Belletristik mit Figuren, die vegan leben

Auf die Idee zu diesem Beitrag kam ich durch einen Austausch mit Simon, danke dafür. Mein persönlicher Bezug zum Thema Veganismus: Ich bin seit ca. 1994 Vegetarierin, kaufe und esse aber mittlerweile, soweit es mir möglich ist, vegan. Das gilt nicht nur fürs Essen, sondern auch für Haushaltsmittel, Kosmetik und Kleidung.

Ich erinnere mich noch an Zeiten, in denen sich Vegetarier*innen und Veganer*innen ständig Witze oder herablassende Kommentare über ihre Lebensweise anhören mussten. Ich frage mich, ob Entsprechendes früher auch in der Belletristik zu finden war, habe aber keine entsprechenden Geschichten gelesen, bzw. kann mich nicht daran erinnern.

Nach und nach gab es dann immer mehr vegane Produkte in Supermärkten, Drogerien und anderen Geschäften. Zum Glück ist das bis heute so. Mittlerweile haben auch die Witze und abwertenden Kommentare nachgelassen, zumindest ist das meine Erfahrung. Bzw. ich bewege mich nun wohl offline und online mehr in „Bubbles“, die veganfriendly sind. Aber es gibt immer noch viele Leute, die sich schon allein durch das Stichwort Veganismus provoziert fühlen, bzw. in ihrer omnivoren Lebensweise angegriffen fühlen. Dazu muss man sich nur mal entsprechende Kommentarspalten im Internet ansehen. (Spoiler: Kann ich nicht empfehlen, es sei denn, ihr habt Lust auf Diskussionen mit beratungsresistenten Menschen.)

Nun möchte ich euch gern einige Bücher mit Figuren vorstellen, die vegan leben. Bitte beachten: Ich habe die meisten dieser Bücher (noch) nicht selbst gelesen, sie wurden mir empfohlen. In drei Fällen kann ich aber Rezensionen von mir verlinken. Ich verlinke auch die Seiten der Autor*innen oder Verlage, wo es möglich ist. Es sind verschiedene Genres dabei, darunter einiges an Romance und verschiedene Subgenres der Phantastik.


„A Kind (of) Demon“ von Simon Rhys Beck
(Urban Fantasy) Der gefallene Engel Daraqael ist im Himmel durch unbequeme Fragen unangenehm aufgefallen und hat sich für Tierschutz eingesetzt, z.B. war er gegen Tieropferungen in der Antike. Das Thema Veganismus und Tierschutz kommt im Roman mehrfach vor. Der Autor beschreibt den Roman auch als „Engel/Dämon Rom Com“
und das finde ich sehr passend, weil das Buch viel Humor bietet.

Meine Rezension: https://www.lovelybooks.de/autor/Simon-Rhys-Beck/A-Kind-of-Demon-12270855919-w/rezension/12485008667/
Die Verlagsseite des Buches: https://www.deadsoft.de/detail/index/sArticle/582


„Yadriel und Julian – Cemetery Boys“ von Aiden Thomas
Die Nebenfigur Maritza ist Veganerin und lässt sich auch in Bezug auf ihre spirituelle Praxis als Bruja (eine Art Hexe) nicht davon abbringen. Für Veganer*innen ist der Roman allerdings eventuell schwer zu lesen, denn die übrigen Brujx verwenden häufig Tierblut für ihre magischen Aktivitäten. Aiden Thomas‘ Webseite: https://www.aiden-thomas.com/

„Im Bann der Mondklinge“ von Skalabyrinth hat eine vegane Hauptfigur.
Das Genre beschreibt Skalabyrinth als „Splatter-Erotik-Roman, Dark Funtasy, Morbider Humor“
Link zum Buch: https://www.skalabyrinth.org/books/ImBannDerMondklinge.html

In „Die Schwarze Träumerin“ und „Nicht schon wieder Ragnarök“ von Patricia Eckermann ernähren sich die Hauptfigur Josina und ihre WG-Mitbewohnerin Kamille vegan. Das Genre ist eine Mischung aus Urban Fantasy, Romantasy, High Fantasy verbunden mit nordischer Mythologie, und ich kann diesen Zweiteiler sehr empfehlen.
Meine Rezensionen (auf Lovelybooks):
Die Schwarze Träumerin
Nicht schon wieder Ragnarök
Die Seite der Autorin: https://antagonisten.de/romane-sachbuecher

In „Die Mauern um unsere Herzen“ (Gay Romance) von Celia Jansson
zieht die Hauptfigur in eine vegane WG.
Die Webseite der Autorin: https://celiajansson.blogspot.com/p/texte.html

„Vergiss mein nicht – eine tierisch schöne Liebesgeschichte: Nicht nur für Veganer“ von Katja Hildebrandt. Die Protagonistin Line wird im Laufe der Handlung Veganerin.
Die Webseite der Autorin: https://katjahildebrandt.de/

„Veganes Schnitzel zum Verlieben: Liebesroman“ von Annette Böhler
handelt von der veganen Foodbloggerin Ella.
Link zum Buch: https://www.annetteboehler.com/liebesromane/

Ich habe in der Buchbubble nachgefragt, wer noch passende Bücher kennt.
Folgende wurden mir genannt:

Ich zitiere: „Der Mausbiber Gucky aus „Perry Rhodan“ ist selbstverständlich vegan.“

In dem High Fantasy Roman „Die Melodie der Wünsche“ von Anne Herzel gibt es mehrere vegetarische und vegan lebende Figuren.
Anne Herzels Linktree: https://linktr.ee/wellenbuch

In der Trilogie „Wood Love“ (Band 1 heißt „WOOD High LOVE“) von D.C. Odesza ist die Hauptfigur Lova Veganerin. Das Genre wird beschrieben als düstere, verbotene Liebesgeschichte. Die Webseite der Autorin: https://dcodesza.com/

Die „Anno Initium“-Trilogie von Dinko Skopljak (Band 1 heißt: „Die Gestrandeten“)
Das Genre ist Horror/Postzombieapokalypse. Ich zitiere aus einem Beitrag im Fediverse: „Veganismus ist hier zukunftsweisend und unter den Haupt- und positiven Nebencharakteren absolut normalisiert. Es wird höchstens an einer oder zwei Stellen in einem Konflikt mit omnivor lebenden Menschen thematisiert. Hinterfragenswert ist in dem Fall immer omnivor, nie vegan. (Der Autor schreibt daneben auch entgendert.) In Anbetracht des Genres aber nichts für empfindlichere Menschen.“
Link zum Buch: https://abookalypse.com/de/

