Kürzlich habe ich von dieser interessanten Methode erfahren, die auch in manchen Unternehmen angewendet wird. (1) Sie eignet sich aus meiner Sicht aber auch gut für selbständige oder freiberufliche Tätigkeiten, wenn man den Überblick über verschiedene Projekte oder Projektideen behalten möchte.
Ich bin eine passionierte To-Do-Listen-Schreiberin, finde meine To-Do-Listen aber oft etwas unübersichtlich. Nun habe ich die Kanban-Methode dafür angewendet und finde die entsprechende Visualisierung deutlich übersichtlicher. Das Prinzip ist denkbar einfach: Man macht sich Spalten, die man oben betitelt mit »Ideen/Geplant«, »To Do«, »Doing (Machen)« und »Done (Gemacht)« – oder ähnlich, je nachdem, was man persönlich benötigt.
Dann werden dort die Projekte nach ihrem jeweiligen Status eingetragen und bei Änderung des Status in die passende Spalte verschoben. Je nach Notwendigkeit kann man auch mit weiteren Spalten oder Zeilen für einen Zwischenstatus oder ähnliches arbeiten.
Das kann man auch zum Beispiel mit einem Board an der Wand oder einer Pinnwand und mit Post-It-Zetteln machen. Ich habe mir einfach ein Dokument auf meinem PC angelegt, das sieht so aus: (2)
Inhaltswarnung: In diesem Beitrag geht es unter anderem um eine Verhaltenssucht in Bezug auf Internet und Social Media, außerdem werden Depressionen und Beleidigungen erwähnt.
Inspiriert von »Digitaler Minimalismus« von Cal Newport und »Endlich abschalten: Warum Urlaub vom Smartphone uns Zeit, Glück und Liebe schenkt« von Catherine Price, ist es seit Ende Juli 2022 mein Ziel, das Internet und Social Media mit mehr Intention und Achtsamkeit zu benutzen.
Wie alles anfing
Jahrelang habe ich mich Facebook und anderen Social Media verweigert. 2015 bin ich Facebook dann doch beigetreten, später wurde ich auch auf Twitter und Instagram aktiv. Zunächst lediglich mit der Absicht, mir dort als Autorin eine Fanbase aufzubauen und meine Bücher zu bewerben. Schnell wurde daraus eine Mischung aus privater und beruflicher Nutzung.
Überschneidungen aus Privatleben und Beruf habe ich übrigens immer wieder bei anderen Autor*innen beobachtet. Da vermischt sich oft vieles, aber das ist wiederum ein Thema für sich (dazu gibt es diesen Beitrag von mir auf Instagram: »Ich bin nicht instagramable … und das ist okay« ).
Und irgendwann fing ich gewissermaßen an, im Internet zu leben. Nein, das ist keine Übertreibung.
Ich habe zwar bis zum heutigen Tag nie Internet oder Social Media auf meinem Handy gehabt. Stattdessen war ich allerdings sehr viel am PC online. Ich gründete mehrere Facebookgruppen zu meinen verschiedenen Interessensgebieten und verwaltete die Gruppen allein oder in einem Team als Admin. Ich teilte vieles aus meinem Privatleben als marginalisierter Mensch auf Twitter. Ich beteiligte mich an vielen Autorenaktionstagen mit entsprechenden Hashtags auf Instagram.
Zugegeben, ich mache mit dem PC noch vieles mehr: Ich schreibe, höre Nachrichten, Podcasts und Musik, sehe Filme/Serien/Dokus in Streamingservices oder Mediatheken. Aber selbst diese Tätigkeiten habe ich zunehmend immer wieder unterbrochen, um in die Social Media zu schauen, oder ich habe beides parallel gemacht. Das hat sich immer mehr im Lauf der Zeit so entwickelt und hatte auch während der Pandemie noch stark zugenommen. Ich saß wirklich von morgens bis abends am PC, jahrelang. Das hat übrigens auch meiner Beziehung nicht gut getan.
