Über Konsumkritik, Neoliberalismus, Millionäre und Milliardäre

Foto: Jason Leung, Unsplash

Die Themen Konsumkritik sowie Millionäre und Milliardäre (bzw. überreiche Leute) haben mich in den letzten Tagen sehr beschäftigt, hier einige Gedanken dazu.

Fangen wir buchig an: Erinnert ihr euch noch an den lang anhaltenden Trend mit den Millionärs- und Milliardärsromanzen? Es scheint, dass manche Menschen sich stark angezogen fühlen von Reichtum, Luxus, Macht, Statussymbolen. Der Kapitalismus und der Neoliberalismus lassen grüßen. Entsprechend wirken dann auch Millionäre und Milliardäre auf solche Leute attraktiv.

Aber seit dieser Trend stattfand, hat sich viel verändert. In den USA regiert ein faschistisches Regime (nein, das ist nicht einfach eine Meinung von mir, lest dazu bei Bedarf die politische Analyse von Annika Brockschmidt im Volksverpetzer).

Millionen Menschen dort haben staatliche Unterstützung für Bedürftige für Lebens- und Haushaltsmittel verloren (das Programm SNAP – „Supplemental Nutrition Assistance Program“ wurde durch den Shutdown der Regierung ausgesetzt), ebenso wurde die Gesundheitsversorgung Medicaid gekürzt, die Preise für Lebensmittel und andere Dinge sind durch die aktuelle Politik explodiert.

Auf der anderen Seite machen die Reichen Business as usual, sie feiern, als ob kein Morgen gäbe, sie konsumieren, sie werfen mit Statussymbolen um sich. Der Ruf nach „Tax the Rich“ wird immer lauter, prallt aber an der Regierung ab, und das nicht nur in den USA.

Wenn Millionäre und Milliardäre in diesen Zeiten (immer noch) ihren Reichtum zur Schau stellen und damit prahlen, dann ist das wie ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die kaum über die Runden kommen. Da ist auch nicht viel mit Solidarität mit Bedürftigen, mit Menschen, die wenig haben.

Stattdessen will der Neoliberalismus lauter individualistische, egoistische Einzelkämpfer*innen, die nur auf den eigenen Vorteil und Profit bedacht sind. Ein neoliberales Narrativ ist ja: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Also erfolgreich Karriere zu machen und gut Geld zu verdienen. Das blendet aber die strukturellen Probleme aus, von denen viele Menschen betroffen sind. Zum Beispiel Leute, die in Armut aufwachsen und weniger Bildungschancen haben, bzw. im Bildungssystem unter anderem aufgrund von Vorurteilen benachteiligt werden. Marginalisierte Menschen aller Art sind ebenfalls von zahlreichen strukturellen Problemen betroffen.
„Jeder ist seines Glückes Schmied“ passt also im Grunde nur für Personen, die schon von vornherein mit gewissen Privilegien ausgestattet sind, z.B. weil sie in eine wohlhabende weiße Familie hineingeboren wurden. Auch das Gegenteil wird im Neoliberalismus gern verbreitet: Wer es nicht schafft, sein eigenes Glück zu schmieden, hat sich halt sich genug angestrengt und Pech gehabt. Leider glauben immer noch viel zu viele Leute an den Mythos, dass jede Person doch einfach ihr Glück schmieden könne.

In den USA hat zumindest in Teilen Gesellschaft mittlerweile gewissermaßen eine Entzauberung der Superreichen stattgefunden, wie eine Umfrage zeigt. Dieser zufolge glauben außerdem 53% der Amerikaner*innen, dass Milliardäre eine Gefahr für die amerikanische Demokratie darstellen. (1)

Millionäre und Milliardäre stellen in der Tat eine Gefahr für die Demokratie dar, wie in diesem Video (33 Minuten) von der Politikwissenschaftlerin und Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas erläutert wird. Die Beschreibung des Videos:
„In der neuen Folge von „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ spricht die Politikwissenschaftlerin und Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas über die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland, die Ursachen von Armut und Reichtum und die Gefährdung unserer Demokratie durch die Vermögensungleichheit. Sie erklärt, wie neoliberale Politik die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert und welche Rolle dabei die Steuerpolitik spielt.“
https://www.youtube.com/watch?v=f-UmRwTv07E

