Interview mit Noah Stoffers

Noah Stoffers, Foto © Marco Ansing

Interview mit Noah Stoffers

Lesezeit: ca. 7 Minuten

Amalia: Hallo Noah, danke, dass du dir die Zeit nimmst für ein Interview. Du bist als Autor*in und Lektor*in tätig. Was gefällt dir an diesen beiden Tätigkeiten besonders? Und magst du das eine lieber als das andere?

Noah: An beiden Tätigkeiten liebe ich die Arbeit mit Geschichten und mit Sprache. Was sie unterscheidet, ist die Perspektive. Beim Schreiben meiner eigenen Romane bin ich automatisch tiefer in der Geschichte. Ich kenne sie irgendwann in- und auswendig. Im Lektorat schaue ich von außen auf eine Geschichte, die jemand anderes geschrieben hat, und kann auf inhaltlicher und stilistischer Ebene Hinweise zur Überarbeitung geben.

Ich liebe es schon sehr, meine eigenen Geschichten zu schreiben. Gleichzeitig merke ich bei einem neuen Lektorat immer wieder, wie bereichernd es sein kann, an anderen Geschichten mitzuarbeiten. Das hat auch mein eigenes Schreiben verändert.

© Droemer Knaur Verlag, Buchcoverdesign: © Alexander Kopainski

Amalia: Deinen neuen Urban-Fantasy-Roman „Cage of the Moon“, der im Januar 2026 erscheint und vorbestellbar ist, durfte ich testlesen und finde ihn schön divers, du gehst auch auf unterschiedliche Kulturen ein, wie es zu einer multikulturellen Stadt wie San Francisco sehr gut passt. Wie hast du für den Roman recherchiert? Und bist du selbst schon mal in San Francisco gewesen?

Noah: San Francisco ist schon seit langem ein Traumziel von mir, aber ich war noch nicht dort. Ich habe einerseits viel zur Stadt recherchiert, durch Reiseberichte, Dokumentationen oder auch Vlogs von Bewohnern, die ihre Heimat online zeigen. Und ich wollte andererseits gerne Figuren, die San Franciscos Vielfalt widerspiegeln. Dafür habe ich zum Beispiel das Buch „American Brujeria: Modern Mexican American Folk Magic“ von J. Allen Cross gelesen oder auch Reportagen von Amerikaner*innen mit Migrationsgeschichte gesehen. Andere Sachbücher handelten zum Beispiel von der Darstellung von Vampiren im Laufe der Zeit oder von Alcatraz, das ein wichtiger Schauplatz ist. Auch Food- und Festivalblogs waren eine wichtige Inspiration. Außerdem hatte ich das Glück, dass ich von dir und auch von meiner Lektorats-Person, Lian Stollenwerk-Ganssehr wertvolle Anmerkungen bekommen habe.

Amalia: Stark, wie viel Recherche in deinem Roman steckt. Wie bist du auf die Idee zu für die Geschichte gekommen?

Noah: Den Anstoß hat ein Gespräch mit meiner damaligen Lektorin Jacqueline Wagner nach einer Lesung gegeben. Wir hatten uns über Vampir- und Werwolf-Romane unterhalten und über die Chancen, polyamore Geschichten zu schreiben. Ich wollte schon lange eine Liebesgeschichte zwischen mehr als zwei Personen schreiben und ich habe Werwölfe sehr gern. Hauptsächlich, weil ich in Pen-&-Paper-Runden regelmäßig Werwölfe gespielt habe. Vampire waren ein neues Feld für mich, aber ich wollte gern eine Heldin haben, die mindestens genauso stark ist, wie die beiden männlichen Hauptfiguren.

Gabhán, Honora und Dan. Charkterportraits
© @jessamyart

Amalia: Das ist dir aus meiner Sicht fantastisch gelungen. Welche Figur im Roman, abgesehen von deinen drei Hauptfiguren, magst du besonders, und warum?