In »Digitaler Minimalismus« beschreibt Cal Newport, dass Menschen Zeit für sich allein brauchen, um ihren Gedanken nachzuhängen. Das muss nicht an einem menschenleeren Ort sein. Auch z.B. bei einer Fahrt mit den Öffis oder in einem Café kann man über alles Mögliche in Ruhe nachdenken, wenn man nicht von anderen angesprochen wird oder sich beispielsweise um seine Kinder kümmern muss. Viele Menschen können das kaum noch, einfach ihre Gedanken schweifen lassen. Droht auch nur die kleinste Ruhe- oder Wartepause, greifen sie zum Handy, um sich abzulenken, zum Beispiel weil sie Angst vor Langeweile haben. Wenn man Podcasts oder Hörbücher- und Hörspiele, Musik mit Gesang, Radionachrichten konsumiert, konsumiert man damit gleichzeitig die Gedanken anderer Menschen und kann währenddessen nicht über sich selbst und sein Leben nachdenken. Gleiches gilt auch für das Lesen von Büchern, und in den Social Media für Tweets, Tröts, Facebookbeiträge, Insta-Fotos, Reels und Videos etc. Aber über sich selbst, seine Umgebung, soziale Kontakte und so weiter in Ruhe nachzudenken ist sehr wertvoll, zum Beispiel gelingt es einem dann auch tendenziell besser Probleme zu lösen.
Bei mir war es so, dass ich manchmal so viel und lange die Gedanken anderer konsumierte, mit den genannten Medien, dass ich abends kaum zur Ruhe kam. Kurz vor dem Einschlafen fing bei mir oft das Grübeln an. Ich schob es auf depressive Phasen, aber ich schätze es heute so ein, dass das nur ein Teil der Wahrheit war. Denn ich gönnte mir häufig erst vorm Einschlafen eine Pause vom Medienkonsum und fing dann entsprechend auch erst abends an, im Kopf Probleme zu wälzen.
Als ich anfing, als Selfpublisherin Belletristik zu veröffentlichen, dachte ich, die Social Media seien ein Muss. Und das ist auch richtig, als Selfpublisherin komme ich daran kaum vorbei. Schwierig wurde es allerdings im Laufe der Zeit, als ich die Social Media auch zunehmend privat nutzte. Ich schrieb einen Haufen Beiträge, auf die niemand reagierte. Ich lechzte nach Likes, Herzchen, Kommentaren oder Retweets – die direkte schnelle »Belohnung«, die im Gehirn Dopamin ausschüttet und Glücksgefühle auslöst. Die allerdings nie lange anhalten. Und das Gegenstück dazu war immer öfter auch da: Eine innere Leere, ein unangenehmes Gefühl, wenn niemand auf meine Beiträge reagierte.
Hinzu kam in den letzten paar Jahren dann immer mehr Doomscrolling, vor allem auf Twitter. Heute sehe ich es so: Ich weiß, dass es schlecht um unsere Welt, unseren ganzen Planeten bestellt ist. Kriege, eine globale Pandemie, Faschismus, fundamentalistischer Islamismus, rassistischer Terrorismus, Social Justice Probleme, die marginalisierte Menschen betreffen, Klimakrise und noch so manches mehr … Ich weiß das alles. Aber ich muss das nicht im Minutentakt lesen, inklusive vieler, vieler Reaktionen darauf. Ich möchte mich auch nicht im Minutentakt darüber aufregen, das tut weder meinem Blutdruck noch meiner Mental Health gut. Stattdessen lese ich nun die Nachrichten eher in ausgewählten, seriösen Medien oder höre sie in seriösen Radiosendern oder Nachrichtenpodcasts – und auch das reduziert.
Denn in diesem Jahr war für mich der Punkt erreicht, an dem ich gemerkt habe, dass die Social Media meine Seele auffressen.
Noch ein weiterer Punkt: Ich habe es mehrmals seit 2015 erlebt, dass Leute, die ich nicht näher kannte, mich online sehr angegangen sind. Zuletzt gab es auf Twitter mehrere Verrisse eines meiner ältesten Bücher. Einige Leute, die ich sehr schätze, teilten mir auf Twitter per privater Nachricht mit, dass es eine ziemlich hässliche Diskussion dazu gegeben hatte. Die ich komplett nicht gelesen habe, mit voller Absicht. Manchmal ist Schweigen (und etwas zu ignorieren) Gold.
Diese ganze Angelegenheit hat mich allerdings dennoch so sehr aufgewühlt, dass ich bestimmt drei Wochen lang daran zu knabbern hatte. Wie schon gesagt: Die Social Media sind nicht gut für meine psychische Gesundheit. Ich wage zu behaupten, sie sind auch nicht gut für die Mental Health vieler anderer intersektionaler und marginalisierter Menschen. Twitter und Facebook werden immer wieder gern mit einem »Dumpster Fire« verglichen, einem brennenden Müllhaufen, und das hat seinen Grund, leider.
