Rund um die Novelle „Unser Vorstadtidyll“

Davon handelt die Novelle:
Gale und Freddy führen ein Bilderbuchleben in der Vorstadt, aber hinter der schönen Fassade bröckelt ihre Beziehung. Dann ziehen Abby und Brian ins Nachbarhaus ein, die ihr Weltbild ganz schön durcheinander bringen. Gale und Freddy müssen sich schon bald eingestehen, dass sie für die beiden mehr als nur freundschaftliche Gefühle empfinden …

Die Novelle ist in der Gegenwart in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt in Kalifornien angesiedelt und erzählt von Polyamorie und Queer Romance, übrigens ohne explizite Sexszenen.

Vorstellung der Hauptfiguren

Gale hat sich kürzlich von ihren langen Haaren getrennt und sich einen Pixie-Cut gegönnt, was bei ihrem Mann Freddy allerdings nicht gut ankam. Sie ist um einiges kleiner als er und erzählt: »Für jeden Kuss, jede Umarmung muss sich Freddy zu mir hinabbeugen. Nicht, dass ihm oder mir das etwas ausgemachen würde. Das alte Sprichwort von den Gegensätzen, die sich anzogen, passt bei uns auf jeden Fall und wir haben uns schon so einige Witze darüber anhören müssen.« Gale hat einen typischen »Nine to five« Bürojob und möchte mit ihrem Mann gern eine Familie gründen, in dem jüngst gekauften Eigenheim in einer amerikanischen Kleinstadt in Kalifornien.

Freddy hat kurzes hellbraunes Haar und haselnussfarbene Augen. Er geht regelmäßig ins Fitnessstudio und trainiert dort, eine langjährige Angewohnheit. In der High School ist er beliebt gewesen, ein Quarterback der Schulmannschaft, und später hatte er ein Stipendium fürs College bekommen. Er hat sich hochgearbeitet, in der Versicherungsgesellschaft, bei der er mittlerweile angestellt ist.

Aber dann kommt alles anders, als die beiden es sich vorgestellt haben, als Abby und Brian in ihr Leben platzen – dieses Paar zieht ins Nachbarhaus ein. Brians große Leidenschaft ist Drag und beide mögen Bondage, Indie-Rock, Gothic Musik und Metal. Abby ist als Sozialarbeiterin in einer Gemeindeeinrichtung tätig und Brian arbeitet in einem Kosmetikstudio. Außerdem sind sie queer und polyamor.

Ein Lesungsvideo (13 min) gibt es hier:
https://www.youtube.com/watch?v=AX1uZAT9co0

Eine Inspiration für die Novelle war das Musikvideo von »Beautiful Trauma« von P!nk. Entsprechend spielt der Song auch eine kleine Rolle in der Novelle.

Hier findet ihr das poppig-bunte, unterhaltsame Musikvideo:


Brian und Abby haben eine Vorliebe für Bondage. Unter ihrer Anleitung wagen sich auch Gale und Freddy daran. Ich kenne mich mit Bondage nicht näher aus und habe zunächst erst einmal selbst recherchiert. Außerdem hat eine Expertin für dieses Thema freundlicherweise die entsprechenden Szenen gelesen und mir wertvolle Hinweise gegeben, was ich noch beachten sollte.

Jesús Boscán, Unsplash

Brian ist in San Francisco als Dragqueen aktiv. Das ist auch für Freddy inspirierend und er versucht sich ebenfalls an dieser grandiosen Kunstform. Ich wiederum habe mir unter anderem Ru Paul’s Drag Race angeschaut, um mich inspirieren zu lassen.

Link zum Buch, auch mit Leseprobe:
https://amalia-zeichnerin.net/contemporary-queer-romance/

Einige Begriffe rund um Polyamorie

Die aktuelle Polyamorie Pride Flagge

Polyamorie setzt sich zusammen aus altgriechisch polýs („viel, mehrere“) und amor (lateinisch: „Liebe“) und bezeichnet Beziehungen, in denen Personen mit mehr als einer Person eine Beziehung eingehen – mit dem ausdrücklichen Einverständnis und Wissen aller beteiligten Personen.

Diese Beziehungen können sehr vielseitig sein, sie können romantisch, queerplatonisch, und/oder sexuell sein, Kinks beinhalten oder noch andere Aspekte haben. Es kann dabei Hierarchien geben, oder auch nicht. Nicht jede der Beteiligten Personen muss dabei zwingend mit allen anderen verbandelt sein.

Compersion oder Frubble
„Mitfreude“ – wenn man sich freut, dass die Partnerperson erfüllende romantische, sexuelle, sonstige innige Beziehungen mit anderen Menschen hat. Das Gegenstück dazu wäre Eifersucht.

Kommunikation
Warum liste ich das hier auf? Idealerweise ist es in polyamoren Beziehungen so, dass alle Beteiligten offen und ehrlich miteinander kommunizieren, was die Beziehungen und ein Zusammenleben betrifft, z.B. Wünsche, Bedürfnisse, mögliche Kompromisse, eigene Grenzen, Organisation von Terminen und noch vieles mehr. Natürlich ist solch eine Form der Kommunikation nicht auf polyamore Beziehungen beschränkt, idealerweise sollte sie in jeder Art von Beziehung stattfinden.

Mononormativ: Die Annahme, dass es normal und wünschenswert sei, dass eine Person ausschließlich mit einer einzelnen anderen Person eine innige Beziehung eingeht.

