#Autor_innensonntag: Wie versetze ich mich in meine Protagonist*innen?

Das ist eine Frage, über die ich bisher gar nicht bewusst nachgedacht habe. Was mir sicherlich hilft sind meine Hobbyerfahrungen mit Pen & Paper Rollenspiel und Liverollenspiel, bei denen ich immer wieder in andere Rollen schlüpfe, besonders stark im Liverollenspiel, denn da geht es nicht „nur“ um eine Vorstellung im Kopf, sondern auch das Verkörpern, mit Bewegung, Kostümen (Gewandungen), Requisiten und so weiter. Das hat viel auch Ähnlichkeit mit Schauspiel, nur ohne vorgegebene Rollen, Texte, Regieanweisungen.

Ich fühle mich also oft in andere Figuren hinein. Und dann frage ich mich: Was empfindet diese Figur in dieser oder jener Situation. Wie würde ich reagieren? Wie reagiert sie? Ist es bei ihr wie bei mir oder anders, weil diese Figur ganz anders ist als ich?

Ich neige oft dazu, Figuren zu schreiben, die mir in mancher Hinsicht ähnlich sind, z.B. ängstlich in manchen Situationen, eher schüchtern oder unsicher im Umgang mit Menschen, oder zurückhaltend, gelassen und ruhig. Vermutlich, weil ich mich in solche Figuren am leichtesten hineinfühlen kann.

Ich habe auch schon ganz im Sinne von Own Voices über Themen geschrieben, die mich selbst betreffen, z.B. Queerness, eine Gehbehinderung, die bipolare Störung/Neurodivergenz und Depressionen. Da habe ich natürlich dann auch eigene Erfahrungen mit einfließen lassen, ohne dass die entsprechenden Geschichten autobiografisch geworden sind.

Aber natürlich habe ich auch schon ganz andere Charaktere geschrieben, z.B. so richtig fiese, menschenverachtende Antagonist*innen. Und wenn ich mich in diese hineinversetzen möchte, oder auch in Figuren, die mir kaum ähnlich sind, dann lasse ich mich von dem inspirieren, was ich aus der Popkultur kenne.

Oft gibt es, gerade in der Phantastik, aber auch darüber hinaus Tropes und Archetypen, hier einige Beispiele: Der Heiler. Die weise Alte. Die Kriegerin. Gelehrte und Mentor*innen. Zauberkundige Figuren. Smarte Detektiv*innen. Bücherwürmer, die sich viel Wissen angeeignet haben. Der lustige Sidekick, der für Lacher sorgt. Der Love Interest. Die Freundin, die mit einem Pferde stehlen gehen würde. Und so weiter. Mit anderen Worten, es gibt bestimmte Figurentypen, die immer wieder auftauchen, in tausend Varianten. Und entsprechend frage ich mich dann beim Schreiben: Wie tickt diese Figur? Was ist ihr wichtig, was ist ihre herausragendste Motivation? Was sind ihre Schwächen und Stärken? Je genauer ich das weiß, desto besser kann ich die Figur so schreiben, wie sie sein soll. Um das zu erreichen, habe ich z.B. schon mal „Protagonist*innen-Interviews“ geführt (siehe z.B. diese englischsprachige Vorlage: https://www.helpingwritersbecomeauthors.com/nanowrimo-outlining-character-interviews/)

Teilweise sind solche archetypischen Charaktere mit einigen Klischees verbunden und da ist es natürlich eine Herausforderung, entweder die Klischees zu demontieren, sie quasi auf den Kopf zu stellen, oder sie bewusst einzusetzen, ohne zu tief in die Klischeekiste zu greifen.

Last but not least: Ein Trick, den ich mir angeeignet habe und der ein bisschen schräg klingen mag: Ich „besetze“ gern, wenn auch nicht immer, Hauptfiguren gedanklich mit real existierenden Schauspieler*innen – das hilft mir oft sehr, mein inneres Kopfkino anzukurbeln. Ich verrate aber nicht, wen ich da für welche Figur besetze, denn ich möchte Leser*innen nicht meine Vorstellung einer Figur überstülpen. Letztendlich entsteht ja meistens im Kopf von Lesenden ein ganz eigenes Bild von einer Figur.

