Kürzlich las ich im Fediverse einen Beitrag, dass viele Marginalisierte (zurzeit) auf Twitter bleiben. Sie hätten erkannt, dass keines der sozialen Netzwerke ein Safe Space für Marginalisierte ist. Also versuchen sie auf Twitter, sich so gut es geht zu schützen, unter anderem durch die Block-Funktion und weiter mit gleichgesinnten Menschen in Kontakt zu bleiben oder neue Kontakte zu knüpfen. Falls euch der Begriff »Safe Space« unbekannt ist, den erkläre ich unten bei den Fußnoten. (1)
Der Beitrag hat mich nachdenklich gemacht. Auf der einen Seite ist keines der großen sozialen Netzwerke ein Safe Space. Hater und Trolle gibt es überall. Aber immerhin gibt es in den Social Media kleine »Inseln«, die Safe Spaces sind. Mache aktiv moderierte Facebookgruppen, Discord-Server und Fediverse-Instanzen beispielsweise. Und immerhin streben die meisten Social Networks zumindest oberflächlich nach Schutz ihrer User vor Hatespeech, Desinformation und diskriminierendem Verhalten, u.a. durch Meldefunktionen.
Bei Twitter ist das nun offenbar nach der Übernahme von Musk nicht mehr so. Schon bevor er Twitter übernommen hat, gab es dort Probleme, wie ich sie oben geschildert habe. Aber immerhin konnte man entsprechende Inhalte melden und zumindest einige Leute wurden dann auch gesperrt. Ob es die Meldefunktion überhaupt noch gibt, kann ich nicht beurteilen, da ich Twitter verlassen habe, aber angesichts der Nachrichten rund um Twitter, z.B. die massiven Entlassungen tausender Mitarbeiter*innen, wage ich es zu bezweifeln. Musk versteht wohl eher nicht, wie Twitter als soziales Netzwerk funktioniert. (2) Musk ist außerdem in seinen Entscheidungen in Bezug auf das Unternehmen ziemlich unberechenbar. Hatespeech gegen marginalisierte Menschen hat massiv zugenommen seit der Übernahme, außerdem wird weniger gegen Desinformation vorgegangen. Und das ist noch nicht alles, wie der folgende Artikel zeigt: „Left-Wing Voices Are Silenced on Twitter as Far-Right Trolls Advise Elon Musk – Elon Musk appears to have out-sourced decisions about who to ban from Twitter to the platform’s right-wing extremists“. (3)
Zwischenzeitlich trendete unter anderem das N-Wort. (4)
Was ich mit all dem sagen möchte: Ja, die sozialen Netzwerke sind keine Safe Spaces für marginalisierte Menschen. Aber zumindest gibt es einige Netzwerke, oder auch nur kleine Teile darin, die versuchen, inklusiv ausgerichtete Safe Spaces zu bilden. Bei Twitter sehe ich eher das Gegenteil, nach allem, was ich bisher in den Nachrichten darüber gelesen und ansonsten gehört habe.
Fußnoten
(1)
Ein Safe Space ist ein Ort, an dem sich marginalisierte Menschen sicher fühlen können vor Hate Speech, Diskriminierungen, Hassverbrechen, Trollen und ähnlichem. Das kann offline oder online sein, z.B. Begegnungsstätten, Stammtische, inklusiv ausgerichtete Facebookgruppen oder Foren u.ä.
(2) siehe »Why Elon Musk – the Chief Twit – is in trouble: Musk thinks he bought a tech company, but he’s actually bought a community of users, and that’s where its value lies« von Prof. Paul Bernal
(3) weiterführende Artikel:
„Left-Wing Voices Are Silenced on Twitter as Far-Right Trolls Advise Elon Musk. Elon Musk appears to have out-sourced decisions about who to ban from Twitter to the platform’s right-wing extremists.“
https://theintercept.com/2022/11/29/elon-musk-twitter-andy-ngo-antifascist/
»Kurz nach Musks Übernahme: Twitter geht offenbar weniger gegen Falschinformationen vor«
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/twitter-geht-offenbar-weniger-gegen-falschinformationen-vor-a-3850ef28-54ef-46ac-a675-20e19c6e66c2
»Elon Musk’s Twitter Reinstates Anti-Trans Activists on Same Weekend as Club Q Attacked«
https://www.vice.com/en/article/epz8jz/elon-musk-twitter-colorado-shooting-anti-trans-reinstated
»Twitter Restores Anti-Trans Accounts and Fuels Hate, Groups Say«
https://news.yahoo.com/twitter-restores-anti-trans-accounts-232644658.html
»GLAAD: A MUSK-OWNED TWITTER WILL NOT ‘HELP HUMANITY’«
https://www.glaad.org/releases/glaad-musk-owned-twitter-will-not-%E2%80%98help-humanity%E2%80%99
(4) siehe z.B. „N-Wort auf Twitter: Superstar fordert Musk auf, Maßnahmen zu ergreifen“
https://www.fr.de/politik/twitter-n-wort-rassissmus-superstar-lebron-james-elon-musk-91886817.html