Love is Love. Oder?

Heute ist wieder der internationale Tag gegen Queerfeindlichkeit. Und am 1. Juni beginnt der Pride Month. In diesem Zusammenhang hatte ich schon im vergangenen Jahr einen Instagrambeitrag geschrieben, den ich gern noch hier in meinen Blog übertragen und bei der Gelegenheit auch aktualisieren wollte.

Es geht mir um den beliebten Spruch „Love is love“. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde ihn zwiespältig, denn: Wir sind als Gesellschaft noch lange nicht da, dass Liebe einfach Liebe ist, ganz egal, wer wen liebt. Wäre ja schön, wenn es so wäre, aber noch ist das eine Utopie.

Weil es immer noch an allen Ecken und Enden überall auf der Welt Queerfeindlichkeit gibt. Siehe z.B. diesen aktuellen Artikel von Queer.de.Teilweise flammt sie auch dort wieder auf, wo sie teilweise schon zumindest in politischen Beschlüssen überwunden war – man schaue sich nur mal die transfeindlichen neuen Gesetze in einigen Staaten der USA an. Weil es immer noch teilweise mit der Gleichberechtigung queerer Menschen erheblich hapert. Auch der Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz, der nun öffentlich einsehbar ist, sorgt für Kritik (siehe z.B. diesen Artikel.)
Weil sich viel zu viele Menschen über inklusive Sprache (Gendern) oder über Neopronomen aufregen. Weil „Love is love“ Teile der queeren Community nicht berücksichtigt, z.B. aromantische Menschen, bzw. auch andere Leute auf dem a_sexuellen Spektrum. Der Spruch berücksichtigt übrigens auch nicht, dass Queerness sich nicht nur auf die sexuelle Orientierung beziehen muss, sondern auch trans, genderqueere, nichtbinäre Menschen meint.

Weil „Love is love“ all die Unterschiede zwischen cis/hetero/allosexuellen/dyageschlechtlichen Menschen und queeren Menschen ausblendet. Unterschiede, die es nun mal gibt und die man auch anerkennen sollte, anstatt sie unsichtbar zu machen.

Das ist ein bisschen so, als wenn ich zu einer Person of Color sagen würde, „Ich sehe keine Hautfarben“ oder zu einer behinderten Person: „Ich sehe deine Behinderung nicht“ oder „Du siehst für mich nicht behindert aus“. Menschen sind nun einmal unterschiedlich, in all ihrer Vielfalt.

Last but not least: Ich bin mir ziemlich sicher, dass es queere Menschen gibt, die den Spruch gern mögen, die ihn vielleicht auf angenehme Weise empowernd finden. Das ist eine individuelle Entscheidung. Aber ich würde nicht als gegeben voraussetzen, dass alle queeren Leute diesen Spruch gern lesen oder selbst verwenden, aus oben genannten Gründen.

Das Taschenbuch „Hexen in Hamburg:Verflucht“ für Vorbestellende

Heute mal kein Blogbeitrag wie sonst, sondern Werbung in eigener Sache.

Mehr Infos und eine Leseprobe zu meinem kommenden Roman „Hexen in Hamburg: Verflucht“ gibt es hier: https://amalia-zeichnerin.net/hexen/

Wenn ihr ein Taschenbuch davon direkt bei mir vorbestellt, signiere ich es auf Wunsch gern und packe ein paar kleine Goodies dazu: magische Sticker, ein silberfarbenes Pentagramm, einen Halloween-Bleistift und eine Streichholzschachtel passend zur Buchreihe. Ihr bekommt das alles ab Januar 2023 als Büchersendung mit einer Rechnung. (Diese bitte erst nach dem Erhalt des Buches begleichen.) Ich versende das Buch nur innerhalb Deutschlands. Die Goodies gibt es nur so lange der Vorrat reicht.


Ich habe eine Vorbestellungsliste angelegt und schaue, wieviele Bücher ich bei meinem Selfpublishing Anbieter Epubli bestellen sollte.

Wenn ihr ein Exemplar vorbestellen möchtet, bitte eine E-Mail an amaliazeichnerin(at)gmx.de senden – mit eurer Postadresse und einer Angabe zum Signierungswunsch, z.B. den Namen der Person, für die es signiert werden soll.

Das Taschenbuch hat 273 Seiten und wird 13 € kosten. Hinzu kommen dann noch 1,95 € Versandkosten und die Goodies sind gratis.

#Autor_innensonntag: Warum ich die Genres liebe, die ich schreibe

Zunächst möchte ich vorwegschicken, ich bin eine sogenannte »Scanner Personality«. Das sind Menschen, die viele unterschiedliche Interessen haben, mit denen sie mitunter täglich jonglieren. Und so geht es mir auch mit den Büchern, die ich lese und schreibe. Ich liebe die Abwechslung und unterschiedliche Themen in der Literatur. Ich habe bisher folgendes geschrieben: viktorianische Cosy Krimis, Phantastik und Romance (letzteres meistens queer).