„Skye – Götter des Nordens“ von Lea McMoon ist ein Young Adult Fantasy Roman/Romantasy mit einer vegan lebenden Hauptfigur.
Link zum Buch: https://www.elavandemaan.de/young-adult-books-lea-mcmoon/skye-goetter-des-nordens/

Nora Bendzko schrieb mir:
„Ich habe eine wichtigere Figur in „Die Götter müssen sterben“, die auch zentral im Sequel „Die Helden sind tot“ eine Rolle spielt. Der junge Orphiker Kaystros lebt vegan, wie alle in seiner Bruderschaft.“
Die Webseite der Autorin: https://norabendzko.com/mein-schreiben/veroeffentlichungen/die-goetter-muessen-sterben/

Das folgende Buch gibt es nur auf Englisch, ich zitiere Lena Richter:
„The Terraformers“ von Annalee Newitz. „Das spielt in einer weit entfernten Zukunft auf einem Planeten, der über mehrere Generationen terraformt und für Menschen bewohnbar gemacht wird. Da es da ein „Uplifting“ gab, also einen Vorgang, bei dem Tiere ein Bewusstsein entwickelt haben, gilt da selbst das halten von Tieren zum Zweck von Melken usw., unter den dort lebenden Humanoiden als schockierend und falsch, gibt es sogar einen Konflikt zu. (Also weil es unter einigen der sich dort ansiedelnden Menschen einen seltsamen Trend gibt, wieder „traditionell“ leben zu wollen, inklusive Herdentieren. Das wird aber, wie gesagt, als falsch und grausam geschildert, es ist also insgesamt eine Welt, in der veganes Leben (natürlich mit futuristischen (Lebens-)Mitteln) der Normalzustand ist.“
Annalee Newitz‘ Webseite: https://www.techsploitation.com/#/sciencefiction/

Aiki Mira schrieb mir:
„Rain in Titans Kinder lebt vegan, ist aber wie Rains Asexualität kein großes Thema sondern Alltag auf der Erde und auf Titan – vegan zu leben wird aber thematisiert, weil es im Roman um Ethik und Leben geht.“ Das Genre ist Space-Utopie.
Aiki Miras Webseite: https://aikimira.webnode.page/projekte/

„Sanguen Daemonis“ von Anna Zabini
Die Figur Sivan lebt vegan. Das Genre des Buches Dark Fantasy/Urban Fantasy/Queer Fantasy.
Die Verlagsseite: https://www.ohneohren.com/sanguen-daemonis

In dem humorvollen Roman „Alles Tofu, oder was?“ von Ellen Berg geht es um eine vegan lebende Protagonistin, die auch ein veganes Restaurant betreibt.

Die Verlagsseite des Buches: https://www.aufbau-verlage.de/aufbau-taschenbuch/alles-tofu-oder-was/978-3-7466-3128-8

Buchbloggerin Simone nannte mir auf Instagram außerdem die folgenden Bücher:

„Conveniently in Bloom“ von Elise Kennedy (nur auf Englisch erhältlich)
Elise Kennedys Webseite: https://elisekbooks.com/

„All of my Friends are Rich“ von Michael Sarais (nur auf Englisch)
Michael Sarais‘ Webseite: https://www.michaelsarais.com/

„Love on the Brain“ von Ali Hazelwood hat zwei vegane Hauptfiguren.
Ali Hazelwoods Webseite: https://alihazelwood.com/

Im zweiten Band der Queer Romance Reihe „Boyfriend Material“ ( mit dem Titel „Husband Material“) von Alexis Hall ist einer der Hauptcharaktere vegan.
Alexis Hall Webseite: https://quicunquevult.com/

„The Charm Offensive – Wenn die Klappe fällt, beginnt die Liebe“ von Alison Cochrun, das ist ein Debütroman. Alison Cochruns Webseite: https://www.alisoncochrun.com/

Last but not least ein eigenes Buch: Mein Liebesroman „Orangen und Schokolade“: Der Protagonist Thomas ist Fitness-Blogger und Veganer. Das bietet auch der Protagonistin Sarah einige Gedankenanstöße im Laufe der Handlung.

Und ein Ausblick: In meiner Buchreihe „Hexen in Hamburg“ sind alle sechs Hexen veganfriendly, Alannah und ihre Lebensgefährtin Franziska sind außerdem Veganerinnen. Alannah wird in Band 3 der Reihe zur Hauptfigur. Dieser Band erscheint, wenn alles klappt, im nächsten Jahr.

Und hier noch zwei Infos rund um Veganismus:
Im Januar war wie jedes Jahr der Veganuary, auf der entsprechenden Webseite und darüber hinaus finden sich viele Anregungen, Veganismus auszuprobieren, auch eine Fülle an Rezepten.
Am 1. November ist der Welt-Vegan Tag. Mehr zu diesem Aktionstag gibt es z.B. hier: https://vegan-day.org/de/
Aber natürlich gilt, wie bei allen anderen Aktionstagen oder -wochen: Veganer*innen leben das ganze Jahr über vegan. Entsprechend kann mensch natürlich auch die Tipps von der oben genannten Veganuary-Seite das ganze Jahr über ausprobieren. Wenn ihr das macht, wünsche ich euch viel Freude dabei.

Was erwartet euch in meinen Büchern?

Ich habe hier einige Inhaltshinweise zu meinen Büchern von A bis Z zusammengestellt und die Buchseiten verlinkt. Vielleicht ist ja etwas Interessantes für euch dabei.

