Weltschmerz in einer komplexen Welt voller Krisen

Das wird ein Blogbeitrag mit mehreren Zitaten, da ich einige kluge Gedanken anderer Leute gefunden habe. Zunächst eines von dem Autor Thilo Corzilius:

»Uns fehlt der Mut, sich einzugestehen, dass man die Welt nicht umfassend erklären kann. Ihre Verflechtungen sind zu komplex, um sie bei einem Bier in der Küche mit ein paar Freunden zu erklären. Auch nicht bei tausend Bieren und mit tausend Freunden (…) Uns fehlt das Selbstvertrauen, uns einzugestehen, dass uns die Welt fertig macht – und wir deswegen auch fertig sein dürfen. Wir powern einfach durch, als wäre nichts gewesen. Wir kommen aus einer Pandemie, der Klimawandel holt uns ein, die rechten Populisten brennen allerorten den Anstand nieder und immer sitzt irgendwo ein Diktator/Terrorist mit dem Finger am Abzug.« (1)

Thilos Worte haben mich nachdenklich gemacht. Manche Menschen mit psychischen Erkrankungen sagen gern, sie seien nicht verrückt, stattdessen leben sie (und wir alle) in einer verrückten Welt. Oder dass diese verrückte Welt sie verrückt mache. Personen, die schon mal ernsthaft Weltschmerz hatten – ob mit psychischer Erkrankung oder nicht – können diese Gedanken eventuell nachvollziehen.

Wie also mit all dem umgehen? Neulich habe ich folgendes Zitat von Cliff Jerrison gelesen (Übersetzung von mir, aus dem Englischen): »Die psychische Gesundheit zu bewahren, ist schwierig, weil so viele Bewältigungsstrategien auf der Idee basieren, dass Ängste nicht berechtigt sind. Aber zurzeit wäre folgender Ansatz besser: »Deine Ängste sind sehr berechtigt, aber du musst trotzdem die Pflanzen gießen, sonst hast du am Ende Faschismus UND tote Pflanzen.«

Faschismus lässt sich natürlich auch ersetzen mit Terror, Krieg, Klimakrise oder anderen Krisen dieser Welt. Wir müssen irgendwie weitermachen, trotz aller Krisen. Gerade wegen all der Krisen. Aber durchpowern, als sei nichts gewesen, da geht es mir wie Thilo, das ist für mich keine Option. Und ich fange auch gewiss keine Stammtisch-Diskussionen über hochkomplexe Themen an.

Es gibt viele kluge Sachbücher über die Krisen unserer Welt und einige handeln auch davon, wie man damit besser umgehen kann, so dass man an all dem nicht kaputt geht. Einige gehen auch darauf ein, wie Social Justice Themen, z.B. Rassismus, mit verschiedenen Krisen zusammenhängen, die teilweise einen jahrhundertelangen historischen Hintergrund haben.

Ich habe mehrere dieser Bücher auf meiner Wunschliste, einige schon selbst gelesen und weitere auf meinem SuB. Ich habe festgestellt: Wenn ich Analysen zu den oft komplexen Hintergründen von Krisen lese, wie im Buch »Klimarassismus«, wenn ich also ein Problem in seiner Tiefe verstehe, dann geht es mir etwas besser – selbst wenn das Problem noch immer vorhanden ist. Ich habe dann aber einen anderen, einen informierten Zugang dazu und den Kopf nicht mehr voller Fragezeichen.

Hier einige dieser Sachbücher:
»Klimaangst: Wenn die Klimakrise auf die Psyche schlägt – Stärke deine Resilienz« von Amelie und Friederike Schomburg

»Klimarassismus: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende« von Matthias Quent, Christoph Richter, Axel Salheiser

Aktuell lese ich: »Was uns durch die Krise trägt: Ein Generationengespräch« von Frido Mann und Marina Weisband

»Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit« von Rutger Bregman

»Die Entscheidung – Kapitalismus vs. Klima« von Naomi Klein

»How To Change Everything – Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten« von Naomi Klein und Rebecca Stefoff

»Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten« von Alice Hasters

»Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus« von Noah Sow

Etwas, das mir in letzter Zeit Hoffnung gemacht hat, war ein kurzer englischsprachiger Essay von T. Thorn Coyle mit dem Titel »Fighting Tyranny and Claiming Joy«

Ein Zitat daraus: »Fighting tyranny is something we can do every single day. It starts by noticing that the world is a beautiful, complex place. It starts by centering around love.
To fight tyranny is to say, “We are here, and we shall not comply with orders or actions that diminish us.” To fight tyranny is, to quote Emma Goldman, to insist upon “freedom, the right to self-expression, everybody’s right to beautiful, radiant things.“ » (2)

In diesem Sinne, gebt die Hoffnung nicht auf und macht weiter.

(1) Quelle: https://www.instagram.com/p/C0g2yNXNbhU/

(2) Quelle: https://www.thorncoyle.com/post/flinging-joy-in-the-face-of-oppression