Diversität und Repräsentation in der Literatur

Lesezeit: ca. 5 Minuten
In der deutschsprachigen Phantastikszene verfolge ich seit längerem Diskussionen über Diversität und Repräsentation. Auch in anderen Genres wird das inzwischen diskutiert.

Zunächst einmal: Was ist Diversität?
Sie ist ein Spiegel unserer vielfältigen, multikulturellen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der auch Minderheiten und marginalisierte Gruppen leben: Menschen mit Migrationshintergrund. Menschen mit Behinderungen. Queere Menschen (LGBTQ+). Menschen mit psychischen oder chronischen Erkrankungen. Menschen mit Neurodiversität**. Menschen mit Körperformen, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen. Menschen, die alternative Beziehungsformen leben, z.B. Polyamorie oder Patchworkfamilien. Diversität ermöglicht auch solchen Menschen eine Stimme zu leihen, sie zu repräsentieren – als Protagonist*innen oder Nebenfiguren. Das ist letztlich eine Form der Inklusion, auch in der Phantastikliteratur.

@DieKatzenhai schrieb vor einiger Zeit auf Twitter (heute X):
Wer ein rein weißes, dya, allo, cishet Cast schreibt, kann einfach nicht gut schreiben. Diversität *ist* Realismus.

Wer sich angesichts der Abkürzungen fragt, was das bedeutet:
dya = Das Geschlecht eines Menschen ist klar, entweder weiblich oder männlich – das Gegenteil zu intersexuellen Menschen
allo(sexuell) = Das Gegenteil zu asexuell
cis(gender) = Das Gegenteil zu transgender; cisgender Menschen sind das Gender, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde
het(erosexuell) = das Gegenteil zu queer
Dazu muss ich sagen, dass diese Genderidentitäten und sexuellen Orientierungen
sich meistens auf einem Spektrum bewegen, von daher ist „Gegenteil“ nicht immer ganz richtig, aber ich habe es hier so genannt, um es einfacher zu halten.

Ich würde zwar nicht unbedingt sagen, dass man nicht gut schreiben kann, wenn man nicht auf Diversität achtet. Aber Diversität ist auch aus meiner Sicht Realismus.
In vielen westlichen Ländern bilden weiße, dya/allo/cis/hetero Menschen zwar die Mehrheit der Gesellschaft. Wer aber nur solche Menschen in seinen Texten abbildet, blendet damit viele andere kleinere Gruppen aus, die ebenfalls zu unserer Gesellschaft gehören.

Warum ist Diversität überhaupt wichtig?

Menschen, die keiner Minderheit angehören, sind in gewisser Weise privilegiert. Marginalisierte Menschen machen in ihrem Leben oft negative Erfahrungen, z.B. Diskriminierung, fremdenfeindliches Verhalten, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Antisemitismus oder noch andere und zwar verbal oder auch physisch, bis hin zu Gewalttaten. Oftmals hat das noch dazu historische Gründe (z.B. Kolonialismus, Sklaverei, Illegalität von Homosexualität, massivste Menschenrechtsverletzungen im Nationalsozialismus und anderen totalitären Regimen u.a.).

Was hat das nun mit der Literatur zu tun? Belletristik, wie auch Theaterstücke, Comics/Graphic Novels, Filme, Serien und Spiele, also alle Medien, die Geschichten erzählen, ermöglichen Leser*innen, sich mit den handelnden Figuren mehr oder weniger zu identifizieren. Manche Figuren können Mut machen, als Vorbild dienen, andere eher nicht. Manche können Probleme erleben, die auch marginalisierte Menschen im Alltag haben und damit deren Realität widerspiegeln. Sie können in fiktionaler Form zeigen, wie man solche oder auch andere Probleme überwinden kann oder damit umzugehen lernt. Damit zeigen solche Figuren Leser*innen Wege zu einer Art Empowerment (Selbstwirksamkeit, Handlungsfähigkeit).

Wenn in Büchern aber alle Figuren wie oben beschrieben weiß, dya/cis/allo/hetero, und neurotypisch** sind, finden sich Menschen, die das nicht sind, darin nicht wieder. Natürlich können sie die Geschichte trotzdem lesen, aber sie werden sich weniger mit den Figuren identifizieren können, weil diese andere Lebensentwürfe, andere Weltanschauungen oder einen anderen Sozialisationshintergrund als sie selbst haben.

