Moderne Hexen: Was sie sind und was nicht, Vorurteile und noch mehr.

Halanna Halila, Unsplash

Inhaltswarnung: Satanic Panic, kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen (alles nur erwähnt, keine expliziten Schilderungen)

Lesezeit: ca. 6 Minuten

Ich befasse mich seit mehreren Jahren mit Paganismus und Hexenkunst und möchte gern ein wenig aufklären und Vorurteile abbauen. Oft werden moderne Hexen nicht ernst genommen oder belächelt, es wird sich über sie lustig gemacht. Manche Leute, die keine Ahnung von modernen Hexen haben, behaupten, dass es Hexen und Magie ja nur in der Phantastik oder in Märchen, Mythen, Sagen gäbe.

Ich möchte gern vorwegschicken, dass ich mich in diesem Blogbeitrag mit Hexen in westlichen Gesellschaften und Ländern beschäftige. Wenn ich hier von „Hexen“ schreibe, meine ich das völlig genderneutral: Es gibt auch trans, nichtbinäre, genderqueere und männliche Hexen.

Fangen wir an mit Wicca.

Das ist eine eigenständige Religion, die von Gerald Gardner und weiteren Mitstreiter*innen ab den 1940ern in England gegründet wurde. Hexenkunst spielt darin eine wichtige Rolle, ein weiterer Fokus liegt außerdem auf einem paganen Gott und einer Göttin. Entgegen mancher Aussagen basiert diese Religion aber nicht auf einer jahrhundertealten überlieferten Hexentradition, stattdessen gibt es viele Einflüsse aus unterschiedlichen historischen magischen Systemen. Mittlerweile gibt es im Wicca viele verschiedene Strömungen/Traditionen, z.B. Gardnerian Wicca, Alexandrian Wicca, Traditional British Wicca und noch weitere.

Wer Wicca lernen möchte, muss sich auf eine lange Lehrzeit einstellen und eine Initiation, traditionellerweise in einem Coven (Hexenzirkel). Dabei wird auch vieles nach außen hin streng geheim gehalten. Es gibt im Wicca keine übergeordnete Autorität, wie z.B. den Papst im Katholizismus. Stattdessen gibt es zahlreiche kleinere Gruppierungen, bis hin zu den genannten Covens, viele davon haben Hohepriester*innen. Wicca ist eine sogenannte geschlossene Tradition: Nur Eingeweihte, also Leute, die eine entsprechende Initiation durchlaufen haben, dürfen sich als Wicca bezeichnen.

Es gibt allerdings viele Einflüsse aus dem Wicca, die auch auf andere Hexen einen Einfluss hatten oder haben, z.B. der Jahreskreis (englisch „Wheel of the Year“) mit seinen acht Festen. Aber, und das ist wichtig: Nicht jede Hexe ist eine Wicca. Und nicht jede Hexe strebt es an, eine Wicca zu werden.

Hexen und magisch Praktizierende sind vielfältig.

Es gibt pagane Hexen, atheistische und agnostische (ja, wirklich) und Folk-Hexen, englisch „folk witches“. Das sind Leute, die sich mit folkloristischen Überlieferungen beschäftigen und diese in ihren magischen Aktivitäten verwenden. Es gibt monotheistische und polytheistische Hexen. Es gibt auch christliche Hexen (ja, wirklich). In anderen Ländern und Kulturen gibt es weitere magisch Praktizierende, z.B. die lateinamerikanischen Brujas. Viele magische Traditionen sind geschlossen, wie das haitianische Vodou. Außenstehende haben dort keinen Zutritt und da besteht auch schnell die Gefahr kultureller Aneignung. Das sollte respektiert werden. Entsprechend habe ich wenig Kenntnis über geschlossene magische Kulturen/Traditionen. Einige Leute, die Magie praktizieren, lehnen den Begriff Hexe für sich übrigens ab und bezeichnen sich anders. Auch das sollte respektiert werden.

Und was ist mit New-Age-Esoterik?

