Der Heldentod in der Literatur und warum er nicht mehr zeitgemäß ist

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Content Note: In diesem Beitrag erwähne ich Kriege, Terrorismus, Selbstmordattentate

Der klassische Heldentod in der Literatur geht zurück bis in die Zeit der antiken Dramen. Oftmals ist dabei einem Mann (denn meistens ist es ein cis Mann) klar, dass er im Kampf sterben wird, aber das nimmt er in Kauf, um andere zu retten.

In der heutigen Phantastik geht es meistens darum, eine ganze Welt zu retten. Zu sehen ist das auch im Superhelden-Genre, z.B. in »Avengers Endgame« (Spoiler Alert): Tony Stark opfert sich, er besiegt Thanos und rettet die Welt.

Oder in der Science Fantasy: In »Star Wars – Rogue One« (Spoiler Alert) sterben die Hauptfiguren den Heldentod, können aber noch etwas übermitteln, das für Hoffnung sorgt.

Der Heldentod stilisiert den in Kauf genommenen Tod zum edelmütigen, äußersten Mittel, um etwas Außergewöhnliches zu erreichen. Schauen wir einmal in die Geschichte, genauergesagt, in die Militärgeschichte: Wie ist es Königen und anderen Herrschern früher gelungen, ganze Heere in eine Schlacht zu schicken? Warum sind auch im vergangenen Jahrhundert Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg teilweise mit Begeisterung (zumindest anfangs) in den Krieg gezogen? Man könnte einen ganzen Essay oder auch ein Buch darüber schreiben, aber ich möchte es hier auf zwei Dinge herunterbrechen, die mit Propaganda zusammenhängen:

1. Der Feind wird dämonisiert, ihm wird die Menschlichkeit abgesprochen. Es werden Narrative von „Wir“ gegen „Die“ erzählt, wie man sie auch im Extremismus und Faschismus findet.

2. Den Soldaten wird eingeredet, es sei eine edle Sache »fürs Vaterland« zu sterben, um sie noch mehr zu motivieren.

Ein Zitat von Wikipedia:

In Kriegs- und Notzeiten heroisiert die Propaganda oft Soldaten und Gefallene, um die Kampfmoral bzw. den Durchhaltewillen zu stärken. Der Begriff „Held“ kann dann als kulturelles Muster obsolet werden, wenn heldische Eigenschaften mit negativer Rezeption rechnen müssen und/oder wenn der Begriff inflationär verwendet bzw. verwässert wird. So wurde der „Heldentod“ etwa in der Endphase des Zweiten Weltkriegs oft als Euphemismus (oder als zynischer Begriff) rezipiert – zum Beispiel wenn Angehörige wussten, dass ihr gefallener Angehöriger nicht aus Überzeugung, sondern aus Zwang in den Krieg gezogen war. (1)

Was hat das nun mit den Heldentod in der Literatur zu tun? Im Grunde ist es ganz ähnlich: Der Held (nehmen wir einmal an, es handelt sich um eine cis männliche Person) folgt einem Ehrenkodex, er stellt die Welt über sich. Die Welt oder sein Land/Reich ist seiner Ansicht nach wichtiger als er. Sein eigenes Leben ist weniger wert als sein Land. Er betrachtet es als ehrenvoll, sich für die größere Sache zu opfern. Damit dient er im Grunde nur noch anderen, nicht mehr sich selbst. Zugleich ist das eine sehr destruktive Sichtweise auf das eigene Leben. Genau dieses Narrativ wird immer wieder und wieder erzählt, wenn ein Held sich in einer Geschichte opfert und diese Form des Opfers wird meistens pathetisch überhöht.

Aber wir leben heute in einer ganz anderen Gesellschaft als noch vor ein oder zwei Jahrhunderten. Ja, auch heute, in einer Welt mit etwas weniger Kriegen als damals, gibt es noch ewig Gestrige bzw. Fanatiker*innen, die davon träumen, für ihr Vaterland oder für einen Gott zu sterben – einige davon tun dies mit terroristischen Selbstmordanschlägen.

Ansonsten hat sich die westliche Gesellschaft stark individualisiert und Patriotismus spielt zwar immer noch eine gewisse Rolle in vielen Ländern, hat aber im Vergleich zu früheren Jahrhunderten an Bedeutung verloren oder wird nur noch in bestimmten Gruppen stark betont, die sehr nationalistisch oder rechtsextrem geprägt sind.

Es gibt zwar immer noch Kriege und Kriegsschauplätze, aber es kommt nur noch selten vor, dass ein Land einem anderen den Krieg erklärt, stattdessen gibt es häufiger Bürgerkriege oder andere Konflikte. Oder aber die Kriegshandlung wird umbenannt, wie wir es gerade am Beispiel der Ukraine sehen – der russische Präsident spricht von einer »Militäroperation«, anstatt es Krieg zu nennen. Aber letztendlich handelt es sich hier um einen Angriffskrieg.

Im Podcast »Das Politikteil« von Zeit Online sagte der emeritierte Politikwissenschaftler Herfried Münkler: „Auch Russland ist eine postheroische Gesellschaft – es gibt keine Begeisterung, für ein Projekt zu sterben“(2). Und das gilt mittlerweile für sehr viele Länder, auch in Europa. Der Heldentod im großen Stil hat sich selbst quasi totgelaufen.

Insbesondere in der Phantastik und möglicherweise auch in historischen Romanen wird das alte Erzählmuster vom Heldentod aber noch immer wieder und wieder verwendet. Dahinter steckt die alte, historische Propaganda von der Aufopferung für eine größere Sache, für das Vaterland, für das eigene Volk etc. Eine Art von tödlicher Aufopferung, die nicht mehr zu unser individualisierten Gesellschaft passt, finde ich.

Natürlich gibt es auch andere Heldentode, bei der sich jemand nicht für ein ganzes Land oder eine abstrakte Idee opfert, sondern vielleicht für die geliebte Person(en), die eigene Familie oder andere Menschen/Wesen, mit denen die Person innig verbunden ist. Das ist letztendlich auch ein Heldentod, aber auf einer individuelleren Ebene gewissermaßen.

Deshalb möchte ich zu Folgendem anregen: Wenn du in deinem Manuskript einen solchen Heldentod planst – was ist der Hintergrund? Wofür oder für wen opfert sich die Figur? Ist das wirklich zwingend notwendig für deinen Plot? Gibt es auch andere Möglichkeiten in deiner Geschichte, eine Figur als heldenhaft darzustellen? Beziehungsweise was würdest du mit diesem Heldentod zum Ausdruck bringen?

Fußnoten:

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Held

(2) https://www.zeit.de/politik/2022-03/ukraine-russland-krieg-europa-herfried-muenkler-politikpodcast