Man könnte auch sagen, wer ausschließlich weiße, dya/cis/allo/hetero, neurotypische** Figuren ohne Behinderungen oder Erkrankungen schreibt, wendet sich damit letztlich im Grunde nur an Leser*innen, die das auch sind. Und das ist zwar die Mehrheit unserer Gesellschaft im deutschsprachigen Raum, aber halt nicht die gesamte.

Ein weiteres Problem: Es gibt unzählige Bücher, die genau so gestaltet sind, es ist die Mehrheit an Publikationen. Bücher, die Diversität thematisieren – und das auf gelungene Weise – die muss man im deutschsprachigen Raum meistens noch immer suchen.

Aber das ist doch alles Fantasie. Das hat doch keinen Einfluss auf das reale Leben”
Auf den ersten Blick mag das stimmen. Allerdings gibt es Studien, die zeigen, dass der Konsum von fiktiven Inhalten sich durchaus auf Menschen, ihre Gedanken und ihr Verhalten auswirken kann.

Siehe: The Psychology of Entertainment Media – Blurring the Lines Between Entertainment and Persuasion
https://numerons.files.wordpress.com/2012/04/14psychology-of-entertainment-media.pdf

Entsprechend wird sich auch eine positive Repräsentation auf die eine oder andere Weise auf Leser*innen auswirken, die sich durch eine Figur repräsentiert sehen.

Ein Beispiel: Falls du eine Frau bist und dir die Superheldinnen-Filme „Captain Marvel“ oder „Wonder Woman“ gut gefallen haben, könnte es teilweise daran liegen, dass du dich hier als Frau durch eine Superheldin als Titelheldin repräsentiert gefühlt hast. Bis zu diesen beiden Filmen waren es fast ausschließlich männliche Superhelden, die auf der Leinwand und in Serien als Titelhelden agierten.

Darf man denn gar nicht mehr frei schreiben, was man will?”

Während in anderen Ländern, z.B. UK und USA mittlerweile größtenteils etabliert ist, dass Diversität wichtig und wünschenswert ist, wird hierzulande noch viel diskutiert, ob das so ist. Ich habe mehrfach die Frage gelesen, ob man denn nun nicht mehr frei schreiben dürfe, was man wolle. Natürlich darf man das. Die Kunst ist frei. (Artikel 5 des Grundgesetzes, hier nachlesbar: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html)

Entsprechend dürfen Autor*innen natürlich auch weiterhin Literatur ganz ohne Diversität schreiben, also mit den oben erwähnten weißen, dya/cis/allo/hetero, neurotypischen Menschen (oder Wesen) als Protagonist*innen und Nebenfiguren.

Man muss allerdings dann damit rechnen, dass manche Leser*innen und Rezensent*innen bei solchen Büchern auf einen Mangel an Diversität hinweisen. Zumal dieses Thema auch in anderen Medien, z.B. Games, Comics/Graphic Novels, Serien und Filmen einen immer größeren Stellenwert gewinnt.

Foto: Sweetlouise, Pixabay

Die Sexualität meiner Figuren interessiert mich nicht.”

Oft höre ich dieses Argument in Bezug auf queere Figuren, oder auch: „Es gibt sowieso keinen Sex in der Geschichte”. Allerdings führt das zu folgendem Problem: Wenn man die sexuelle Identität und Orientierung seiner Figuren nicht einmal ansatzweise andeutet, wird ein Großteil der Leser*innen sie einfach heteronormativ als cisgender/hetero wahrnehmen. Weil das die Mehrheit an Menschen nun einmal ist und weil man es aufgrund diversitätsarmer Literatur gewohnt ist, über solche Figuren zu lesen. Selbst wenn Sex keine Rolle spielt – Figuren sind auf die eine oder andere Weise aufgewachsen, haben ihre Erfahrungen gemacht, hatten eventuell schon mal Sex (oder auch nicht), hatten eine Beziehung (oder auch nicht). Es ist ein Teil ihrer Sozialisation, möglicherweise sogar ein wichtiger. All das prägt sie, auch das Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen und das Zusammenspiel mit dem eigenen oder dem anderen Geschlecht bzw. anderen Geschlechtern. Oft reichen schon wenige Sätze in einem Buch, um zumindest anzudeuten, welche sexuelle Identität und Orientierung eine Figur hat. Übrigens: Queere Figuren müssen in einer Geschichte keinen Sex haben, um queer zu sein.

Aber ich kenne keine marginalisierten Menschen. Wie soll ich dann über sie schreiben?”

