Ein Jahresrückblick: Zugvogel

Foto: Joe, Unsplash

Sie hat wieder begonnen, die Zeit der Jahresrückblicke. Diesmal gibts von mir einen, in dem ich ein bisschen auf die vergangenen Jahre zurückschaue.

Im Laufe der Zeit bin ich schriftstellerisch und interessensmäßig ganz schön herumgekommen. Ich bin eine sogenannte »Scanner Personality« – ich habe mehrere Interessen, mit denen ich sozusagen jongliere. Und die haben sich noch dazu im Laufe der Zeit ganz schön verändert.

Von ca. 2012 bis 2018 war ich in der norddeutschen Steampunk-Community aktiv. Nun nicht mehr. (Warum das so ist, dazu habe ich schon vor einiger Zeit einen Blogbeitrag geschrieben.)

Ich bin auch als Autorin schwierig »einzusortieren«, denn ich habe bisher Phantastik, viktorianische Cosy Krimis und Queer Romance (historisch und Contemporary) geschrieben. Aber auch ein nicht queerer Liebesroman zählt zu meinen Veröffentlichungen und vor kurzem habe ich meine erste Gothic Novel geschrieben (die erscheint, wenn alles klappt, im kommenden Oktober). Ich liebe einfach die Vielfalt der verschiedenen Genres.

Einige Jahre lang habe ich viel Gay Romance gelesen und auch geschrieben. Mittlerweile ziehe ich Geschichten mit »Casual Queerness« vor. Das heißt, der Fokus der Geschichten liegt nicht auf der Queerness (oder anderen Diversitätsthemen), sondern diese Marginalisierungen sind einfach nebenbei vorhanden – ohne dass sie stark problematisiert wird oder ein »Riesendrama« daraus entsteht. Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte hier keinesfalls Geschichten abwerten, in denen Diversitätsthemen zu Konflikten führen oder marginalisiertes Leid gesellschaftskritisch thematisiert wird. Das sind wichtige Themen und Anliegen. Aber das ist etwas, was ich persönlich eher nicht schreibe, zumindest nicht auf eine stark belastende Weise – denn marginalisiertes Leid habe ich schon in meinem persönlichen Alltag genug und ich möchte das nicht, oder nur teilweise schriftstellerisch verarbeiten.

Ich bin immer und immer wieder weitergezogen, was meine Interessen betrifft, wie ein Zugvogel. Seit einigen Jahren bin ich pagane Polytheistin und befasse mich auch mit Hexenkunst. Dieses Thema hat mich schon als junge Erwachsene fasziniert, aber ich bin dann erst auf Umwegen wirklich dazu gekommen, mich intensiver damit zu beschäftigen Ich habe das starke Gefühl, dass das auch in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten weiter ein wichtiges Thema für mich sein wird. Und da lag die Idee nah, über moderne, pagane Hexen zu schreiben. Und in diesem Fall habe ich die Lust und Motivation, nicht nur ein einzelnes Buch zu verfassen, sondern eine Buchreihe: »Hexen in Hamburg«

Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Wer weiß, wo es mich dann schriftstellerisch hinzieht? Ich werde unterwegs bleiben. Und wie heißt es so schön in einem Aerosmith Song? »Life is a journey, not a destination.« (»Das Leben ist eine Reise, kein Zielpunkt.«)

Typische Konflikte in Liebesromanen/Romance

In diesem Text geht es um Konflikte, die zunächst die Entstehung einer (festen) Beziehung verhindern. Um das Ganze etwas einfacher zu halten, schreibe ich über Paarbeziehungen mit zwei Menschen, also abseits von Polyamorie oder offenen Beziehungen. Die hier genannten Konflikte sind insofern klischeebeladen, weil sie oft in Liebesromanen/Romance verwendet werden.

Enemies to Lovers
Die beiden sind verfeindet und/oder können einander absolut nicht leiden. Wenn da nur nicht diese unerklärliche Anziehungskraft wäre. Nach einer Weile wird die Feindschaft überwunden, durch innere oder äußere Einflüsse.

Eifersucht
Dies kann ein kleiner oder großer Konflikt sein. Vielleicht ist eine der Personen übertrieben eifersüchtig und das steht dem Liebesglück der beiden im Weg, bis diese überzeichnete Eifersucht überwunden wird.