Die Singer-Songwriterin Billie Eilish hat übrigens kürzlich 11,5 Millionen Dollar an mehrere gemeinnützige Organisationen gespendet und sie hat andere Millionäre und Milliardäre dazu aufgerufen, es so wie sie zu machen. (2)

Kommen wir zum Thema Konsumkritik.
Ich bringe das hier mit ein, da bald wieder Black Friday ist. Ich bin seit Jahren konsumkritisch eingestellt. Fast Fashion, Fast Books, Fast Irgendwas, das alles ist mir ein Gräuel, unter anderem, weil es eine Katastrophe in Sachen Nachhaltigkeit ist und weil solch ein Lifestyle schlichtweg sehr teuer ist.

Was Fast Fashion betrifft, schaut euch mal Dokus darüber an, wo ein Großteil der ausrangierten Kleidung landet, in riesigen Müllhalden im globalen Süden. Schaut euch Dokus an über Kinderarbeit und Sweatshops, in denen in menschenunwürdiger Weise Fast Fashion produziert wird, oft in minderwertiger Qualität, was angesichts der katastrophalen Produktionsbedingungen kein Wunder ist.

Und deshalb möchte ich gern auf den konsumkritischen Kauf-Nix-Tag (3) hinweisen: Einfach an diesem Tag überhaupt nichts kaufen. In Deutschland findet er immer am letzten Samstag im November statt, also in diesem Jahr am 29.11.
In den USA findet er am Freitag nach Thanksgiving statt – am Black Friday, der auch hier mit Schnäppchen und allerhand Angeboten lockt.

Ich möchte diesen Beitrag schließen mit einem Austausch, den ich im Fediverse hatte.
Katharina Nocun schrieb kürzlich dort mit Bezug auf deutsche Politik (4)
„Es ist mir rätselhaft, warum manch einer es für angemessener hält, die Versorgung von besonders alten und kranken Menschen mit teuren Medikamenten zur Diskussion zu stellen, anstatt über Reformen bei Erbschaftsteuer & Vermögensteuer zu reden.“

Mein Kommentar:
„Aber das musst du doch verstehen, die Reichen, die Millionäre und Milliardäre, das sind die ungekrönten Könige und Kaiser unserer Zeit, die dürfen und bekommen alles, das Fußvolk aber nicht. (Ja, das ist Sarkasmus.)“

Daraufhin wies ein anderer Nutzer darauf hin, was während der Französischen Revolution mit den Reichen und Adligen geschehen sei.

Ich kommentierte, dass ich mittlerweile recht häufig Anspielungen auf die Französische Revolution in Social Media sähe. Wie kämen die Leute nur darauf, fragte ich dann noch auf sarkastische Weise.

Nachtrag: Schauspielerin und Regisseurin Riley Keough (eine Enkelin von Elvis Presley) hat sich Billie Eilish angeschlossen – sie hat angekündigt 8 Millionen Dollar an gemeinnützige Zwecke zu spenden und darüber hinaus hat sie Milliardäre wie Mark Zuckerberg und Elon Musk outgecallt, siehe z.B.
https://kok.xemgihomnay247.com/trangbtv/ch2-breaking-riley-keough-torches-mark-zuckerberg-and-other-billionaires-at-manhattan-gala-then-backs-it-up-with-bold-action-f0-9f-94-a5/
Sie sagte: “If you can spend billions building rockets and metaverses, you can spend millions feeding children. If you call yourself a visionary, prove it — not with money, but with mercy.“ Und am Ende ihrer Rede: “Greed isn’t strength — compassion is.”

In diesem Sinne: Tax the Rich. Und seid bitte solidarisch mit marginalisierten und armen Menschen.