Für die meisten Geschichten muss man recherchieren, das gilt auch für den Phantastikbereich. Also warum nicht auch über das Leben von Minderheiten recherchieren? Es gibt Erfahrungsberichte, Biografien, Blogs und vieles mehr, was sich dazu lesen lässt oder auch Dokumentarfilme und Leute bzw. Gruppen in sozialen Netzwerken, in denen man Fragen stellen kann. Ja, das macht mehr Arbeit und man muss dafür eventuell seine Komfortzone ein Stück weit verlassen – aber es lohnt sich. Außerdem gibt es Sensitivity Reader: Menschen, die selbst zu einer Minderheit gehören und einen Text aus Betroffenensicht beurteilen können. Solche Leser*innen können auf problematische Mikroaggressionen, Klischees und Stereotypen oder andere Probleme hinweisen. Eine hilfreiche Webseite dafür: https://sensitivity-reading.de/


Und damit es keine Missverständnisse gibt: Niemand verlangt, dass Autor*innen in ihren Werken sämtliche marginalisierte Gruppen abbilden, die es gibt. Es müssen auch nicht direkt die Protagonist*innen sein, schließlich können auch Nebenfiguren eine Minderheit repräsentieren.

Und noch etwas: Immer wieder lese ich darüber, dass Klischees, Stereotypen und problematische Tropes im Zusammenhang mit Charakteren verwendet werden, die aus einer marginalisierten Gruppe stammen. Wer sich fragt, was Tropes sind, das sind typische Handlungsmuster, die innerhalb eines Genres, oder auch genreübergreifend häufig in verschiedenen Varianten auftauchen. Hier eine englischsprachige Seite dazu: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/GenreTropes

Einige Beispiele für problematische Tropes:

  • Die einzige behinderte Figur in einer Geschichte wird ausschließlich über ihr Leid und ihre Behinderung definiert.
  • Die einzige Schwarze Figur ist Mitglied einer üblen Gang, ein Drogendealer oder auf andere Weise kriminell.
  • Die einzige Person of Color (nicht-weiß) dient ausschließlich als „Funny sidekick” für den Protagonisten oder die Protagonistin
  • Die einzige queere Figur stirbt auf dramatische Weise (Trope „Bury your gays”)
  • Die einzige neurodiverse Figur wird nur über ihre „Andersartigkeit” und ihre Probleme mit sozialer Interaktion definiert, oder als einsames, verschrobenes „Wunderkind” dargestellt (z.B. Autismus, Asperger-Syndrom, Hochbegabung)
  • Die einzige schwule Figur ist der beste Freund der Protagonistin. (Trope „Gay best friend”)
  • Eine eigentlich heterosexuelle Figur „wird” für diese eine ganz besondere Person schwul (Trope „Gay for you”) – was eigentlich auch noch zum Problem der Unsichtbarkeit von Bisexualität führt (Trope: „No bisexuals”)

Diversität bedeutet nicht, eine marginalisierte Figur in seine Geschichte einzubauen und diese einfach um des Drama willens leiden zu lassen. Wenn solche Figuren einfach als Plotdevice benutzt werden, um Spannung oder Emotionalität zu erzielen, ist das falsch verstandene Diversität.

Viele marginalisierte Menschen möchten in Büchern auch nicht mit Klischees und Vorurteilen über ihre Gruppe konfrontiert werden, denn das erleben sie ohnehin viel zu häufig in ihrem Alltag, bis hin zu Diskriminierungen, Übergriffigkeit oder Gewalt.
Viele von ihnen wollen dann nicht auch noch Geschichten darüber lesen. Vor allem nicht von Autor*innen, die davon nicht selbst betroffen sind. Deshalb gibt es die „Own Voices”-Bewegung, bei der betroffene Autor*innen über ihre eigene Erfahrungen schreiben oder diese in ihre Bücher einfließen lassen.

Du möchtest diverser schreiben? Hier ein paar Tipps:

  • Schreibe lebensnahe, realistische Figuren, die nicht einfach als Plotdevice dienen und auch nicht nur als (lustiger) Sidekick.
  • Mach sie authentisch und menschlich, gib ihnen eigene Motivationen (eine eigene Agenda) und mehr Eigenschaften als nur das, was sie als Mitglied einer Minderheit kennzeichnet. Definiere sie nicht allein über ihr „Anders-Sein“, denn das ist Othering.
  • Und keine Sorge, natürlich dürfen sie auch Schwächen und Macken haben, das macht sie menschlich.
  • Vermeide aber Klischees und Stereotypen.
  • Sprich mit Leuten, die zu dieser Minderheit gehören oder suche nach Sensitivity Readern


Diversität und Repräsentation in der Literatur stecken im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen.
Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass einige Verlage kaum damit werben, dass ihre Bücher divers sind und auch aus Klappentexten und Leseproben ist das nicht immer ersichtlich.
Deshalb kann ich nur dazu aufrufen: Wenn ihr Rezensionen schreibt oder wenn ihr selbst divers schreibt, und die Möglichkeit dazu habt, weist darauf hin, z.B. im Klappentext oder zumindest in der Buchbeschreibung. Das geht in den meisten Fällen auch ohne Spoiler.

