Lesezeit: ca. 3 Minuten Manchmal frage ich mich, warum bin ich eigentlich in der Unterhaltungsbranche? Warum mache ich nicht was Sinnvolleres? Angesichts der vielen Krisen? Klimakrise. Regierungskrise. Kriege und noch so vieles mehr, das ich täglich im Doomscrolling sehe. Und das hat mich ins Grübeln gebracht. Es heißt ja immer, man soll sich engagieren. Aber ich persönlich habe aus gesundheitlichen Gründen nicht die Löffel dafür, zu demonstrieren, in eine Partei einzutreten, ein Ehrenamt zu bestreiten oder oder oder. Seit der Pandemie meide ich auch jegliche Großveranstaltung und schlage 365 Tage im Jahr mit FFP2-Maske überall in Innenräumen auf. So ist das Leben als Risikopatientin.
Stattdessen mache ich das, was manchmal abfällig als Sessel-Aktivismus (englisch: armchair activism) bezeichnet wird. Ich unterschreibe fast täglich Petitionen oder Appelle und teile diese oft. Für den Umweltschutz. Fürs Klima. Gegen die AfD. Und noch vieles mehr, auch hier, bei den Petitionen für den Bundestag: https://epetitionen.bundestag.de/epet/startseite.html Ich schreibe gelegentlich Abgeordnete an, bei https://www.abgeordnetenwatch.de/
Was die Literatur betrifft … Menschen haben sich schon immer Geschichten erzählt. Der Schauspieler Alan Rickman hat einmal gesagt: „Es ist ein menschliches Bedürfnis, Geschichten erzählt zu bekommen. Je mehr wir von Idioten regiert werden und keine Kontrolle über unser Schicksal haben, desto mehr müssen wir uns Geschichten darüber erzählen, wer wir sind, warum wir sind, woher wir kommen, und was möglich sein könnte.“
Wir brauchen Geschichten. Über uns selbst. Über andere. Über die menschliche Existenz. Geschichten erzählen, das ist wie so vieles andere politisch, denn es bildet ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ab, sogar in der Phantastik (1). Bzw. viele Geschichten halten unserer Gesellschaft einen kritischen Spiegel vor.
Und wir brauchen auch all die anderen Kunstrichtungen. Kunst ist etwas, dass das Leben reflektiert. Für viele Menschen ist Kunst auch etwas, womit ihr Leben erträglicher wird. Deshalb schreibe ich mittlerweile größtenteils Wohlfühl-Eskapismus – wholesome und cozy. Zur Entspannung und zum Abschalten vom Alltag. Denn die Realität ist hart genug.
Aber natürlich gibt es auch ganz andere Belletristik, die den Finger in die Wunde legt und zeigt, wo es weh tut. Die auf schmerzhafte Weise aufzeigt, was alles schief läuft in unserer Welt. Oder wie Kafka es ausgedrückt hat: „„Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“
Aus meiner Sicht ist beides wichtig: Kunst zum Entspannen und Kunst, die aufrüttelt.
In der Maslowschen Bedürfnispyramide steht Kunst vielleicht nicht unten an der Basis bei den Grundbedürfnissen, aber sie ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil der Kultur. Sie ist mit Sicherheit bei den Individualbedürfnissen zu finden und kann der Selbstverwirklichung dienen.
T. Thorn Coyle hat einen lesenswerten Essay geschrieben: „Flinging Joy in the Face of Oppression: On Fighting Tyranny at Every Turn“. Darin heißt es am Ende: „To fight tyranny is, to quote Emma Goldman, to insist upon “freedom, the right to self-expression, everybody’s right to beautiful, radiant things.““ – Übersetzung: „Die Tyrannei zu bekämpfen bedeutet, um Emma Goldman zu zitieren, auf Folgendes zu bestehen: Freiheit, das Recht auf Selbstausdruck, das Recht einer jeden Person auf wundervolle, strahlende Dinge.“(2)
In diesem Sinne: Auch in schweren Zeiten haben wir nicht nur das Recht auf Leben und Freiheit, sondern auch auf Kunst. Wir haben ein Recht auf wundervolle, strahlende Dinge. Macht bitte weiter mit eurer Kunst. Wir brauchen sie. Sonst haben wir irgendwann nur noch KI-generierte, seelenlose „Kunst“ (3), die nicht von Menschen, sondern Maschinen erschaffen wurde.