Die meisten Hexen, die ich kenne, sind bodenständig, sie vertrauen auf evidenzbasierte Medizin, schätzen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und anderer Wissenschaften. Entsprechend lehnen sie New-Age-Esoterik ganz oder größtenteils ab, denn darin werden beispielsweise esoterische Heilversprechen gemacht, mit zweifelhaften oder sehr schädlichen „Heil“-Methoden. Und, ihr könnt es euch schon denken, solche Heilversprechen sind brandgefährlich. (Es gibt Berichte über Menschen mit potentiell tödlichen Erkrankungen wie Krebs, die sich auf solche Heilversprechen eingelassen haben, evidenzbasierte Behandlungsmethoden ablehnten und daraufhin gestorben sind.) Es gibt sicherlich auch Hexen, die sich mit New-Age-Esoterik befassen, aber es ist ein Vorurteil, dass alle Hexen das befürworten.

Ist Hexenkunst eine Religion?

Das kommt darauf an, wen man fragt. Einige Leute bezeichnen es als Religion oder als den „Hexenglauben“, für andere ist es eine spirituelle bzw. magische Praxis. Da es keine übergeordneten Authoritäten und viele verschiedene Traditionen und Strömungen gibt, gibt es dazu keine allgemeingültige Aussage (vergleiche bei Interesse das von mir unten verlinkte englischsprachige YouTube Video mit Ivy Corvus und Thorn Mooney, in dem diese Frage diskutiert wird).

Magie und Wissenschaft, ist das nicht ein Widerspruch?

Skeptiker*innen lehnen gern alles ab, was nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Oft sind sie auch Atheist*innen. Der britische Physiker und Science-Fiction Autor Arthur C. Clarke hat einmal gesagt: „Magie ist nur eine Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen.“

Natürlich ist Hexen und magisch Praktizierenden klar, dass sie mit Magie nicht die Naturgesetze aushebeln können. Teleportation? Telekinese? Fliegen ohne ein Fluggerät – und nein, ich meine keinen Besen? Das ist den Hexen und Magier*innen in der Phantastik, in der Fiktion, vorbehalten.

Stattdessen heißt es unter magisch Praktizierenden gern, dass Magie dem Weg des geringsten Widerstandes folgt. Entsprechend kann eine Hexe oder magisch praktizierende Person die Magie gewissermaßen in eine erwünschte Richtung schubsen, aber es gibt keine Garantie, dass sie so wirkt, wie gewünscht.

Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, Hexe Anne aus Berlin ist in Celebrity Jordan aus USA verknallt und möchte mit dieser Person zusammenkommen. Anne wirkt einen Liebeszauber.

Aber Magie folgt, wie gesagt, dem Weg des geringsten Widerstandes. Und bei diesem Liebeszauber steht einfach viel zu viel im Weg: Celebrity Jordan wohnt auf einem anderen Kontinent, ist glücklich verheiratet, kennt Anne nicht, sie hatten noch nie Kontakt und Anne hat auch keine Möglichkeit, Celebrity Jordan zu kontaktieren.
Außerdem hat Anne kein Geld für ein Flugticket in die USA. Und für Celebrity Jordan wäre Anne bestenfalls ein Fan, nicht mehr. Da wird auch der beste Zauberspruch nicht das gewünschte Ergebnis bringen.

Nun ein anderes Beispiel: Felix möchte einen bestimmten Job haben, also macht er einen Erfolgszauber. Außerdem bereitet er sich so gut wie möglich vor: sein Bewerbungsschreiben ist super, er zieht sich entsprechend passend zum Anlass an und ist pünktlich, als er beim Bewerbungsgespräch erscheint. Außerdem hat er sich überlegt, was er sagen wird und mit einem Verwandten Bewerbungsgespräche geübt. Eine Woche später erhält Felix die Zusage für den Job.

Nun werden Skeptiker*innen sicherlich einwenden, den Job hätte Felix in jedem Fall erhalten, weil er sich doch so gut vorbereitet hat, auch abseits dieses Zaubers. Aber wer weiß … vielleicht ist die Magie hier ein zusätzlicher Funke gewesen, der das erwünschte Feuerwerk mit entfacht hat.

Es ist wie mit dem Glauben in einer Religion: So wie die Existenz einer Gottheit nicht wissenschaftlich beweisbar ist, so ist auch die Existenz von Magie nicht beweisbar. Die Nicht-Existenz von Gottheiten oder Magie ist aber ebenfalls nicht beweisbar.

Allein oder in einem Hexenkreis?

Auch hier gibt es eine große Vielfalt: Manche Hexen schließen sich zu einem Coven/Hexenkreis zusammen, andere wirken allein Magie („freifliegende Hexe“, englisch: „solitary witch“) oder in losen Gruppierungen, manche Hexen organisieren Hexenstammtische oder Veranstaltungen in Hexenläden, bis hin zu größeren Events, letztere vor allem in UK und USA. Ob es in anderen Ländern auch größere Events gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, u.a. aufgrund der Sprachbarrieren.