Meine Empfehlungen für mehr Vielfalt im Bücherregal

Dieses Thema gibt es im Rahmen des #Autor_innensonntags von Justine Pust.

Wenn ihr gern Phantastik lest, schaut gern mal auf diese Liste – die dort aufgelisteten Autor*innen sind queer, BI_PoC oder auf andere Weise divers, zum Teil auch intersektional (Teil mehrerer marginalisierter Gruppen):
https://bit.ly/diversePhantastikAutor_innen (oder den QR Code im Bild nutzen).

Und hier folgen einige weitere Empfehlungen:

Tommy Herzsprung schreibt Gay Bücher und Thriller

Der Buchblog »Like a dream« berichtet seit über 15 Jahren über queere Literatur, darunter auch Jugendbücher.

Linus Giese hat ein Buch über seine Lebensgeschichte als trans Mann veröffentlicht (»Ich bin Linus«) und ist als Buchblogger aktiv.

Schwarzrund ist Autor*in der Bücher »Biskaya« und »Quasi«.

Abschließend einige empfehlenswerte (nonfiction) Bücher zum Thema Antirassismus:

exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen
von Tupoka Ogette
Unrast Verlag
ISBN: 978-3897712300

Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus
von Noah Sow
Books on Demand
ISBN: 978-3746006819

Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
von Alice Hasters
Hanserblau Verlag
ISBN: 978-3446264250

Unter Weißen – Was es heißt, privilegiert zu sein
von Mohamed Amjahid
Hanser Literaturverlage
ISBN: 978-3-446-25472-5

Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken
von Mohamed Amjahid
Piper Verlag, München 2021
ISBN: 978-3-492-06216-9

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
Von Reni Eddo-Lodge 
Tropen-Verlag 
ISBN: 978-3608504194

Autor_innensonntag: Wie können wir LGBTIAQ+ unterstützen?

Ich bin queer, entsprechend ist auch mein Blickwinkel auf dieses Thema. Hier sind einige Vorschläge von mir dazu, mit mehreren verlinkten Seiten.

An die Autor*innen unter euch:
Sensitivity Reading

Wenn ihr als Autor*innen über queere (LGBTIAQ+) Menschen schreibt, aber selbst nicht queer seid (oder auf andere Weise als eure Figuren) macht euch bitte auf die Suche nach Sensitivity Readern, die es sind. Sie können euch helfen, schädliche Stereotypen, unabsichtliche Darstellungen von Mikroaggressionen oder andere problematische Dinge zu eliminieren, die ihr möglicherweise versehentlich in euren Text bringt, einfach weil ihr nicht die entsprechende Lebenserfahrungen teilt. Auf diese Weise könnt ihr problematische Darstellungen von LGBTIAQ+ Menschen vermeiden, z.B. das fürchterliche Handlungsmuster »Bury your gays«, zu dem die Autorin Elea Brandt kürzlich einen interessanten Beitrag in ihrem Blog geschrieben hat. Auf dieser Seite findet ihr Sensitivity Reader, oder fragt in Social Media:
https://sensitivity-reading.de/

Recherchieren
Sicherlich recherchiert ihr allerhand für eure schriftstellerischen Projekte, nicht wahr? Hier gibt es Recherchematerial in Sachen Diversität – auf dieser Liste findet ihr Links zu zahlreichen Texten, z.B. Blogbeiträge, Artikel, außerdem Bücher, Podcasts u.a., die sich mit Diversität und auch mit der Repräsentation von queeren Menschen befassen (Google Doc):

http://bit.ly/literaturundlinksdiversität

Hier außerdem einige englischsprachige Texte (Google Doc):

http://bit.ly/linksandtextsdiversity

Mein Essayband »Diversity in der Literatur« beschäftigt sich ebenfalls mit vielen Diversitätsthemen, auch mit queeren Menschen.

