Die zertrampelte Blume oder: Lasst Leuten ihre Freude an Dingen

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Stellen wir uns Folgendes vor: Eine Person schreibt in Social Media einen Beitrag über etwas aus der Popkultur, das ihr sehr gut gefallen hat. Ein Game, ein Film, eine Serie, ein Buch, eine Graphic Novel o.ä … vielleicht ist diese Person auch aktiv im entsprechenden Fandom, falls es eines gibt oder kennt bereits mehrere andere Werke der kunstschaffenden Leute, die an dem Werk beteiligt waren.

Ich habe früher auch öfter mal in Social Media von etwas aus der Popkultur geschwärmt. Meine Erfahrung mit solchen Beiträgen: Es dauert oft nur wenige Minuten oder Stunden, bis die erste Person kommentiert: „Ich mochte Film X überhaupt nicht.“
Oder:
„Die Serie Z fand ich total scheiße, weil …“
„Ich habe dieses Buch abgebrochen, was für ein Müll!“
„Dies, das und jenes hat mir gar nicht gefallen.“

Oder ähnliches. Sicherlich habt ihr schon solche Kommentare gelesen, oder vielleicht auch selbst geschrieben. Aus so unterschiedlichen Meinungen können sich theoretisch interessante Gespräche ergeben. Aber oftmals auch nicht, weil die Meinungen bereit feststehen. Oft basieren sie auf unterschiedlichen Geschmäckern, und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, wie das Sprichwort sagt.

Und ich möchte noch etwas zu bedenken geben: Es ist nicht immer auf den ersten Blick klar, wie viel ein Buch, ein Film, eine Serie etc. einer Person bedeuten oder auch nicht. Ein persönliches Beispiel und da muss ich bisschen ausholen: Ich habe gesundheitlich bedingt viele Schwierigkeiten in meinem Leben und lebe dauerhaft mit Existenzminimum. Ich kann vieles nicht machen, was für andere, privilegiertere Menschen überhaupt kein Problem ist, z.B. Urlaubsreisen oder größere Anschaffungen. Ich kann seit der Pandemie noch weniger als früher machen, weil ich zu den vulnerablen Gruppen, den Risikopatient*innen, gehöre. Ich musste zum Beispiel mein Hobby Fantasy-LARP an den Nagel hängen.

Wenn ich Filme oder Serien sehe oder Bücher lese, die mir richtig gut gefallen, sind diese für mich ein kleiner oder auch größerer Lichtblick zwischen all diesen Schwierigkeiten. Entsprechend bedeuten sie mir viel und ich persönlich möchte mir diese Lichtblicke nicht durch Kommentare kaputt machen lassen, die diese Filme, Serien, Bücher etc. miesmachen.

Ich versuche es mal mit einem Vergleich: Stellt euch vor, ihr habt eine seltene und wunderschöne Blume gefunden und mit nach Hause gebracht. Eurem Partner oder eurem Kind oder einer Freundin gefällt diese Blume aber überhaupt nicht. Anstatt sie euch zu lassen, trampeln sie darauf herum, bis die schöne Blume ganz zerknickt ist. Kein schönes Gefühl, oder? So ungefähr fühle ich mich, wenn ungefragt Dinge miesgemacht werden, die mir gefallen.

Und ich denke, wir alle brauchen Lichtblicke in diesen schweren Zeiten, angesichts all der Krisen in unserer Welt. Und das sieht eben für jeden unterschiedlich aus: Person A hat ein erfüllendes Hobby, Person B liest gern dieses oder jenes Genre, Person C geht gern ins Kino, Person D engagiert sich ehrenamtlich und so weiter und so fort. Mit anderen Worten und da wiederhole ich mich: Ihr wisst vielleicht gar nicht, was einer Person Freude macht oder ihr wichtig ist.