All-Age
Queer durch die Märchenwelt: Der Prinz, der mich liebte
Kurzgeschichte: »Mein Regenbogenschirm«

a_sexuelles Spektrum: Hauptfigur
Kurzgeschichte „Nach dem Kuss“ in der Anthologie „Beweisstück A“
Kurzgeschichte „Mein Regenbogenschirm“
Sergeant Vincent Wright in „Der Stern des Seth“
Die vielen Farben der Liebe
Fanfiction „Visit Our Fundraiser Concert With Crowley and the Demons“

Body Positivity
Orangen und Schokolade

Coming-Out
Kurzgeschichte »Mein Regenbogenschirm«

Depressionen: Konstruktive Auseinandersetzung damit,
auch innerhalb einer Beziehung
Die Rolle seines Lebens
An seiner Seite

Freundschaft
Buchreihe »Berlingtons Geisterjäger«
Buchreihe „Hexen in Hamburg“

Grusel, Geister
Buchreihe »Berlingtons Geisterjäger«
Gothic Novelle »Geisterhaft«

(Moderne) Hexen, Heidentum/Paganismus
Buchreihe „Hexen in Hamburg“

Hexenkunst, Magie (Fantasy)
Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“
Buchreihe „Hexen in Hamburg“

Humor
Queer durch die Märchenwelt: Der Prinz, der mich liebte

Konsens ist sexy
(konsensueller Sex und Consent Talk, also Gespräche über Bedürfnisse, Wünsche Vorlieben und No Gos beim Sex)
Ein göttliches Paar
Die Rolle seines Lebens
An seiner Seite
Love & Crime 101

Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Theatergeist
Rost und Rosen
Regency Park
Die vielen Farben der Liebe

Kriminalfälle
Buchreihe »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray«
Post Mortem – ein viktorianischer Krimi mit Mrs und Mr Fox
In Vino Veritas – ein viktorianischer Krimi mit Mrs und Mr Fox
Memento Mori – ein viktorianischer Krimi mit Mrs und Mr Fox

Berlingtons Geisterjäger 2 – Mördernächte

Liebe, lesbisch
Buchreihe »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray«
Buchreihe »Berlingtons Geisterjäger«
Rost und Rosen
Die vielen Farben der Liebe

Liebe, queer (z.B. schwul und bi)
Buchreihe »Berlingtons Geisterjäger«
Die Rolle seines Lebens
An seiner Seite
Love & Crime 101

Das Herz eines Rebellen
Frei und doch verbunden
Ein Mann namens Flora
Maskiert

Ein göttliches Paar
Queer durch die Märchenwelt: Der Prinz, der mich liebte
Die vielen Farben der Liebe
Regency Park

nichtbinäre Hauptfigur, die Neopronomen nutzt
Ein göttliches Paar
Kurzgeschichte „Mein Regenbogenschirm“
Regency Park
Fanfiction „Visit Our Fundraiser Concert With Crowley and the Demons“

Rezepte im Buch zum Nachkochen/-backen
Orangen und Schokolade

Schauspiel, Schauspieler*innen
Die Rolle seines Lebens
An seiner Seite
Love & Crime 101

Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Theatergeist
Sein wahres Selbst
Regency Park

trans Hauptfiguren
Buchreihe »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray«
Sein wahres Selbst

Untote oder vergleichbare Figuren
Berlingtons Geisterjäger 4 – Untotentanz
Vanfarin – Von Untoten und Totems

Zusammenarbeit von sehr verschiedenen Leuten
Der Stern des Seth
Vanfarin – Von Untoten und Totems
Buchreihe »Berlingtons Geisterjäger«

Für mehr Diversität im Bücherregal

Neulich schrieb mir jemand im Fediverse, er fühle sich nicht »divers« genug für Phantastik mit Diversität. Er sei ein monogamer cis hetero Mann. Und da möchte ich gern widersprechen. Heute richte ich mich einmal an alle, die diesen Beitrag lesen und straight (heterosexuell), cis und weiß sind. Oder auch ablebodied anstatt behindert, neurotypisch, allosexuell, nicht von Armut betroffen – mit anderen Worten: ich wende mich mit diesem Beitrag an Leute, die nicht einer oder mehreren marginalisierten Minderheiten angehören.

Das Lesen von Belletristik fördert die Empathie und das Sich-Hineinversetzen-Können in andere Lebenswelten. Dazu gibt es übrigens auch psychologische Studien, von denen einige z.B. Elea Brandt in ihrem lesenswerten Blogbeitrag „Ist Phantastik unpolitisch?“ verlinkt hat.

Wer aber als weißer cis hetero Mensch immer nur Bücher von anderen weißen cis hetero Menschen liest, die wiederum nur von weißen cis hetero Menschen handeln … ihr ahnt es schon, so hat man wenig Chancen, sich literarisch in die Erfahrungswelten von Menschen hineinzuversetzen, die nicht so sind, wie man selbst. Zum Beispiel queer. Oder Schwarz. Oder neurodivergent. Oder behindert. Oder oder oder … es gibt viele Diversitätsthemen.

In den USA gibt es zurzeit rechtskonservative bis hin zu noch rechteren Intiativen, die massiv Bücherzensur betreiben und bestimmte Bücher in Bildungseinrichtungen verbieten (googelt mal »Banned Books«). Davon sind auch Klassiker der Weltliteratur betroffen, sowie überdurchschnittlich viele Bücher über marginalisierte Themen, häufig auch von marginalisierten Autor*innen. Es gibt dort also immer mehr Menschen, die wollen, dass nur noch die Lebenswelten von weißen cis hetero Menschen in Büchern Gehör finden. Und wer sich fragt, zum Glück gibt es auch Gegenintiativen, die gegen diese Bücherzensur ankämpfen.

In Deutschland gibt es zurzeit keine Bücherzensur dieser Art und ich hoffe sehr, dass das auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten so bleibt.

Und was können wir heute tun? Ich bin bei weitem nicht die erste Person, die darüber schreibt, aber ich möchte auch gern daran erinnern, falls ihr noch nichts in der Richtung gehört oder gelesen habt: Liebe nicht marginalisierte Lesefans, bitte diversifiziert eure Bücherregale, wenn ihr dazu die Möglichkeit habt – zusätzlich zu dem, was ihr sonst so lest. Auf die Weise findet ihr vielleicht auch die eine oder andere Bücherperle, die euch sonst entgangen wäre. Viel Freude beim Lesen.

Über die Serie Good Omens, Queere Repräsentation, Queerbaiting und ein Cosplay

Fanart mit freundlicher Genehmigung von Wisesnail. (links Aziraphale, rechts Crowley)
Wisesnail ist hier zu finden:
Redbubble | Tumblr | Instagram | Linktree

Lesezeit: ca. 6 Minuten
Bitte beachten: Dieser Blogbeitrag enthält Spoiler für die 2. Staffel von „Good Omens“, insbesondere Folgen 5 und 6. Außerdem Spoiler für die letzte Staffel der Serie »Supernatural«.