Ich habe übrigens einen Essayband über Diversität in der Literatur veröffentlicht: Diversity in der Literatur

Hier gibt es außerdem eine Liste mit Phantastikbüchern, in denen Diversität und Repräsentation eine wichtige Rolle spielt – die jeweiligen Diversitätsthemen sind bei den Büchern genannt.
https://docs.google.com/document/d/1VQHMAOkYWz-4d-scnGkCd6jyO1FA3m0eabdDRYb6W7Q/

Einige weiterer Text zum Thema:
https://www.tor-online.de/feature/und-der-ganze-rest/2017/04/can-we-talk-ein-plaedoyer-fuer-mehr-diversitaet-in-der-fantastik/

Blogeitrag von mir: Für mehr Diversität im Bücherregal

Blogbeitrag von mir: Sensitivity Reading

Fußnote:
** neurotypisch ist das Gegenstück zu neurodivers. Neurodivergente Menschen können z.B. AD(H)S haben, autistische Züge, Hochsensibilität oder noch etwas anderes haben. Neurodiversität bewegt sich auf einem Spektrum. Neurotypische Menschen haben keine solchen Varianten und bilden die Mehrheit der Gesellschaft.

Warum Weltenbau in der Phantastik so wichtig ist

Lesezeit: ca. 4 Minuten

Neulich las ich einen Low-Fantasy-Roman, der in einer eigenen Welt angesiedelt ist. Die Geschichte war spannend, die Charaktere hatten ihre Ecken und Kanten und es gab überraschende Wendungen. So weit, so gut. Aber wenn es um die Welt an sich ging, geriet ich ins Schwimmen. Oder vielleicht sollte ich sagen, ich tappte quasi im Nebel herum.
Ich bin mir sicher, der Autor hat sich einiges an Gedanken zu dieser Welt gemacht. Allerdings hat er es nicht geschafft, mir diese wirklich nahezubringen. Orte wurden genannt, ohne sie näher zu beschreiben. Es ging unter anderem um einen Orden, über dessen Hintergrund man jedoch kaum etwas erfuhr. Gelegentlich wurde ein König erwähnt, aber dabei blieb es dann auch.

Wer sich schon die Mühe macht, eine eigene Welt zu kreieren, der sollte sie dem Leser so anschaulich wie möglich machen. Zum Beispiel kann man sich folgenden Fragen widmen:

Wie ist das Regierungssystem in dieser Welt?
Ich schätze, in circa 90 % der Low und High Fantasy ist dies ein feudales, mit einem König oder einer Königin an der Spitze. Das hängt häufig damit zusammen, dass hier das europäische Mittelalter als Vorbild genommen wird. Ich habe aber auch schon Fantasyromane gelesen, in denen es andere Regierungssysteme gibt, z.B. mit verschiedenen Parteien und einer Demokratie.

Städte und Dörfer
Gibt es in dem Fantasyland große Städte, oder eher kleinere, oder fast nur Dörfer? Wie sind die Transportwege zwischen unterschiedlichen Orten? Gibt es größere Flüsse, die auch befahren werden?

Die Völker
Gibt es „nur“ Menschen, oder auch Fantasywesen? Und wie kommen diese untereinander und mit anderen Völkern zurecht? Haben die Völker jeweils eigene Führungspersönlichkeiten oder unterstehen sie alle einer herrschenden Person (z.B. ein König), oder gibt es eine andere Regierungsform? Und wie sehen die Menschen in dieser Welt aus?
In vielen Fantasyromanen, die sich am europäischen Mittelalter orientieren, sind die Menschen weiß. Und zwar alle. Das muss aber nicht sein, zumal man ja auch verschiedene menschliche Völker erfinden könnte, die eventuell aus verschiedenen Gegenden stammen.

Religion
Nicht in jedem Fantasy-Roman spielt Religion überhaupt eine Rolle. Falls sie es tun soll, kann man sich Gedanken über Gottheiten machen, über ihre Priesterschaft, über Tempel oder andere Gebäude, in denen die Gläubigen zusammen kommen, auch über Gebete, Festtage, Rituale oder Jenseitsvorstellungen. Viele Fantasy-Religionen sind mehr oder weniger an reale Religionen angelehnt, aber das muss nicht so sein. Wer Spaß daran hat, hat hier etwas ganz Eigenes kreieren.

Magie
Falls es in der Welt Magie gibt, zieht das mehrere Fragen nach sich. Wie funktioniert die Magie? Basiert sie auf den Elementen oder etwas Anderem? Welche Stellung haben Magier*innen oder andere magisch begabte Personen in der Welt – werden sie verachtet, gefürchtet oder sind sie im Gegenteil angesehen? Oder werden sie gar gejagt oder auf andere Weise bedroht. Gibt es Magie-Akademien, oder lernen angehende Magier bei einer Meisterperson? Sind magische Fähigkeiten angeboren, oder kann man sie erlernen?
Können Menschen überhaupt Magie wirken, oder ist das Fantasywesen vorbehalten?

Handel und Handwerk
Gibt es Gilden oder Zünfte? Womit wird gehandelt, welche Handwerke sind besonders wichtig? Wie lernen angehende Handwerker*innen? Bei Meister*innen, oder anders? Gibt es reisende Handelstreibende oder große Handelsstraßen? Welche Stellung haben Handwerksleute und Händler*innen in der Gesellschaft?

Die Landschaft(en):
Ist diese eher gleichförmig, oder gibt es Verschiedenes, z.B. Gebirge, Sümpfe, Wälder, Brachland, Weiden, Meer, Seen, Dschungel…

Flora und Fauna
Gibt es besondere Tiere und Pflanzen in dieser Welt? Haben einige davon eine wichtige Bedeutung für die Handlung? Gibt es Haus- oder Nutztiere, oder gar nicht?

Wie ist das Klima?
Auch hier orientieren sich viele Romane an Europa, es gibt aber auch andere, die zum Beispiel ein eher subtropisches bis tropisches Klima als Vorbild nehmen. Und in diesem Zusammmenhang sind auch Stürme und andere Unwetter interessant, sofern sie für die Handlung eine Rolle spielen. Oder auch Naturkatastrophen, wie zum Beispiel Erdbeben.

Wie sind die gesellschaftlichen Normen?
Auch hier orientieren sich viele am europäischen Mittelalter. Oftmals, aber nicht immer, haben Frauen eine schlechtere Stellung als Männer, und sei es nur, dass sie typische „Frauenarbeit“ verrichten, anstatt zum Beispiel als Kriegerin in die Schlacht zu ziehen. Häufig haben eine oder mehrere Religionen eine starke Bedeutung. In manchen Fantasyromanen wird eine Art fiktiver Rassismus behandelt, oft anhand von Fantasywesen wie Elfen, Zwergen, Orks oder anderen. Auch Sexismus oder Queerfeindlichkeit spielen mitunter eine Rolle oder noch andere gesellschaftliche Probleme.
Aber auch ein utopisches Gegenteil mag auftreten, so habe ich schon Gay Fantasy gelesen, in denen es in der entsprechenden Welt völlig normal und akzeptiert war, dass zwei Männer (oder zwei Frauen, oder andere gleichgeschlechtliche Personen) heiraten. Gesellschaftliche Normen lassen sich meistens gut durch die Interaktion verschiedener Charaktere verdeutlichen. Weitere Fragen hier können sein: Wie ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern? Welche Beziehungsformen gibt es – und welche sind gesellschaftlich akzeptiert?

Der Info-Dump
Wenn es um den Weltenbau geht, gibt es allerdings ein Problem, über das manche Autor*innen stolpern – den sogenannten „Info-Dump“. Der Info-Dump vermittelt mitten im Text einen Haufen an Informationen, ohne gleichzeitig die Handlung weiter voranzubringen. Bei den meisten Lesenden kommt das nicht gut an, außerdem besteht die Gefahr, dass man damit aus dem Fluss der Handlung gerissen wird. Es ist eine hohe Kunst, Wissenswertes zur Welt dosiert einzubringen, sodass sich Lesende nicht von all den Fakten erschlagen fühlen.

Einige andere Möglichkeiten:
Ein kurzer geschichtlicher Abriss zur Welt, der dem eigentlichen Text vorangestellt wird, ähnlich wie ein Prolog.

Zwei Charaktere unterhalten sich und in diesem Gespräch wird einiges über die Welt deutlich. Zum Beispiel könnte sich ein Charakter über Rassismus beschweren, über die hohen Zölle, mit denen Waren belegt werden, über den unfähigen König. Oder jemand schwärmt von den Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt. Und das sind nur einige Beispiele.

Ferner kann man wohldosierte Beschreibungen auch zwischendurch erklärend im Text einfließen lassen, oder vielleicht denkt ein Charakter über etwas Entsprechendes nach.

Zu viel des Guten

Manchmal übertreiben es Autor*innen mit ihren Beschreibungen zur Welt. Dann wird seitenweise erzählt über die wunderbaren Speisen, die es in der Taverne XY gibt, oder es gibt ellenlange Beschreibungen der Landschaft, die aber nichts zur Handlung beitragen. Oder jemand denkt sich sämtliche Tiere neu aus, die es in der Welt gibt, und beschreibt sie in aller Länge und Breite, obwohl sie nur kurz an den Protagonisten vorbeihuschen. Und das sind nur einige Beispiele.
Entsprechende Romane wirken dann in der Regel langatmig, da solche Beschreibungen meistens, wie gesagt, die Handlung nicht voranbringen.

Und es gibt noch eine andere Gefahr: Man kann sich im Weltenbau unter Umständen verlieren. Ich kenne z.B. eine angehende Autorin, die seit einigen Jahren einen Roman schreiben möchte. Als ich sie neulich traf, war sie immer noch in der Phase Weltenbau, hatte sich aber noch kaum Gedanken zum Plot ihrer Geschichte gemacht. Das ist vielleicht ein Extrembeispiel, aber es zeigt, dass Weltenbau aufwendig ist und manche es damit eventuell übertreiben.

Protagonisten-Interview mit den Galway Hunters von Stefanie Foitzik

Machen wir eine kleine Zeitreise ins Jahr 2015…
Ich sitze mit Michael O‘Hara, seiner jungen Mitarbeiterin Cathrine „Cat“ Gallagher und seinem Mitarbeiter Duncan McClary im Galwayer Pub Paddy’s. An unserem Tisch sind außerdem der Chief Inspector Brendon Nolan von der Galwayer Polizei (Garda Síochána), sein Kollege Detective Sergeant Alex Donovan, sowie der verdeckte Ermittler und Anderswelt-Cop Connor O‘Sullivan.

Hier im Pub läuft an diesem Abend Musik aus der Jukebox und in einem Fernseher wird das Spiel der Aran-Islands gegen die Four Roads übertragen.

[Passende Musik dazu gibt es z.B. von Erdenstern: „The Pub“ aus dem Album „The Urban Files“, kostenlos hier zum Probehören: https://erdenstern.bandcamp.com/track/the-pub]

Nolan blickt immer mal mit gerunzelter Stirn auf den Fernsehbildschirm, er scheint das Spiel zu verfolgen. O’Hara besorgt eine Runde Pints. Alex Donovan scheint fast unter seiner Schirmmütze zu verschwinden und ist recht schweigsam Miss Gallagher sieht sich von Zeit zu Zeit sichtlich nervös um. McClary und O’Sullivan scheinen sich nicht ganz grün zu sein, aber vielleicht täuscht dieser Eindruck auch …

Vorlage Duncan und Connor 72dpi

Duncan McClary, Connor O’Sullivan © Amalia Zeichnerin[/caption]

Nolan zuckt zusammen, als in der Jukebox der Song „Bye bye Miss American Pie“ ertönt und sieht zum Tresen hinüber. Ich warte, bis O’Hara mit den Getränken zurückkehrt.

Vielen Dank, dass Sie sich alle die Zeit nehmen für dieses Interview. Mister McClary, Sie sind ein Daywalker. Für die Nichteingeweihten, die sich mit den paranormalen Wesen nicht gut auskennen, die auch einfach gern Paras genannt werden – was ist ein Daywalker?

Duncan McClary schlägt die Beine übereinander. „Bei uns Daywalkern handelt es sich um Halbvampire. Ein Elternteil ist dabei stets menschlich. Das macht auch den wahrscheinlich wichtigsten Unterschied zu reinrassigen Vampiren aus: Wir werden als Halbvampire geboren und nicht verwandelt, wir leben.“

Ich gehe davon aus, dass Sie wesentlich älter sind als Sie wirken? Ich meine, wenn man es in menschlichen Jahren rechnet? Ist das eigentlich eine unhöfliche Frage?

„Nein, natürlich ist das nicht unhöflich“. beruhigt Duncan McClary mich.“Ich wurde 1819 geboren, bin nun also 196 Jahre alt“

Ah, dann haben Sie gewiss eine ganze Menge erlebt… Wie ist das Verhältnis zwischen Menschen und Paras in Galway? Oder in Irland im allgemeinen? Das Outing der Paranormalen war ja 2005, also schon einige Jahre her.

„Das Verhältnis ist nicht gerade einfach“, beginnt Duncan zögernd. „Weder in Galway, noch in Irland allgemein. Nicht jeder ist bereit, seinem ’neuen‘ Nachbarn zu vertrauen. Sie waren in den Legenden schon immer eine Gefahr.“

„Woran die Presse eindeutig ihren Teil dazu beiträgt“, ergänzt Michael O’Hara.

„Manche schaffen das aber auch ganz alleine für einen schlechten Eindruck zu sorgen“, wirft Chief Inspector Brendon Nolan mit düsterem Blick ein.

Oh, das klingt nach vielen Vorurteilen … und so einigen Problemen zwischen den Paras und den Menschen. Hoffentlich wird sich dies mit der Zeit noch zum Besseren verändern.

Miss Gallagher, Mister O‘Hara und Mister McClary wie kamen Sie auf die Idee, als Kopfgeldjäger zu arbeiten, haben Sie dafür entsprechend passende Ausbildungen gemacht?

Cat und Duncan im Pub bei der Vorstellung Kapitel 21 72dpi

Duncan McClary, Cathrine „Cat“ Gallagher © Amalia Zeichnerin

Cat senkt für einen kurzen Moment die Lider. „Ehrlich gesagt war Rache der Grund. Ich wollte, dass der Mörder meiner Eltern seine gerechte Strafe erhält. Und als ich Michaels Stellen-Anzeige las, dachte ich, das wäre die beste Gelegenheit, mein Ziel zu erreichen.“

Ich schweige betroffen. Das klingt nach einem harten Schicksal und alles, was mir gerade einfällt, würde dem nicht gerecht werden.

Duncan nimmt einen Schluck von seinem Pint Guinness. „Ich wollte eine Luftveränderung. Nachdem ich jahrzehntelang mit und für Liam Parker gearbeitet habe und die letzten zehn, elf Jahre im Nachtclub als Sicherheitschef tätig war, wollte ich endlich wieder raus auf die Straße und am Leben Teil haben.“

„Nein, eine Ausbildung braucht man als Bounty Hunter nicht“, übernimmt nun Michael O’Hara das Wort. „Man benötigt natürlich eine weiße Weste bei der Garda Síochána, einen Waffenschein und sollte körperlich in sehr guter Verfassung sein. Ist von den Grundvoraussetzungen also nicht anders wie bei der Detektiv-Lizenz.

Ich verstehe… Sie hatten bis vor einiger Zeit ein Detektiv-Büro, nun haben Sie also eine Hunter-Agentur. Wie kam es zu diesem Wechsel, falls Sie darüber sprechen möchten?

Michael scheint bei seiner Antwort einen kurzen Moment zu zögern, doch dann antwortet er: „Auch wenn’s erstmal widersprüchlich klingt, aber als Kopfgeldjäger kann ich gestrauchelten Paras sehr viel besser helfen, als mit meiner Detektiv-Lizenz. Der Detektiv ist letztendlich nichts anderes als ein Spitzel. Als Hunter spüre ich Kautionsflüchtlinge auf und ja, versuche, wenn es in meiner Macht steht, ihnen zu helfen. Nicht jeder, der auf Kaution draußen ist und untertaucht, ist auch wirklich schuldig.“

Brendon hebt bei der Anmerkung seines Freundes die Augenbrauen, offenbar teilt er seine Meinung nicht ganz.

Können Sie uns verraten, an was für einem Fall Sie aktuell arbeiten?

„Wir haben zur Zeit mehrere Fälle, denen wir nachgehen. Drei, um genau zu sein. Da wäre als erstes eine Hexe, die sich wegen ‚Heimtückischer Verführung‘ verantworten muss. Dann ein Leprechaun, der wieder einmal gegen das Spielverbot verstoßen hat und ein Sidhe, der wegen ‚Überfall mit Todesfolge‘ angeklagt wurde.

Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg damit!

Plötzlich erinnere ich mich, dass unter der Schirmmütze auch noch jemand steckt.

Ailig 72 dpi

Alex Donovan © Amalia Zeichnerin


Verzeihung, Detective Sergeant Donovan, ich hätte Sie fast übersehen. Sie wurden zur Polizei nach Galway versetzt und arbeiten jetzt mit Chief Inspector Nolan zusammen an einem Fall, richtig?