An die Leserinnen unter euch
Werft einmal einen kritischen Blick in euer Bücherregal. Seht ihr da ausschließlich Bücher von cisgender, heterosexuellen Autor*innen? Klar, bei vielen ist das nicht auf Anhieb ersichtlich und natürlich muss jede Person ganz individuell für sich entscheiden, ob, wann oder wie sie sich outet. Aber es gibt online Listen und Buchempfehlungen zu queeren (auch genannt »Own Voices«) Autor*innen – z.B. aus Buchblogs, die sich auf queere Bücher spezialisiert haben. Zwei dieser Blogs:
QueerBuch – https://queerbuch.wordpress.com/
Like a dream – https://www.like-a-dream.de/

Der sehr engagierte Blog »Wir schreiben queer« hat einen großen Autor*innen-Katalog auf seiner Webseite: https://www.wir-schreiben-queer.de/ und ist auf Facebook und Instagram aktiv.

Auch auf dieser Liste für Phantastik findet ihr Bücher von Own Voices Autor*innen:
http://bit.ly/phantastikmitdiversität

Und hier englischsprachig für Phantastik: https://queersff.theillustratedpage.net/

Last but not least hier der Vorschlag: Lest mehr Bücher mit queeren Figuren, mit queeren Geschichten. Das bietet nicht nur eine Abwechslung zur heteronormativ geprägten Mainstream-Literatur, es könnte auch euren Horizont erweitern.


#Autorensonntag

Verantwortung als Autor*innen. Haben wir Verantwortung? Wie gehen wir damit um?

Um es vorwegzunehmen, ich finde, ja.Wir schreiben nicht nur im stillen Kämmerlein für uns allein, sondern für ein lesendes Publikum. Wir tragen Verantwortung für die Geschichten, die wir in die Welt setzen, denn es ist ja nicht so, dass irgendeine Muse ganz losgelöst von unserer Person uns Geschichten einflüstert, die wir dann vollkommen unbewusst zu Papier bringen. Jeder Plot, jegliche Gestaltung von Figuren beinhaltet viele bewusste Entscheidungen. Als Autor*innen können wir uns für oder gegen Diversität in unseren Geschichten entscheiden. Wir können uns für oder gegen problematische Tropes entscheiden. Ich habe einmal eine ganze Romanidee komplett verworfen, als mir durch einen Blogbeitrag und einen Videobeitrag einer Own Voices Bloggerin klar wurde, dass ich in jenem Fall fast ein sehr problematisches Trope als Plotdevice verwendet hätte.

In manchen Fällen reproduzieren Autor*innen unbewusst problematische Tropes und reagieren entsetzt oder überrascht, wenn Lektor*innen sie darauf aufmerksam machen. Die Autorin und Lektorin Susanne Pavlovic hat darüber einen Beitrag geschrieben:
https://www.tor-online.de/feature/buch/2020/05/twilights-kinder-toxische-beziehungsmuster/


Ich habe einen Blogbeitrag geschrieben über die fatale Romantisierung von toxischen Beziehungen.

… und darüber, dass Konsens sexy ist (denn viel zu oft fehlt Konsens zwischen zwei Figuren in einer Geschichte) https://amalia-zeichnerin.net/konsens-ist-sexy/

Ich habe mehrfach Beiträge geschrieben zum Thema Diversität in der Literatur, sowie über Triggerwarnungen (hier zu finden:
https://amalia-zeichnerin.net/category/diversitaet-inklusion-representation/) und plane dazu einen Essayband, um diese Beiträge in gebündelter Form anzubieten.

Autorensonntag: (Online-)Marketing und Goodie-Wahn

Abbildung: Geralt, Pixabay

Online-Marketing

Als ich vor 5 Jahren mit dem Veröffentlichen begonnen habe, bin ich bei Facebook Mitglied geworden. Erst 2019 bin ich auch bei Twitter richtig aktiv geworden und auch bei Instagram eingestiegen.
Anfangs habe ich auf Facebook sehr viel Werbung in Büchergruppen gemacht – es gibt gefühlt 1001 Büchergruppe bei Facebook. Ich habe auch selbst einige Büchergruppen gegründet und bin dort Admin. (1) Bei manchen Gruppen ist allerdings mein Eindruck, dass sie einfach als Werbeplattform genutzt werden und ansonsten passiert dort nicht viel.

Mittlerweile weiß ich aus Erfahrung: Menschen in Social Media sind übersättigt mit Werbebeiträgen und das gilt auch für die vielen, vielen Buchveröffentlichungen, die es jährlich gibt. Deshalb herrscht in vielen Gruppen auch ein Werbeverbot, oder Werbung ist nur an bestimmten Wochentagen erlaubt.