Deshalb, wie wäre denn Folgendes: Wenn ihr Beiträge seht, in denen Leute von einer Sache schwärmen und euch hat diese überhaupt nicht gefallen – scrollt einfach weiter. Das ist nicht schwer und ihr spart euch auch die Zeit, einen Kommentar zu verfassen. Oder fragt erst mal im Sinne von Konsens, ob die Person, die von dieser Sache so schwärmt, eine andere Meinung zu diesem Werk hören möchte oder lieber nicht.

Eine weitere gute Möglichkeit, die ich selbst auch nutze: Wenn ihr eure Meinung oder Kritik über diese Sache (Film, Buch, Serie etc.) kundtun wollt, kommentiert nicht ungefragt bei anderen, sondern schreibt einen eigenen Beitrag, in dem ihr dann auch erzählen könnt, was genau euch daran nicht gefallen hat. Ihr könnt auch dazu schreiben, ob ihr für eine Diskussion bzw. einen Meinungsaustausch offen seid oder nicht. Natürlich könnt ihr auch Rezensionen oder Bewertungen in entsprechenden Portalen, im eigenen Blog, o.ä. schreiben.

Den folgenden englischsprachigen Blogbeitrag habe ich schon öfter empfohlen und er passt auch hier wieder:

»On Spoilers, Critisism and Consent« von Xeledons Spiegel

Easter Eggs und Anspielungen in meinen Büchern

Amna Zabini fragte heute danach auf Twitter und das hat mich zu diesem Blogbeitrag angeregt, weil ich Easter Eggs liebe und immer gern welche in meinen Geschichten unterbringe, wenn es denn passt. In manchen Fällen sind es deutlich mehr als nur Anspielungen.

Meine Kurzgeschichte „Mein Regenbogenschirm“ dreht sich direkt um diesen Auftritt von Tom Holland bei Lip Sync Battle, aus Sicht einer genderqueeren Person:

Mein Roman „Love & Crime 101“ wurde stark inspiriert durch ein Interview mit Daisy Ridley, John Boyega und Oscar Isaac. Deshalb habe ich ein kurzes „Making of“-Video gemacht, in dem ich erkläre, wie es dazu kam. Mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Buch:

In den Romanen „Die Rolle seines Lebens“ und „An seiner Seite“ spiele ich an auf dieses Video, in dem ein schwarzer Hund als Metapher für Depressionen verwendet wird:

Im Steampunk-Abenteuer-Roman „Der Stern des Seth“ sagt der Wissenschaftler Frederick MacAlistair gern: „Ich bin Wissenschaftler, kein Abenteurer!“ Das ist natürlich eine Anspielung auf diverse Zitate von Dr. McCoy und weiteren Leuten in Star Trek, die gern betonen, „Ich bin Arzt und kein …“

In „Berlingtons Geisterjäger 2 – Mördernächte“ gibt es eine Anspielung auf einen berühmten Doctor aus der Popkultur. Könnt ihr erraten, um wen es geht?

Und noch mehr zu diesem Roman: Darin gibt es True Crime in einem phantastischen Gewand – darin habe ich meine eigene Theorie entwickelt, wer der Mörder Jack the Ripper war. Ich habe dafür sehr viel zu den entsprechenden Morden recherchiert. Davon erzählt auch das Vorwort:

Ich liebe Shakespeare und habe in der historischen Novelle „Sein wahres Selbst“, die in seiner Ära spielt, mehrere Zitate aus seinen Werken, aus „Hamlet“ und „Wie es euch gefällt“. Auch der Titel ist eine Anspielung auf ein Zitat.


In mehreren meiner Romane tauchen reale historische Persönlichkeiten als Nebenfiguren oder per Cameo auf, z.B. der viktorianische Schauspieler und Theaterintendant Herbert Beerbohm-Tree, in „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Theatergeist“

Herbert Beerbohm-Tree in der Rolle des Hamlets, zeitgenössische Abbildung

In „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Kunstraub in Kensington“ ermittelt Miss Murray im Kunstmilieu und trifft auf einer Feier unter anderem Oscar Wilde, dem ich bei diesem Anlass ein Zitat von ihm selbst in den Mund lege.