Krimis
Hier kann man Rätsel entwickeln, Hinweise und Beweismittel streuen und in der Handlung »verstecken«, aber auch »rote Heringe« (falsche Spuren, die ins Nichts führen). Das finde ich reizvoll. Es ist aus meiner Sicht zugleich eines der anspruchvollsten Genres. Ich mag besonders die Cosy-Krimi-Variante, in der Laien anstatt Profi-Ermittler*innen auf eigene Faust ermitteln. Berühmte Beispiele sind Agatha Christies smarte Miss Marple und die Krimiautorin Jessica Fletcher aus »Mord ist ihr Hobby«. Der Begriff »Cosy Krimi« ist im deutschsprachigen Raum leider immer noch kaum bekannt. Manche nennen das auch gern Kuschelkrimis. In vielen Regional-Krimis werden ebenfalls Laienermittler*innen aktiv.
Meine dreiteilige Reihe um das viktorianische Ehepaar Fox, erschienen im Dryas Verlag und »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray« sind alles Cosy Krimis, bei letzterer gibt es auch mehrere queere Figuren und die Hauptfigur ist eine lesbische trans Frau.

Phantastik

Ich liebe Phantastik seit meiner Jugendzeit – als Kind Märchen und später dann Fantasy aller Art. Ich liebe diese Möglichkeiten ganze Welten zu erschaffen oder z.B. Magie und Fantasykreaturen in die Handlung einzuflechten. Hier habe ich mich in mehreren Subgenres versucht: Steampunk, High Fantasy, Queer Romance Fantasy und viktorianische Urban Fantasy. 2023 erscheint außerdem der erste Teil einer Reihe über moderne, realistisch dargestellte Hexen in Hamburg. Das wird eine Mischung aus Cosy Mystery, magischem Realismus und Urban Fantasy.

Romance
Liebe und Romantik sind für mich durchweg positive und hoffnungsvolle Themen, vielleicht weil ich selbst seit vielen Jahren in einer stabilen Beziehung lebe. Ich neige mittlerweile dazu, Wohlfühlbücher zu schreiben, mit wenig Beziehungsdrama zwischen den Hauptfiguren, was auch wiederum meinen eigenen Erfahrungen entspricht. Bzw. die Konflikte kommen eher von außen als innerhalb der Beziehung, oder es gibt innere Konflikte, wie in »Die Rolle seines Lebens« und »An seiner Seite«, mit einem Protagonisten, der an Depressionen leidet. Fast alle meine Bücher, die Romance als Haupthema haben, sind queer, bis auf den Liebesroman »Orangen und Schokolade«. Dieser handelt von einer dicken Protagonistin und es geht unter anderem um Body Positivity.
Hier die Contemporary Queer Romance (im Bild oben fehlt „Regency Park“) und historische Queer Romance.

Aktuell arbeite ich übrigens an einem Manuskript in einem für mich neuen Genre: eine Gothic Novel (Schauerliteratur). Ich habe eine große Schwäche für Geistergeschichten und die viktorianische Epoche in England, deshalb wollte ich so etwas schon länger mal schreiben.

Romane mit nichtbinären Hauptfiguren

Mittlerweile gibt es im deutschsprachigen Raum immer mehr Romane mit nichtbinären Nebenfiguren, die oft auch ein Neopronomen nutzen (z.B. dey, xier, sier, they …)

Wenn ihr die Buchliste »Phantastik mit Diversität« am PC aufruft und mit den Tasten Strg, F das Suchfeld öffnet, könnt ihr dort »nichtbinär« und »nonbinary« eingeben, dann werden euch mehrere Bücher mit nichtbinären Figuren angezeigt.

Nichtbinäre Protagonist*innen gibt es in der deutschsprachigen Literatur bisher noch nicht so viele. Ich habe mich vor einiger Zeit in Social Media nach entspechenden Büchern umgehört und mir wurden die folgenden genannt – und sicherlich gibt es auch noch mehr, diese Auflistung ist nicht vollständig.

Ergänzung 2023:
»A Midsummer’s Nightmare«, ein Dark-Akademia-Roman von Noah Stoffers (erscheint im Februar 2024 und ist bereits vorbestellbar)

»Yanis« von Fabian Elfeld, gratis online lesbar
https://fabianelfeld.com/2020/05/03/yanis-1/

»Felix Ever After« von Kacen Callender ist ein Coming-of-Age Roman mit einer nichtbinären, transidenten Hauptfigur. Ich habe ihn vor kurzem gelesen und finde ihn empfehlenswert.
https://www.goodreads.com/book/show/58624750-felix-ever-after

Ein Interview zur Entstehungsgeschichte des Romans gibt es hier auf Englisch:
https://www.booktrust.org.uk/news-and-features/features/2021/may/felix-was-gifted-to-me-kacen-callender-shares-how-their-experiences-of-exploring-gender-identity-inspired-their-latest-novel/

»The Curse of Time and Taste« von Anne Herzel, ein Fantasyroman mit einem nichtbinären Piratenkäpt’n als Hauptfigur.

»Magnus Chase« (Band 1-3) von Rick Riordan. Die Love Interest Person des Protagonisten ist nichtbinär/genderfluid. Das Genre ist YA/Urban Fantasy. Auch darüber hinaus mit sehr diversen Figuren besetzt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rick_Riordan#Magnus_Chase

In »Bus 57: Eine wahre Geschichte« von Dashka Slater geht es um eine agender Person. Das Buch basiert, wie der Titel es sagt, auf einer wahren Begebenheit (Inhaltswarnungen: Queerfeindlichkeit bzw. Nichtbinärfeindlichkeit, Gewalt, Feuer, Rassismus)
https://www.goodreads.com/book/show/42964498-bus-57—eine-wahre-geschichte

Nike aus dem historischen Fantasyroman »Anarchie Déco« von Judith und Christian Vogt ist nicht binär (auch wenn sie dieses Label aufgrund der historischen Verortung nicht für sich nutzt).
https://www.fischerverlage.de/buch/j-c-vogt-anarchie-deco-9783596002214