Am ersten Augustwochenende habe ich Staffel 2 von „Good Omens“ zu Ende geschaut und bin ein bisschen fassungslos im positiven Sinne, dass sie es tatsächlich durchgezogen haben mit einer Lovestory zwischen Crowley und Aziraphale (der deutsche Name dieser Figur ist Erziraphael, aber ich bleibe nun bei der englischen Version). Die Cafébetreiberin Nina spricht Crowley zunächst darauf an, wie lange er denn schon mit Aziraphale zusammen sei und er wehrt das ab. Ich dachte mir an der Stelle, das sei die einzige Szene, in der dieses Thema überhaupt beleuchtet wird. Weil ich Queerbaiting (1) schon sooo lange gewohnt bin.

Ich erinnere mich z.B. noch an die Serie »Supernatural« und all die Fans, die sich eine Liebesgeschichte zwischen Dean Winchester und dem Engel Castiel erhofften (das Shipping wurde »Destiel« genannt). Auch ich habe eine Weile lang darauf gehofft, vergeblich. Stattdessen gab es dort nur Queerbaiting, bis zum bitteren Ende. Bzw. das Ende war dann halt auch nicht wirklich ein Happy End für diese beiden Figuren, auch wenn Castiel immerhin eine direkte Liebeserklärung an Dean aussprechen durfte.

Und ich fange jetzt mal nicht an von all den anderen Geschichten, in denen es höchstens mal Andeutungen in Richtung Queerness gab, die man mit der Lupe suchen musste. Das ist teilweise auch heute noch so. Und ich fange auch nicht an von all den negativen Tropes wie „Bury your gays“ (2) und „depraved bisexual“, „sissy villain“ und so vielen anderen mehr, mit denen ich aufgewachsen bin.

Zurück zu „Good Omens“: Später sprechen Nina und Maggie mit Crowley noch einmal und raten ihm dazu, dass er mit Aziraphale über seine Gefühle sprechen sollte. Das bringt wohl einiges bei ihm ins Rollen. Und nicht zu vergessen, es gibt in dieser Staffel auch noch eine Lovestory zwischen einem anderen Engel und einem anderen Dämon.

Womit ich absolut nicht gerechnet habe und auch das ist dem jahrelangem Queerbaiting in so vielen Filmen, Serien etc. geschuldet: Crowley küsst Aziraphale und das nicht mal eben so ein bisschen, sondern leidenschaftlich und aus meiner Sicht sehr passend für die entsprechende dramatische Szene.

Apropos, Neil Gaiman hat auf Tumblr eine ganze Menge Fragen von Fans zu Good Omens beantwortet – ein Fan hat sie alle zusammengetragen. (3) Eine dieser Fragen (Übersetzung aus dem Englischen von mir):
Frage: Lieben Crowley und Aziraphale einander?
Neil Gaimans Antwort: “ (…) wenn jemand, der die erste und zweite Staffel von Good Omens gesehen hat, nicht verstanden hat, dass Aziraphale und Crowley sich lieben, dann wird er es nie erkennen, und der Kuss ist nicht dazu da, um zu zeigen, dass sie verliebt sind.“

Und es gibt noch andere queere Details und damit meine ich nicht nur die beiden queeren Frauen Nina und Maggie. Niemand anderes als Gott hat in der englischen Originalversion die Pronomen they/them (was nur ganz kurz einmal auftaucht und mir fast entgangen wäre). Das könnte man so betrachten, dass Gott in diesem Urban-Fantasy-Universum genderqueer, nichtbinär oder vielleicht multigender oder agender ist.

Und über all das regen sich nun offenbar die Leute auf, denen das „viel zu woke“ sei. („Woke“ ist ja mittlerweile ein Kampfbegriff aus dem rechten politischen Spektrum.) Harlows Stories zitierte auf Instagram einen Kommentar auf Youtube, unter einem Video zur 2. Staffel: „Die zweite Staffel ist ja sehr politisch korrekt. Werde mir die Serie nicht weiter anschauen.“ Ich fürchte, es wird noch viele solcher Kommentare zur 2. Staffel geben, die sich insbesondere über die queere Repräsentation aufregen.

Sonja Rüther schrieb ebenfalls auf Instagram in einem anderen Zusammenhang (4): »Letztens las ich unter einem Beitrag, dass es unerträglich sei, dass nun in „jedem Roman“ die Figuren queer wären und alle AutorInnen diesen „Trend“ mitmachen.« Diese Kritik sehe ich mittlerweile auch öfter mal bei Filmen und Serien. Darauf hatte ich Sonja Rüther geantwortet: »Es gibt immer noch sehr viele Geschichten ganz ohne queere Figuren und auch ohne sonstige Diversität. Außerdem: Diversität aller Art hat es schon immer gegeben, sie wird nur gerade sichtbarer, auch durch Social Media. Aber sie ist gewiss kein neuer „Trend“.« In diesem Zusammenhang kann ich einen englischsprachigen Blog der nichtbinären Autory T. Thorn Coyle empfehlen: „Subtracting Homogeneity“. (5)

Wie könnte es mit einer möglichen Staffel 3 weitergehen? Dazu habe ich diesen englischsprachigen Artikel auf Screenrant gefunden, der auch Neil Gaiman zitiert. Bitte beachten, auch dieser Artikel enthält Spoiler für Staffel 1 und 2. Sollte es aus welchen Gründen auch immer nicht zu einer Staffel 3 kommen, hat Neil Gaiman bereits angekündigt, dass er stattdessen einen entsprechenden Roman schreiben wird. (6)

Und ein Cosplay
Seit der Pandemie habe ich mein Hobby Fantasy-LARP an den Nagel gehängt und ich bin auch nicht mehr in der Steampunkszene aktiv, aber die Lust an Kostümen und Verkleidungen bzw. auch die Freude am in andere Rollen schlüpfen ist mir geblieben. Es kommt allerdings nicht so oft vor, dass mich fiktive Figuren so sehr begeistern, dass ich ein Cosplay machen möchte. Bei Aziraphale und Crowley war es sozusagen Liebe auf den ersten Blick, schon bei Staffel 1. Durch einen Austausch mit meiner Metamour (7) über Cosplay-Ideen sind wir darauf gekommen, dass ich ein Aziraphale-Cosplay machen könnte und sie eines für Crowley.