Wenn ich Autor*innen Rat geben sollte, würde ich folgendes vorschlagen:
Macht Werbung, aber in Maßen. Erzählt am besten Geschichten rund um eure Bücher und deren Entstehungsgeschichte, das kommt in der Regel besser an als ein plattes „Kauf! Mein! Buch! Es ist sehr gut” oder ähnliches.
Vermeidet auch multiple Werbebeiträge in ein und derselben Gruppe.
Arbeitet mit Buchblogger*innen zusammen, wenn es möglich ist.
Schaut auch unbedingt abseits von den social media, was es noch online für buchige Foren gibt, denn es gibt Menschen, die social media nicht oder nur kaum nutzen und die lieber entsprechende Foren besuchen.
Wenn ihr das Gefühl habt, damit überfordert zu sein, mehrere Social Media Kanäle zu bedienen, beschränkt euch auf ein oder zwei.
Richtet eventuell einen Newsletter ein, damit erreicht ihr dann eure Leserschaft per E-Mail.
Es gibt Newsletter-Anbieter mit kostenlosen Möglichkeiten, z.B. Mailchimp.

Weitere Tipps zum Thema Online-Marketing gibt es in meinem gratis Ratgeber für Selfpublisher, der auf der Seite gratis Texte als PDF zu finden ist.

Übrigens: Gewinnspiele und Verlosungen bringen meistens eine kurzfristige Aufmerksamkeit, z.B. für Neuveröffentlichungen. Aber bitte auch hier nicht den Werbeeffekt überschätzen. Der ist mitunter um einiges geringer, als man es sich erhofft. Menschen, die bei Buch-Gewinnspielen mitmachen, kaufen nur selten das entsprechende Buch, wenn sie es nicht gewinnen.

Goodie-Wahn

Manche Autor*innen überbieten sich gegenseitig damit, Goodies zu ihren Büchern selbst anzufertigen, oder zu kaufen – und diese dann kostenlos auf buchigen Veranstaltungen abzugeben (oder dort günstig zu verkaufen).

Es gibt kaum eine*n Autor*in, die keine Goodies anbietet. Weil es irgendwie alle machen. Weil der Eindruck entsteht, dass das erwartet wird. Aber ist das wirklich so? Es geht doch letztendlich in erster Linie um die Bücher.

Ich selbst bin eine Bastelniete, denn handwerkliches Geschick und Feinmotorik sind bei mir nicht gut ausgeprägt. Ja, ich habe auch schon gelegentlich Goodies gebastelt. Auf buchigen Veranstaltungen losgeworden bin ich sie kaum. Ich habe auch mal Buttons drucken lassen sowie kleine Schmuckanhänger bestellt und die kostenlos verteilt. Manche Besucher von Events fanden die ganz toll, wollten aber mit mir nicht über meine Bücher reden. Also überlege ich mir entsprechend zweimal, ob ich solche Goodies überhaupt verteilen möchte.

Ich kenne ein, zwei Autor*innen, die extra ein Gewerbe angemeldet haben, um neben ihren Büchern auch passendes Merchandising verkaufen zu können und die dafür extra Onlineshops aufmachen. So etwas würde ich allein schon von der Logistik her nicht wuppen können.

2020 bin ich gar nicht mit einem Autorenstand auf Veranstaltungen, aus gesundheitlichen Gründen. Wie es 2021 wird, kann ich noch nicht einschätzen. Eines weiß ich aber mit Sicherheit: Goodies werde ich auch weiterhin nur sehr eingeschränkt verteilen.

Die Autorin Sandra Florean hat übrigens einen interessanten Blogbeitrag zum Thema Goodie-Wahn veröffentlicht:
https://sandraflorean-autorin.blogspot.com/2019/10/der-goodie-wahn-muss-das-sein.html

(1) Folgende (Bücher-)Gruppen habe ich bei Facebook gegründet:

Steampunkbibliothek

Urban Fantasy Literatur

Phantastik mit Diversität, Inklusion, Repräsentation

Horror Bücher und Filme – deutschsprachige Gruppe

Literatur und Lesungen in Hamburg & Umgebung

historische queere Literatur + historische queere Phantastik Literatur