Oscar Wilde, zeitgenössische Abbildung von 1882

In „Berlingtons Geisterjäger 3 – Die Türme von London“ haben die Geisterjäger und die magisch Begabten Londons eine Audienz bei Königin Victoria … and she is not amused.

Königin Victoria, Abbildung von Alexander Bassano, 1882

Es gibt noch weitere Anspielungen und Referenzen in meinen Büchern, aber ich belasse es nun hierbei.

Verleidete Nostalgie

Foto: Marc Pascual, Pixabay

Manchmal bin ich frustriert, dass Popkulturelles, was ich als Kind oder Jugendliche mochte, sich nun für mich als -istisch herausstellt. Rassistisch. Sexistisch. Queerfeindlich. Ableistisch, oder noch anders menschenverachtend oder zumindest verletzend.

Das Kinderlied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass”? Rassistisch. Gründe dafür kann man hier nachlesen:

https://interculturecapital.de/drei-chinesen-mit-dem-kontrabass-rassismus-chinesisch-deutschland/

Ganz zu schweigen von all den vielen schon älteren Büchern, in denen vollkommen unreflektiert das N-Wort genannt wird. Ich erinnere auch daran, dass ein langjährig etablierter Fantasyautor kürzlich auf einer Veranstaltung davon sprach, er werde das N-Wort auch weiterhin verwenden.

Gefühlt eine Million romantischer Kömodien der letzten Jahrzehnte – frauenfeindlich, sexistisch, veraltete oder konservative Vorstellungen von Gender, heteronormativ. Oft sind auch toxische Tropes enthalten, wie Stalking (gern romantisch verklärt als „das Erobern einer Frau”) oder Gaslighting.

Dass die einzige queere Figur in einem Film auf dramatische Weise stirbt, war lange Zeit so Standard, dass ich es früher nicht mal hinterfragt habe.
https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/BuryYourGays

Ich könnte nun noch viele Beispiele nennen. Man schaue sich z.B. mal an, was Latinx und Bl_PoC in Hollywood häufig früher (und auch noch heute) für stereotype Nebenrollen angeboten bekommen (haben). Zum Beispiel: Raumpflegerin, Nanny, Kleinkriminelle, Gang-Mitglied, Service-Kraft, Drogensüchtige oder auch der funny Sidekick der weißen Protagonist:innen.

Ich bin frustriert. Filme/Serien, die älter als 10 – 20 Jahre sind, sind oft voll solcher problematischen Tropes. Bücher oft ebenso. Ich habe keine Lust mehr darauf, mir das anzusehen oder es zu lesen. Die Nostalgie, die ich dabei empfinden könnte, wird angesichts all solcher Tropes ganz schnell schal.

Aber eigentlich ist diese Frustration ein gutes Zeichen.

Denn ich bin nicht allein damit und es zeigt mir, wie sehr sich die Gesellschaft und der Zeitgeist verwandelt hat. Dass es immer mehr Menschen gibt, die solche -ismen, solche Tropes hinterfragen. Die das nicht mehr hinnehmen wollen. Die sich inklusiveres Entertainment wünschen, authentischer Repräsentation. Das kommt allmählich auch in den Köpfen der Kunstschaffenden an, bei Autor*innen, in der Filmindustrie und noch anderen Kunstgattungen.

Klar, es gibt noch immer die, die dann als erstes die Freiheit der Kunst mit Händen und Füßen verteidigen wollen. Das sind z.B. Leute, die verlangen, man müsse „die Kunst vor den Moralaposteln” retten. Nein, das muss man nicht. Und die Etablierten, die Privilegierten, die am Alten festhalten, weil es für sie bequemer ist, die werden nicht ewig kreativ sein. Machen wir es anders.