Ich habe bei Vinted schon günstige Kleidung für Aziraphale gefunden. Eine weiße Jeans, einen weißen Blazer, eine beigefarbene Weste. Ein weißes Hemd mit dünnen Streifen habe ich sowieso schon im Kleiderschrank und mit einer karierten Fliege ist das Outfit perfekt. Außerdem eine schicke Teetasse mit Untertasse und eine Taschenuhr. Ich habe auch den weißen Becher mit Flügeln statt Henkel gefunden, der hin und wieder in der Serie zu sehen ist. Und da Aziraphale eine Buchhandlung betreibt, überlege ich nun ersthaft auf Phantastikconventions, auf denen ich als Autorin mit einem Bücherstand vertreten bin, mal mit meinem Aziraphale Cosplay aufzuschlagen. Ich nehme dann auch eine Taschenbuchausgabe von »Good Omens« mit.

Fußnoten
1) Was ist Queerbaiting? https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/was-ist-queer-baiting-und-queer-coding/
2) Ein empfehlenswerter Blogbeitrag über das Trope „Bury your gays“ von Elea Brandt:
https://eleabrandt.de/2020/12/09/dont-bury-your-gays/
3) Das Google Doc von Orpiknight mit dem FAQ zu „Good Omens“
4) In diesem Beitrag: https://www.instagram.com/p/CvmpoAZtIo3/
5) Der Blog von T. Thorn Coyle: https://tthorncoyle.substack.com/p/subtracting-homogeneity
6) siehe z.B. https://www.themarysue.com/good-omens-season-3s-story-will-be-told-one-way-or-another/
7) Was bedeutet Metamour? https://polyamory.wiki/Metamour

Love is Love. Oder?

Heute ist wieder der internationale Tag gegen Queerfeindlichkeit. Und am 1. Juni beginnt der Pride Month. In diesem Zusammenhang hatte ich schon im vergangenen Jahr einen Instagrambeitrag geschrieben, den ich gern noch hier in meinen Blog übertragen und bei der Gelegenheit auch aktualisieren wollte.

Es geht mir um den beliebten Spruch „Love is love“. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde ihn zwiespältig, denn: Wir sind als Gesellschaft noch lange nicht da, dass Liebe einfach Liebe ist, ganz egal, wer wen liebt. Wäre ja schön, wenn es so wäre, aber noch ist das eine Utopie.

Weil es immer noch an allen Ecken und Enden überall auf der Welt Queerfeindlichkeit gibt. Siehe z.B. diesen aktuellen Artikel von Queer.de.Teilweise flammt sie auch dort wieder auf, wo sie teilweise schon zumindest in politischen Beschlüssen überwunden war – man schaue sich nur mal die transfeindlichen neuen Gesetze in einigen Staaten der USA an. Weil es immer noch teilweise mit der Gleichberechtigung queerer Menschen erheblich hapert. Auch der Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz, der nun öffentlich einsehbar ist, sorgt für Kritik (siehe z.B. diesen Artikel.)
Weil sich viel zu viele Menschen über inklusive Sprache (Gendern) oder über Neopronomen aufregen. Weil „Love is love“ Teile der queeren Community nicht berücksichtigt, z.B. aromantische Menschen, bzw. auch andere Leute auf dem a_sexuellen Spektrum. Der Spruch berücksichtigt übrigens auch nicht, dass Queerness sich nicht nur auf die sexuelle Orientierung beziehen muss, sondern auch trans, genderqueere, nichtbinäre Menschen meint.

Weil „Love is love“ all die Unterschiede zwischen cis/hetero/allosexuellen/dyageschlechtlichen Menschen und queeren Menschen ausblendet. Unterschiede, die es nun mal gibt und die man auch anerkennen sollte, anstatt sie unsichtbar zu machen.

Das ist ein bisschen so, als wenn ich zu einer Person of Color sagen würde, „Ich sehe keine Hautfarben“ oder zu einer behinderten Person: „Ich sehe deine Behinderung nicht“ oder „Du siehst für mich nicht behindert aus“. Menschen sind nun einmal unterschiedlich, in all ihrer Vielfalt.

Last but not least: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es queere Menschen gibt, die den Spruch gern mögen, die ihn vielleicht auf angenehme Weise empowernd finden. Das ist eine individuelle Entscheidung. Aber ich würde nicht als gegeben voraussetzen, dass alle queeren Leute diesen Spruch gern lesen oder selbst verwenden, aus oben genannten Gründen.

Alternative Beziehungsmodelle und unglückliche Liebesdreiecke

eine Polyamorie Pride Flagge

Ich lebe seit einigen Jahren in einem Polycule (polyamores Beziehungsgeflecht). Als Autorin habe ich bisher fast ausschließlich mononormativ geschrieben, aber inzwischen habe ich mit Henny aus „Hexen in Hamburg: Verflucht“ auch eine polyamore Hauptfigur. Mononormativität ist die gesellschaftliche Annahme bzw auch das Vorurteil, dass ausschließlich (romantisch-sexuelle) Beziehungen zu zweit erstrebens- und wünschenswert sind. Oft in Verbindung mit Heteronormativitität: darin werden gegengeschlechtliche/heterosexuelle Beziehungen zu zweit zur »Norm« erklärt.

Bei Polyamorie dagegen gibt es Beziehungen mit mehreren Personen – mit dem ausdrücklichen Konsens aller Beteiligten.

Eine weitere alternative Beziehungsform ist die Beziehungsanarchie. Auf Wikipedia kann man darüber lesen: »Beziehungsanarchie ist die Praxis, zwischenmenschliche Beziehungen auf der Basis individueller Wünsche anstatt feststehender Normen und Regeln zu führen. Sie unterscheidet sich von der Polyamorie dadurch, dass sie annimmt, man brauche keine formelle Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Beziehungen. Beziehungsanarchisten betrachten jede Beziehung (Liebesbeziehungen und andere) individuell, im Gegensatz zu der üblichen Kategorisierung nach gesellschaftlichen Normen wie „nur Freunde“, „in einer Beziehung“, „in einer offenen Beziehung“.(1)

Und dann gibt es natürlich auch noch die offene Beziehung. Diese gestaltet sich häufig so, dass eine Person sexuelle Kontakte zu mehreren Personen hat, aber »nur« eine romantische (und/oder sexuelle Haupt-)Beziehung. Auch hier besteht ein Konsens der beteiligten Personen.

In der Belletristik ist Mononormativität so verbreitet, dass das Handlungsmuster »Dreiecksbeziehung«/ »Love Triangle« in 99% der Fälle bedeutet, dass die beteiligten drei Personen vorübergehend unglücklich sind – weil sie sich früher oder später zwischen zwei Personen als Partner*in entscheiden müssen. Als polyam Person frustriert mich das mittlerweile so sehr, dass ich einen weiten Bogen um solche Geschichten mache.