Bindungangst
Ein innerer Konflikt: Eine der beiden Personen hat Bindungsangst, vielleicht aufgrund schlechter Erfahrungen mit einer früheren Beziehung oder aus anderen Gründen (z.B. die Eltern ließen sich früh scheiden und nun denkt die Person bis heute, Beziehungen an sich seien zu schwierig, hielten sowieso nicht auf Dauer, oder ähnliches).

Schlechte Erfahrungen
Das ist ähnlich wie die Bindungsangst: Eine der Personen hat schlechte Beziehungserfahrungen gemacht und nun grundsätzlich die Nase voll von Beziehungen. Dies wird dann im Laufe der Handlung überwunden.

Fernbeziehung
Die beiden oder eine der Personen kann sich eine Fernbeziehung nicht vorstellen. Diese wird allerdings notwendig, weil jemand z.B. wegen eines Jobs oder aus anderen Gründen in eine andere Stadt, ein anderes Bundesland o.ä. zieht. Oft ist es dann so, dass eine Person sich entschließt, doch nicht umzuziehen (oder die andere zieht mit ihr zusammen), so dass es nicht auf eine Fernbeziehung hinausläuft. In anderen Fällen geht es nicht um einen Umzug, sondern eine längere Reise in ein weit entferntes Land, oft auch beruflich bedingt. Geschichten, in denen Fernbeziehungen positiv repräsentiert werden, sind eher selten zu finden, was eigentlich schade ist.

Die Ex-Person
Eine ehemalige Beziehungsperson taucht wieder auf und möchte es noch einmal mit der Hauptfigur versuchen. Diese lässt sich darauf ein und daraus entsteht der Konflikt für die andere Person.

Verwandte
Eine Person verliebt sich unwissentlich oder wissentlich in eine Geschwisterperson (z.B. den bislang unbekannten Halbbruder), was für Liebesleid sorgt. Meistens finden beide dann mit einer anderen, nicht verwandten Person ihr Glück. In manchen Büchern entsteht aus der „verbotenen Liebe“ eine Inzest-Beziehung. In anderen Geschichten sind die beiden zwar zusammen als Geschwister aufgewachsen, aber nicht miteinander verwandt (z.B. durch eine Adoption).

Das Liebesdreieck
Eine Person steht zwischen zwei anderen und muss sich für eine entscheiden. Dieses Handlungsmuster ist allerdings sehr mononormativ. Durch einen polyamoren Ansatz (oder mit offener Beziehung) kann dieses Handlungsmuster auf interessante Weise aufgebrochen werden.

Das Problem (TM)
Eine der Figuren hat ein bestimmtes, anhaltendes Problem. Das kann psychisch sein (innerer Konflikt) oder ein äußerer Konflikt, z.B. mit Eltern oder Geschwistern, mit Nachbarn, auf der Arbeit mit Vorgesetzten oder etwas anderes. In einigen Fällen ist es sogar existenzbedrohend, z.B. die Schließung einer wichtigen Arbeitsstätte. Das Problem wird überwunden und einer glücklichen Beziehung steht nun nichts mehr im Weg.

Die Eroberung
Das ist ein toxisches Handlungsmuster, von dem ich abrate: Eine Person wird von einer anderen umworben, macht aber deutlich, dass sie kein Interesse hat – Nein heißt Nein. Die andere Person akzeptiert dies aber nicht und setzt alles dran, die andere Figur zu »erobern«. Sie scheut dabei auch nicht zurück vor Stalking, Gaslighting (eine Form von mentaler Manipulation), großen, als angeblich romantisch dargestellten, Gesten oder ähnlichem. Dieses Handlungsmuster ist leider oft zu sehen in Rom-Com-Filmen.

Konflikt durch Queerness
Die Personen sind queer, aber (noch) nicht geoutet. Sie outen sich wegen einer Beziehung, was zu Problemen in ihrem Umfeld führt oder auch zu inneren Konflikten, letzteres z.B. bei internalisierter Queerfeindlichkeit. In einigen Fällen begreift eine der Figuren erst durch diese neue Liebe, dass sie queer ist.

Das Romeo & Julia Problem
Zwei Menschen aus verfeindeten Familien oder anderen Gruppen verlieben sich ineinander. Ob das eine Zukunft hat? Hier sind die Konflikte äußerlich, durch die Feindschaft der Familien/Gruppen. Im Idealfall söhnen sich die Familien/Gruppen miteinander aus, ohne dass die Verliebten ernsthaft Schaden nehmen – ist letzteres der Fall, hätten wir keinen Liebesroman, sondern eine Tragödie.

