Goodbye Steampunk?

Abbildung: PrettySleepy, Pixabay

Einige Jahre lang war ich sehr aktiv in der Steampunk-Szene: ab ca. 2012 habe ich mehrere Treffen in Hamburg organisiert, z.B. mit Restaurant- und Museumsbesuchen, außerdem das jährliche Hamburger Steampunk-Picknick. Es waren ein paar schöne Treffen, allerdings haben sie sich irgendwann im Sand verlaufen, bzw. ich muss auch ehrlich sagen, es wurde mir zu anstrengend, immer wieder Terminabstimmungen zu machen und bei zig Leuten nachzuhaken, ob sie denn wirklich kommen würden oder nicht. Wir alle waren nicht eng miteinander befreundet, eher eine Gruppe an Bekannten, die Steampunk als gemeinsames Interesse hatte, mit ganz unterschiedlichen Zugängen dazu.

Der Clockworker

Eine ganze Zeitlang habe ich regelmäßig Beiträge für das Steampunk-Magazin „Clockworker“ geschrieben, das leider aus organisatorischen Gründen im Herbst 2019 eingestellt werden musste. Mit dem Clockworker geht es dennoch weiter, auf Facebook und Discord (unten findet ihr die Links dazu). Ich bin dort auch dort nicht mehr aktiv, aus verschiedenenn Gründen, unter anderem, da mich meine sonstigen Aktivitäten stark beschäftigen.

Das Amt für Aetherangelegenheiten

Ich war auch eine Weile aktiv für das Amt für Aetherangelegenheit mit ihren Zeitreisepässen, aber auch das habe ich reduziert auf wenige Veranstaltungen. In diesem Jahr werden ja reihenweise Events abgesagt wegen der Coronakrise, auch das Aethercircus Steampunk Festival ist davon betroffen. Ich war jedes Mal auf diesen Festival und bin für eine anderen Veranstaltung einmal bis nach Witten in NRW gereist. Aber ich bin nie kreuz und quer durch Deutschland oder ins Ausland für Steampunk-Veranstaltungen gereist. Das habe ich schon früher nicht und weder meine Finanzen noch meine Gesundheit geben das her, vor allem in den letzten zwei, drei Jahren.

Warum ich nur einen einzigen Steampunk-Roman geschrieben habe?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Inspiration für weitere Steampunk-Romane nach „Der Stern des Seth”, meinem Debütroman sind ausgeblieben. Ich erhielt mehrfach das Feedback, der Roman enthalte zu wenig Steampunk. Das kann man nun so oder so sehen. Ich muss ganz ehrlich sagen, auch wenn es wie ein problematisches Klischee klingt („Frauen und Technik!”): Ich interessiere mich nicht genug für Technik und habe auch zu wenig Fachkenntnisse, als dass ich das in einem Steampunk-Roman verstärkt einbringen könnte. Ich habe auch keine Lust, dazu viel zu recherchieren. Kleinigkeiten, das ja. Hard Science? Also schräge, nie dagewesene Erfindungen, die nach den Gesetzen der Physik, Thermodynamik, Mechanik etc. tatsächlich funktionieren würden? No, Sir. Nicht mein Thema. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich bewundere Maker und Tüftler für ihre Kreationen, aber Technik an sich? Die finde ich persönlich nicht so spannend, dass ich sie schwerpunktmäßig in meinen Büchern verarbeiten möchte.

Wie geht es weiter mit der deutschsprachigen Steampunk-Community?

Auf dem letzten Aethercircus, das war 2018, hielt Dr. Jürgen Lautner einen Vortrag über Steampunk und widmete sich der Frage, wie es wohl mit dem Steampunk in Deutschland weitergehen würde. Er gab dem ganzen noch etwa fünf Jahre, danach würde dieser Trend oder die Subkultur/Szene sich seiner Meinung nach möglicherweise auflösen. Die Szene ist schon jetzt recht zersplittert, aufgeteilt in viele kleine regionale Gruppen. Aber wer weiß, vielleicht werden die Steampunks irgendwann sagen „Steampunk is not dead” – und das auch zeigen? So wie es auch Montague „Monty” Jaques Fromage von Steampunkfunk Bizarre in einem seiner Songs singt. Allerdings ist Monty Amerikaner und in USA und UK ist Steampunk um einiges größer als im deutschsprachigen Raum. Immer noch. Die Zeit wird zeigen, wie sich die deutschsprachige Community weiterentwickelt.