Eine Geistergeschichte im Dezember, die nichts mit Weihnachten zu tun hat? Wie der Protagonist Francis bin ich ein Goth … und für uns ist im Grunde das ganze Jahr über Geistersaison. Oder Halloween. Vielleicht lest ihr ja auch gern im Winter Geistergeschichten? In den kommenden Tagen gibt es mehrere Beiträge zu diesem Roman, der im Dead Soft Verlag erscheint. Es ist übrigens kein Horrorroman, auch wenn es darin ein paar gruselige Elemente gibt. Davon handelt der Roman:
Als Francis Bailey ein altes Gasthaus in Yorkshire erbt, beschließt er, seine Zelte in London abzubrechen, um ein Bed & Breakfast zu eröffnen. Doch bald muss er feststellen, dass es in dem alten Haus spukt. Eine Zumutung für ihn – und für potenzielle Gäste. Dazu kommt, dass einer der Geister sich offenbar zu ihm hingezogen fühlt, was es noch komplizierter macht. Als Francis den Handwerker Aaron kennenlernt und die beiden sich näherkommen, droht die Situation zu eskalieren. Doch was soll Francis tun, wenn sich die Geister nicht vertreiben lassen?
Die drei Charakterportraits habe ich selbst gemalt.
Francis ist ein Goth aus London, der selbständig als Grafikdesigner im Home Office arbeitet. Auf Umwegen kommt er zu einem Gasthaus in Yorkshire und beschließt, es zu betreiben, sowie in Teilzeit weiter als Grafikdesigner zu arbeiten. Francis hat Probleme mit sozialen Ängsten (auch bekannt als Sozialphobie). Er hat sich auf schmerzhafte Weise mit dem Thema Tod auseinandersetzen müssen. Außerdem hat er einen Hund und ist Veganer – letzteres möchte er auch für das Gasthaus umsetzen.
Aaron arbeitet in einem Handwerksberuf, auf diesem Weg lernt er Francis kennen. Schon sein ganzen Leben lang lebt er in der (fiktiven) Kleinstadt Barrowsfield in Yorkshire und hat dort einen kleinen, aber feinen Freundeskreis, mit dem er sich regelmäßig zu Spielabenden trifft. Wie Francis ist er Veganer. Aaron hat schlechte Erfahrungen mit Beziehungen gemacht und dies wirkt noch nach. Ob das wohl für die beiden zu Problemen führt, oder nicht? Das könnt ihr im Roman lesen.
Edward ist ein Geist aus der edwardianischen Ära (ja, der Vorname ist Programm). Aus bestimmten Gründen findet er keine Ruhe. Mehr verrate ich nicht über ihn, wegen Spoilergefahr. 😉
Textschnipsel
Francis wagt sich in den Keller des Spukhauses…
Die erste Begegnung von Francis und Aaron …
Francis hat eine unheimliche Begegnung …
Das Medium Cecilia spricht mit einem Geist und Francis …
Aaron und Francis kommen sich näher …
Francis und sein „Angstinator“ …
Warum eigentlich Gay Romance mit einer Geistergeschichte?
Die kurze Antwort ist: Ich habe eine Schwäche für Geistergeschichten. Die lange Antwort: Ich habe früher viel Contemporary Gay bzw. Queer Romance gelesen, bis ich mich irgendwann daran „überlesen“ habe. Mittlerweile interessiert mich diese Form von Romance nur noch, wenn sie mit einem weiteren Thema verbunden wird, das mich auch abseits der romantischen Inhalte interessiert, z.B. Schauspiel, Musik, Kunst, (Cosy-)Krimis, Thriller, Mental Health Themen oder Formen von Diversität, die über „gay“ hinausgehen, bestimmte Schauplätze, Phantastik oder eben Geistergeschichten. Nachdem ich einiges in der Richtung gelesen habe, wollte ich gern selbst einmal Gay Romance mit einem Spukhaus schreiben.