Noah: Es hat tatsächlich Spaß gemacht, den Antagonisten Ryder Mallroy zu schreiben, der ein ziemliches Ekelpaket ist. Und ich bin ein großer Fan von Dans Kollegin, einer Art magischer Polizistin, die alleinerziehende Mutter ist, Mode liebt und sich von niemandem herumschubsen lässt.

Amalia: Mit deinem Dark-Academia/Fantasy-Roman „A Midsummer’s Nightmare“, den ich sehr empfehlenswert finde, warst du auf der Spiegel-Bestseller-Liste. Was war das für ein Gefühl für dich?

Noah: Vielen Dank für das liebe Kompliment! Die Nachricht von der Platzierung auf der Bestseller-Liste habe ich im ersten Moment überhaupt nicht geglaubt. Ich fragte sogar zurück, ob da nicht vielleicht ein Irrtum vorliegen würde, weil ich es für ausgeschlossen gehalten habe. Danach war ich aber ungeheuer glücklich. Obwohl der orange Bestseller-Sticker ja nichts über die Qualität eines Buches aussagt, tut er einiges für die Sichtbarkeit. Deshalb war das schon lange ein großer Traum von mir. Die Nachricht kam am Nachmittag meines Geburtstags an: Ich habe sehr aufgeregt meine Eltern angerufen und war dann noch eine Weile völlig aus dem Häuschen.

Amalia: Das freut mich sehr für dich. Was steht als nächstes für dich an? Schreibst du an einem neuen Projekt (falls du schon etwas darüber verraten kannst) oder arbeitest du eher an Lektoraten oder etwas anderem?

Noah: Ich habe schon zwei Romanideen, die ich sehr gerne schreiben würde, da ist aber im Augenblick noch nichts spruchreif. Außerdem habe ich im Dezember das nächste Lektorat, vorher noch eine Lesung und hoffentlich ein Seminar. Als Selbstständig*er habe ich meistens mehrere Bälle in der Luft und arbeite oft an mehr als einem Projekt.

Amalia: Du gibst auch manchmal Workshops für Autor*innen zum Thema Schreiben von trans und nichtbinären Figuren, bzw. queere Repräsentation. Was für Erfahrungen hast du damit gemacht? Schreibe auch gern, wo man deine Workshops finden kann.

Noah: Das ist eine Arbeit, die ich sehr gern mag. Gerade durch den Austausch in den Workshops. Ich gestalte sie in der Regel so, dass es einen Vortrag gibt und danach oder zwischen zwei Vortragsblöcken Diskussionen und gemeinsame Aufgaben. Meistens kommen da Menschen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und Lebenserfahrungen zusammen – was oft zu spannenden Gesprächen führen kann. Besonders oft werde ich zur Darstellung von queeren Figuren gebucht. Aber ich gebe auch sehr gern Fortbildungen rund um den Weltenbau.

Am 8. November 2025 gebe ich zum Beispiel ein Seminar für die Bücherfrauen zu queerer Repräsentation in den Medien.
https://www.buecherfrauen.de/termine/artikel/diversitaet-in-romanen-queere-repraesentation-1

Und zusammen mit Victoria Linnea und Nora Bendzko arbeite ich gerade im Hintergrund an einer Seminarreihe. Dafür gibt es hier eine unverbindliche Warteliste:
https://www.victorialinnea.de/diversitaet101-warteliste

Amalia: Apropos Diversität – sprechen wir kurz über progressive Phantastik und Diversität. Was hat sich aus deiner Sicht in den vergangenen paar Jahren diesbezüglich auf dem Buchmarkt verändert? Ist die Phantastik zumindest teilweise progressiver geworden oder war mehr Diversität in der Literatur nur eine Art kurzer Trend?

Noah: Ich habe schon den Eindruck, dass Bücher mehr Diversität zeigen als vor zehn Jahren und dass die Repräsentation auch immer besser gelingt. Sowohl bei deutschsprachigen Autor*innen als auch bei Übersetzungen sehe ich mehr Own-Voice-Romane und auch viele Autor*innen, die sich sichtlich um gute Repräsentation bemühen. Ich glaube, das ist die stärkste Veränderung. Gleichzeitig ist Progressivität in den Medien generell eher ein Marathon als ein Sprint. Die Strukturen in den Verlagen verändern sich nicht so schnell und der Markt ist nicht von jetzt auf gleich ein komplett anderer.