Literarisch gesehen nur ein Nischengenre

Als Literaturgenre ist Steampunk eine Nische innerhalb der Phantastik, die leider nur sehr wenig gelesen wird. Zwischendurch war Steampunk bzw. die Goggle- und Zahnradästhetik kurzzeitig voll im Trend, selbst in Deutschland, aber davon ist mittlerweile nichts mehr zu spüren. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

Vor ca. 4 Jahren habe ich einen langjährigen Autor für Phantastik und Krimis (ein Vollzeit-Autor) gefragt, ob er sich vorstellen könnte, auch mal einen Steampunk-Roman zu schreiben. Seine Antwort: Das lohne sich für ihn nicht, das Thema sei nicht im Mainstream angekommen und entsprechende Bücher würden sich zu wenig verkaufen. In deutschsprachigen Raum fehle dafür ein entsprechendes „Zugpferd”.
Auch beispielsweise die Verfilmung von „Mortal Engines” von Peter Jackson, auf die einige die Hoffnung gesetzt hatten, damit Steampunk populärer zu machen, war nicht erfolgreich genug, um etwas derartiges zu schaffen.

Und was wird aus dem Hamburger Steampunk Picknick?
Update im Dezember 2021: Das steht in den Sternen. Für 2020 hatte die Organisation ein Bekannter von mir übernommen, der es auch 2019 organisiert hat, da meine bessere Hälfte und ich an jenem Datum umgezogen sind. 2020 und 2021 musste es dann wegen der Pandemie ausfallen. Ob mein Bekannter es 2022 organisieren wird und ob es stattfinden kann, das wird vermutlich in dieser Facebookgruppe angekündigt:
https://www.facebook.com/groups/142922095860190

Update im Dezember 2021
Auf Facebook habe ich die Gruppe „Steampunkbibliothek” gegründet, habe meinen Adminposten dort aber abgegeben. Aber auch da ist zu sehen, dass Steampunk ein Nischengenre ist.

https://www.facebook.com/groups/steampunkbibliothek/

Rund sechs Jahre lang habe ich mich in dieser Szene sehr zu Hause gefühlt, aber mittlerweile haben sich meine Interessen verändert und ich möchte meine Zeit mehr mit anderen Dingen verbringen. Fast alle meine Steampunkkleider habe ich verkauft – nicht nur, weil sie mir nicht mehr passen, sondern weil meine prekäre finanzielle Situation in den letzten Jahren mir zu schaffen gemacht hat und es noch immer tut. (Ich habe auch viele andere gebrauchte Dinge verkauft, auch aus meinem Hobby LARP.)

Ich mag Steampunk immer noch gern, aber ich bin nicht mehr in der entsprechenden Szene aktiv. Ich habe Hopepunk für mich entdeckt und möchte eventuell einmal etwas schreiben, was dem nah kommt. Ich schreibe nun schon länger rein viktorianische Krimis, ohne übernatürliche Elemente, ohne Steampunk-Gagdets.

Es folgen einige Linktipps:

Wenn ihr euch für Steampunk interessiert und gern Podcasts hört, inzwischen gibt es den ersten deutschsprachigen: „Tentakel Debakel” mit Fräulein Clara und Fräulein Rosalinde.

Link: https://www.podcast.de/podcast/758257/

Auf Facebook gibt es mehrere deutschsprachige Steampunk-Gruppen, auch regionale

Hier sind vier:

https://www.facebook.com/groups/steampunk.germany/

https://www.facebook.com/groups/clockworker/

https://www.facebook.com/groups/817434611763893/

https://www.facebook.com/groups/447926382043322/

Die Facebookseite des Steampunk Magazins „Clockworker“:
https://www.facebook.com/clockworker.de/
Sie haben auch einen eigenen Discord-Server eröffnet: https://discord.gg/nJdud8v


„Du kommst hier nicht rein!“ – Gatekeeping in Hobbys

Abbildung: Lothar Dieterich, Creative Commons Lizenz

Ich möchte heute ein bisschen über Hobbies, schreiben z.B. Cosplay. Larp. Steampunk. Fandoms. Games. Wer als enthusiatischer Newbie neu in eine entsprechende Community einsteigt, wird früher oder später auf die Gatekeeper stoßen. Der Begriff leitet sich u.a. ab von jener mystisch-mythologischen Torwächterin, die Reisenden Rätsel oder Aufgaben stellt, ehe sie den Weg (vielleicht) freigibt.