Lesungsvideo Schnappt euch ein Heißgetränk, macht es euch gemütlich, wenn ihr könnt und mögt. Viel Spaß beim Reinhören. Das Video ist 8,5 Minuten lang. Warum ich so leichenblass wirke? Das ist Absicht, weil es zur gelesenen Szene passt. 😉 https://www.youtube.com/watch?v=vJTyN-bOUoI
Der Schauplatz Yorkshire
Der Roman spielt in Yorkshire, größtenteils in der fiktiven Kleinstadt Barrowsfield. Diese habe ich in der Nähe von Haworth und Keighley platziert (siehe die Karte „Ein Teil von Yorkshire“, dort habe ich einige Orte markiert, die in der Handlung erwähnt werden.)
Die Fotos bieten einen kleinen Eindruck der Landschaften. In einem der Fotos seht ihr das Ribblehead Viadukt, eine Eisenbahnbrücke in Northern Yorkshire. Und nein, ich war nicht selbst vor Ort, ich kann mir Fernreisen nicht leisten.
Geisterglaube in England
Meine Testleserin schrieb mir, sie fände es merkwürdig, dass die meisten Figuren im Roman die Existenz von Geistern einfach so hinnehmen. Aber das ist einfach kulturell in England anders als in Deutschland, dort ist der Glaube an Geister viel stärker verwurzelt als hierzulande.
Ich habe z.B. gelesen, dass Leute in England, die in Häusern leben, in denen es möglicherweise spukt, Gutachten von Ghosthunting-Teams erstellen lassen können, damit sie leichter umziehen oder andere Maßnahmen ergreifen können. (Das ist kein Witz.)
Ich habe die Situation in England unter anderem dem Sachbuch „Ghosthunting – Auf Spurensuche im Jenseits“ von Sebastian Bartoschek und Alexa Waschkau entnommen. In England gab es ja im 19. Jahrhundert auch eine starke Spiritismus-Bewegung und das wirkt wohl teilweise noch deutlich nach.
Ich habe also einige Infos dazu ins Buch eingearbeitet, also dass der Geisterglaube in England so verbreitet ist. Und eine der beiden Hauptfiguren wurde skeptischer als bisher, was Geister betrifft. Aber vielleicht ändert er dann doch noch seine Meinung. Das könnt ihr im Roman lesen.
Im Roman tauchen übrigens auch einige „Paranormal Investigators“ auf, die den Spuk im Gasthaus untersuchen wollen. In dieser Hinsicht hat mir das oben genannte Sachbuch für die Recherchen gut weitergeholfen.
Ihr wollt gern mehr Geistergeschichten in Kombination mit Gay Romance lesen?
Dann kann ich die dreiteilige Reihe „Valley Ghosts“ von B L Maxwell empfehlen, die in deutscher Übersetzung ebenfalls im Dead Soft Verlag erschienen ist.
Jason Thomas hat schon immer davon geträumt, zu beweisen, dass Geister real sind. Bereits als Kind war er besessen von Spukorten, und im Laufe der Zeit wurde seine Leidenschaft immer größer. So schleppte er auch seinen besten Freund Wade in verschiedene Spukhäuser und Hotels, immer in der Hoffnung, einen echten Geist zu sehen.
Wade Rivers hatte es immer geliebt, Zeit mit Jason zu verbringen, auch wenn das bedeutete, dass er einen gruseligen Ort nach dem anderen ertragen musste. Doch je länger sie sich kannten, umso stärker wurden die Gefühle für Jason. Leider wuchs auch seine Angst vor den Orten, die Jason erkunden wollte.
Das große Abenteuer beginnt, als sich die Chance bietet, ein Wochenende allein in einem berühmten Spukhaus zu verbringen. Für Jason die Erfüllung eines Traums, während es für Wade eher ein Albtraum ist. Tapfer versucht er, seine Ängste zu verdrängen.
Doch als merkwürdige Dinge passieren, ist das Eingeständnis seiner Gefühle für Jason plötzlich nicht mehr das Beängstigendste, was Wade passieren kann.