Ein weiteres Beispiel: Vor einigen Jahren habe ich ein Interview zum Thema »Sensitivity Reading« in einem progressiven und nerdigen Podcast gegeben. Als der Host dies in einer riesigen Gruppe für Selfpublisher*innen teilte, wurden dort mehrere Leute beleidigend und ausfallend, wie er mir in einer privaten Nachricht schrieb. Auch das habe ich absichtlich alles nicht gelesen, um meine psychische Gesundheit zu schonen.
In meinem Tagebuch habe ich mich in den vergangenen Monaten mehrfach über die Social Media und meine Erfahrungen damit aufgeregt. Ende Juli 2022 war für mich der Punkt erreicht, an dem ich Konsequenzen ziehen wollte, unter anderem angeregt durch die beiden oben genannten Bücher.
Ich habe erkannt: Zwei, drei Tage oder auch eine Woche Social Media Pause allein reichen mir nicht. Ich möchte einen grundlegend anderen Umgang damit finden. Ich trickse mich nun selbst aus, indem ich mit einem kostenlosen Browser-Add-on meine Social Media tageweise sperre. Ich muss diese Sperre jedes Mal erst aufheben, bevor ich eine der Seiten öffnen kann. Deshalb überlege ich es mir dreimal, ob ich die Seite wirklich öffnen will.
Klar, ich werde auch weiterhin Werbung für meine Bücher machen. Das war ja der Grundgedanke, warum ich überhaupt den Social Media beigetreten bin. Aber ich werde nicht mehr jeden Tag Beiträge über mein Autorinnenleben schreiben. Es reicht mir, wenn ich bei einer anstehenden Veröffentlichung in der Woche der Veröffentlichung eine Handvoll Beiträge schreibe und vielleicht noch gelegentlich etwas anderes über meine Bücher.
Und bevor nun jemand sagt, »Ja, aber die Algorithmen!« Das ist mir mittlerweile herzlich egal. Ich will mich nicht länger von all den Mechanismen bestimmen lassen, die Megakonzerne wie Meta (vormals Facebook) oder Twitter in ihre Produkte einbauen, um die maximale und ständige Aufmerksamkeit ihrer Nutzer*innen zu erbeuten. Sie wollen unsere Zeit, unsere Aufmerksamkeit, denn damit verdienen sie viel, viel Geld. Aber meine Lebenszeit ist mir zu wichtig, um sie ständig in Social Media zu verbringen, das habe ich mittlerweile erkannt. Ich mache das nun seit rund zwei Wochen und meine FOMO (Fear of Missing Out, Angst etwas zu verpassen) hält sich wunderbarer Weise sehr in Grenzen.
Außerdem ist es so: Die Freund*innen und Autorenkolleg*innen, mit denen ich mich wirklich aktiv in Social Media austausche, kann ich an ein bis zwei Händen abzählen. Klar, ich habe viele Bekannte, aber muss ich wirklich wissen, was meine entfernten Bekannten X, Y und Z am Wochenende gemacht haben? Oder mir zig Urlaubsfotos anschauen, die mich nur neidisch machen, weil ich mir selbst solche Reisen nicht leisten kann? Ich habe auch keine Lust, ständig Essensbilder anzuschauen, weil ich dann selbst Appetit bekomme – und Essen ist seit Jahren ein schwieriges Thema für mich. Ich habe auch keine Lust mehr, mir bei einem Spaziergang, bei dem ich Fotos machen möchte, sofort Gedanken zu machen, ob diese Fotos denn instagramable seien.
Mein Fazit: Ich werde weiterhin in Social Media sein, aber deutlich weniger als bisher und ich werde sie anders nutzen. Und ja, mir ist die Ironie bewusst, diesen Beitrag in Social Media zu teilen. Aber vielleicht fühlen sich manche dadurch inspiriert, sich auch an einen anderen Umgang mit dem Internet und Social Media zu wagen.
Nachtrag: Falls euch die Bücher interessieren: Ich kann vor allem „Endlich abschalten“ von Catherine Price empfehlen, das bietet viele praktische Tipps, die sich für viele Menschen sicherlich gut umsetzen lassen. „Digitaler Minimalismus“ von Cal Newport ist zwar auch interessant, aber teilweise wird deutlich, wie privilegiert der Autor, ein weißer Universitätsprofessor, ist. Seine Tipps wirken zum Teil recht elitär.
1. Der Roman ist sehr lose inspiriert vom Film »Austenland«, eine romantische Wohlfühl-Komödie, in der es um ein immersives Freizeit-Event geht, bei dem die Besucher*innen in die Regency-Ära und die Welt von Jane Austen eintauchen können. Der »Regency Park« in meinem Roman ist ein völlig frei erfundener Themenpark.
2. Hauptfigur Ashley ist nichtbinär und verwendet das Neopronomen »sier«.
3. Die zweite Hauptfigur Leo ist ein cis Mann, ziemlich verplant und sieht sich selbst als Pechvogel vom Dienst, weil ihm immer wieder unangenehme Dinge passieren …
4. Eine lose Inspiration für die Figur Ashley ist der historische Schneider Zack Pinsent, der passend zu seinem Beruf ausschließlich historische Mode trägt, oft auch aus der Regency Ära. Seinen YouTube Kanal gibt es hier.
5. Eine nicht ganz unerhebliche Rolle im Roman spielt ein unterhaltsames Cover von ACDCs »Thunderstruck«, von 2Cellos. Hier das sehenswerte Video dazu.
6. Ich verrate nicht, ob das Model auf dem Buchcover mich eher an Leo oder an Ashley erinnert, aber das wird im Laufe des Romans klar, denn darin beschreibe ich das Kostüm, das das Model trägt.
7. In einer Szene habe ich den Song »Helpless« aus dem Musical »Hamilton« in die Handlung eingebaut, weil er so passend ist. Hier könnt ihr den Song hören.
9. In der Handlung des Romans gibt es zwar einige Probleme, die Leo und Ashley überwinden müssen, aber eher wenig (Beziehungs-)Drama. Und Konsens ist sexy.
10. In diesem Roman konnte ich mal wieder mein Interesse an historischer Mode ein bisschen ausleben. Im Regency Park tauchen auch einige Steampunks auf, meine Verneigung vor der Steampunkcommunity, in der ich selbst mehrere Jahre aktiv war.
11. Der erste Satz im Roman ist selbstverständlich eine Anspielung auf »Stolz und Vorurteil« von Jane Austen: »Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein arbeitsloser Schauspieler nichts dringender braucht als einen Job.«
12. Dieses Zitat (siehe Bild) bringt Leo in einem entscheidenden Moment zum Grübeln.
13. Während der „Regency Park“ frei erfunden ist, habe ich unter anderem einzelne real existierende Lokale und Orte in Connecticut und New York City in den Roman eingebaut und bin mit Google Street View virtuell durch die Gegend gefahren.
14. In der Regency-Ära gab es bereits den Walzer, allerdings wurde er damals noch etwas anders getanzt als heute. In diesem Zusammenhang wird Leo in einer Szene mit historischen Tänzen vom Pech verfolgt. Siehe diesen Textschnipsel:
15. Das ist mein erster Roman mit Ich-Perspektive, abwechselnd aus der Sicht von Leo und Ashley erzählt. Ich habe mich früher immer gegen diese Erzählperspektive entschieden, inzwischen mag ich sie aber ganz gern.
Fangen wir mit einem fiktiven Beispiel an. Susanne ist eine deutsche Autorin. Sie ist weiß, heterosexuell, cisgender und lebt in der Mittelschicht, ist auch darin aufgewachsen. Susanne möchte gern einen Roman über Naomi schreiben, eine Schwarze Frau in Deutschland, eine Afrodeutsche, die lesbisch und cisgender ist und ebenfalls zur Mittelschicht zählt. Die einzigen Lebenswelten, die Susanne und ihre fiktive Naomi gemeinsam haben: Sie sind beide cisgender Frauen und in der Mittelschicht heimisch. Aber Susanne weiß nicht, wie es sich anfühlt und was es mit sich bringt, eine Afrodeutsche zu sein. Sie hat auch keine Lebenserfahrung als lesbische Frau.
Nun könnte Susanne einfach drauflos schreiben und dabei respektvoll mit der fiktiven Naomi umgehen. Aber ihr Bild dieser Frau wäre sehr ausgedacht und wenig an den Lebenswelten lesbischer, cisgender afrodeutscher Frauen orientiert. Vielleicht kennt Susanne eine lesbische Afrodeutsche und hat sich intensiv mit ihr ausgetauscht. Das wäre ganz klar ein Vorteil für ihr schriftstellerisches Projekt. Vielleicht hat sie Own-Voices-Romane oder Artikel von lesbischen afrodeutschen Frauen gelesen oder Podcasts gehört oder auf andere Weise die entsprechenden Lebenswelten recherchiert. Aber ihre fiktive Naomi und deren Leben mag zwar ähnlich sein, aber es ist immer noch eine ausgedachte Figur, die gewissermaßen durch eine „weiße Brille” gesehen wird.
Und hier kommt Sensitivity Reading ins Spiel. Susanne könnte sich an eine lesbische Schwarze Frau wenden, die bereit ist, ihren Roman über Naomi zu lesen. Sie könnte sich auch zum einen an eine Schwarze Frau und zum anderen an eine lesbische Frau wenden, die bereit sind, ein Sensitivity Reading zu übernehmen.
Beim Sensitivity Reading werden Texte testgelesen, mit einem bestimmten Fokus. Wer über marginalisierte Menschen schreibt, mit deren Lebenswelt aber keine eigene Erfahrung hat, für den sind Sensitivity Readings eine gute Möglichkeit, auf möglicherweise verletzende Formulierungen und Stereotypen über diese marginalisierten Menschen aufmerksam gemacht zu werden. So etwas kann sich übrigens auch ganz ohne böse Absicht in einen Text schleichen, einfach aus Unwissen – das gilt bei weißen Menschen zum Beispiel für unabsichtlich rassistische Aussagen.
Sensitivity Reader zählen selbst zu einer oder mehreren marginalisierten Gruppen, z.B. Menschen mit Behinderung, queere (LGBTIAQ*) Menschen, BI_PoC (Black, Indigenous, People of Color), Menschen mit Neurodiversität, einer psychischen oder chronischen Erkrankung, Menschen, die in Armut leben oder noch andere. Sensitivity Reader sind somit gewissermaßen Expert*innen für die entsprechenden Lebenswelten und -erfahrungen. Das Beispiel oben mit Naomi ist intersektional – das bedeutet, diese Figur ist zweifach marginalisiert, als Schwarze Frau und als lesbische Frau.
Das heißt natürlich nicht, dass ein Sensitivity Reader allein für die gesamten Lebenserfahrungen aller aus seiner marginalisierten Gruppe sprechen kann. Aber Sensitivity Reading kann zumindest Tendenzen aufzeigen und gröbste Fehler oder Probleme in der Beschreibung marginalisierter Menschen ausmerzen.
Wozu dient es nicht?
Entgegen so manchem Vorurteil gegenüber Sensitivity Reading ist es keine Zensur und will auch nicht die Freiheit der Kunst beschneiden. Ganz im Gegenteil hilft Sensitivity Reading dabei, authentischer, vorurteilsfreier und lebensechter über Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen und/oder aus marginalisierten Gruppen zu schreiben und das sollte doch eigentlich im Interesse aller Autor*innen sein.
Warum sollte man Sensitivity Reading nutzen?
Das hat mehrere Gründe. Es sensibilisiert zum einen für einen Umgang mit nicht-diskriminierender, nicht-herabwürdigender, inklusiver Sprache. Das geht übrigens auch, ohne dass man um die Freiheit der Kunst bangen muss. Ein weiterer wichtiger Grund: Menschen aus marginalisierten Gruppen, die mithilfe von einem Sensitivity Reading bearbeitete Texte lesen, werden sich darin wahrscheinlich positiver und authentischer repräsentiert finden, in Figuren, die ihrer marginalisierten Gruppe angehören.
Sprache hat einen großen Einfluss darauf, wie wir die Welt sehen. Vorurteile, Diskriminierung und Stereotypen finden nicht nur auf dem Papier statt, wenn wir sie lesen, sie finden auch einen Weg in unsere Köpfe, wenn wir immer wieder darüber lesen. Das zeigen auch psychologische Studien. (1)
Sensitivity Readings können letztendlich nicht nur helfen, Vorurteile, Diskriminierungen und Stereotypen in Texten zu vermindern, sondern auch in den Köpfen der Lesenden abzubauen, weil sie helfen, authentischere Figuren abseits von Vorurteilen und Stereotypen zu erschaffen.