Was ist magischer Aktivismus? (1)

Das ist mir vor allem aus dem englischsprachigen Raum bekannt. Manche Aktivist*innen für Social Justice, Climate Justice oder andere Aktivismus-Themen (z.B. die bekannte amerikanische Hexe Starhawk) verstärken ihre weltlichen aktivistischen Aktivitäten mit Magie. Teilweise kann das auch die betreffende Community moralisch stärken, durch gemeinsame Zusammenkünfte, Rituale und anderes. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Magischer Aktivismus kann niemals weltlichen Aktivismus ersetzen, sondern wird lediglich ergänzend eingesetzt.

Kommen wir zu zwei Vorurteilen.

Nein, Hexen sind nicht automatisch Satanist*innen.

Es gibt aber auch satanische Hexen. Bitte unbedingt beachten: Satanismus ist in der Regel nicht das, wie er in der Satanic Panic der 1990er reißerisch dargestellt wurde. (kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen …) (2) Siehe Fußnoten am Ende.

Hexen betreiben nicht automatisch schwarze (destruktive) Magie.

Unter Hexen gibt es eine große Vielfalt an ethischen Grundsätzen. Im Wicca beispielsweise das Threefold Law: Was du aussendest, kehrt dreifach zu dir zurück. Oder auch: Tue was du willst, aber schade niemandem.

Je nach Tradition oder eigener Ethik überlegen sich Hexen, ob sie destruktive Magie anwenden wollen oder nicht. Manche Hexen lehnen es übrigens auch vollständig ab, andere Menschen als sich selbst mit Magie zu beeinflussen.

Es gibt häufig die Bezeichnungen „weiße“ (positive, konstruktive), „schwarze“ (negative, destruktive) Magie, aber auch „graue“ (wortwörtlich eine Grauzone). Im englischsprachigen Raum lehnen manche Hexen diese Farbbezeichnungen ab, da sie als rassistisch betrachtet werden können (im Sinne von weiß = gut, schwarz = schlecht). Ich spreche mittlerweile auch lieber von konstruktiver oder destruktiver oder Schadensmagie, oder einer Grauzone.

Es gibt Hexen, die destruktive Magie (Bannzauber, Bindezauber, Flüche …) gegen Menschen einsetzen, die anderen schaden, z.B. Vergewaltiger, Serienmörder oder anderweitig Kriminelle. Es gibt sicherlich auch moralisch graue Hexen, die auch bei eher kleineren Konflikten und Problemen sofort zu destruktiver Magie greifen, aber das sind wohl eher Ausnahmen.

Ihr möchtet gern Belletristik mit modernen Hexen lesen?

Diese englischsprachige Buchreihe von T. Thorn Coyle kann ich sehr empfehlen:
„The Witches of Portland“. Darin geht es nicht nur um moderne Hexen, wie sie Magie erleben und praktizieren, sondern auch um mehrere aktivistische Themen (unter anderem Kampf gegen Korruption und White Supremacists). Die Buchreihe enthält außerdem viel Diversität, auch was die magischen Traditionen betrifft. T. Thorn Coyle praktiziert selbst Magie, they ist aktivistisch tätig und das merkt man auch their Buchreihe an.
https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland

Wie wäre es mit modernen Hexen in Hamburg? Mehr über meine Buchreihe gibt es hier: Hexen in Hamburg

Fußnoten:

(1) auf Englisch z.B. bezeichnet als „magical activism“ oder „Resistance Magick“

(2) Moderner Satanismus: Es gibt verschiedene satanische Organisationen, die ethische Grundsätze vertreten. Siehe z.B. die Grundsätze (Tenets) der Organisation Satanic Temple:
https://thesatanictemple.com/blogs/the-satanic-temple-tenets/there-are-seven-fundamental-tenets

Weiterführende Literatur (auf Englisch)

Bitte beachten: Ich habe diese drei Bücher (noch) nicht gelesen, sie wurden mir aber empfohlen.

Die Wicca-Hohepriesterin Thorn Mooney, die einen PhD in Religionswissenschaften hat, hat ein Buch über Hexen für Außenstehende geschrieben, „Witches Among Us“.