Unterschiedliche Lifestyles
Manchmal führen unterschiedliche Lifestyles zu Konflikten, die sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn grundsätzlich sollte man niemand wegen seines Lifestyles shamen (es sei denn, dieser schadet der Person oder anderen Leuten deutlich). Ein typisches Beispiel aus High School Romanzen: Der Nerd und die super beliebte Schülerin. Häufig ist dieses Handlungsmuster mit einem »Make Over« verbunden, der z.B. aus dem »hässlichen Entlein« einen schönen Schwan macht.
Ein Beispiel aus dem Film »Ten Inch Hero«: Einer der Charaktere verabschiedet sich von seinem punkigen Äußeren, um seinem Love Interest zu gefallen, und das wird dann als große romantische Geste präsentiert.
Oft zu finden ist auch die übergewichtige Protagonistin (meistens, nicht immer, weiblich), die mit einigen Strapazen erfolgreich abnimmt, um ihrem »Mister Right« zu gefallen. Mit Body Positivity hat das leider herzlich wenig zu tun. Looking at you, Bridget Jones.
Ich würde von solchen Handlungsmustern abraten. Subkulturen bzw. deren Anhänger*innen zu shamen, das ist schlecht, zumal sich Leute aus Subkulturen oft mit Vorurteilen und Häme konfrontiert sehen. Gleiches gilt für Menschen, die nicht normschön, also z.B. übergewichtig sind. Und bei einem »Make Over« schwingt im Subtext immer mit: »Du bist nicht gut genug, so wie du bist.« Dabei sollte man Menschen doch eigentlich so akzeptieren, wie sie sind, mit allen Stärken und Schwächen – auch in der Liebe.

Keine Beziehung am Arbeitsplatz
In einigen Bereichen werden Beziehungen am Arbeitsplatz, also mit Kolleg*innen, nicht gern gesehen oder sind sogar verboten (ja, in einigen Ländern ist Letzteres möglich). Manchmal wird dieses Problem gelöst, weil sich eine der Figuren einen anderen Job sucht oder selbständig macht.

Die tödliche Krankheit
Eine der Figuren hat eine tödliche Krankheit. Daraus ergeben sich allerhand innere und äußere Konflikte und in der Regel endet diese Liebesgeschichte traurig, weil eine der Personen allein zurückbleibt.

Die Patchwork-Familie
Eine der Personen hat bereits eine Familie, z.B. Kinder, hat sich aber von der Partnerperson getrennt, oder ähnliche Konstellationen. Eine neue Beziehung kann zu allerhand Konflikten führen, z.B. mit den halbwüchsigen Kindern oder auch der Ex-Partnerperson.

Friends with Benefits/Mingles
Einer der Charaktere möchte »nur« befreundet sein, hätte aber nichts gegen Sex einzuwenden. Oder beide sehen es so. Oder sie sind nur an casual Sex ohne weitere Verpflichtungen interessiert. Der Konflikt entsteht meistens dann, wenn einer der Personen feststellt, dass sie doch gern eine feste Beziehung eingehen möchte, aber der Love Interest dies (noch) nicht möchte.

Eine andere Glaubensgemeinschaft/Kultur
Manchmal ergeben sich Konflikte, wenn eine der Figuren einen anderen Glauben hat oder aus einer anderen Kultur stammt. Die Konflikte gibt es dann oft mit den jeweiligen Eltern, Geschwistern oder anderen Personen aus der Familie, z.B. weil diese eher eine Person mit dem gleichen Glauben akzeptieren würden.

Standesunterschied
Diesen Konflikt findet man eher in historischen Romanzen, manchmal aber auch in Gegenwarts-Geschichten, z.B. wenn es um Adlige geht. Ein bekanntes Beispiel ist auch der Trend um Geschichten, bei denen sich eine Person aus der Unter- oder Mittelschicht in eine sehr reiche Person verliebt („Fifty shades of Grey“ und „Pretty Woman“ lassen grüßen).

Wenn mir weitere Konflikte einfallen, die in diese Auflistung passen, werde ich sie später ergänzen.