Im Gegenwartsroman »Irgendwie dazwischen oder: Das mit Percy« von Sabine Nagel gibt es eine nichtbinäre Hauptfigur. Das wird aber nicht gleich zu Beginn deutlich, schrieb mir die Autorin. https://www.goodreads.com/book/show/59478451-irgendwie-dazwischen-oder

In dem Queer Romance Roman »Kissbull« von Kaye Alden ist Mari genderfluid.
https://www.goodreads.com/book/show/51888503-kissbull—mari-ethan

In »Chéri: Weil du mich siehst« (Queer Romance) von Karo Stein ist eine der Hauptfiguren genderfluid.
https://www.goodreads.com/book/show/42091628-ch-ri

»Amra und Amir« von Maria Braig ist Gegenwartsliteratur:
https://www.fairbuch.de/shop/article/44580189/maria_braig_amra_und_amir.html

»Spanische Dörfer – Wege zur Freiheit«, ebenfalls von Maria Braig, ist auch Gegenwartsliteratur. Bei der Figur Enrique bleibt allerdings offen, ob er in erster Linie transident oder nichtbinär oder beides ist.
https://www.goodreads.com/book/show/29616255-spanische-d-rfer—wege-zur-freiheit

Gegenwartsliteratur ist auch »Außer sich« von Sasha Marianna Salzmann, mit einer genderfluiden Hauptfigur.
https://www.goodreads.com/book/show/35098480-au-er-sich

In »Nur eine (schicksalhafte) Nacht?« (Queer Romance) von Robin Lang gibt es eine genderqueere Hauptfigur.
https://www.goodreads.com/book/show/48653874-nur-eine-schicksalhafte-nacht

Karlabyrinths »Die Haptik der Wände« ist eine Gegenwartsnovelle mit romantischen Anteilen, darin gibt es eine nichtbinäre Hauptfigur.
https://www.karlabyrinth.org/books/DieHaptikDerWaende.html

Ein Dark Fantasy Roman mit 13 Perspektivträger*innen, vier davon nichtbinär, das ist »Die Flotte der Maare«, ebenfalls von Karlabyrinth
https://www.karlabyrinth.org/books/DieFlotteDerMaare.html

In dem Gegenwartsroman »Atalanta Läufer_in« von Lilly Axster geht es um eine nichtbinäre Hauptfigur
https://www.goodreads.com/book/show/25631262-atalanta-l-ufer-in

Und zum Schluss noch eine Werbeeinblendung: In meinem Roman »Regency Park« (Queer Romance) ist Hauptfigur Ashley nichtbinär.
https://amalia-zeichnerin.net/contemporary-queer-romance/

Hier noch ein Tipp:

Illi Anna Heger dokumentiert die Verwendung von Neopronomen in Büchern, Comics, Filmen, Serien, Videospielen, etc., darunter gibt es entsprechend auch nichtbinäre Figuren: https://annaheger.de/pronomentexte

Bildnachweise: Die Urheberrechte der Buchcover liegen bei den jeweiligen Verlagen, Buchcoverdesigner*innen bzw. den Autor*innen.

Autor_innensonntag: Wie können wir LGBTIAQ+ unterstützen?

Ich bin queer, entsprechend ist auch mein Blickwinkel auf dieses Thema. Hier sind einige Vorschläge von mir dazu, mit mehreren verlinkten Seiten.

An die Autor*innen unter euch:
Sensitivity Reading

Wenn ihr als Autor*innen über queere (LGBTIAQ+) Menschen schreibt, aber selbst nicht queer seid (oder auf andere Weise als eure Figuren) macht euch bitte auf die Suche nach Sensitivity Readern, die es sind. Sie können euch helfen, schädliche Stereotypen, unabsichtliche Darstellungen von Mikroaggressionen oder andere problematische Dinge zu eliminieren, die ihr möglicherweise versehentlich in euren Text bringt, einfach weil ihr nicht die entsprechende Lebenserfahrungen teilt. Auf diese Weise könnt ihr problematische Darstellungen von LGBTIAQ+ Menschen vermeiden, z.B. das fürchterliche Handlungsmuster »Bury your gays«, zu dem die Autorin Elea Brandt kürzlich einen interessanten Beitrag in ihrem Blog geschrieben hat. Auf dieser Seite findet ihr Sensitivity Reader, oder fragt in Social Media:
https://sensitivity-reading.de/

Recherchieren
Sicherlich recherchiert ihr allerhand für eure schriftstellerischen Projekte, nicht wahr? Hier gibt es Recherchematerial in Sachen Diversität – auf dieser Liste findet ihr Links zu zahlreichen Texten, z.B. Blogbeiträge, Artikel, außerdem Bücher, Podcasts u.a., die sich mit Diversität und auch mit der Repräsentation von queeren Menschen befassen (Google Doc):

http://bit.ly/literaturundlinksdiversität

Hier außerdem einige englischsprachige Texte (Google Doc):

http://bit.ly/linksandtextsdiversity

Mein Essayband »Diversity in der Literatur« beschäftigt sich ebenfalls mit vielen Diversitätsthemen, auch mit queeren Menschen.