„The Triumph of the Moon“ von dem englischen Historiker Ronald Hutton, über die Geschichte und Entwicklung verschiedener Hexenströmungen, von Wicca über feministische Hexerei und Göttinnenspiritualität über Traditional Witchcraft bis hin zu freifliegenden Hexen.

Ebenfalls von Ronald Hutton: „The Witch: A History of Fear, from Ancient Times to the Present“. Ein ausführliches Buch über die Geschichte magisch Praktizierender aus zahlreichen Kulturen, von der Antike bis heute, die historische Hexenverfolgung und noch mehr.

Und auf Youtube …

Sehenswertes Video (auf Englisch) mit Ivy Corvus und Thorn Mooney
„What It Means To Be A Witch: The Rise of Witchcraft, The „Witch“ Label, Religion & MORE“

Ebenfalls sehenswert:
„13 Kommentare und Vorurteile gegenüber Hexen“ von Anika, Magischer Pfad
https://www.youtube.com/watch?v=kvYqigHRQDw

Wie finde ich Inspiration?

Diese Frage stammt vom vergangenen #Autor_innensonntag.

Wo fange ich da an? Es gibt so vieles, das mich inspiriert. Oft sind es andere Geschichten, die bei mir einen Funken entzünden – z.B. in Filmen, Serien oder Büchern. Mein aktuelles Urban-Fantasy-Projekt ist von der Serie »Good Omens« inspiriert – kurz nachdem ich die 2. Staffel gesehen hatte, stand ein sehr drängeliges Plotbunny bei mir vor der Tür, mit zwei übernatürlichen Protagonisten im Schlepptau.

Meine Buchreihe „Hexen in Hamburg“ ist inspiriert von T. Thorn Coyle Buchreihe „The Witches of Portland“ – ich habe ein ähnliches Konzept wie Thorn, aber natürlich einen anderen Schauplatz, andere Figuren und andere Geschichten. Ich habe Thorn vorher gefragt, ob they etwas dagegen hätte, wenn ich diese Buchreihe mit den Hexen in Hamburg in Angriff nehme. They war einverstanden. Im Gegenzug gibt es in meiner Buchreihe Werbeseiten für Thorns Buchreihe und ich empfehle die „Witches of Portland“ immer gern weiter.

Meine Hobbys Liverollenspiel und Pen & Paper Rollenspiel haben mich ebenfalls schon öfter auf schriftstellerische Ideen gebracht. Anders wären mein Debütroman »Der Stern des Seth« und der vom Fantasy-LARP beeinflusste High Fantasy Roman »Vanfarin – Von Untoten und Totems« wohl gar nicht entstanden. In letzterem habe ich dazu etwas im Nachwort geschrieben.

Die Kurzgeschichte »Mein Regenbogenschirm« ist inspiriert von Tom Hollands Drag-Tanz- und Playback-Performance zu Rihannas »Umbrella« bei Lipsync Battle.

Mein Roman »Love and Crime 101« geht zurück auf etwas, das der Schauspieler Oscar Isaac in einem Interview erzählt hat. Dazu habe ich etwas im Nachwort geschrieben und ihn auch in meiner Danksagung genannt. Ich finde auch noch weitere Schauspieler*innen inspirierend, außerdem Songs/Musik, weitere Kunstschaffende …

Womit ich eher nicht gerechnet habe: auch manche historischen Recherchen haben mich auf weitere Ideen gebracht, die gar nicht für das ursprüngliche Projekt gedacht waren. Teilweise waren es nur kleine Details, die ich dann in einem neuen Projekt unterbringen konnte.

Fiktiv über moderne Hexen schreiben

Foto: Elena Mozhvilo, Unsplash

Lesezeit: ca. 3 Minuten

Zum ersten Band meiner Reihe »Hexen in Hamburg« gab es bisher einiges an positivem Feedback, aber auch harsche Kritik. Ich nehme das heute als Anlass, einige weitere Einblicke darin zu geben, wie ich an diese Reihe und die Hexenfiguren herangegangen bin. Eine Person schrieb in einer Rezension, selbst pagan und Hexe zu sein und ich würde mich offenbar nicht gut mit Paganismus und Hexenkunst auskennen. Nun, es ist so: Paganismus ist keine von oben herab organisierte Religion wie z.B. das Christentum, also mit fest vorgeschriebenen Regeln, Ritualen, Bräuchen etc., sondern sehr individualistisch und pluralistisch. Es gibt viele verschiedene pagane Strömungen und Traditionen, die je nach Gruppe oder allein praktizierender Person auch recht unterschiedlich gelebt werden.