Ein Protagonisteninterview von Amalia Zeichnerin und Ester D. Jones

… mit den Protagonisten aus „Frei und doch verbunden“ sowie „Das verbotene Verlangen des Earls / Die verlorene Liebe des Earls“

»Danke, dass du dir Zeit genommen hast, mich zu besuchen.« Bettina Kiraly (alias Ester D. Jones) lässt ihre Kollegin Amalia Zeichnerin eintreten, die in der Dunkelheit vor der Tür steht. »Du hast einen weiten Weg nach Niederösterreich auf dich genommen, um mit mir über Historic Gay Romance zu plaudern.«

Bettina bittet Amalia ins Wohnzimmer. »Darf ich dir etwas anbieten? Eine Tasse Kaffee vielleicht? Oder trinkst du lieber Tee?«

Amalia: »Danke, ich trinke beides gern. Was ist dir denn lieber?«

Bettina: »Ich vertrage Kaffee nicht so gut. Darum trinke ich lieber Tee. Ich habe da auch eine ganz besondere Sorte mit dem Namen „Love“. Passender geht es nicht.«

Bettina: »Können wir gleich zum eigentlichen Thema kommen? Ich will dich nicht zu lange aufhalten. Kannst du mir erzählen, wie du das mit der Recherche für deine Bücher machst? Gay Romance in historischen Romanen richtig darzustellen, ist aus meiner Sicht sehr schwierig.«

Amalia: »Ich habe schon für frühere Bücher viel recherchiert, vor allem über das 19. Jahrhundert. Auch, was Themen wie Homosexualität in dieser Zeit angeht. Es ist ja so, dass es schon seit dem 18. Jahrhundert und auch schon davor in den größeren europäischen Städten bereits Vorläufer queerer Communities gab, die aber im Verborgenen bleiben mussten, weil (männliche) Homosexualität verboten war. Natürlich ist vieles verloren gegangen, weil es ein Tabuthema war, aber einiges davon konnte doch überliefert werden. Meine Bücher spielen fast alle in England und für mich ist es ein Segen, dass ich auf Englisch recherchieren kann. Ich habe auch schon englische Bibliotheken oder Archive mit Recherchefragen angeschrieben und dort hilfreiche Antworten erhalten. Und wie machst du es mit der Recherche?«

Bettina: »Ich habe als Ester mit historischen Liebesromanen begonnen. Mein Grundwissen stammt also aus Dutzenden von Regencyromanen. Als ich selbst in diesem Genre zu schreiben begonnen habe, war das Internet meine Hauptinformationsquelle. Ich versuche, historisch möglichst genau zu sein. Aber klar ist, dass sich die Ladys zur damaligen Zeit lange nicht so selbstbewusst, selbstbestimmt oder gar rebellisch verhalten haben. Um eine überzeugende Handlung zu schreiben, die heutige Leser anspricht, muss man als Autor die damalige Realität ein wenig zurechtbiegen. Ich habe bei meiner zweiteiligen Romanreihe gemerkt, dass es Spaß macht, gleich für zwei Helden zu schwärmen. Ich liebe das historische Ambiente. Geht es dir genauso? Was macht für dich den besonderen Reiz aus, diese Art von Büchern zu schreiben?«

Amalia: »Ich hatte schon als Jugendliche ein Interesse an Geschichte und auch an historischen Settings. Ich schätze, da kommt bei mir so eine nostalgische Ader durch. Ich bin auch ein bisschen im Steampunk-Bereich unterwegs, der ja auch viel von Historischem inspiriert ist. Es erfordert eine andere Art zu schreiben, als ein Gegenwartsroman. Man muss ein bisschen altmodisch klingen, aber auch nicht zu sehr.«

Bettina: »Genau. Die Sprache liebe ich auch sehr. So ein bisschen verschnörkelt ist schon toll. Deine Geschichte um Jacob und Nicholas hat mir übrigens sehr gut gefallen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie verwirrend es für einen Mann in der damaligen Zeit gewesen sein muss, das erste Mal mit seiner Sehnsucht nach einem anderen Mann konfrontiert zu werden. Diese Überlegung hat mich auf die Idee zu meiner Geschichte gebracht. Was hat bei dir den Ausschlag gegeben?«

Amalia: „Das weiß ich heute gar nicht mehr so genau. Die Idee zur Geschichte von Jay und Nicholas ist mir schon vor etwa drei Jahren gekommen. Ich glaube, damals kam das zustande als eine Art Variante zu der klassischen Robinson-Crusoe-Geschichte. Ich hab mich damals gefragt, was könnte mit zwei Männern passieren, die auf einer einsamen Insel stranden?“

Link zu den historischen Gay Romance Novellen von Amalia Zeichnerin:
https://amalia-zeichnerin.net/historische-gay-romance/

Die beiden schwärmen den restlichen Abend von ihren Protagonisten und den Geschichten, die nur darauf warten, noch geschrieben zu werden. Die beiden Autorinnen vergessen über ihrer Fachsimpelei die Zeit. Und irgendwann schlafen sie einfach ein.