An die Leserinnen unter euch
Werft einmal einen kritischen Blick in euer Bücherregal. Seht ihr da ausschließlich Bücher von cisgender, heterosexuellen Autor*innen? Klar, bei vielen ist das nicht auf Anhieb ersichtlich und natürlich muss jede Person ganz individuell für sich entscheiden, ob, wann oder wie sie sich outet. Aber es gibt online Listen und Buchempfehlungen zu queeren (auch genannt »Own Voices«) Autor*innen – z.B. aus Buchblogs, die sich auf queere Bücher spezialisiert haben. Zwei dieser Blogs:
QueerBuch – https://queerbuch.wordpress.com/
Like a dream – https://www.like-a-dream.de/

Der sehr engagierte Blog »Wir schreiben queer« hat einen großen Autor*innen-Katalog auf seiner Webseite: https://www.wir-schreiben-queer.de/ und ist auf Facebook und Instagram aktiv.

Auch auf dieser Liste für Phantastik findet ihr Bücher von Own Voices Autor*innen:
http://bit.ly/phantastikmitdiversität

Und hier englischsprachig für Phantastik: https://queersff.theillustratedpage.net/

Last but not least hier der Vorschlag: Lest mehr Bücher mit queeren Figuren, mit queeren Geschichten. Das bietet nicht nur eine Abwechslung zur heteronormativ geprägten Mainstream-Literatur, es könnte auch euren Horizont erweitern.


Tu Gutes und sprich darüber: Eine Charity-Kurzgeschichte

2017 habe ich eine Kurzgeschichte für Charity-Zwecke geschrieben und habe die Erlöse an Exit Deutschland gespendet. Kürzlich habe ich das wieder gemacht und das kam so: Ich habe zufällig die Tanzperformance des Schauspielers Tom Holland beim Lip Sync Battle (2017) wiedergesehen, die wirklich sehenswert ist:

Und in diesem Zusammenhang kam mir eine Idee für eine Kurzgeschichte, in der ich direkt auf die Tanzperformance eingehe. Eine kurze Recherche ergab, dass Tom Holland und seine Familie einen Charity Fundraiser aufgezogen haben, mit dem sie über 14 gemeinnützige Organisationen unterstützen: The Brothers Trust. Die Erlöse der Kurzgeschichte spende ich diesem Trust.

Mein Regenbogenschirm

Klappentext:
Mein Name ist Adrian und mein Pronomen ist sier. Ich gehe zur High School, aber ich habe mich noch nicht als queer geoutet. Wenn ich mir nur trauen würde! Als ich mit meinem Kumpel Rodrigo eine Drag Tanzperformance von Tom Holland gesehen habe, hat er mit mir gewettet, dass ich es nicht wagen würde, auch so aufzutreten – in der Talentshow der High School. Also stehe ich nun vor zwei Herausforderungen: ein gewagter Auftritt und ein Coming-out …

Umfang: 22 Seiten
Link zum Kindle-E-Book: https://smile.amazon.de/Mein-Regenbogenschirm-Amalia-Zeichnerin-ebook/dp/B08NXMHPD8/
Außerdem überall erhältlich, wo es E-Books gibt, außer in Leihservices.

Eine englische Übersetzung gibt es übrigens weltweit auf Amazon, damit ich auch eine englischsprachige Leserschaft erreiche.



Viktorianisch und queer schreiben…

ein viktorianisches Portrait, das mich inspiriert hat

… das ist für mich immer wieder eine Herausforderung, aktuell in „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray“. Für mich geht das nur, wenn einige Charaktere dabei sind, die progressive Ansichten haben, die ihrer Zeit weit voraus sind. Denn ansonsten fürchte ich, wäre wohl arg viel Queerfeindlichkeit darin, einfach weil es damals die gesellschaftliche „Norm“ war.
Miss Murray ist lesbisch und transgender. Ihre Freundin Constance ist cisgender und lesbisch. Nach heutigem Verständnis. Miss Murray begegnet immer mal wieder Leuten, die irritiert auf ihr Äußeres reagieren bis hin zu offener Feindseligkeit. Auf der anderen Seite gibt es in ihrem Umfeld aber auch progressive Menschen wie die bisexuelle Lady Thelma und deren Lebensgefährtin oder ihr Verleger, Mister Bostwick, der sie so akzeptiert wie sie ist und einfach ihre Arbeit als Autorin schätzt.
Mir ist bewusst, dass all das manche Freunde historischer Romane für ganz und gar abwegig oder unrealistisch halten würden. Aber historische Romane sind kein 100 % authentisches Abbild historischer Gegebenheiten. Das können sie gar nicht sein. Sie sind eine historische Imagination, ein „so hätte es sein können“.
Und da ich keine Zeitreisemaschine habe und meine Leser*innen auch keine Viktorianer*innen von damals sind, sondern heutige Menschen, möchte ich sensible Themen wie Queerness auch sensibel und modern behandeln.

Ein Text dazu:
https://geekgefluester.de/historische-korrektheit-fantasy

Mehr zur Buchreihe „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray“:
https://amalia-zeichnerin.net/miss-murray/

Lasst uns hoffen! Eine Charity-Aktion

Hoffnung zu Weihnachten spenden und die Chance, ein Buchpaket zu gewinnen? Ich habe mich 15 Autor*innen und Verleger*innen angeschlossen für diese Aktion – zu gewinnen gibt es viele Goodies und Phantastikbücher, in denen Diversität großgeschrieben wird. Weitere Einzelheiten:
https://queerwelten.de/lasst-uns-hoffen/

Queer und auf Zeitreise – das etwas andere Protagonisteninterview

Anlässlich des heutigen 48. Jahrestages der Stonewall Riots, an die bis heute auf den jährlichen Gay Pride Paraden und Veranstaltungen erinnert wird, gibt es heute ein etwas anderes Protagonisten-Interview.

Zum Verständnis vorab:
In der Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ geht es nicht, wie sonst oft in Gay Romance Romanen üblich, um eine queere Hauptfigur und deren Partner. Berlingtons Geisterjäger bilden ein Team aus 5 bis 6 Personen mit vier unterschiedlichen sexuellen Orientierungen: lesbisch, schwul, hetero- und bisexuell. Das Ganze ist angesiedelt in einem historischen Urban Fantasy/Steampunk-Setting, im Jahr 1887 in England.

Eine Zeitreise von 1887 bis ins Jahr 2017
Die 5 Hauptcharaktere aus Berlingtons Geisterjäger machen für dieses Interview eine Zeitreise ins Jahr 2017: Lord Victor Berlington, der amerikanische Privatdetektiv Eliott, die irische Hexe Fiona, die französische Spiritistin Giselle und die englische Künstlerin Nica.  Dort haben sie sich einen Abend lang im Schnelldurchgang weitergebildet, was gesellschaftliche Veränderungen angeht in Sachen sexueller Orientierung und Identität. Sie haben auch erfahren, dass es im Jahr 2017 für all die unterschiedlichen Orientierungen jeweils spezielle Begriffe gibt.

Bei einem Sekt-Frühstück in einem Londoner Café spreche ich mit ihnen anschließend über die LGBTQ-Menschen im Jahr 1887 und warum sie sich nicht outen konnten, über staatliche Verfolgung Homosexueller damals und heute und einiges mehr.

Das folgende Interview enthält leichte Spoiler zur Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ (nicht zur Handlung an sich, sondern zu den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander). Es wird ergänzt durch Links über LGBTQ+-Geschichte und der heutigen Situation (teilweise englischsprachig).

Interview

Lord Berlington, darf ich offen fragen – wie haben Sie eigentlich herausgefunden, dass Sie schwul sind?

Lord Berlington: Nennen Sie mich einfach Victor. Also… ich bin jetzt sechsundzwanzig, und ich muss gestehen, ich wusste es nicht. Ehrlich nicht. Eigentlich hat es sich schon in meiner Kindheit bemerkbar gemacht, aber in unserer Zeit gibt es dafür keine Begrifflichkeiten. Bzw. es gibt sie schon, aber es sind allesamt Schimpfworte.
Ich meine, natürlich gibt es – wie sagt man heute? – queere Menschen auch in unserer Zeit, also im 19. Jahrhundert, aber es war gesellschaftlich nicht existent. Oder nein, das ist falsch ausgedrückt. Es wurde in der breiten Öffentlichkeit totgeschwiegen. Und Menschen, die nicht heterosexuell waren, haben meistens – wie würden Sie heute sagen? Im Schrank gelebt? Und sie sind nie herausgekommen. Ein Coming Out, das wäre einfach zu gefährlich gewesen, verstehen Sie?

Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang bitte einmal über das Labouchere Amendment sprechen. Was genau war das und wie hat es das Leben für Schwule damals beeinflusst?

Victor: Das war eine schlimme Geschichte. 1885 wurde es beschlossen und ein Jahr später in England eingeführt, in erster Linie, um männliche Prostitution zu unterbinden. Also, im Grunde wurde damit schwuler Sex unter Strafe gestellt. Aber im Grunde auch Liebesbeziehungen zwischen Männern. Das Problem war allerdings, dass dieses Gesetz mehr oder weniger zu Hexenjagden geführt hat. Die Situation für Schwule war aber auch vorher schon ziemlich gefährlich.

Victor Berlington sieht die Hexe Fiona entschuldigend an.

Und das mit der Hexenjagd soll nun kein Wortspiel sein. Zu Zeiten der Inquisition war es ja so, dass irgendwelche Leute einfach den Verdacht aussprechen konnten, jemand sei eine Hexe, und schon war deren Leben in Gefahr. Weil solche Denunzianten oftmals keine Beweise anbringen mussten.

Und ähnlich war das auch mit dem Labouchere Amendment und den Schwulen. Das hat unter anderem massiv zu Erpressungen geführt. Im Grund konnte jeder zur Polizei gehen und behaupten, dieser oder jener Kerl begehe „Buggery“ bzw „Gross Indecency“ * mit einem anderen, und diejenigen damit ins Gefängnis bringen. Und damit Sie das genau verstehen: Das Verbot galt sogar für erwachsene Männer, die im Konsens miteinander waren.

Durch dieses Gesetz sind manche Schwule sogar im Zuchthaus gelandet und mussten Zwangsarbeit leisten. Das war ja nach unserer Zeit, aber das ist sogar dem Dichter Oscar Wilde 1895 passiert, habe ich gestern abend gelesen. Aber ich schweife ab, verzeihen Sie.

Jedenfalls habe ich 1887 einen Mann kennengelernt, der mich gefühlsmäßig völlig verwirrte. Was da genau passiert ist, das steht in unseren Memoiren**. Ich dachte damals zuerst, er sei daran schuld – ich dachte, er habe mich so stark beeinflusst oder manipuliert, dass ich mich plötzlich dem eigenen Geschlecht zuwandte.

Im Radio des Cafés hinter uns singt Lady Gaga gerade „Born this way.

Victor fährt fort: Aber dann hatte ich eine längere Unterhaltung mit Alec – einem Künstlerkollegen von Nica – und er hat mit mir Klartext geredet. Er selbst hat sich sein Leben lang nur in Männer verliebt und hat mir gesagt, dass es für ihn normal ist und keine Krankheit.

Er lauscht einen Moment auf den Text des Songs und schmunzelt schließlich.