Anders ausgedrückt: Mein Paganismus ist höchstwahrscheinlich nicht so wie dein Paganismus … und das ist okay.

Man kann es sich schon denken, ich kann nicht für alle paganen Menschen und Hexen sprechen, dafür ist die Angelegenheit viel zu individuell. Entsprechend leben auch die sechs Hexenfiguren in meiner Reihe ihren paganen Glauben recht unterschiedlich, sie sind keine Mitglieder in einer bestimmten Glaubensgruppe, auch nicht in einem Coven (Hexenzirkel) oder einer Hexenschule.

Ich beschäftige mich übrigens mittlerweile seit 2019 Jahren intensiv mit Paganismus und Hexenkunst, davor auch schon sporadisch mehrere Jahre lang. Ich habe mittlerweile rund 50 Nonfiction-Bücher zu diesen Themen gelesen und auf meiner Wunschliste liegen noch weitere Bücher. Klar, ich bin keine Expertin und ich habe nicht 20 Jahre Erfahrung, aber das hält mich nicht davon ab, fiktiv über moderne Hexen zu schreiben. Und natürlich recherchiere ich auch weiterhin dazu. Im Nachwort von Band 1 nenne ich übrigens mehrere dieser oben erwähnten Nonfiction-Bücher und ich werde das auch in den zukünftigen Nachworten so halten.

Mir wurde in jener Rezension auch vorgeworfen, die Rituale meiner Hexenfiguren wirkten wie »generische Wicca-Rituale«. Mit Wicca kenne ich mich nicht näher aus, ich habe auch keine Initiation in eine der Wicca-Traditionen durchlaufen und keine meiner Hexenfiguren ist Wicca. Entsprechend kann ich zu Wicca ehrlich gesagt herzlich wenig sagen. Was das Generische betrifft – das ist volle Absicht. Und dazu muss ich kurz ein wenig ausholen. Es gibt die sogenannte Hexenpyramide nach dem Okkultisten Éliphas Lévi (1810 – 1875) mit vier Grundsätzen für die Magie: To Dare, To Will, To Know, To Be Silent. (Zu wagen, zu wollen, zu wissen, zu schweigen). Den vierten Grundsatz, über die eigene magische Praxis zu schweigen, bzw. nicht alles zu preiszugeben, was man so macht und glaubt, das ist etwas, das ich viel in der englischsprachigen Hexencommunity sehe. Dieses Schweigen schützt die eigene magische Praxis, auch vor Angriffen aller Art von außen (z.B auch, dass Leute sich darüber lustig machen, sie ins Lächerliche ziehen, magische Gegenstände kaputt machen, Bekehrungsversuche und noch so manches mehr). Das gilt auch für Fotos und Videos in Social Media. Deshalb zeige ich hier kein Foto, das meine persönliche Hexenkunst in den eigenen vier Wänden näher beleuchtet, sondern ein Symbolbild, das ich auf Unsplash gefunden habe.

Entsprechend breite ich in meinen »Hexen in Hamburg«-Romanen, die in erster Linie ja der Unterhaltung dienen, auch nicht meine intimsten spirituellen Erfahrungen in Sachen Hexenkunst und Magie aus, sondern gestalte die Rituale, die meine Figuren machen, wie gesagt mit voller Absicht eher generisch. Übrigens gibt es auch bei magischen Ritualen sehr viele verschiedene Strömungen, wie man diese gestalten kann, von der aufwändigen Zeremonialmagie bis hin zur eher einfachen Volksmagie und Küchenhexerei (englisch »folk magic« und »kitchen witchcraft«), die beide meistens Alltagsgegenstände und Kräuter/Pflanzen aus der eigenen Umgebung verwenden, um mal zwei Beispiele zu nennen. Interessant fand ich auch das Nonfiction-Buch »Intuitive Witchcraft« von Astrea Taylor. Es beschreibt ein magisches System, das sehr viel Wert auf die eigene Intuition für Zauber und Rituale legt, also sehr individualistisch geprägt ist.