Auch ist es standardmäßig in diesen Geschichten so, dass die Figuren noch nie von Polyamorie, offenen Beziehungen oder Beziehungsanarchie gehört haben und noch nicht mal zumindest kurz darüber nachdenken, ob das für sie in Frage käme. Und das finde ich noch frustrierender als solche unglücklichen Liebesdreiecke. Weil das jegliche alternative Beziehungsform ausblendet und so tut, als gäbe es diese gar nicht. Über genau dieses Thema denken übrigens zwei Figuren in einer Novelle von mir nach – in dieser Geschichte geht es um Polyamorie mit vier Personen und wenn alles klappt, veröffentliche ich sie 2024.

Meine Bitte an die Autor*innen hier – wenn ihr über dramatische, unglückliche Liebesdreiecke schreiben wollt – lasst eure Figuren doch mal kurz über alternative Beziehungsmodelle nachdenken. Vielleicht kommen sie dann zu dem Schluss, dass das nichts für sie sei, aber sie haben dann zumindest nebenbei aufgezeigt, dass es noch mehr gibt als mononormative Beziehungen zu zweit.

Weiterführendes
Jährlich am 23. November ist der »Polyamory Day«, mehr dazu gibt es hier: https://polyamoryday.com/

Mehr über Polyamorie kann man auf dieser deutschsprachigen Webseite erfahren: http://www.polyamorie.de/

Mehr über Beziehungsanarchie ist z.B. hier zu lesen:
https://www.polyamorie-ev.de/beziehungsanarchie/

Fußnote
(1) siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Beziehungsanarchie

Über Diversität und Repräsentation in meiner Buchreihe „Hexen in Hamburg“

Mir liegen Diversität und Repräsentation am Herzen, aber ich stoße damit bei meinen eigenen Geschichten auch an Grenzen. Für »Hexen in Hamburg« habe ich nach reiflicher Überlegung festgelegt, dass die sechs Hauptfiguren (jede von ihnen wird jeweils in einem Band zur Hauptfigur) meine eigenen Marginalisierungsthemen oder eng damit verwandte bekommen. Dass ich diese nun nenne, ist übrigens kein Spoiler für die Handlung:

Henny ist dick, bisexuell und polyamor.
Fabian hat die Diagnose bipolare Störung.
Cedric ist schwul.
Alannah ist auf dem asexuellen Spektrum.
Jannis hat von Geburt an eine leichte Behinderung und ist ein bisschen gender-nonconforming.
Dani hat soziale Ängste.

Sie alle sind auf unterschiedliche Weise pagan. Es gibt viele verschiedene pagane Traditionen und Strömungen, die pluralistisch sind; pagan ist eigentlich ein Umbrella-Begriff dafür.

Ein Gruppenportrait, von mir gemalt und digital bearbeitet.

Aber es gibt auch Diversitätsthemen, an die ich mich in diesem Fall nicht gewagt habe. Niemand dieser Hauptfiguren ist eine BI_PoC (Die Abkürzung steht für Black, Indigenous, Person of Color). Wie kommt das? Die Intersektionalität von BI_PoC und paganer Hexe kann ich persönlich nicht gut repräsentieren. Die deutsche pagane Szene ist ziemlich weiß. Darüber denkt auch Henny in »Hexen in Hamburg: Verflucht« nach. Was natürlich an sich noch kein Grund wäre, nicht doch eine BI_PoC zur Hauptfigur zu machen. Aber ich glaube nicht, dass ich für diese spezielle Form von Intersektionalität jemanden für ein Sensivity Reading gefunden hätte.

Der andere Grund ist, dass ich schlichtweg kulturelle Aneignung vermeiden wollte und dafür muss ich ein bisschen ausholen: Es gibt offene pagane Traditionen, die jeder Person unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlechtsidentität, Hautfarbe, sexueller Orientierung etc. offen stehen. Aber es gibt auch geschlossene Traditionen, viele davon sind auch verbunden mit spirituellen Einweihungen, die man erst durch ein intensives, mitunter langjähriges Training erlangen kann, wenn überhaupt.

Viele BI_PoC sind Anhänger*innen solcher geschlossenen Traditionen, z.B. da ihre Ahn*innen es ebenfalls waren. Ich meine z.B. die Religion Vodun (auch bekannt als Voudou, Voodoo und noch mit anderen Schreibweisen) oder die afroamerikanische Volksmagie Hoodoo, die teilweise von versklavten Menschen aus ihren jeweiligen Kulturen in Afrika und der Karibik mitgebracht und dann weiterentwickelt wurde. Hoodoo und Voodoo werden übrigens oft verwechselt, das ist aber nicht ein und dasselbe.

Ein weiteres Beispiel ist die Religion Santería aus Lateinamerika, bzw. aus der afrikanischen Diaspora. Sie entstand in Kuba im 19. Jahrhundert, durch einen Prozess des Synkretismus zwischen der traditionellen Yoruba-Religion aus Westafrika, der römisch-katholischen Form des Christentums und dem Spiritismus. Und auch die spirituellen Traditionen der meisten Native Americans und anderer indigener Völker sind geschlossen.

Ich als außenstehende weiße Person habe in all diesen Kulturen absolut nichts verloren. Mit anderen Worten: Wenn ich darüber schriebe, wäre das aus meiner Sicht kulturelle Aneignung. Hinzu kommt außerdem, dass ich persönlich keine Leute aus diesen Kulturkreisen kenne und ich aus offensichtlichen Gründen viel zu wenige Kenntnisse über diese geschlossenen Traditionen habe.

Ich schreibe übrigens in der Buchreihe auch nicht über Wicca, was größtenteils eine initiatorische Tradition ist, mit der ich mich ebenfalls nicht auskenne. Genauer gesagt, gibt es mittlerweile mehrere verschiedene Wicca-Strömungen in diversen Ländern. Stattdessen beschränke ich mich in »Hexen in Hamburg« auf offene pagane Traditionen, und die Verehrung der verschiedenen Gottheiten in der Buchreihe steht allen Menschen offen.

In dieser Buchreihe gibt es auch keine transidenten oder nichtbinären Hauptfiguren, denn auch hier war wieder die Frage, ob ich für diese Form von spezieller Intersektionalität eine Person für das Sensitivity Reading finde.