Die E-Books gibt es auch einzeln beim Verlag und überall, wo es E-Books gibt.
Ein weiteres Buch, mit dem ich für den Roman recherchiert habe, ist „ TheWitch’s Guide to the Paranormal: How to Investigate, Communicate, and Clear Spirits“ des amerikanischen Autors J. Allen J. Cross. Dieser ist unter anderem mit einem Team aktiv, das paranormale Untersuchungen macht, dabei aber auch spirituelle Aspekte beachtet. In seinem Buch zeigt der Autor unter anderem verschiedene Arten von Heimsuchungen auf, z.B. das sogenannte „Poltergeist“-Phänomen und noch andere.
In meinem Roman gibt es eine Hexe, die auch als Medium tätig ist und sich mit diesen verschiedenen Formen von Heimsuchungen auskennt. Ob sie Francis helfen kann, die Geister in seinem Gasthaus zu vertreiben? Das könnt ihr im Roman lesen.
Vegan auf Reisen? Im Roman möchte Francis ein veganes Bed & Breakfast aufziehen. Entsprechend wird es bei ihm vegane Speisen/Getränke zum Frühstück geben. Yorkshire ist mit seinen beeindruckenden rustikalen Landschaften eine beliebte Gegend für den Tourismus, unter anderem für Leute, die gern wandern.
Vegan sein und auf Reisen gehen, das ist oft gar nicht so einfach.
Aber es gibt Webseiten und Apps, die für Reisende vegane Hotels und Restaurants/Cafés anzeigen, z.B. diese (alles unbezahlte Werbung): https://veganaufreisen.de/
Eine weitere einfache Möglichkeit: Bei Google Maps „vegan Restaurant“ in die Suchleiste eingeben, dann werden euch entsprechende Lokale angezeigt.
Ein Rezept zum Buch Vegane Scones(britisches Teegebäck)
Zutaten 500 g Weizenmehl (je nach Vorliebe Weißmehl oder Vollkornmehl, es geht beides) 1 TL Salz 2 EL Zucker 1 Päckchen Backpulver 60 g Margarine oder 60 ml Pflanzenöl 300 ml veganen Drink, z.B. Haferdrink
Zubereitung Alle Zutaten gründlich mischen und zu einem glatten Teig verkneten. Diesen im Kühlschrank ca. 15 Minuten ruhen lassen. Dann aus dem Teig die Scones formen (wie kleine Brötchen). In den vorgeheizten Ofen auf die mittlere Schiene stellen.
Backzeit Ca. 20 Minuten Elektroherd, Ober- & Unterhitze 220 °C. Bzw. bis die Scones goldbraun sind
Serviervorschlag Die Scones etwas abkühlen lassen, aber noch warm servieren. Jeweils in zwei Hälften schneiden. Traditionell werden Scones mit Clotted Cream und Marmelade gegessen. Statt Clotted Cream nehme ich gern einen veganen Frischkäse.
Inhaltswarnung: Satanic Panic, kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen (alles nur erwähnt, keine expliziten Schilderungen)
Lesezeit: ca. 6 Minuten
Ich befasse mich seit mehreren Jahren mit Paganismus und Hexenkunst und möchte gern ein wenig aufklären und Vorurteile abbauen. Oft werden moderne Hexen nicht ernst genommen oder belächelt, es wird sich über sie lustig gemacht. Manche Leute, die keine Ahnung von modernen Hexen haben, behaupten, dass es Hexen und Magie ja nur in der Phantastik oder in Märchen, Mythen, Sagen gäbe.
Ich möchte gern vorwegschicken, dass ich mich in diesem Blogbeitrag mit Hexen in westlichen Gesellschaften und Ländern beschäftige. Wenn ich hier von „Hexen“ schreibe, meine ich das völlig genderneutral: Es gibt auch trans, nichtbinäre, genderqueere und männliche Hexen.
Fangen wir an mit Wicca.
Das ist eine eigenständige Religion, die von Gerald Gardner und weiteren Mitstreiter*innen ab den 1940ern in England gegründet wurde. Hexenkunst spielt darin eine wichtige Rolle, ein weiterer Fokus liegt außerdem auf einem paganen Gott und einer Göttin. Entgegen mancher Aussagen basiert diese Religion aber nicht auf einer jahrhundertealten überlieferten Hexentradition, stattdessen gibt es viele Einflüsse aus unterschiedlichen historischen magischen Systemen. Mittlerweile gibt es im Wicca viele verschiedene Strömungen/Traditionen, z.B. Gardnerian Wicca, Alexandrian Wicca, Traditional British Wicca und noch weitere.
Wer Wicca lernen möchte, muss sich auf eine lange Lehrzeit einstellen und eine Initiation, traditionellerweise in einem Coven (Hexenzirkel). Dabei wird auch vieles nach außen hin streng geheim gehalten. Es gibt im Wicca keine übergeordnete Autorität, wie z.B. den Papst im Katholizismus. Stattdessen gibt es zahlreiche kleinere Gruppierungen, bis hin zu den genannten Covens, viele davon haben Hohepriester*innen. Wicca ist eine sogenannte geschlossene Tradition: Nur Eingeweihte, also Leute, die eine entsprechende Initiation durchlaufen haben, dürfen sich als Wicca bezeichnen.
Es gibt allerdings viele Einflüsse aus dem Wicca, die auch auf andere Hexen einen Einfluss hatten oder haben, z.B. der Jahreskreis (englisch „Wheel of the Year“) mit seinen acht Festen. Aber, und das ist wichtig: Nicht jede Hexe ist eine Wicca. Und nicht jede Hexe strebt es an, eine Wicca zu werden.
Hexen und magisch Praktizierende sind vielfältig.
Es gibt pagane Hexen, atheistische und agnostische (ja, wirklich) und Folk-Hexen, englisch „folk witches“. Das sind Leute, die sich mit folkloristischen Überlieferungen beschäftigen und diese in ihren magischen Aktivitäten verwenden. Es gibt monotheistische und polytheistische Hexen. Es gibt auch christliche Hexen (ja, wirklich). In anderen Ländern und Kulturen gibt es weitere magisch Praktizierende, z.B. die lateinamerikanischen Brujas. Viele magische Traditionen sind geschlossen, wie das haitianische Vodou. Außenstehende haben dort keinen Zutritt und da besteht auch schnell die Gefahr kultureller Aneignung. Das sollte respektiert werden. Entsprechend habe ich wenig Kenntnis über geschlossene magische Kulturen/Traditionen. Einige Leute, die Magie praktizieren, lehnen den Begriff Hexe für sich übrigens ab und bezeichnen sich anders. Auch das sollte respektiert werden.
Und was ist mit New-Age-Esoterik?
Die meisten Hexen, die ich kenne, sind bodenständig, sie vertrauen auf evidenzbasierte Medizin, schätzen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und anderer Wissenschaften. Entsprechend lehnen sie New-Age-Esoterik ganz oder größtenteils ab, denn darin werden beispielsweise esoterische Heilversprechen gemacht, mit zweifelhaften oder sehr schädlichen „Heil“-Methoden. Und, ihr könnt es euch schon denken, solche Heilversprechen sind brandgefährlich. (Es gibt Berichte über Menschen mit potentiell tödlichen Erkrankungen wie Krebs, die sich auf solche Heilversprechen eingelassen haben, evidenzbasierte Behandlungsmethoden ablehnten und daraufhin gestorben sind.) Es gibt sicherlich auch Hexen, die sich mit New-Age-Esoterik befassen, aber es ist ein Vorurteil, dass alle Hexen das befürworten.
Ist Hexenkunst eine Religion?
Das kommt darauf an, wen man fragt. Einige Leute bezeichnen es als Religion oder als den „Hexenglauben“, für andere ist es eine spirituelle bzw. magische Praxis. Da es keine übergeordneten Authoritäten und viele verschiedene Traditionen und Strömungen gibt, gibt es dazu keine allgemeingültige Aussage (vergleiche bei Interesse das von mir unten verlinkte englischsprachige YouTube Video mit Ivy Corvus und Thorn Mooney, in dem diese Frage diskutiert wird).