Er ist gefühlt in den letzten Jahren sogar noch härter, noch schnelllebiger geworden – was natürlich gerade mit zum Beispiel chronischen Erkrankungen, geringem Einkommen oder als Alleinerziehende kaum zu stemmen ist. Also können Marginalisierte härtere Produktionsbedingungen im Zweifel noch schlechter wegstecken.

Und natürlich schreibt auch nicht die gesamte Buchbranche nur noch Romane voller Diversität. Viele Alteingesessene bleiben seit Jahren ihren Themen treu und haben schlicht kein Interesse an progressiven Büchern. Manche lehnen sie sogar regelrecht ab, vielleicht weil sie sich von dieser Entwicklung bedroht fühlen.

Also ich würde sagen, es gibt einen merklichen Fortschritt – aber eben auch noch Luft nach oben.

Amalia: Wenn du zwei Wünsche frei hättest, was würdest du dir von Leser*innen und dem deutschsprachigen Buchmarkt wünschen?

Noah: Von den Lesenden würde ich mir wünschen, dass sie sich auf Bücher einlassen, die die Lebensrealität von Marginalisierten oder schlicht anderen Kulturen abbilden – gerade auch dann, wenn es mit Gewohnheiten bricht und vielleicht mal herausfordernd ist. Bitte gebt diesen Büchern eine Chance! Und wenn sie euch gefallen, dann feiert sie genauso, wie berühmte Titel.

Vom Buchmarkt würde ich mir wünschen, dass er anfängt, seine Strukturen aufzubrechen. Wir stecken alle in finanziellen Zwängen, aber wenn Autor*innen unter dem Druck, gleichzeitig im Akkord zu schreiben und ihre Bücher zu bewerben, zusammenbrechen, dann hat der Buchmarkt dauerhaft nichts davon. Gebt uns mehr Zeit und mehr Unterstützung beim Marketing. Gerade auch bei ungewöhnlichen Ideen, die vielleicht ein Risiko darstellen.

Amalia: Danke für deinen Aufruf an die Lesenden und den Buchmarkt. Gibt es noch etwas, was du gern ansprechen möchtest?

Noah: „Cage of the Moon“ ist mein erster romantischer Fantasy-Titel. Ich habe großen Respekt davor, über Liebe, Romantik und Bettgeflüster zu schreiben. Gerade, weil es keine Kleinigkeit ist, diese Gefühle in Worte zu packen. Aber natürlich wird es auch wieder Geheimnisse, Verbrechen und einen magischen Weltenbau geben. Der Roman erscheint Mitte Januar 2026 und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie er den Lesenden gefällt.

Herzlichen Dank, dass du ihn noch in der ersten Fassung gelesen hast. Das hat definitiv Spuren auf den Seiten hinterlassen. Und vielen Dank für das Interview!

Amalia: Vielen Dank auch von mir für das Vertrauen beim Testlesen und dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Last but not least: Wo kann man dich online finden? (Deine Webseiten und/oder Social Media Profile)

Noah:

Am ehesten auf Instragram: https://www.instagram.com/noah.stoffers

Aber auch hier:

Threads: https://www.threads.com/@noah.stoffers

TikTok: https://www.tiktok.com/@noah.stoffers

Lektorats-Webseite: https://www.textpfade-lektorat.de/

Bücher
Die Verlagsseite von „A Midsummer’s Nightmare“
https://www.droemer-knaur.de/buch/noah-stoffers-a-midsummer-s-nightmare-9783426530177

Die Verlagsseite von „Cage of the Moon“
https://www.droemer-knaur.de/buch/noah-stoffers-cage-of-the-moon-9783426564752

Bücher von Noah Stoffers im Amrûn Verlag:
„Berlin – Rostiges Herz“ https://amrun-verlag.de/produkt/berlin/

„Berlin – Magische Knochen“ https://amrun-verlag.de/produkt/berlin-magische-knochen-band-2/