Hinzu kommt für mich noch ein weiterer Punkt: Meine Buchreihe richtet sich nicht nur an langjährig erfahrene Hexen und Heid*innen, sondern auch an Leute, die sich mit Hexenkunst und Paganismus nicht näher auskennen. Da wäre es sehr ungünstig, beispielsweise komplizierte zeremonialmagische Praktiken zu beschreiben,die für Außenstehende nur schwer verständlich sein dürften.

Ein Ausblick: In den weiteren Bänden der Reihe wird es um andere pagane Gottheiten und Strömungen gehen als in Band 1. In Band 2, der gerade in einer Testleserunde ist, wird Dani zur Hauptfigur, während die anderen Hexen wieder als Nebenfiguren auftauchen. In Band 3 wird dann eine der anderen Figuren zur Hauptfigur und so weiter, bis jede der Hexen (alle Gender sind gemeint) ihren eigenen Roman erhalten hat.

Wie bin ich auf die Idee zu „Hexen in Hamburg“ gekommen?

Ich wollte schon länger einen Urban Fantasy Roman, oder eine Reihe schreiben, die in Hamburg angesiedelt ist. Meine erste Idee war eine Art magisch-übernatürliche Polizei, das DüF („Dezernat für übernatürliche Fälle“). Das habe ich dann umgesetzt in der Kurzgeschichte »Irren ist übernatürlich« aus der Anthologie »Urban Fantasy going queer«. Weitere Geschichten, die in dieser Urban Fantasy Welt angesiedelt sind, gibt es von mir in den Anthologien »Urban Fantasy going intersectional« (wird leider nicht mehr verlegt) und in »Urban Fantasy going fat«, die im kommenden Jahr im ohneohren Verlag erscheint.

Aber solche übernatürlichen Kriminalfälle hätten auch bedeutet, dass ich viel über reale Polizei- und Ermittlungsarbeit hätte recherchieren müssen. Und ich habe festgestellt, dass ich daran nicht so viel Interesse habe. Stattdessen wollte ich gern magisch praktizierende Laien in übernatürlichen Fällen ermitteln lassen, ganz im Sinne von Cosy Krimis, die eher gemütlich als besonders blutig sind.

Dann habe ich die Buchreihe »The Witches of Portland« von T. Thorn Coyle gefunden. Hier geht es ebenfalls um übernatürliche Fälle – und moderne pagane Hexen in einem Coven (Hexengruppe/-zirkel) in Portland, Oregon. Auch die Magie, die sie wirken, wird realistisch geschildert, so wie moderne Hexen sie tatsächlich erleben könnten. Außerdem gibt es in dieser Buchreihe viel Diversität, nicht nur, was die verschiedenen paganen/heidnischen Ausrichtungen angeht, sondern es gibt mehrere queere und BI_Poc Figuren. Eine von ihnen hat außerdem eine chronische Erkrankung. Hinzu kommen außerdem noch mehrere aktivistische Themen, darunter der Kampf gegen Rechtsextremismus und Korruption, Unterstützung für Obdachlose in Portland und noch einiges mehr. Und wer sich nun fragt: T. Thorn Coyle ist selbst aktivistisch tätig und das merkt man auch dieser Buchreihe an. In jedem der Bände ist eine andere Hexenfigur aus dem Coven die Hauptfigur, erweitert um eine zweite Hauptfigur und einer damit verbundenen Liebesgeschichte.

Ich liebe diese Buchreihe sehr und dachte mir, ein ähnliches Konzept würde ich auch gern schreiben, angesiedelt in Hamburg, wenn auch mit einer größeren Betonung auf »Cosy« anstelle von viel Aktivismus und nicht jeweils mit einer Liebesgeschichte. Entsprechend habe ich auch jeweils »nur« eine Hauptfigur anstelle von zweien. Liebe spielt zwar auch eine Rolle in meiner Buchreihe, aber sie steht nicht im Vordergrund, es ist kein Romantasy.

Ich habe T. Thorn Coyle angeschrieben und them mein Konzept vorgestellt. Und gefragt, ob they etwas dagegen hätte, wenn ich das schreiben würde. Ich hätte dieses Projekt nicht begonnen, wenn T. Thorn Coyle dagegen gewesen wäre. Aber they hat sich bedankt für die Frage und mir viel Erfolg für die Buchreihe gewünscht. Dafür bin ich sehr dankbar. Im Gegenzug gibt es deshalb in jedem Band meiner Buchreihe auch Werbung für »The Witches of Portland«.

Hier ein Link zu dieser Buchreihe (nur im amerikanischen Original erhältlich):
https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland