Body Positivity? Lieber Body Neutrality

2019 habe ich den Liebesroman »Orangen und Schokolade« veröffentlicht. Dieser handelt von einer dicken Protagonistin, die sich unter anderem mit dem Thema Body Positivity beschäftigt. Ganz kurz gesagt ist das folgender Ansatz: Alle Körper sind schön und liebenswert. Die dünnen, die schlanken und auch die dicken, fetten. Klingt nach einem guten, inklusiven Ansatz? Auf den ersten Blick ja.

Allerdings habe ich mal weiter nachgeforscht in letzter Zeit und unter anderem das von den USA ausgehende Fat Acceptance Movement recherchiert. Sowie Statements von einigen Fat Acceptance Aktivist*innen, z.B. in deren Videos. Und da sehe ich mittlerweile einen unguten Trend: Dicken Menschen, die versuchen, abzunehmen, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, wird von Aktivist*innen vorgeworfen, sie würden die Bewegung verraten oder das sei dann keine Body Positivity mehr. So ist es auch einigen Prominenten ergangen, zum Beispiel der Sängerin und Songwriterin Adele. (1)

Aber Body Positivity um jeden Preis ist gefährlich, weil das unter Umständen Menschen davon abhalten kann, sich gesund zu ernähren, Fitness oder Sport zu treiben, oder allgemeiner ausgedrückt: ihren Körper zu pflegen und gesund zu erhalten – oder gesünder zu werden. Und ja, das ist dann auch oft mit Abnehmen verbunden und wer das versucht, wird von Body Positivity Verfechter*innen nicht selten verteufelt.

Ich war ca. 14 Jahre lang sehr dick. Body Positivity war für mich lange Zeit ein tröstliches, aber wenig hilfreiches Pflaster auf einer schwärenden Wunde, könnte man sagen. Denn ich habe im Laufe der Zeit mehrere gesundheitliche Probleme bekommen, die mit dem Mehrgewicht in direktem Zusammenhang standen. 2021 habe ich nach langer Suche und vielen gescheiterten Versuchen in Sachen Gewichtsreduzierung endlich eine Ernährungsform gefunden, mit der ich langfristig abnehmen kann. Seitdem habe ich auch weniger gesundheitliche Beschwerden.

Gegenentwurf zur Body Positivity: Body Neutrality (Körper-Neutralität).

Dieser Ansatz geht weg von »Alle Körper sind schön« und hat stattdessen eine neutralere Haltung gegenüber Körpern, die sich nicht auf Aussehen und Schönheit fokussiert. Body Neutrality führt weg vom Selbsthass auf den eigenen Körper (internalisiertes Bodyshaming). Aber ohne den Druck zu erzeugen, den eigenen Körper lieben oder schön finden zu müssen. Stattdessen geht es um Respekt dem Körper gegenüber und man kann sich auch daran erfreuen, wie er funktioniert.

Ein Beispiel aus einem Cartoon: »Ich mag meine Beine (nicht wegen ihres Aussehens), weil ich mich ihnen gut laufen kann.« Man könnte auch sagen, es geht dabei eher um die Gesundheit des eigenen Körpers, als um dessen Schönheit. Darüber hinaus ist es bei der Body Neutrality auch völlig in Ordnung, wenn man sich hin und wieder nicht attraktiv fühlt, sondern eben eher neutrale oder auch mal schlechte Gefühle dem eigenen Körper gegenüber hat. Es wird damit also viel weniger innerer Druck erzeugt.

Ich kann mittlerweile mit Body Neutrality wesentlich mehr anfangen als mit Body Positivity. Das spiegelt sich in jenem oben erwähnten Roman von 2019 nicht wider. Falls ich dieses Thema in späteren Geschichten wieder aufgreife, gehe ich aber mit Sicherheit anders daran als damals.

Fußnote:
(1) https://www.insider.com/adele-disappointed-brutal-conversations-body-weight-loss-2021-10

Weiterführender Artikel:
»Körpergewicht: „Body Neutrality“ bevorzugt« von Kathrin Gießelmann
https://www.aerzteblatt.de/archiv/235228/Koerpergewicht-Body-Neutrality-bevorzugt

Megan Anne, eine englischsprachige YouTuberin, die sich häufig auf reflektierte Weise mit Kritik am Fat Acceptance Movement befasst: https://www.youtube.com/@heylookitsmegananne