Fußnoten
(1)
Siehe: https://www.forbes.com/sites/maryroeloffs/2025/11/14/americans-want-billionaires-out-of-politics-and-think-theyre-a-threat-to-democracy-poll-shows/

(2)
Siehe z.B.: https://edition.cnn.com/2025/10/31/entertainment/billie-eilish-billionaires-donation

(3)
Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Kauf-nix-Tag

(4)
Quelle: https://chaos.social/@kattascha/115548518567675124

Ich wünsche mir mehr Solidarität mit Menschen, die mit Existenzminimum leben.

Am Montag, den 13.10. habe ich auf Instagram geschrieben:

Ein politischer Beitrag
Aktuell gibt es eine Petition von Innit: „Nein zu schärferen Sanktionen beim Bürgergeld: Das Existenzminimum ist nicht verhandelbar“. Diese Petition hat mittlerweile über 56.000 Mitzeichnungen erzielt. Das ist sehr gut.
Leider reicht das nicht. Aus folgendem Grund: Ein Bekannter von mir, der politisch tätig ist, schrieb mir: „allerdings wäre die Petition beim Bundestag nach meiner Kenntnis nicht nur besser, sondern auch der einzige Weg, überhaupt an eine Befassungspflicht zu gelangen. Andere Portale haben keinerlei Bindung gegenüber dem Parlament.

Was wir also brauchen, ist eine entsprechende Petition direkt für den deutschen Bundestag. Ich habe am Montag nachgeschaut, es gibt noch keine solche Petition dort. Ich würde selbst eine schreiben, aber dafür fehlt mir das Knowhow. Deshalb meine Frage in die Runde: Gibt es hier jemanden, der eine solche Petition schreiben kann, wenn der entsprechende Gesetzesentwurf vorliegt?
Mein Bekannter möchte das machen, aber eventuell schafft er es zeitlich nicht. Falls doch, teile ich seine Petition überall, wo es mir möglich ist.

Warum schreibe ich darüber? Ich selbst lebe mit Existenzminimum. Zwar beziehe ich kein Bürgergeld, sondern Grundsicherung (aufstockend zu meiner selbständigen Tätigkeit) und eine Erwerbsminderungsrente. Aber ich habe jahrelang Bürgergeld bekommen (als es noch Hartz IV hieß), weil ich aus gesundheitlichen Gründen nicht Vollzeit arbeiten konnte. Und ich könnte ein Buch darüber schreiben, was ich mit dem Jobcenter erlebt habe. Aber das wäre kein heiteres Buch, ganz im Gegenteil.

Soweit mein Instagram-Beitrag. Und hier weitere Überlegungen.

Nun sollen die Bürgergeldsanktionen so weit gehen, dass einem bei einer vollen Sanktion auch die Miete nicht mehr gezahlt wird. Damit droht mehr Menschen Obdachlosigkeit. Schon jetzt „waren zum Stichtag 31. Januar 2025 (…) in Deutschland nach den Meldungen von Kommunen und Einrichtungen rund 474 700 Personen wegen Wohnungslosigkeit untergebracht.“ (1) Das ist fast eine halbe Million und diese Zahl dürfte sich erhöhen, wenn die geplanten Änderungen tatsächlich umgesetzt werden.

Was das System Bürgergeld und die Jobcenter bzw. Agentur für Arbeit für Auswirkungen auf Betroffene hat, zeigt u.a. eine dreijährige Studie des Verein Sanktionsfrei e.V., siehe
https://sanktionsfrei.de/studie25

Diese gibt es auch als Kurzfassung zu lesen auf 3 Seiten.
Ich zitiere hier daraus einige Headlines.
1: Der Regelsatz von monatlich 563 € reicht laut großer Mehrheit der Befragten (72 %) nicht aus, um ein würdevolles Leben zu führen.
2: Der Wunsch vom Bürgergeld unabhängig zu werden ist stark ausgeprägt (74 %). Jedoch
sind nur Wenige zuversichtlich, dass sie auch eine Stelle finden werden, mit der sie den
Bürgergeldbezug beenden können (26 %).
3: Gesellschaftliches Stigma und Scham sind unter den Befragten sehr präsent.
Nur 12 % fühlen sich zur Gesellschaft zugehörig und 42 % geben an, dass sie sich schämen, Bürgergeld zu beziehen.“


Mit sozialer Gerechtigkeit haben die Pläne zu den Bürgergeldsanktionen nicht mehr viel zu tun.