Wikipedia schreibt über Gatekeeper im Bereich der Nachrichtenforschung:
„Als Gatekeeper (deutsch: Torwächter, Schleusenwärter oder Türsteher) bezeichnet man in den Sozialwissenschaften metaphorisch einen (meist personellen) Einflussfaktor, der eine wichtige Position bei einem Entscheidungsfindungsprozess einnimmt. ”

Gatekeeper, das sind Leute, die das Hobby schon seit Annodazumal betreiben oder schon seit Urzeiten im Fandom sind und die als selbsternannte Expert*innen genau wissen, wie es geht, was nicht geht, was „man darf”, was nicht und so weiter. Und die auch ungefragt anderen Leuten ihre Meinung aufdrängen, wie sie ihr Hobby zu betreiben haben oder wie sie ihr Fansein ausleben sollten.

Vielen Hobbyist*innen ist eines gemeinsam: Ihre einzige Gemeinsamkeit ist das Hobby. Darüber hinaus können sie als Menschen sehr, sehr unterschiedlich sein und dank Internet auch quer über den Globus verteilt sein. Sie haben unterschiedliche politische Ansichten und Weltanschauungen, verschiedene Glaubenszugehörigkeiten (oder auch keine), sind straight oder queer, cis oder trans, weiß oder Schwarz, People of Color, sind wohlhabend oder eher weniger, haben Kinder oder auch nicht, sind Single oder in Beziehungen und so weiter.
Und so verschieden, wie sie im Alltagsleben sind, so verschieden sind auch die Heransgehensweisen der einzelnen Individuen an ihr Hobby.

Nicht jede Person, die ein Hobby betreibt, erhebt dies zum Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens.

Nicht jede Person verbringt Stunden und Tage damit, Kostüme zu nähen, Accessoires und Requisiten zu gestalten, nicht jede spielt jeden Tag ihre Lieblingsgames rauf und runter oder besucht Game-Conventions. Nicht jeder Mensch verbringt täglich Zeit in Online-Fandom-Foren oder hat die Zeit oder das Talent, um Fanart zu gestalten oder Fanfictions zu schreiben oder zu lesen. Nicht jede Person reist mehrfach jährlich zu vielen Veranstaltungen (z.B. am Wochenende), die mit dem Hobby zu tun haben.

Gatekeeper erwecken allerdings gern den Eindruck, all das sei aber zwingend notwendig, weil man ja sonst das Hobby nicht ernsthaft betreibe.

Gatekeeper maßen sich auch gern die Deutungshoheit darüber an, was ein gelungenes Outfit ist und was nicht – besonders wichtig bei Cosplay, Larp, Steampunk. In der deutschsprachigen Steampunk Community wird immer wieder darüber diskutiert – ist das Steampunk? Was ist Steampunk? Ist mein gekauftes Kleid, weil ich nicht nähen kann, Steampunk? Sind die aufgeklebten Zahnräder und die Goggles Steampunk, oder muss das alles auch eine Funktion haben, wie manche Geräte von Steampunk-Makern? Wie historisierend muss Steampunk sein? Muss er das überhaupt sein? Und wie ist es eigentlich mit Überschneidungen zu Cyberpunk, Gothic, Science-Fiction und anderen?

Gatekeeper reißen auch hier gern die Deutungshoheit an sich: So, wie sie Steampunk sehen, so ist es und nicht anders. Es gab mal eine Social Media Gruppe mit dem Namen „Ich mag meinen Steampunk undefiniert” und auch das Gegenstück dazu, „Ich mag meinen Steampunk definiert” existierte.