Es scheint, dass sich die Dame, die dort singt, auch einige Gedanken dazu gemacht hat. Wir werden so geboren.

Jedenfalls, nach dem Gespräch zwischen Alec und mir hat es noch lange gedauert, bis bei mir der Groschen gefallen ist. Und heute, an diesem Tag hier im 21. Jahrhundert kann ich endlich offen sagen: Ich liebe diesen Mann. Einen Mann. Und ich stehe dazu. Ich darf ihn hier auf unserer Zeitreise sogar in der Öffentlichkeit küssen, ohne dass wir angezeigt werden. Das wäre bei uns im Jahr 1887 undenkbar gewesen.

Heute vor 48 Jahren (1969) gab es in New York übrigens Aufstände, der als die „Stonewall Riots“ in die Geschichte einging. Damals haben sich Schwule, Lesben und Transgender Menschen gegen eine Polizei-Razzia zur Wehr gesetzt und darauf hat sich dann ein Aufstand entwickelt. Daran erinnern noch heute die Gay Pride Paraden jedes Jahr auf der ganzen Welt. Allerdings muss ich dazu sagen, es gibt es noch immer Länder, in denen dies aus politischen Gründen nicht möglich ist.

Eliott: Erstaunlich. Bevor ich Privatdetektiv wurde, war ich Polizist in New York. Aber das war eine ganz andere Zeit mit ganz anderen Verhältnissen...

In sieben Ländern steht selbst heute noch immer die Todesstrafe auf Homosexualität, in einigen anderen weiterhin Gefängnisstrafen.
Ein weiteres Beispiel: In  Tschetschenien werden Schwule seit Monaten massiv verfolgt und sogar ermordet.

Victor (verzieht das Gesicht): Das ist furchtbar. Und sogar schlimmer als in unserer Zeit, zumindest was England betrifft. Das klingt eher nach 1840*** oder früher.

Veronica „Nica“ Chester und Fiona O‘Reilly sitzen nebeneinander, Nica hat einen Arm um ihre Freundin gelegt.

Nica: Das macht mich wütend und traurig zugleich. Das Labouchere Amendment galt damals übrigens nur für schwule Männer, nicht für Frauen, die Frauen lieben. Ich rätsele noch bis heute, warum das so war. Ich denke, unsere Zeitgenossen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass zwei Frauen sich sehr gut miteinander vergnügen können. Ohne… na, Sie wissen schon. Ohne einen Mann und seinen…

Nica wird rot und verstummt. Eliott Breeches errötet ebenfalls und unterbricht sie.

Eliott: Schon klar. In unserer Zeit, da spricht man nicht offen über so etwas. Nicht in Anwesenheit von Damen, meine ich. Sogar Unterwäsche wird nur als „die Unaussprechlichen“ bezeichnet.

Fiona: Da ist so eine Sache, die ich nicht verstehe: Was hat es mit diesem Begriff „queer“ auf sich? In meiner Zeit heißt das soviel wie „sonderbar“, „verschroben“ oder sogar „verrückt“. Warum nennen sich denn Leute im 21. Jahrhundert selbst so?

Sie haben Recht, ursprünglich wurde „queer“ als Schimpfwort verwendet. Aber irgendwann haben Menschen aus der LGBT-Community begonnen, den Begriff für sich positiv umzudeuten, und heute wird er sogar mit Stolz verwendet. Er ist heute ein Überbegriff für alle Menschen, die von der Heteronormativität abweichen. Damit schließt er übrigens nicht nur Schwulen, Lesben und Bisexuelle ein, sondern auch Transgender, Intersexuelle, Asexuelle, Genderqueer, Bigender und noch andere. Das erklärt übrigens auch die Abkürzung LGBTQ+. Das Plus nach dem Q steht dabei für alle, die sich nicht oder nur teilweise in den ersten vier Buchstaben wiederfinden.

Fiona: Was, es gibt sogar noch mehr?

Ja, aber viele davon sind noch nicht so allgemein in der Öffentlichkeit bekannt wie Schwule, Lesben und Transgender. Bisexuelle begegnen selbst innerhalb der LGBTQ+Community gelegentlich Vorurteilen, und ähnliches gilt auch für Asexuelle. Ich muss gestehen, Begriffe wie Genderqueer und Bigender sind mir selbst erst vor kurzem zum ersten Mal begegnet.

Ich wende mich an den Amerikaner.

Und wie ist es mit Ihnen, Eliott?

Eliott: Ich bin… heute würde man sagen, straight. Durch und durch. Ich verstehe auch nicht, wie sich zwei Männer oder zwei Frauen ineinander verlieben können. Also ich meine, ich weiß schon, wie sie … naja, Sie wissen schon. Also so von der Anatomie her, meine ich. Ich war auch gelegentlich mal in Freudenhäusern, gebe ich zu. Ich weiß, wie sich zwei Frauen miteinander…

Er räuspert sich und runzelt die Stirn.

Also, wie gesagt, wir sprechen nicht öffentlich darüber. Sehen Sie es mir also nach, wenn ich nicht ins Detail gehe. Ich denke, es ist klar, was ich meine.
Sagen wir mal so, ich kann es nicht persönlich nachvollziehen. Mir ist das fremd. Aber durch Victor, seinen Freund und die beiden Damen hier hab ich einiges erfahren, was an meinem Weltbild gerüttelt hat. Also zum Beispiel, dass eine Frau sich dazu entschließen kann, eher mit einer anderen Frau zusammen zu sein, als eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen.