Hinzu kommt, dass ich als von Armut betroffene Person kein Sensitivity Reading bezahlen kann und stattdessen auf einen Arbeitstausch oder ähnliches angewiesen wäre. Stattdessen schreibe ich also »nur« über Marginalisierungsthemen, mit denen ich selbst viel Erfahrung habe, als Own Voice.

Hier geht es zur Buchreihe: https://amalia-zeichnerin.net/hexen/

Wie bin ich auf die Idee zu „Hexen in Hamburg“ gekommen?

Ich wollte schon länger einen Urban Fantasy Roman, oder eine Reihe schreiben, die in Hamburg angesiedelt ist. Meine erste Idee war eine Art magisch-übernatürliche Polizei, das DüF („Dezernat für übernatürliche Fälle“). Das habe ich dann umgesetzt in der Kurzgeschichte »Irren ist übernatürlich« aus der Anthologie »Urban Fantasy going queer«. Weitere Geschichten, die in dieser Urban Fantasy Welt angesiedelt sind, gibt es von mir in den Anthologien »Urban Fantasy going intersectional« (wird leider nicht mehr verlegt) und in »Urban Fantasy going fat«, die im kommenden Jahr im ohneohren Verlag erscheint.

Aber solche übernatürlichen Kriminalfälle hätten auch bedeutet, dass ich viel über reale Polizei- und Ermittlungsarbeit hätte recherchieren müssen. Und ich habe festgestellt, dass ich daran nicht so viel Interesse habe. Stattdessen wollte ich gern magisch praktizierende Laien in übernatürlichen Fällen ermitteln lassen, ganz im Sinne von Cosy Krimis, die eher gemütlich als besonders blutig sind.

Dann habe ich die Buchreihe »The Witches of Portland« von T. Thorn Coyle gefunden. Hier geht es ebenfalls um übernatürliche Fälle – und moderne pagane Hexen in einem Coven (Hexengruppe/-zirkel) in Portland, Oregon. Auch die Magie, die sie wirken, wird realistisch geschildert, so wie moderne Hexen sie tatsächlich erleben könnten. Außerdem gibt es in dieser Buchreihe viel Diversität, nicht nur, was die verschiedenen paganen/heidnischen Ausrichtungen angeht, sondern es gibt mehrere queere und BI_Poc Figuren. Eine von ihnen hat außerdem eine chronische Erkrankung. Hinzu kommen außerdem noch mehrere aktivistische Themen, darunter der Kampf gegen Rechtsextremismus und Korruption, Unterstützung für Obdachlose in Portland und noch einiges mehr. Und wer sich nun fragt: T. Thorn Coyle ist selbst aktivistisch tätig und das merkt man auch dieser Buchreihe an. In jedem der Bände ist eine andere Hexenfigur aus dem Coven die Hauptfigur, erweitert um eine zweite Hauptfigur und einer damit verbundenen Liebesgeschichte.

Ich liebe diese Buchreihe sehr und dachte mir, ein ähnliches Konzept würde ich auch gern schreiben, angesiedelt in Hamburg, wenn auch mit einer größeren Betonung auf »Cosy« anstelle von viel Aktivismus und nicht jeweils mit einer Liebesgeschichte. Entsprechend habe ich auch jeweils »nur« eine Hauptfigur anstelle von zweien. Liebe spielt zwar auch eine Rolle in meiner Buchreihe, aber sie steht nicht im Vordergrund, es ist kein Romantasy.

Ich habe T. Thorn Coyle angeschrieben und them mein Konzept vorgestellt. Und gefragt, ob they etwas dagegen hätte, wenn ich das schreiben würde. Ich hätte dieses Projekt nicht begonnen, wenn T. Thorn Coyle dagegen gewesen wäre. Aber they hat sich bedankt für die Frage und mir viel Erfolg für die Buchreihe gewünscht. Dafür bin ich sehr dankbar. Im Gegenzug gibt es deshalb in jedem Band meiner Buchreihe auch Werbung für »The Witches of Portland«.

Hier ein Link zu dieser Buchreihe (nur im amerikanischen Original erhältlich):
https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland

Soziale Netzwerke, Safe Spaces und Twitter

Ein Meme zur aktuellen Entwicklung bei Twitter, Urheber*in unbekannt


Kürzlich las ich im Fediverse einen Beitrag, dass viele Marginalisierte (zurzeit) auf Twitter bleiben. Sie hätten erkannt, dass keines der sozialen Netzwerke ein Safe Space für Marginalisierte ist. Also versuchen sie auf Twitter, sich so gut es geht zu schützen, unter anderem durch die Block-Funktion und weiter mit gleichgesinnten Menschen in Kontakt zu bleiben oder neue Kontakte zu knüpfen. Falls euch der Begriff »Safe Space« unbekannt ist, den erkläre ich unten bei den Fußnoten. (1)

Der Beitrag hat mich nachdenklich gemacht. Auf der einen Seite ist keines der großen sozialen Netzwerke ein Safe Space. Hater und Trolle gibt es überall. Aber immerhin gibt es in den Social Media kleine »Inseln«, die Safe Spaces sind. Mache aktiv moderierte Facebookgruppen, Discord-Server und Fediverse-Instanzen beispielsweise. Und immerhin streben die meisten Social Networks zumindest oberflächlich nach Schutz ihrer User vor Hatespeech, Desinformation und diskriminierendem Verhalten, u.a. durch Meldefunktionen.

Bei Twitter ist das nun offenbar nach der Übernahme von Musk nicht mehr so. Schon bevor er Twitter übernommen hat, gab es dort Probleme, wie ich sie oben geschildert habe. Aber immerhin konnte man entsprechende Inhalte melden und zumindest einige Leute wurden dann auch gesperrt. Ob es die Meldefunktion überhaupt noch gibt, kann ich nicht beurteilen, da ich Twitter verlassen habe, aber angesichts der Nachrichten rund um Twitter, z.B. die massiven Entlassungen tausender Mitarbeiter*innen, wage ich es zu bezweifeln. Musk versteht wohl eher nicht, wie Twitter als soziales Netzwerk funktioniert. (2) Musk ist außerdem in seinen Entscheidungen in Bezug auf das Unternehmen ziemlich unberechenbar. Hatespeech gegen marginalisierte Menschen hat massiv zugenommen seit der Übernahme, außerdem wird weniger gegen Desinformation vorgegangen. Und das ist noch nicht alles, wie der folgende Artikel zeigt: „Left-Wing Voices Are Silenced on Twitter as Far-Right Trolls Advise Elon Musk – Elon Musk appears to have out-sourced decisions about who to ban from Twitter to the platform’s right-wing extremists“. (3)
Zwischenzeitlich trendete unter anderem das N-Wort. (4)

Was ich mit all dem sagen möchte: Ja, die sozialen Netzwerke sind keine Safe Spaces für marginalisierte Menschen. Aber zumindest gibt es einige Netzwerke, oder auch nur kleine Teile darin, die versuchen, inklusiv ausgerichtete Safe Spaces zu bilden. Bei Twitter sehe ich eher das Gegenteil, nach allem, was ich bisher in den Nachrichten darüber gelesen und ansonsten gehört habe.