Genau das ist das Lieblingshobby der Gatekeeper: Sie definieren, was das Hobby ausmacht. Sie sind die selbsternannten Expertinnen.

Und vergessen gern darüber eines: Dass es hier nicht um eine exakte Wissenschaft geht. Auch nicht um geschichtliche Fakten oder um ein möglichst authentisches Reenactment. Ein Hobby ist ein Hobby ist ein Hobby. Es soll Spaß machen. Auch wenn dieser Spaß für unterschiedliche Leute nicht exakt gleich aussieht. Weil Menschen nun mal unterschiedlich sind. Auch die Geschmäcker sind verschieden. Was dir im Hobby Spaß macht, das ist vielleicht nichts für mich. Und was mir gefällt, damit kannst du vielleicht nichts anfangen. Trotzdem ist es für uns beide ein Hobby.

Mittels (erfolgreichem) Gatekeeping wird aus eine Gruppe von Hobbyist*innen allerdings schnell ein elitärer Club, der nur andere Mitglieder akzeptiert, wenn sie das Gatekeeping und die damit verbundenen, selbst auferlegten Normen verinnerlicht haben.

Im Cosplay-Bereich sagen einem manchen Gatekeeper, richtiges Cosplay setze immer eine Eins-zu-Eins-Umsetzung von Kostümen voraus und am besten eine besondere hohe persönliche Ähnlichkeit mit dem dargestellten Charakter. Wer in dieses enge Bild nicht hineinpasst, aufgrund von Hautfarbe, Haarfarbe, Körpertyp oder gar Behinderungen und ähnliches, oder wer einfach schlichtweg nicht den Geldbeutel hat, um ein perfektes Cosplay sein Eigen zu nennen, dem werden Gatekeeper möglicherweise die Freude an diesem Hobby schnell vermiesen. Neulich las ich außerdem ein Interview, dass sich mit Mobbing im Cosplay beschäftigt, was teilweise auch wieder mit Gatekeeping-Haltungen zu tun hat:
https://www.teilzeithelden.de/2020/01/08/interview-eine-kampagne-gegen-mobbing-im-cosplay/

Im Gaming kenne ich mich persönlich nicht aus, aber ich habe einiges durch meinen Bekanntenkreis gehört. Auch hier gibt es Gatekeeper, die schon seit Annodazumal gamen und zum Beispiel alles, wirklich alles über Spiel XYZ wissen. Anfänger*innen werden da schon mal belächelt, oft auch ob der Wahl ihrer Spiele, manche von ihnen dürfen sich Mansplaining anhören und können froh sein, wenn sie überhaupt in der Gamingcommunity akzeptiert werden. Zu diesem Thema hat Aurelia in ihrem Blog Geekgeflüster vieles geschrieben:
https://geekgefluester.de/category/alle-themen/gaming

Zum Beispiel hier: https://geekgefluester.de/von-gamer-girls-romance-und-internalisierter-misogynie

Ich kenne einige Leute, die in Fandoms unterwegs sind und die sich aus entsprechenden Social Media Gruppen komplett zurückgezogen haben, weil sie den Umgang der Gruppenmitglieder untereinander als toxisch empfunden haben. Ob das dann auch mit Gatekeeping zu tun hatte, mag sein, aber in dem Bereich fehlen mir die entsprechenden Erfahrungen, deshalb kann ich dazu wenig sagen. Ich habe allerdings einen englischsprachigen Text von Rachael Lefler gefunden, der teilweise nahelegt, dass auch hier Gatekeeping eine Rolle spielt:
https://reelrundown.com/misc/5-Factors-that-Can-Cause-Toxic-Fandom-to-Arise

Ein Zitat daraus (von mir übersetzt):