Magie und Wissenschaft, ist das nicht ein Widerspruch?
Skeptiker*innen lehnen gern alles ab, was nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Oft sind sie auch Atheist*innen. Der britische Physiker und Science-Fiction Autor Arthur C. Clarke hat einmal gesagt: „Magie ist nur eine Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen.“
Natürlich ist Hexen und magisch Praktizierenden klar, dass sie mit Magie nicht die Naturgesetze aushebeln können. Teleportation? Telekinese? Fliegen ohne ein Fluggerät – und nein, ich meine keinen Besen? Das ist den Hexen und Magier*innen in der Phantastik, in der Fiktion, vorbehalten.
Stattdessen heißt es unter magisch Praktizierenden gern, dass Magie dem Weg des geringsten Widerstandes folgt. Entsprechend kann eine Hexe oder magisch praktizierende Person die Magie gewissermaßen in eine erwünschte Richtung schubsen, aber es gibt keine Garantie, dass sie so wirkt, wie gewünscht.
Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, Hexe Anne aus Berlin ist in Celebrity Jordan aus USA verknallt und möchte mit dieser Person zusammenkommen. Anne wirkt einen Liebeszauber.
Aber Magie folgt, wie gesagt, dem Weg des geringsten Widerstandes. Und bei diesem Liebeszauber steht einfach viel zu viel im Weg: Celebrity Jordan wohnt auf einem anderen Kontinent, ist glücklich verheiratet, kennt Anne nicht, sie hatten noch nie Kontakt und Anne hat auch keine Möglichkeit, Celebrity Jordan zu kontaktieren. Außerdem hat Anne kein Geld für ein Flugticket in die USA. Und für Celebrity Jordan wäre Anne bestenfalls ein Fan, nicht mehr. Da wird auch der beste Zauberspruch nicht das gewünschte Ergebnis bringen.
Nun ein anderes Beispiel: Felix möchte einen bestimmten Job haben, also macht er einen Erfolgszauber. Außerdem bereitet er sich so gut wie möglich vor: sein Bewerbungsschreiben ist super, er zieht sich entsprechend passend zum Anlass an und ist pünktlich, als er beim Bewerbungsgespräch erscheint. Außerdem hat er sich überlegt, was er sagen wird und mit einem Verwandten Bewerbungsgespräche geübt. Eine Woche später erhält Felix die Zusage für den Job.
Nun werden Skeptiker*innen sicherlich einwenden, den Job hätte Felix in jedem Fall erhalten, weil er sich doch so gut vorbereitet hat, auch abseits dieses Zaubers. Aber wer weiß … vielleicht ist die Magie hier ein zusätzlicher Funke gewesen, der das erwünschte Feuerwerk mit entfacht hat.
Es ist wie mit dem Glauben in einer Religion: So wie die Existenz einer Gottheit nicht wissenschaftlich beweisbar ist, so ist auch die Existenz von Magie nicht beweisbar. Die Nicht-Existenz von Gottheiten oder Magie ist aber ebenfalls nicht beweisbar.
Allein oder in einem Hexenkreis?
Auch hier gibt es eine große Vielfalt: Manche Hexen schließen sich zu einem Coven/Hexenkreis zusammen, andere wirken allein Magie („freifliegende Hexe“, englisch: „solitary witch“) oder in losen Gruppierungen, manche Hexen organisieren Hexenstammtische oder Veranstaltungen in Hexenläden, bis hin zu größeren Events, letztere vor allem in UK und USA. Ob es in anderen Ländern auch größere Events gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, u.a. aufgrund der Sprachbarrieren.
Was ist magischer Aktivismus? (1)
Das ist mir vor allem aus dem englischsprachigen Raum bekannt. Manche Aktivist*innen für Social Justice, Climate Justice oder andere Aktivismus-Themen (z.B. die bekannte amerikanische Hexe Starhawk) verstärken ihre weltlichen aktivistischen Aktivitäten mit Magie. Teilweise kann das auch die betreffende Community moralisch stärken, durch gemeinsame Zusammenkünfte, Rituale und anderes. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Magischer Aktivismus kann niemals weltlichen Aktivismus ersetzen, sondern wird lediglich ergänzend eingesetzt.