Heute können sogar lesbische oder schwule Paare zusammen Kinder groß ziehen – das wird dann Regenbogenfamilie genannt.

Der Amerikaner sieht mich mit großen Augen an.

Eliott: Was Sie nicht sagen… da wird mein Weltbild ja noch mehr durcheinander geschüttelt. (Er zuckt mit den Achseln). Naja, aber ich muss ja nicht alles in dieser großen, weiten Welt verstehen… Manche unserer Zeitgenossen im 19. Jahrhundert halten das ja für krank. Also dass Menschen, die sich in ihr eigenes Geschlecht verlieben, krank seien.

Ich muss leider sagen es gibt auch heute noch Länder und Gruppen von Menschen, die das auch heute, im 21. Jahrhundert, noch als krank betrachten. Es werden sogar immer noch angebliche Therapien dagegen angeboten. Aber die Mehrheit sieht es heute anders, einfach als eine weitere Form menschlicher Sexualität.

Eliott: Das ist interessant. Ich denke ja, es gibt noch so vieles in der Medizin, was unerforscht ist. Zumindest in unserer Zeit.

Das ist heute nicht anders, auch wenn es große Fortschritte gegeben hat seit dem 19. Jahrhundert. Aber es sind auch neue Krankheiten aufgetaucht. Aber das würde nun zu weit führen… (Ich verzichte darauf, von AIDS und dem HIV Virus oder weiteren Viren wie Ebola zu berichten, weil es den Rahmen des Interviews sprengen würde.)

Eliott: Der Punkt ist doch: Wenn noch nicht alles erforscht und bewiesen ist, wer kann sich dann anmaßen, Schwulsein oder auch andere sexuelle Orientierungen zu einer Krankheit zu erklären? Unsere Zeitgenossen tun das leider. Weil sie es ihnen fremd ist und weil sie Angst davor haben, vermute ich.

Giselle Butler meldet sich zu Wort. Sie ist die älteste in der Runde, fast fünfzig, und spricht mit einem französischen Akzent.

Giselle: Ja, das ist wirklich traurig. Denn Liebe ist schließlich Liebe, n’est-ce pas ?
Also, ich meine, ich persönlich kann mir das nicht vorstellen, mit einer Frau zusammen zu leben. Aber ich war nie in eine verliebt.
Ich war über 25 Jahre lang glücklich verheiratet und habe eine Tochter, die ebenfalls geheiratet hat. Die meisten meiner Freundinnen waren oder sind auch verheiratet. Aber ich habe einiges gelesen über… sagen wir mal… alternative Lebensstile. Manche Leute heute, in Ihrem Jahrhundert, scheinen sich zu fragen, hat es das denn immer schon gegeben?Also, ich kann natürlich nicht für alle Zeiten sprechen, aber denken Sie doch mal an Georgiana Cavendish, eine Duchess von Devonshire im ausgehenden 18. Jahrhundert, die hat zeitweilig mit einer Frau und ihrem Mann zusammengelebt. Oder kennen Sie das französische Buch „Mademoiselle de Maupin” von Théophile Gautier? Darin verlieben sich ein Mann und dessen Geliebte beide in einen androgynen abenteuerlustigen Mann verlieben, der sich dann als Frau entpuppt. Angeblich eine wahre Geschichte. Und es gab wohl auch einige Gerüchte über den Dichter Lord Byron, und wir sprachen ja auch gerade über Oscar Wilde.

Nica:
Ich war ja auch mal in einen Mann verliebt, und wir sind bis heute Freunde. Aber jetzt bin ich mit Fiona zusammen.

Fiona: Ja, was das angeht, sind wir wohl ein wandelndes Klischee – ich hatte gleich diese Schmetterlinge im Bauch, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Das war Liebe auf den ersten Blick.

Nica (lächelt ihrer Freundin zu): Das ging mir ähnlich, muss ich sagen.

Gestern abend habe ich erfahren, dass man Menschen wie mich im 21. Jahrhundert als bisexuell bezeichnet. Für mich ist das einerlei, ob jemand weiblich oder männlich ist, es kommt einfach auf die Person an. Und als Künstlerin finde ich ebenfalls beide Geschlechter ästhetisch schön.

In dem Damenclub, in dem ich bin, haben sich übrigens alle Frauen der sapphischen Liebe verschrieben. Aber die Gründerin, Lady Thelma, war früher auch verheiratet. Heute… ich meine, 1887, war sie Witwe und lebte mit einer Frau zusammen. Also ist sie wohl auch bisexuell.

Fiona, was sagen Sie denn dazu, dass Nica mal in einen Mann verliebt war?

Fiona: Oh, das hat zu einigen Problemen geführt, muss ich gestehen. Das will ich hier nicht erzählen, aber das können Sie auch in unseren Memoiren (2) nachlesen.

Nica: Dazu möchte ich jetzt auch nichts sagen. Aber mir fällt gerade noch etwas anderes ein. In unserem Damenclub ist auch eine Frau Mitglied, die im Körper eines Mannes geboren wurde. Sie ist gewissermaßen ein Ehrenmitglied. Transgender, nennt man heute wohl? Oder Transfrau. Und vielleicht ist es schwer vorstellbar, aber solche Menschen hat es auch in unserer Zeit schon öfter gegeben, z.B. James Barry, ein englischer Arzt, der ebenfalls erwiesenermaßen als Frau geboren wurde und bis zu seinem Tod unerkannt als Mann gelebt hat.

Früher wurde Transsexualität als krankhaft angesehen. Mittlerweile wurde dies u.a. in Dänemark geändert. Dort gilt Transsexualität nicht mehr als Krankheit und es gibt in vielen Ländern die Möglichkeit zur Transition, d.h. geschlechtsan-passende Operationen. Und es gibt immer mehr Transgender Rights Aktivist*innen*.

Die fünf Zeitreisenden starren mich an.

Eliott: So etwas ist möglich im 21. Jahrhundert? Das ist erstaunlich. Da hat die Medizin ja wirklich gewaltige Forschritte gemacht, was diese Operationen angeht, meine ich.

Aber ich möchte gern noch etwas anderes ansprechen. Ich mag vielleicht straight sein, aber ich habe nicht dieses… diese… Homophobie. Ja, das war‘s. So heißt das heute. Mir persönlich ist das völlig egal, welcher Erwachsene mit welchem anderen Erwachsenen ins Bett geht und was sie da tun. Ich meine, solange sie beide übereinstimmen in dem was sie da machen. (Er grinst schief.) Und solange ich nicht dabei zu sehen muss oder gezwungen werde, mitzumachen. Das ist eine Privatsache, finde ich. Wenn Leute übereinstimmen, etwas zu tun und sich dabei glücklich fühlen, warum denn nicht?

Ich bin eigentlich sehr für Gesetz und Ordnung, das hab ich noch aus meiner Zeit als Polizist in New York so drin, darauf wurde ich gedrillt. Aber dieses Labouchere Amendment sehe ich sehr, sehr kritisch. Das richtet gewiss viel mehr Schaden als Nutzen an.

Eliott, damit sind Sie Ihrer eigenen Zeit weit voraus. Und aus Sicht heutiger LGBTQ-Menschen ein „Ally“ der Community – ein Heterosexueller, der die LGBTQ-Menschen nicht nur toleriert, sondern auch deren Gleichberechtigung fordert. Ein Verbündeter oder Freund also.

 

Eliott: Wenn Sie es so nennen wollen, von mir aus. Und wie meinen Sie das mit der Gleichberechtigung genau?

In den Ländern, aus denen Sie stammen: USA, England, Irland und Frankreich ist es seit wenigen Jahren LGBTQ-Paaren erlaubt, zu heiraten, bei gleichen Rechten wie heterosexuellen Paaren.

Die anwesenden Zeitreisen sehen mich überrascht an.

Victor: Das finde ich fast nicht vorstellbar, wenn man es mit unserer Zeit vergleicht. Aber es freut mich, das zu hören.

In Deutschland, wo ich lebe, war dies bisher nicht möglich. Es gab zwar seit 25  Jahren die Möglichkeit einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, aber nicht mit den gleichen Rechten wie bei Ehen. Das war vor allem auf konservative politische Kreise zurückzuführen, die in dieser Sache auf dem Status Quo verharren, denn nach einer aktuellen Studie sind rund 83 % der Deutschen für eine Öffnung der Ehe für alle und rund 95% befürworten ein gesetzliches Antidiskriminierungsverbot für LGBTQ-Menschen. Aber in diesen Tagen wird in Deutschland Geschichte geschrieben, denn gerade gestern wurde bekannt, dass die Ehe für alle noch diese Woche im Bundestag beschlossen werden soll.  Und die Chancen stehen gut, dass sie tatsächlich beschlossen wird und damit ein Grundrecht für alle zugänglich wird.

Eliott: Hmm, jetzt verstehe ich, was Sie mit Gleichberechtigung meinen. Das ist ein bisschen wie die Frauenrechtsbewegung, nur halt für Menschen anderer sexueller Orientierung. Gleiche Rechte für alle Menschen.

Übrigens, falls Sie sich fragen, ich hab keine Angst, dass mich Victor irgendwie zu seinem Lebensstil bekehren wollen oder mir eine „Gehirnwäsche“ verpassen. Dazu sind sein Freund und er beide viel zu englisch, finde ich. (Er lacht.) Immer höflich und diskret. Außerdem hab ich mir in meinem ganzen Leben noch nichts aufschwatzen lassen und ich lasse mich auch nicht zu Dingen überreden, mit denen ich nichts anfangen kann. Man kann nicht dazu gemacht werden, etwas zu sein, was man nicht ist, das ist meine feste Überzeugung. Victor sagte ja auch schon, man wird so geboren. Außerdem, seit dem was wir zusammen schon erlebt und durchgemacht haben, sind wir alle Freunde geworden. Obwohl wir so unterschiedlich sind. Ist nicht immer einfach, das gebe ich zu. Aber ich finde, Freunde sollten zusammenhalten.

Victor hebt sein Sektglas.

Victor: Lassen Sie uns darauf anstoßen. Auf die Freundschaft, über alle Grenzen und Unterschiede hinweg!

Wir prosten ihm mit eben diesen Worten zu.

Ein gutes Schlusswort, finde ich. Vielen Dank für dieses Interview und eine gute Heimreise zurück in Ihre eigene Zeit.

Anmerkungen:
* historische englische, negativ behaftete Begriffe für schwulen Sex, z.B. Analverkehr
** Mit Memoiren ist natürlich die Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ gemeint. 😉
*** 1840: Letzte bekannte Hinrichtung wegen männlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen in Großbritannien, die Todesstrafe bleibt aber bis zur Gesetzesreform 1861 theoretisch möglich und wird erst 1861 durch Gefängnisstrafen ersetzt.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_LGBT#Neuzeit)

Ein Kommentar vom 27.6. zur Öffnung der Ehe für alle:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=29148