Ein Geräusch weckt Amalia ein paar Stunden später. Abrupt schreckt sie hoch. Sie kann nicht sagen, was genau sie gehört hat. Aber sie will Ester nicht wecken und schleicht sich in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkommt, hat sich Ester aufgesetzt. »Ich wusste nicht, dass du weitere Gäste eingeladen hast.«

Amalia runzelte die Stirn. »Welche Gäste?«

Ester zeigt in die Ecke, in der vier Männer in historischen Kostümen stehen. Mit einem Kopfschütteln versucht Amalia, den Nebel in ihren Gedanken loszuwerden. Vermutlich spielt ihr ihre Fantasie einen Streich.

Dann kneift sie die Augen zusammen. Nanu? Der junge Mann dort sieht doch genau aus wie … aber natürlich! Bei dem Mann handelt es sich um Sebastian, den Earl of Broomfield aus dem Roman »Das verbotene Verlangen des Earls«. Der Mann Anfang zwanzig mit den blonden Haaren und den grünen Augen ist unverkennbar. Der Mann daneben scheint Mitte dreißig zu sein und hat schwarzes Haar und blaue Augen. Das muss Lucian, der Earl of Westminster, sein.

»Darf ich bekannt machen?«, ergreift dieser das Wort und deutet auf den jüngeren Mann neben ihm. »Dies ist Sebastian, Earl of Broomfield.«

Amalia deutet einen Knicks an und stellt sich vor.

Ester streckt die Hand aus, zieht sich dann aber zurück und verbeugt sich stattdessen. »Wie aufregend. Ich bin ganz aus dem Häuschen, euch … ähm … Sie zu sehen.«

»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, sagt ein ebenfalls etwas älterer Mann, der nun aus dem Schatten heraustritt. Er hat dunkles Haar und scharfgeschnittene Gesichtszüge. »Mein Name ist Nicholas Aldersmith. Darf ich vorstellen, mein Freund Jacob Ealing.« Er deutet auf einen braungebrannten Mann mit zerzaustem Haar, der eine Verbeugung andeutet.

»Was ist denn jetzt mit dem Interview?«, drängelt Sebastian. »Wir haben nicht ewig Zeit.«

»Interview?« Amalia schaut verdutzt.

»Sie haben uns doch herbestellt, weil Sie uns einige Recherchefragen stellen wollten«, erklärt Sebastian. »Wir haben uns extra hierherbemüht.«

»Äh… ja, selbstverständlich. Natürlich«, stottert Amalia und versteht kein Wort. »Das Interview.«

Sie bittet ihre Gäste, sich zu setzen. Dann räuspert sie sich. »Ähm, habe ich Ihnen vorab genaue Informationen gegeben, worüber ich mich mit Ihnen unterhalten will?«

»Über unser … nun, ja … außergewöhnliches Privatleben. Können Sie sich nicht mehr daran erinnern? Fühlen Sie sich vielleicht nicht wohl?«

»Nein, nein. Alles gut.« Amalia bemüht sich um ein Lächeln. » Ester, magst du vielleicht mit den Fragen beginnen, während ich uns Tee aufsetze?«

»Eine großartige Idee«, meint der Earl of Westminster. »Mein Mund ist ganz trocken.«

Ester nickt. »Dann lege ich gleich mal los. Earl of Westminster, sind Sie auf der Suche nach der Dame fürs Leben? Oder sind Sie gar schon verlobt?«

Der Earl of Westminster errötet. »Dieses Thema breite ich eigentlich nicht in der Öffentlichkeit aus. In Wahrheit habe ich meine Gedanken dazu erst einem Menschen anvertraut. Aber ich verstehe, dass Ihr die Information für Eure Recherche benötigt. Darum vertraue ich Euch an, ich habe das Thema Heirat für mich abgeschlossen. Offen gesagt ist mir bewusst, einer Ehefrau nicht die Verbundenheit bieten zu können, die sie verdient hat. Ich glaube nicht, dass Liebe in einer Ehe unbedingt eine Rolle spielen muss. Doch meine dunklen Gelüste … In Eurer Zeit ist so etwas tatsächlich nicht verboten? Es fällt mir dennoch schwer, es zu gestehen. Ich fühle mich zu Männern hingezogen. Ich wäre nicht in der Lage, mit einer Frau zusammenzusein. Im biblischen Sinne. Ich könnte keinen Nachfahren zeugen. Warum sollte ich also eine Frau an mich binden und sie damit unglücklich machen?«