Stattdessen werden hier Menschen zu Sündenböcken gemacht – obwohl es in Deutschland nur ca. 16.000 bis 17.000 Totalverweigerer gibt, die nicht mit den Jobcenter wie gewünscht mitarbeiten. Ich zitiere den Verein Für Soziales Leben e.V.:
„Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Zahl der „Totalverweigerer“ verschwindend gering ist. Zwischen Januar und November 2023 erhielten rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. In diesem Zeitraum wurden in 13.838 Fällen Leistungen gemindert, weil eine Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung verweigert wurde. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr ergibt das etwa 16.000 bis 17.000 Fälle – also lediglich 0,4 Prozent aller Bürgergeldbeziehenden.
Die große Mehrheit der Leistungsminderungen (über 80 Prozent) erfolgte nicht wegen Arbeitsverweigerung, sondern wegen Meldeversäumnissen – zum Beispiel, wenn Empfängerinnen oder Empfänger einen Termin beim Jobcenter versäumten.“ (2)

Betroffene werden außerdem auch der Willkür von Sachbearbeiter*innen in den Jobcentern ausgesetzt. Sie werden darüber hinaus teilweise in Arbeitsverhältnisse gezwungen, die langfristig nicht für sie geeignet sind.

Eine Bekannte von mir schrieb, dass sie solche Angst habe, wieder arbeitslos und damit dem Jobcenter ausgeliefert zu sein, dass sie lieber bei ihrer aktuellen Arbeitsstelle bleibe, obwohl dieser Job sie nicht ausfülle.

Und ich könnte hier nun noch mehr Erfahrungen teilen.
Eine eigene: Mitten in einer schwer depressiven Phase vor rund 10 Jahren musste ich zu einem Termin beim Jobcenter. Ich habe aufgrund der Depression während des gesamten Termins geweint und konnte mich kaum beruhigen. Die Sachbearbeiterin sagte mir: „Aber Sie brauchen doch nicht zu weinen.“
Ich habe ihr dann erklärt, dass ich gar nicht anders kann, weil ich eine Depression habe.
Ich mag mich irren, aber ich gehe davon aus, dass Sachbearbeiter*innen in den Jobcenter nicht darin geschult werden, wie sie mit kranken Menschen umgehen sollten.

Ich bin online in einer diversen, bunten, buchigen Bubble unterwegs und kenne dadurch mehrere marginalisierte Menschen. Gerade marginalisierte Menschen sind überdurchschnittlich oft davon betroffen, arbeitslos zu sein, nicht in Vollzeit arbeiten zu können, viele haben Schwierigkeiten, überhaupt eine Arbeit zu finden oder erleben Diskriminierung am Arbeitsplatz oder es gibt noch andere Probleme. Das kann gesundheitliche oder andere Gründe haben, z.B. Sexismus, Rassismus, Ableismus oder anderes.

Aber nicht nur marginalisierte Menschen sind potenziell betroffen, grundsätzlich kann eine Arbeitslosigkeit jede Person vorübergehend oder langfristig treffen, unter anderem weil wir in unsicheren Zeiten leben, um es ganz grob zu sagen. Hinzu kommen oft befristetete Arbeitsverträge, so dass manche Leute immer wieder neu nach Arbeit suchen müssen und zwischendurch ebenfalls auf das Bürgergeld angewiesen sind.

Deshalb hier mein Aufruf: Im Sinne der Social Justice, seid solidarisch mit Menschen, die langfristig oder auch nur vorübergehend mit Existenzminimum leben, seien sie marginalisiert oder nicht.
Und wenn ihr könnt, schreibt euren Abgeordneten, was ihr von den Plänen zu den Bürgergeldsanktionen haltet.

Danke fürs Lesen. Diesen Beitrag gern teilen.


Fußnoten:
(1) siehe: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/07/PD25_246_229.html
(2) siehe: https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld/buergergeld-und-der-mythos-ueber-die-totalverweigerer-fakten-statt-vorurteile/