„Es gibt dieses Gefühl von Überlegenheit. Toxische Fans können sich gegenüber anderen Fans, die weniger intensiv/obsessiv sind und oft als „Casuals” bezeichnet werden, überlegen fühlen. Wehe, wenn du ein Shirt von einer Serie trägst, aber nicht obsessiv über diese Serie nachdenkst. (…) Toxische Fankultur entwickelt sich in einem Bereich, der als Internet Echokammer bekannt ist. Eine Echokammer ist ein Raum (oft in Internet-Foren oder Social Media Gruppen), in dem widersprechende Meinungen nicht geduldet werden. Das bedeutet, die Gruppe hat eine konformistische, herdenartige Mentalität. Alles was sie sagen und tun, füttert ihre Vorlieben und ihre Voreingenommenheit gegenüber Outsidern. Wenn eine Außenseiterin hereinkommt und versehentlich einen Fauxpas in einer solchen Gruppe begeht, wird sie in der Regel unhöflich darüber aufgeklärt oder sogar einfach aus der Gruppe verbannt.
Das heizt den oftmals fast kultischen Fanatismus toxischer Fans an. Es empowert sie und ermutigt sie, denn sie fühlen sich als große Gruppe an Leuten, die mit ihren Ansichten übereinstimmen. Und egal wie klein diese Ansichten innerhalb eines Fandoms sind, wird man darin Nischen finden mit Menschen, die derselben Ansicht sind.”

Im LARP gibt es in Social Media Gruppen und Foren, in denen man seine Outfits (im LARP „Gewandung” genannt) vorstellen oder auch Fragen rund um die Gestaltung stellen kann. Und auch da stehen oft die Gatekeeper ganz schnell vor dem virtuellen Tor und erklären auch enthusiatischen Newbies gern ungefragt, was sie alles mit ihrer Gewandung verkehrt machen und wie sie es gefälligst besser machen (mit dem Subtext: „Wenn das nicht besser wird, wirst du hier bei uns nicht als ernsthafte LARPer*in akzeptiert“). Mit anderen Worten: Hier wird, ähnlich wie im Cosplay und Steampunk, nicht selten Costume-Shaming betrieben.

Gatekeepern ist dabei meistens auch egal, ob die betreffende Person vielleicht gar nicht nähen kann, nicht die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten hat, sich ein (hochwertiges, aber teures) Outfit zu leisten oder ähnliche Schwierigkeiten bestehen.

LARP ist übrigens tendenziell ein teures Hobby, denn nicht nur Outfits, Requisiten, Accessoires, sondern in vielen Fällen auch eine Camping-Ausstattung mit Zelt und natürlich die Con-Gebühr sowie die Anreise wollen finanziert werden. In vielen Fällen ist es schwierig, ohne eigenes Auto überhaupt anzureisen, da entsprechende Veranstaltungen meistens auf dem Land bzw. eher an abgelegenen Orten stattfinden. Es gibt zwar auch LARP-Formen, die den Einstieg einfacher machen, auch kann man quasi als Nichtspieler*incharakter, (abgekürzt NSC) auf Cons fahren, aber grundsätzlich sind die Hürden für Neueinsteiger*innen nicht gerade niedrig.

Ich war längere Zeit Admin in einigen Gruppen bei Facebook, darunter auch Hobbygruppen zu LARP und Steampunk. Immer wieder fragen dort Neueinsteigerinnen nach Tipps für den Anfang. Dahinter steckt natürlich zum einen Neugier, zum anderen aber vielleicht auch die Angst, etwas falsch zu machen, anzuecken, weil man das Hobby nicht „richtig” betreibt.

Aber wer bestimmt das denn bitte schön? In den Social Media bestimmen es die Gatekeeper, die am lautesten sind. Oder zumindest versuchen sie es, indem sie Neulinge mitunter solange in Diskussionen zutexten, bis diese mit dem metaphorischen Rücken zur Wand stehen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Interessierte sich enttäuscht aus einem Hobby zurückgezogen haben, weil sie an solche Gatekeeper geraten sind.

Deshalb möchte ich gern zu folgendem aufrufen:
Auch wenn du ein Hobby schon seit Annodazumal betreibst, überlege dir bitte gut, ob du Neulingen wirklich ungebetene Ratschläge geben möchtest. Erinnere dich bitte einmal daran, wie du selbst in das Hobby oder Fandom eingestiegen bist.

Frag Einsteigerinnen bitte erst mal, ob sie deinen Rat hören möchten, oder nicht. Und wenn nicht, das akzeptiere das bitte. Vielleicht haben sie auch einfach gerade keine Zeit für eine längere Diskussion.