Metamour:
Bezeichnet eine Person A, die mit der eigenen Partnerperson B eine Beziehung hat, aber man selbst hat mit Person A keine Beziehung. Das schließt übrigens nicht aus, dass eine Person sich mit der Metamour anfreundet (siehe auch V-Beziehung)

Polyam
Abkürzung für polyamorös oder Polyamorie. Sie wird von manchen Leuten im englischsprachigen Raum bevorzugt, da „Poly“ auch eine Abkürzung für „polynesisch“ ist, also ein regionaler Ausdruck.

Polykül (englisch: Polycule)
Polyamores Beziehungsgeflecht. Diese können individuell sehr unterschiedlich aussehen und die Anzahl der beteiligten Person ist dabei nicht auf drei begrenzt, sondern kann noch mehr Personen einschließen.

V-Beziehung
In einer V-Beziehung hat eine Person zwei verschiedene Beziehungen, aber die anderen zwei Personen haben miteinander keine Beziehung – im Gegensatz zu einer echten Dreiecksbeziehung, in der alle drei Personen miteinander Beziehungen haben.

Ich habe es schon öfter erwähnt: In diesem Zusammenhang müssen wir auch mal über (mononormative) Liebesdreiecke in der Fiktion sprechen. Die enden meistens unglücklich: Eine Person fühlt sich gedrängt, sich zwischen zwei Personen zu entscheiden, obwohl sie beide liebt oder sehr anziehend findet. Und meistens denkt niemand von ihnen zumindest mal ansatzweise über alternative Beziehungsformen nach.

Weitere Begriffe findet ihr z.B. hier erläutert:
https://bernhardreicher.at/stories-of-love/poly-glossar/

Alternative Beziehungsmodelle und unglückliche Liebesdreiecke

eine Polyamorie Pride Flagge

Ich lebe seit einigen Jahren in einem Polycule (polyamores Beziehungsgeflecht). Als Autorin habe ich bisher fast ausschließlich mononormativ geschrieben, aber inzwischen habe ich mit Henny aus „Hexen in Hamburg: Verflucht“ auch eine polyamore Hauptfigur. Mononormativität ist die gesellschaftliche Annahme bzw auch das Vorurteil, dass ausschließlich (romantisch-sexuelle) Beziehungen zu zweit erstrebens- und wünschenswert sind. Oft in Verbindung mit Heteronormativitität: darin werden gegengeschlechtliche/heterosexuelle Beziehungen zu zweit zur »Norm« erklärt.

Bei Polyamorie dagegen gibt es Beziehungen mit mehreren Personen – mit dem ausdrücklichen Konsens aller Beteiligten.

Eine weitere alternative Beziehungsform ist die Beziehungsanarchie. Auf Wikipedia kann man darüber lesen: »Beziehungsanarchie ist die Praxis, zwischenmenschliche Beziehungen auf der Basis individueller Wünsche anstatt feststehender Normen und Regeln zu führen. Sie unterscheidet sich von der Polyamorie dadurch, dass sie annimmt, man brauche keine formelle Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Beziehungen. Beziehungsanarchisten betrachten jede Beziehung (Liebesbeziehungen und andere) individuell, im Gegensatz zu der üblichen Kategorisierung nach gesellschaftlichen Normen wie „nur Freunde“, „in einer Beziehung“, „in einer offenen Beziehung“.(1)

Und dann gibt es natürlich auch noch die offene Beziehung. Diese gestaltet sich häufig so, dass eine Person sexuelle Kontakte zu mehreren Personen hat, aber »nur« eine romantische (und/oder sexuelle Haupt-)Beziehung. Auch hier besteht ein Konsens der beteiligten Personen.

In der Belletristik ist Mononormativität so verbreitet, dass das Handlungsmuster »Dreiecksbeziehung«/ »Love Triangle« in 99% der Fälle bedeutet, dass die beteiligten drei Personen vorübergehend unglücklich sind – weil sie sich früher oder später zwischen zwei Personen als Partner*in entscheiden müssen. Als polyam Person frustriert mich das mittlerweile so sehr, dass ich einen weiten Bogen um solche Geschichten mache.

Auch ist es standardmäßig in diesen Geschichten so, dass die Figuren noch nie von Polyamorie, offenen Beziehungen oder Beziehungsanarchie gehört haben und noch nicht mal zumindest kurz darüber nachdenken, ob das für sie in Frage käme. Und das finde ich noch frustrierender als solche unglücklichen Liebesdreiecke. Weil das jegliche alternative Beziehungsform ausblendet und so tut, als gäbe es diese gar nicht. Über genau dieses Thema denken übrigens zwei Figuren in einer Novelle von mir nach – in dieser Geschichte geht es um Polyamorie mit vier Personen und wenn alles klappt, veröffentliche ich sie 2024.

Meine Bitte an die Autor*innen hier – wenn ihr über dramatische, unglückliche Liebesdreiecke schreiben wollt – lasst eure Figuren doch mal kurz über alternative Beziehungsmodelle nachdenken. Vielleicht kommen sie dann zu dem Schluss, dass das nichts für sie sei, aber sie haben dann zumindest nebenbei aufgezeigt, dass es noch mehr gibt als mononormative Beziehungen zu zweit.

Weiterführendes
Jährlich am 23. November ist der »Polyamory Day«, mehr dazu gibt es hier: https://polyamoryday.com/

Mehr über Polyamorie kann man auf dieser deutschsprachigen Webseite erfahren: http://www.polyamorie.de/

Mehr über Beziehungsanarchie ist z.B. hier zu lesen:
https://www.polyamorie-ev.de/beziehungsanarchie/

Fußnote
(1) siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Beziehungsanarchie