Fußnoten
(1)
Ein Safe Space ist ein Ort, an dem sich marginalisierte Menschen sicher fühlen können vor Hate Speech, Diskriminierungen, Hassverbrechen, Trollen und ähnlichem. Das kann offline oder online sein, z.B. Begegnungsstätten, Stammtische, inklusiv ausgerichtete Facebookgruppen oder Foren u.ä.

(2) siehe »Why Elon Musk – the Chief Twit – is in trouble: Musk thinks he bought a tech company, but he’s actually bought a community of users, and that’s where its value lies« von Prof. Paul Bernal

(3) weiterführende Artikel:

„Left-Wing Voices Are Silenced on Twitter as Far-Right Trolls Advise Elon Musk. Elon Musk appears to have out-sourced decisions about who to ban from Twitter to the platform’s right-wing extremists.“
https://theintercept.com/2022/11/29/elon-musk-twitter-andy-ngo-antifascist/


»Kurz nach Musks Übernahme: Twitter geht offenbar weniger gegen Falschinformationen vor«
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/twitter-geht-offenbar-weniger-gegen-falschinformationen-vor-a-3850ef28-54ef-46ac-a675-20e19c6e66c2

»Elon Musk’s Twitter Reinstates Anti-Trans Activists on Same Weekend as Club Q Attacked«
https://www.vice.com/en/article/epz8jz/elon-musk-twitter-colorado-shooting-anti-trans-reinstated

»Twitter Restores Anti-Trans Accounts and Fuels Hate, Groups Say«
https://news.yahoo.com/twitter-restores-anti-trans-accounts-232644658.html

»GLAAD: A MUSK-OWNED TWITTER WILL NOT ‘HELP HUMANITY’«
https://www.glaad.org/releases/glaad-musk-owned-twitter-will-not-%E2%80%98help-humanity%E2%80%99

(4) siehe z.B. „N-Wort auf Twitter: Superstar fordert Musk auf, Maßnahmen zu ergreifen“
https://www.fr.de/politik/twitter-n-wort-rassissmus-superstar-lebron-james-elon-musk-91886817.html

#DiverserDonnerstag: Hexen

In der Aktion #DiverserDonnerstag von Xenia (equalwritesde) geht es diesmal um Hexen.

Ich bin pagane Polytheistin (übrigens keine Wicca) und beschäftige mich auch seit einigen Jahren mit Hexenkunst. Ich mache das auf eine bodenständige Weise, das heißt zum Beispiel, ich vertraue den Naturwissenschaften und evidenzbasierter Medizin, außerdem es gibt einige beliebte Themen in der Hexenszene, mit denen ich persönlich nur wenig oder gar nichts anfangen kann, z.B. Astrologie.

Wie sieht es mit der Repräsentation von echten Hexen in der Literatur aus?

Es gibt ziemlich viel Phantastik mit Hexen, sei es in der Urban Fantasy, Dark Fantasy oder in Märchenadaptionen, bis hin zum Horror oder noch anderen Phantastikgenres – aber Abbildungen realer moderner Hexenfiguren sind eher rar. Oder aber es gibt eine entsprechende Repräsentation, in der Aspekte moderner Hexenkunst, Paganismus/Heidentum und ähnliches abgebildet werden, dann aber häufig gemischt mit ganz viel Phantastik, z.B. Fantasykreaturen wie Werwölfe oder Vampire.

Anders ist es zum Beispiel im Roman »Magic Berlin: Der Weg des Sterns« von Julia Heller, dort werden sind moderne Hexen sowie andere magisch Praktizierende die Hauptfiguren, ohne dass es sehr viele Phantastikelemente gibt. Die Magie dort wird ebenfalls auf eine realistische Weise dargestellt (mit realistisch meine ich hier, ohne spektakuläre Spezialeffekte, sondern eher so, wie tatsächliche Hexen sie erleben würden).

Sehr empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch die neunteilige amerikanische Buchreihe »The Witches of Portland« von T. Thorn Coyle. Das Motto dieser nichtbinären Autorenperson lautet »Magic is real and justice is worth fighting for« und das passt auch zur Buchreihe. Sie erzählt von neun Hexen (damit meine ich alle Geschlechtsidentitäten, es gibt z.B. auch eine nichtbinäre Hexe) in einem Hexenzirkel (englisch: coven) und deren Magie wird realistisch abgebildet. Man könnte das genremäßig als eine Mischung aus Urban Fantasy und magischem Realismus bezeichnen. Zugleich ist diese Buchreihe auch empfehlenswert, weil sie sehr viel Diversität beeinhaltet und mehrere aktivistische Themen, u.a. den Kampf gegen Korruption und Queerfeindlichkeit. T. Thorn Coyle kennt sich mit all diesen Themen aus, das merkt man auch der Buchreihe an.
Mehr dazu könnt ihr hier lesen: https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland

Ich habe mich von dieser Buchreihe inspirieren lassen und habe T. Thorn Coyle vor einem Jahr angeschrieben, ob they etwas dagegen hätte, wenn ich nach einem ähnlichen Konzept schreibe – mehrere moderne Hexen, die sich miteinander anfreunden und jede*r von ihnen wird in einem eigenen Buch zur Hauptfigur. T. Thorn Coyle fand das in Ordnung und hat mir viel Erfolg gewünscht.

Meine modernen Hexen leben alle, wie ich, in Hamburg und ich verbinde für diese Buchreihe magischen Realismus mit Cosy Mystery und Urban Fantasy. Band 1 der Reihe erscheint voraussichtlich Anfang 2023, wenn alles klappt.

Ich biete für die Themen Paganismus/Heidentum und Hexenkunst übrigens auch Sensitivity Reading an (nicht für Wicca, damit kenne ich mich nicht näher aus).