Akzeptiere bitte, dass Menschen Hobbies unterschiedlich betreiben, je nach ihren Möglichkeiten und ja, auch nach Lust und Laune. Das gilt auch für Fandoms.
Du musst dich ja nicht mit jeder Person beschäftigen, die zufällig dasselbe Hobby hat wie du oder die im selben Fandom ist.

Und wenn dir etwas Kritisches gegenüber anderen auf der Zunge liegt, denk bitte daran: Hobbys sind Freizeitbeschäftigungen, die Spaß und Erholung bieten sollen. Für dich und für andere.

Und wenn du trotzdem allem Kritik anbringen möchtest, dann bitte konstruktiv, so dass
die Kritisierte etwas damit anfangen kann. Damit hilfst du der Person sicher mehr, als z.B. mit einem „Dein Outfit ist sch***ße!“

Denk bitte inklusiv: Alle dürfen mitmachen. Nicht nur die mit langjährigen Erfahrungen, sondern auch diejenigen, die gerade erst anfangen. Auch diejenigen, die nur hin und wieder das Hobby betreiben. Auch diejenigen, die aufgrund von Aussehen, Körpertyp, Behinderungen nicht in die gängigen Schönheitsnormen passen. Oder um es ganz allgemein zu sagen: Auch diejenigen, die anders sind als du.

Mit Gatekeeping in Medien und der Rollenspielcommunity befasst sich auch eine Episode des Genderswapped Podcast:
https://genderswapped-podcast.podigee.io/35-episode-26

Sehenswertes Video auf YouTube: „Feedbackkultur am Arsch? Das 2. GESICHT vom LARP / Ninas LARP Guide“
https://www.youtube.com/watch?v=4pTLXc31YBY

Interview mit dem amerikanischen Künstler und Fotografen Tyson Vick

Vor wenigen Tagen hatte ich die Ehre, Tyson Vick zu interviewen*. Wir sprachen über seine künstlerischen und photographischen Arbeiten, über seine multikulturelle Vision vom Steampunk-Genre und noch einiges mehr…

Amalia: Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst für dieses Interview. Ich finde deine Arbeiten außergewöhnlich. Dein jüngsten Fotobuch re-imaginiert Mozart und seine berühmten Werke. Als ich mir einige der Fotos ansah, war mein erster Gedanke, selbst wenn man Mozarts Opern oder andere Musik von ihm nicht kennt, kann man diese farbenfrohen und hoch ästhetischen Fotos sehr genießen. Und sie mögen manch einen neugierig auf Mozart machen.

Tyson Vick: Danke!

Amalia: Bitte erzähle uns ein wenig über deinen Arbeitsprozess. Wie gehst du dabei vor – findet die Planung in deinem Kopf statt, oder machst du Skizzen, Moodboards oder andere Dinge vorab? Und mit wem hast du für dieses Fotobuch zusammengearbeitet?

Tyson Vick: Es sind viele Dinge in “Mozart Reimagined” eingeflossen. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung fürs Filmemachen, daher gehe ich an diese Fotoprojekte so heran, als ob ich einen Film machen würde. Zuerst habe ich die Opern gelesen und gehört, dann über die historischen Aufführungen recherchiert, und, was noch wichtiger ist, die Epoche, in der die Stücke spielen. Danach habe ich Ideen skizziert oder auch Filme gesehen, um Inspirationen zu erhalten. Das hat dann auch die Kostüme und Requisiten beeinflusst, die ich kreiert habe. Nachdem alle Kostüme und Requisiten fertig waren, fing die nächste Phase an: Die Planung des Foto-Shootings. Dazu gehörte es auch, Modelle, Schauspieler und Musiker zu casten, Terminabsprachen und die Produktion.

Bei “Mozart Reimagined” habe ich vor allem mit den Modellen gearbeitet, die die Charaktere darstellten, aber es gab auch zwei Make-Up-Ladies, Jadi Stuart in Kalifornien und Lizzie Web in Montana, wo die meisten der Fotos aufgenommen wurden.

Amalia: Die Beleuchtung und die Kompositionen deiner Fotos erinnern tatsächlich an Standbilder aus Filmen und deine ganzheitliche Vorgehensweise hat wirklich viel Ähnlichkeit mit der Arbeitsweise von Filmregisseuren und -Fotografen.