Amalia kommt mit dem Tee zurück und stellt ihn auf dem Tisch ab. Bevor sie vier Tassen vollschenkt und weiterreicht. »Earl of Broomfield, ich hörte, Sie haben eine Schwäche für Kunst. Mögen Sie etwas darüber erzählen?«

Earl of Broomfield: »Ich liebe die Arbeiten Devonos, genauso wie der Earl of Westminster, wenn ich Euch darauf hinweisen darf. Wir haben gemeinsam eine Ausstellung dieses außergewöhnlichen Künstlers besucht. Seine Werke … Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Sie berühren mein Herz, wärmen mich bis in die Fingerspitzen. Ich male selbst, müsst Ihr wissen. Mir fehlt es an Talent, um mich mit Devonos zu vergleichen. Ich bemühe mich um größtmöglichen Realismus. Dennoch fürchte ich, dass meine Kunst nicht ausreicht, um andere Menschen dadurch zu erreichen.«

Der Earl of Westminster legt dem Earl of Broomfield eine Hand auf die Schulter. Wärme leuchtet in seinem Blick. Ein sanftes Lächeln liegt auf seinem Gesicht. »Deine Gemälde strahlen eine unglaubliche Kraft aus. Die Bilder, die du von mir gemalt hast … ich habe mich niemals so lebensfroh, so weich, so perfekt gesehen wie auf deinen Kunstwerken. Du schaffst damit etwas Besonderes. Zweifle niemals an dir.«

Earl of Broomfield: »Dein Vertrauen in mich macht mich zu einem besseren Künstler. Aber ich glaube, so genau wollte die junge Lady das gar nicht hören.«

Link zu Bettina Kiralys Veröffentlichungen:
http://bettina-kiraly.at/veroeffentlichungen/

Amalia: »In unserer Zeit dürfen Homosexuelle ihre Orientierung frei ausleben. Wenn man als Gentleman solche Tendenzen bei sich selbst entdeckt, muss das wohl ein wahrer Schock sein. Wie habt Ihr herausgefunden, wonach es Euch verlangt? Könnt Ihr Eure Bedürfnisse auf irgendeine Art und Weise ausleben?«

Nicholas Aldersmith nimmt einen Schluck vom Tee: »Nun, einen Schock würde ich es nicht nennen. Ich meine, man wacht schließlich nicht eines Tages auf und stellt fest, dass man sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, nicht wahr? Es war für mich eine längere Entwicklung, Beobachtungen meiner Gefühle über Wochen und Monate hinweg – reichlich Gefühlsverwirrungen in meiner Jugendzeit. Irgendwann wurde mir schließlich klar, dass ich anders bin als andere Männer. Ich bin ein rationaler, praktisch veranlagter Mensch. Ich sah für mich zwei Möglichkeiten. Entweder konnte ich mich nun mein Leben lang dafür martern, dass ich nicht wie andere Männer bin. Oder das Beste daraus machen. Ich habe mich für Letzteres entschieden.  Und ich habe bald festgestellt, dass ich nicht allein bin mit solchen Gefühlen und auch zu meiner Zeit gibt es bereits Wege, diese etwas andere Sexualität auszuleben, wenn auch im Verborgenen. In meinem Fall war das zum Beispiel ein Molly House

Jacob Ealing: »Nennen Sie mich gern Jay, wenn Sie möchten. In meinem Fall ist es noch komplizierter. Ich habe erst durch meine Begegnung mit Nicholas begriffen, dass ich mich nicht nur zu Frauen, sondern auch zu Männern hingezogen fühlen. Bis wir uns kennenlernten, war das nie ein Thema für mich. Ich meine, natürlich gab es Männer, die ich mochte, z.B. andere Matrosen auf den Schiffen, auf denen ich zur See gefahren bin. Aber ich habe das immer für rein freundschaftliche Gefühle gehalten. Oder vielleicht habe ich auch verdrängt, dass vielleicht mehr dahinterstecken könnte. Ich war sehr naiv, fürchte ich. Aber dass zwei Männer einander lieben können, das ist zu unserer Zeit etwas, über das nicht gesprochen wird. ich hatte also niemanden, mit dem ich jemals über meine verwirrten Gefühle sprechen konnte. Bis ich Nicholas getroffen habe.«