Kommen wir zu zwei Vorurteilen.
Nein, Hexen sind nicht automatisch Satanist*innen.
Es gibt aber auch satanische Hexen. Bitte unbedingt beachten: Satanismus ist in der Regel nicht das, wie er in der Satanic Panic der 1990er reißerisch dargestellt wurde. (kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen …) (2) Siehe Fußnoten am Ende.
Hexen betreiben nicht automatisch schwarze (destruktive) Magie.
Unter Hexen gibt es eine große Vielfalt an ethischen Grundsätzen. Im Wicca beispielsweise das Threefold Law: Was du aussendest, kehrt dreifach zu dir zurück. Oder auch: Tue was du willst, aber schade niemandem.
Je nach Tradition oder eigener Ethik überlegen sich Hexen, ob sie destruktive Magie anwenden wollen oder nicht. Manche Hexen lehnen es übrigens auch vollständig ab, andere Menschen als sich selbst mit Magie zu beeinflussen.
Es gibt häufig die Bezeichnungen „weiße“ (positive, konstruktive), „schwarze“ (negative, destruktive) Magie, aber auch „graue“ (wortwörtlich eine Grauzone). Im englischsprachigen Raum lehnen manche Hexen diese Farbbezeichnungen ab, da sie als rassistisch betrachtet werden können (im Sinne von weiß = gut, schwarz = schlecht). Ich spreche mittlerweile auch lieber von konstruktiver oder destruktiver oder Schadensmagie, oder einer Grauzone.
Es gibt Hexen, die destruktive Magie (Bannzauber, Bindezauber, Flüche …) gegen Menschen einsetzen, die anderen schaden, z.B. Vergewaltiger, Serienmörder oder anderweitig Kriminelle. Es gibt sicherlich auch moralisch graue Hexen, die auch bei eher kleineren Konflikten und Problemen sofort zu destruktiver Magie greifen, aber das sind wohl eher Ausnahmen.
Ihr möchtet gern Belletristik mit modernen Hexen lesen?
Diese englischsprachige Buchreihe von T. Thorn Coyle kann ich sehr empfehlen: „The Witches of Portland“. Darin geht es nicht nur um moderne Hexen, wie sie Magie erleben und praktizieren, sondern auch um mehrere aktivistische Themen (unter anderem Kampf gegen Korruption und White Supremacists). Die Buchreihe enthält außerdem viel Diversität, auch was die magischen Traditionen betrifft. T. Thorn Coyle praktiziert selbst Magie, they ist aktivistisch tätig und das merkt man auch their Buchreihe an. https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland
Wie wäre es mit modernen Hexen in Hamburg? Mehr über meine Buchreihe gibt es hier: Hexen in Hamburg
Fußnoten:
(1) auf Englisch z.B. bezeichnet als „magical activism“ oder „Resistance Magick“
Bitte beachten: Ich habe diese drei Bücher (noch) nicht gelesen, sie wurden mir aber empfohlen.
Die Wicca-Hohepriesterin Thorn Mooney, die einen PhD in Religionswissenschaften hat, hat ein Buch über Hexen für Außenstehende geschrieben, „Witches Among Us“.
„The Triumph of the Moon“ von dem englischen Historiker Ronald Hutton, über die Geschichte und Entwicklung verschiedener Hexenströmungen, von Wicca über feministische Hexerei und Göttinnenspiritualität über Traditional Witchcraft bis hin zu freifliegenden Hexen.
Ebenfalls von Ronald Hutton: „The Witch: A History of Fear, from Ancient Times to the Present“. Ein ausführliches Buch über die Geschichte magisch Praktizierender aus zahlreichen Kulturen, von der Antike bis heute, die historische Hexenverfolgung und noch mehr.
Und auf Youtube …
Sehenswertes Video (auf Englisch) mit Ivy Corvus und Thorn Mooney „What It Means To Be A Witch: The Rise of Witchcraft, The „Witch“ Label, Religion & MORE“