Über Diversität und Repräsentation in meiner Buchreihe „Hexen in Hamburg“

Mir liegen Diversität und Repräsentation am Herzen, aber ich stoße damit bei meinen eigenen Geschichten auch an Grenzen. Für »Hexen in Hamburg« habe ich nach reiflicher Überlegung festgelegt, dass die sechs Hauptfiguren (jede von ihnen wird jeweils in einem Band zur Hauptfigur) meine eigenen Marginalisierungsthemen oder eng damit verwandte bekommen. Dass ich diese nun nenne, ist übrigens kein Spoiler für die Handlung:

Henny ist dick, bisexuell und polyamor.
Fabian hat die Diagnose bipolare Störung.
Cedric ist schwul.
Alannah ist auf dem asexuellen Spektrum.
Jannis hat von Geburt an eine leichte Behinderung und ist ein bisschen gender-nonconforming.
Dani hat soziale Ängste.

Sie alle sind auf unterschiedliche Weise pagan. Es gibt viele verschiedene pagane Traditionen und Strömungen, die pluralistisch sind; pagan ist eigentlich ein Umbrella-Begriff dafür.

Ein Gruppenportrait, von mir gemalt und digital bearbeitet.

Aber es gibt auch Diversitätsthemen, an die ich mich in diesem Fall nicht gewagt habe. Niemand dieser Hauptfiguren ist eine BI_PoC (Die Abkürzung steht für Black, Indigenous, Person of Color). Wie kommt das? Die Intersektionalität von BI_PoC und paganer Hexe kann ich persönlich nicht gut repräsentieren. Die deutsche pagane Szene ist ziemlich weiß. Darüber denkt auch Henny in »Hexen in Hamburg: Verflucht« nach. Was natürlich an sich noch kein Grund wäre, nicht doch eine BI_PoC zur Hauptfigur zu machen. Aber ich glaube nicht, dass ich für diese spezielle Form von Intersektionalität jemanden für ein Sensivity Reading gefunden hätte.

Der andere Grund ist, dass ich schlichtweg kulturelle Aneignung vermeiden wollte und dafür muss ich ein bisschen ausholen: Es gibt offene pagane Traditionen, die jeder Person unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlechtsidentität, Hautfarbe, sexueller Orientierung etc. offen stehen. Aber es gibt auch geschlossene Traditionen, viele davon sind auch verbunden mit spirituellen Einweihungen, die man erst durch ein intensives, mitunter langjähriges Training erlangen kann, wenn überhaupt.

Viele BI_PoC sind Anhänger*innen solcher geschlossenen Traditionen, z.B. da ihre Ahn*innen es ebenfalls waren. Ich meine z.B. die Religion Vodun (auch bekannt als Voudou, Voodoo und noch mit anderen Schreibweisen) oder die afroamerikanische Volksmagie Hoodoo, die teilweise von versklavten Menschen aus ihren jeweiligen Kulturen in Afrika und der Karibik mitgebracht und dann weiterentwickelt wurde. Hoodoo und Voodoo werden übrigens oft verwechselt, das ist aber nicht ein und dasselbe.

Ein weiteres Beispiel ist die Religion Santería aus Lateinamerika, bzw. aus der afrikanischen Diaspora. Sie entstand in Kuba im 19. Jahrhundert, durch einen Prozess des Synkretismus zwischen der traditionellen Yoruba-Religion aus Westafrika, der römisch-katholischen Form des Christentums und dem Spiritismus. Und auch die spirituellen Traditionen der meisten Native Americans und anderer indigener Völker sind geschlossen.

Ich als außenstehende weiße Person habe in all diesen Kulturen absolut nichts verloren. Mit anderen Worten: Wenn ich darüber schriebe, wäre das aus meiner Sicht kulturelle Aneignung. Hinzu kommt außerdem, dass ich persönlich keine Leute aus diesen Kulturkreisen kenne und ich aus offensichtlichen Gründen viel zu wenige Kenntnisse über diese geschlossenen Traditionen habe.

Ich schreibe übrigens in der Buchreihe auch nicht über Wicca, was größtenteils eine initiatorische Tradition ist, mit der ich mich ebenfalls nicht auskenne. Genauer gesagt, gibt es mittlerweile mehrere verschiedene Wicca-Strömungen in diversen Ländern. Stattdessen beschränke ich mich in »Hexen in Hamburg« auf offene pagane Traditionen, und die Verehrung der verschiedenen Gottheiten in der Buchreihe steht allen Menschen offen.

In dieser Buchreihe gibt es auch keine transidenten oder nichtbinären Hauptfiguren, denn auch hier war wieder die Frage, ob ich für diese Form von spezieller Intersektionalität eine Person für das Sensitivity Reading finde.

Hinzu kommt, dass ich als von Armut betroffene Person kein Sensitivity Reading bezahlen kann und stattdessen auf einen Arbeitstausch oder ähnliches angewiesen wäre. Stattdessen schreibe ich also »nur« über Marginalisierungsthemen, mit denen ich selbst viel Erfahrung habe, als Own Voice.

Hier geht es zur Buchreihe: https://amalia-zeichnerin.net/hexen/