Earl of Westminster: »Für mich hat es einen echten Schock dargestellt, als ich gemerkt habe, dass ich mich in meinen jungen Jahren in meinen besten Freund verliebt habe. Ich habe es erst nicht verstanden, habe dagegen angekämpft und mich für diese Verwirrung gehasst. Es war von Anfang an klar, dass dieser andere Mann nicht das Gleiche für mich empfindet. Doch später habe ich jemanden gefunden, der mir erklärt hat, wie und wo ich meine Gelüste ausleben kann. Es existieren Häuser, in denen sich Männer für Geld dafür zur Verfügung stellen. Erst in letzter Zeit ist mir klargeworden, dass das nicht ansatzweise mit der Nähe zu einem Menschen zu vergleichen ist, der einem etwas bedeutet.«

Earl of Broomfield: »Ich dachte, ich hätte mich in Lady Rose verliebt. Ich bin davon ausgegangen, eine Ehefrau an meiner Seite wäre mir vorbestimmt. Aber dann habe ich den Earl of Westminster näher kennengelernt. Wir haben Zeit miteinander verbracht, weil ich von ihm die Erlaubnis wollte, um seine Schwester zu werben. Sobald Lucian, also der Earl of Westminster, sich mir gegenüber nicht mehr ablehnend verhalten hat, haben wir festgestellt, wie viel wir gemeinsam haben. Ich habe begonnen, ihn zu mögen. Und schließlich wurde aus unserer Zuneigung noch etwas Größeres. Ich kann mich unendlich glücklich schätzen, diese Erfahrung mit ihm teilen zu dürfen.«

Ester: »Vielen Dank, meine Herren, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.«

Amalia springt auf. »Müssen Sie schon gehen? Wie schade! Es hat sehr viel Spaß gemacht, sich mit Ihnen zu unterhalten. Vielleicht können Sie noch ein wenig bleiben?«

Nicholas Aldersmith: »Es ist an der Zeit. Auch wenn wir Ihre Gastfreundschaft sehr genossen haben.«

Earl of Westminster: »Sie beide sind sehr interessante Damen. Natürlich dürfte ich so etwas in der Vergangenheit nicht aussprechen. Aber wenn ich nach Ihren enthusiastischen, lebhaften Charakteren gehe, ist das in Ihrer Zeit anders.«

Ein Poltern lässt Amalia herumfahren. Vor dem Haus scheint ein Unwetter zu toben. Warum hat sie das Toben des Sturms zuvor noch nicht wahrgenommen? »Ich hätte noch so viele Fragen. Haben Sie vielleicht noch ein paar Augenblicke, damit ich mich nach Ihren Zukunftsplänen erkundigen kann?«

Der Earl of Broomfield schüttelte den Kopf. Er wirkt nervös. »Es ist Zeit für unseren Aufbruch. Ich wünschte tatsächlich, wir können in dieser Zeit der unendlichen Möglichkeiten für Männer wie uns noch ein wenig bleiben. Doch das können wir leider nicht in die Realität umsetzen.«

Jacob Ealing: »Möglicherweise gelingt es uns, Ihnen den Fortgang unserer Geschichte irgendwie zu übermitteln. Auch wenn unser Besuch nur kurz gedauert hat, so hat er dennoch bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen. Vielen Dank für die Hoffnung, die Sie uns für die Zukunft gemacht haben.«

Amalia will sich bei den Männern noch für ihre Offenheit bedanken, doch das Unwetter wird stärker. Das Heulen des Windes ist nun so laut, dass sie nichts anderes als das Klopfen ihres Herzens hören kann. Die vier Männer nickten sich zu und gehen Richtung Ausgang. Sie öffnen die Tür und lassen einen kalten Luftstoß ins Haus.

Während einer nach dem anderen nach draußen tritt, kneift Amalia die Augen zum Schutz vor dem Sturm zusammen. Plötzlich wird sie von einem Lichtstrahl von draußen geblendet. Er ist viel zu hell, um von einer Straßenlaterne zu stammen. Sie dreht den Kopf weg.