„Wir gehen davon aus, dass eine Ärztin aus Limerick, hier in Galway Opfer eines Serienkillers geworden ist. Deshalb unterstützen wir in diesem Fall die Kollegen hier in Galway.“

Ah, sehr gut, dass es eine städteübergreifende Zusammenarbeit für solche Fälle gibt. Ich hoffe sehr, Sie finden die Ärztin noch rechtzeitig. Chief Inspector Nolan, Sie sind mit Michael O‘Hara schon lange befreundet, ist das richtig?

Brendon im Pub - sieht Connor auf der Bühne 72 dpi

Brendon Nolan © Amalia Zeichnerin

„Ja, stimmt, bereits seit unserer Schulzeit“, bestätigt Brendon.

Gibt es da nicht gelegentlich beruflich bedingte Interessenskonflikte – ich meine, Sie arbeiten für die Polizei und Mister O‘Hara als freiberuflicher Kopfgeldjäger…

Brendon schüttelt energisch den Kopf. „Ganz im Gegenteil. Das Aufgreifen von Flüchtigen ist ja kein Wettbewerb, da ist uns jede professionelle Unterstützung recht, die wir bekommen. Schließlich geht es letztendlich ja um die Sicherheit der Bürger, alleine darauf kommt es an.“

Mister O‘Sullivan, verstehe ich es richtig, dass Sie von Limerick aus – was ja von hier ca. 100 km entfernt ist – für eines der drei Reiche der Anderswelt als verdeckter Ermittler arbeiten? Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit verraten oder etwas über diese drei Reiche erzählen?

Connor O’Sullivans Augen waren bis eben auf Brendon Nolan gerichtet, jetzt wandert seine Aufmerksamkeit allerdings wieder zurück. „Richtig, ich arbeite für die Andomhainer Blutgerichtsbarkeit und meine Aufgabe ist es, als verdeckter Ermittler die Paras aufzuspüren, die gegen die ‚Neue Ordnung‘ verstoßen. Neben der Unterwelt Andomhain, die vom Sidhe-Fürsten Liam Parker regiert wird, gibt es noch das Seenreich Lochlann und das Totenreich Ildathach. Und auch, wenn meine Leute und ich für Liam Parker arbeiten, greifen wir auch bei Paras der anderen beiden Reiche durch, wenn diese unsere Gesetze verletzen.“

Apropos Totenreich… Mister O‘Hara, ich hörte, dass es in Ihrem Haus spuken soll. Wer ist denn Ihr geisterhafter Untermieter?

„Ja, die Legende vom Renvyle-House darf wohl in keinem Andersweltbuch fehlen.“ Ein Schmunzeln erscheint auf Michaels Gesicht. „Aber Sie wissen ja, wie das mit Legenden so ist.“

In jeder Legende steckt ein wahrer Kern? Aber ich sehen schon, dass Sie lieber nicht darüber sprechen wollen. Was ich gut verstehen kann, immerhin geht es ja um Ihr neu erworbenes Haus.

Mister McClary, Sie haben bis vor kurzem als Sicherheitschef für den Sidhe-Fürsten Liam Parker gearbeitet, im Club Caer Hafgan. Können Sie uns etwas mehr über den Fürsten und diesen Club erzählen?

„Er schafft es wunderbar, sein Reich und den Club gleichzeitig zu führen, der im Übrigen nicht nur bei den Paras sehr angesagt ist.“ Mehr hat Duncan McClary dazu offenbar nicht zu sagen.

Hmm, das macht mich neugierig. Vielleicht sollte ich diesem Club auch einmal einen Besuch abstatten, wenn ich schon mal hier bin… Im Moment bleibt mir nur zu sagen, vielen Dank für das Interview Slainté!

„Wir haben zu danken“ erwidert Michael und prostet mir, wie alle anderen auch, zu. „Slainté!“

Und nun entschuldigen Sie uns bitte. Die Pflicht ruft“, sagte Chief Inspector Nolan. Sein Kollege Donovan und Connor O‘Sullivan erheben sich ebenfalls und auch die drei von der Hunter Agentur stellen die ausgetrunkenen Pintgläser ab und verabschieden sich von mir.

Was aus dem Serienkiller-Fall wird? Wie es im Club Caer Hafgan aussieht? Und ob Duncan, Cat und Michael ihre Hunter-Fälle lösen können? Das und vieles mehr kann man nachlesen in „Galway Hunters: Feuertaufe“ von Stefanie Foitzik.

Eine Leseprobe vom Anfang des Romans gibt es hier:
https://stefaniefoitzik.jimdo.com/leseprobe/