen – z.B. aus Buchblogs, die sich auf queere Bücher spezialisiert haben. Zwei dieser Blogs:
QueerBuch – https://queerbuch.wordpress.com/
Like a dream – https://www.like-a-dream.de/

Der sehr engagierte Blog »Wir schreiben queer« hat einen großen Autor*innen-Katalog auf seiner Webseite: https://www.wir-schreiben-queer.de/ und ist auf Facebook und Instagram aktiv.

Auch auf dieser Liste für Phantastik findet ihr Bücher von Own Voices Autor*innen:
http://bit.ly/phantastikmitdiversität

Und hier englischsprachig für Phantastik: https://queersff.theillustratedpage.net/

Last but not least hier der Vorschlag: Lest mehr Bücher mit queeren Figuren, mit queeren Geschichten. Das bietet nicht nur eine Abwechslung zur heteronormativ geprägten Mainstream-Literatur, es könnte auch euren Horizont erweitern.