»Tut mir leid«, hört sie Bettinas Stimme sagen. »Ich wollte dich nicht wecken. Leider habe ich den falschen Lichtschalter erwischt.«

Amalia blinzelt gegen das Licht. Plötzlich sitzt sie wieder auf der Couch und entdeckt Bettina an der Wohnzimmertür. Der Autorenkollegin ist das schlechte Gewissen deutlich anzusehen. »Kein Problem. Ich hatte gerade einen seltsamen Traum.«

»Hoffentlich habe ich dich nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt geweckt.«

»Wie man es nimmt.« Amalia lächelt. »Unsere Helden haben mich besucht. Ich konnte mich mit deinen Earls und mit Jacob und Nicholas unterhalten. Gerne hätte ich noch länger mit ihnen über ihr Leben geplaudert. Aber ich glaube, ich darf von Glück sagen, sie überhaupt persönlich getroffen zu haben.«

»Jetzt bin ich tatsächlich etwas neidisch.« Bettina dimmt das Licht und kommt wieder zur Couch. »Eigentlich sollten wir ja schlafen gehen. Es ist kurz vor vier. Vermutlich kann ich jedoch kein Auge zutun. Erzählst du mir von deiner Begegnung?«

»Sehr gerne. In meinem Traum warst du bei dem Gespräch anwesend. Schade, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst.«

»Stimmt. Aber du bist eine tolle Geschichtenerzählerin. Ich bin mir sicher, in wenigen Minuten habe ich das Gefühl, tatsächlich dabei gewesen zu sein.«

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Zur Zeit gibt es übrigens bei Lovelybooks eine Verlosung mit Taschenbüchern zu „Frei und doch verbunden“.

Turbulenzen in Liebesromanen

Abbildung: Pixabay

Romanzen folgen fast immer einem bewährten Muster. Zwei lernen sich kennen, mögen sich anfangs nicht oder aber schon, doch es stehen ihnen verschiedene Probleme im Weg, die erst beseitigt werden müssen, bis das Happy End eingeläutet werden kann. Gelegentlich – aber nicht immer – endet es mit einer Hochzeit.

Und hier sind einige typische Turbulenzen, die man in manchen Romanzen findet:
(Ich mische hier übrigens bunt Hetero- und queere Paare.)

  • Eine Frau zwischen zwei Männern – ihr Exfreund will sie unbedingt zurückerobern.
  • Sie können einander nicht leiden. Oder sind Konkurrenten um etwas. Wenn da nur nicht diese unerklärliche Anziehungskraft zwischen ihnen wäre…
  • Er lernt gleichzeitig zwei faszinierende Männer kennen. Für welchen der beiden soll er sich nur entscheiden? (In polyamoren Settings fällt diese Entscheidung eventuell weg, aber auch der Weg dahin ist möglicherweise lang.)
  • Sie ist noch jung (oder auch nicht) aber bereits Witwe und kann den Verlust ihrer besseren Hälfte nicht überwinden. Oder doch?
  • Er hat die Nase voll von Beziehungen und will einfach nur unverbindlichen Sex.
  • Er ist verliebt, aber sie hat ein Kind aus einer früheren Beziehung. Wird diese Patchwork-Familie funktionieren?
  • Wie aus heiterem Himmel taucht seine Ex wieder auf, für die er noch immer Gefühle hat.
  • Sie glaubt nicht mehr an die große Liebe, das ist doch nur was für hoffnungslose Romantiker!
  • Er hat (aus Gründen welcher Art auch immer) psychische Probleme und hat deshalb Angst vor Nähe oder Bindungsangst.
  • Aus speziellen Gründen muss sie die Stadt verlassen, aber ihre Flamme bleibt. Ob das gut geht mit einer Fernbeziehung?
  • Er ist bi. Sein neuer Freund geht davon, dass er sich früher oder später doch für eine Frau entscheiden wird, was für Streitigkeiten sorgt.
  • Sie möchte polyamor leben, er nicht. Oder doch?
  • Sie wurde von ihrem Mann betrogen und ließ sich scheiden. Nun hat sie Schwierigkeiten, Männern zu vertrauen, wenn es um die Liebe geht.
  • Beziehungstatus: Es ist kompliziert. A will mehr als B. B ist das zuviel. Oder andere Beziehungsstatuskomplikationen.
  • Er hat Probleme mit seiner sexuellen Orientierung. Sein Freund ist da schon weiter. Wird er sich trauen, sich zu outen?
  • A hat B mit C betrogen. C stellt fest, dass sie sich zu beiden hingezogen fühlt.
  • A hatte einen unvergesslichen One Night Stand mit B. Jahre später ist er/sie mit C zusammen, doch dann taucht B wieder auf…
  • Zum Schluss noch ein Klassiker:
    A liebt B, doch ihre Familien sind dagegen (das gab es  schon bei Shakespeare…)