Schauen wir uns einmal Steampunk an – ein Großteil der Szene lebt ja von der Ästhetik. Die Community an Fotografen und Steampunk ist ja teilweise entstanden, weil sie alle ein starkes Interesse an den Outfits, den Accessoires, den gemoddeten oder speziell gebauten Geräten, Erfindungen etc. haben. Die Szene ist auch recht vielseitig – da gibt es die edle “High Society”, den eher düsteren Dreadpunk, oder auch Ansätze, die Horror und Komik kombinieren, wie dein “A Steampunk Guide to Hunting Monsters”. Dann gibt es dystopische Konzepte, einen “Arbeiter-Look” und natürlich auch Folklore und andere Einflüsse aus aller Welt, von denen sich ebenfalls vieles in dem Steampunk Guide finden lässt. Wie siehst du Steampunk und was gefällt dir am besten daran?

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Tyson Vick: Mir gefällt die Vision eines multikulturellen Steampunks. Es gefällt mir, diese Ästhetik aus verschiedenen kulturellen Perspektiven zu imaginieren. Beispielsweise trägt Philomena [Anmerkung: ein Hauptcharakter aus “A Steampunk Guide to Hunting Monsters”] in dem japanischen Kapitel ein traditionelles koreanisches Hochzeitskleid, ein Hanbok, aber sie trägt es auf eine Weise, die es in einen Britischen Imperialistischen Stil überführt, in Kombination mit einem Korsett, was natürlich sehr steampunkmäßig ist.

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Das Beste am Steampunk ist für mich, dass es so vielseitig anwendbar ist, von der Arbeiterklasse bis zur Oberschicht, von Kultur zu Kultur und von eher realistisch bis hin zu Sci-Fi.

Amalia: Ich finde, dass ist eine wunderbare Vision vom Steampunk, der ja tatsächlich ein weltweites Phänomen ist.

2012, nach einer Kollaboration mit Alisa Kester, hattet ihr beide die Idee zu „A Steampunk Guide to Hunting Monsters“. Seid ihr beide Teil der Steampunk Community? Oder seid ihr einfach – du als Künstler und Fotograf, Alisa als Kostümdesignerin – interessiert an der retrofuturistischen Steampunk-Ästhetik?

Tyson Vick - A steampunk Guide to Hunting Monsters 1 © Tyson Vick – A Steampunk Guide to Hunting Monsters – Model: Brin Merkley

Tyson Vick: Alisa Kester und ich haben einen Fotoshoot für Dark Beauty Magazine in Seattle gemacht. Sie stellte ihre Kostüme zur Verfügung und ich machte die Fotos. Anschließend fragte ich sie, ob sie Interesse hätte an einem Projekt über Monster. Um genau zu sein, hat ihr Interesse an Steampunk meine Entscheidung vorangetrieben, ein auf Steampunk basierendes Fotoprojekt zu gestalten.

Amalia: Es gab sieben Leute in deiner Crew für dieses Projekt – Fotografie, Schreiben, Design, Kostüme, Garderobe, Requisiten, Locations etc. Wo kamen die anderen aus der Crew her und wie habt ihr euch getroffen –  wie habt ihr an diesem Projekt zusammengearbeitet?

Tyson Vick: Durch meinen Hintergrund aus dem Filmbereich tendiere ich dazu, wie ein Filmregisseur an die Dinge heranzugehen. Also suche ich nach Menschen, die passend sind für bestimmte Rollen und die diese auch ernst nehmen. Lizzie Web, die fast die Hälfte der Makeup-Arbeit bei Mozart Reimagined gemacht, hat auch an diesem Buch mitgearbeitet. Ich hatte zwischendurch eine Auszubildende aus dem Bereich Kostüm als Unterstützung, Catey Lockhart, die mir half, meinen Teil der Kostüme für das Buch herzustellen. Ich weiß die genauen Zahlen nicht mehr, aber ich denke Alisa Kester stellte 34 Kostüme bereit und Catey und ich kreiierten ca. 80. Unter den Modellen gab es einige Profis, z.B. Brin Merkley, die ich auch ganz traditionell gecastet habe, aber alle kleineren Rollen wurden durch Freunde und Freunde von Freunden dargestellt.

Amalia: Das ist wirklich beeindruckend. Im Grunde ist das etwas, was viele Steampunks machen. Sie nähen ihre eigenen Kostüme (manche nennen sich Stitchpunks, vom englischen “to stitch something together” = „etwas zusammennähen“). Und da draußen gibt es viele Steampunk Projekte in denen Freunde – oder Freunde von Freunden – involviert werden. Zum Beispiel begann so das Amt für Ætherangelegenheiten mehr oder weniger, eine Erfindung der deutschen Steampunk-Autorin Anja Bagus.

A Steampunk Guide to Hunting Monsters“ soll mithilfe einer Crowdfunding Kampagne des Lysandra Books Verlag ins Deutsche übersetzt werden. Wie begann diese Kooperation? Und sind auch Übersetzungen in andere Sprachen geplant?

Tyson Vick: Der Lysandra Books Verlag sprach mich nach dem Lesen des Buches an. Sie haben den Eindruck, dass es auch einen deutschen Markt finden wird. Ich hoffe, dass das Buch den deutschen LeserInnen gefallen wird, denn wir haben viel Arbeit investiert und ich finde es sehr aufregend, es einem neuen Publikum zu präsentieren. Aktuell bestehen keine Pläne, das Projekt in andere Sprachen zu übersetzen.

Amalia: Wenn du es uns verraten darfst, an welchem Projekt oder welchen Projekten arbeitest du zur Zeit?

Tyson Vick: Ich bin dabei, ein Mode-Projekt rund um Märchen zu entwickeln, mit Kostümen und Fotos von mir. Es geht ein bisschen langsamer als die letzten Projekte, und ich versuche eine passende Größenordnung dafür gestalten. A Steampunk Guide to Hunting Monsters ist ein sehr großes Projekt und war schwer als Print zu realisieren ohne einen Verlag. Deshalb versuche ich nun, das Ganze etwas kleiner zu gestalten und eine gute Möglichkeit zu finden, es unabhängig selbst zu veröffentlichen. Das Projekt ist stark beeinflusst vom Rokoko und von dem Videospiel “Dark Souls”. Es ist ein bisschen, als würde man Süßigkeiten mit einem Eimer rostiger Messer mischen. Es spricht mich aber sehr an auf kreativer Ebene, dieses Flair einzufangen – schöne Prinzessin und dunkle Monster.

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© Tyson Vick – A Steampunk Guide to Hunting Monsters

Amalia: Das klingt sehr spannend. Viel Erfolg mit diesem neuen Projekt. Was machst du außerdem?

Tyson Vick: Davon einmal abgesehen, fotografiere ich weiter Männermode und Fitness-Motive für Magazine und Blogs, außerdem arbeite ich an einigen Romanen (ohne Illustrationen) und hoffe, dass ich diese in den kommenden Jahren veröffentlichen kann. Ich bewege mich immer weiter und probiere neue Dinge aus. Künstler müssen immer am Ball bleiben und ich hoffe meine Arbeit findet ein Publikum, welches es wertschätzen kann, auch die Arbeit, die meine Kollegen und ich hinein investiert haben.

Das hoffe ich auch. Man sieht wirklich, wieviel Zeit und Mühe ihr in diese künstlerischen Arbeiten gesteckt habt. Viel Erfolg für deine Projekte und vielen Dank für dieses Interview!

Die englischsprachige Version von „A Steampunk Guide to Hunting Monsters“ kann als PDF oder in vier Print-Bänden erworben werden:

https://steampunkmonsters.com/2016/10/03/featured-content-2/

http://www.blurb.com/user/tyson_vick

http://tysonvick.com/

Die Seite zum Crowdfunding-Projekt des Lysandra Books Verlag für die deutschsprachige Übersetzung:
http://www.lysandrabooks.de/a-steampunk-guide-to-hunting-monsters/

Die
Facebookseite zu diesem Projekt

*Das Interview habe ich aus dem Amerikanischen selbst ins Deutsche übersetzt.