Meine eigenen Erfahrungenmit Sensitivity Reading
Ich habe selbst ein Sensitivity Reading für eine andere Autorin gemacht, das war für einen großen Publikumsverlag. Die Zusammenarbeit lief über das Lektorat, war sehr professionell und freundlich, außerdem wurde mir meine Tätigkeit auch mit einem fest vorgegebenen, nicht verhandelbaren Betrag vergütet. Ob alle meine Anmerkungen oder die mir wichtigsten umgesetzt wurden, weiß ich allerdings noch nicht, da ich das veröffentlichte Buch noch nicht gelesen habe. Und letztendlich liegt diese Entscheidung natürlich beim Verlag.
Als Autorin habe ich mehrfach mit Sensitivity Readern zusammengearbeitet. Bei zwei Sensitivity Readern lief die Zusammenarbeit reibungslos. In einem Fall hatte der Sensitivity Reader ganz andere Vorstellungen als ich zur Geschichte, was einige inhaltliche Fragen betraf. Dieser Reader ist selbst Autor und hätte meine Ausgangsbasis der Geschichte vielleicht lieber anders umgesetzt.
Aber Sensitivity Reading ist in der Regel kein inhaltliches Lektorat. Sensitivity Reader helfen einem eher dabei, auf problematische Beschreibungen und Formulierungen zu verzichten. Ihre Aufgabe ist es nicht, Geschichten komplett inhaltlich zu verändern – es sei denn, dass sich darin ein sehr problematisches Handlungsmuster befindet, das beispielsweise auf rassistischen oder queerfeindlichen Stereotypen beruht. Ein sehr negatives Trope ist beispielsweise Bury your gays (2), das so oft in der Vergangenheit eingesetzt wurde, dass manche Rezensent*innen von Filmen, Büchern etc. extra hervorheben, wenn dieses Trope nicht verwendet wird.
In einem anderen Fall hatte ich Pech, was die Umsetzung betraf: Zuerst sagte mir eine Sensitivity Readerin ab wegen zu starker Arbeitsbelastung im Brotjob, ein anderer Sensitivity Reader ließ mich mehrere Monate auf sein Feedback warten, da er ebenfalls viel zu tun hatte. Das bringt mich allerdings zu einem wichtigen Punkt: Sensitivity Reading ist nicht unbedingt eine berufliche Tätigkeit – manche Sensitivity Reader übernehmen diese Tätigkeit in ihrer Freizeit und es kann sein, dass jemand wenig Zeit dafür erübrigen kann. Deshalb ist es gut, wenn beide Seiten, also Autor*innen und Sensitivity Reader, sich gegenseitig absprechen, auch wenn möglich, über den zeitlichen Rahmen. Und auch über eine mögliche Vergütung oder andere Gegenleistungen sollte man im Vorfeld sprechen, damit es nicht zu Unstimmigkeiten oder Enttäuschungen kommt.
Bury your gays ist ein Handlungsmuster, bei denen die einzigen queeren Charaktere (oder der einzige queere Charakter) in einem Buch, Film, etc. sterben, oft auf dramatische Weise, während die heterosexuellen Charaktere überleben.
Content Note: In diesem Beitrag nenne ich einige ableistische Ausdrücke
Zu diesem Thema habe ich einiges gesammelt, das findet ihr unten bei der weiterführenden Literatur. Ableismus, also die Feindlichkeit gegenüber bzw. Diskriminierung von behinderten Menschen, ist ein weites Feld, allein schon, weil es so viele unterschiedliche Behinderungen gibt. Manche davon sind unsichtbar oder nicht auf den ersten Blick erkennbar. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Erfahrungen und Bedürfnisse behinderter Menschen.
In der Literatur und in anderen Medien werden Menschen mit Behinderung oft klischeehaft dargestellt (siehe dazu das unten verlinkte Interview), oder aber ihre Geschichte definiert sich allein über ihr »Leid«. Ich schreibe »Leid« hier absichtlich in Anführungszeichen, da nicht Betroffene meistens davon ausgehen, dass Menschen mit einer Behinderung ganz furchtbar unter dieser leiden. Das mag im Einzelfall tatsächlich der Fall sein, ist aber bei weitem nicht bei allen so. Hier wird also mitunter ein falscher Eindruck von behinderten Menschen erreicht.
In anderen Geschichten erreichen Figuren mit Behinderung etwas Besonderes oder schaffen es einfach, ihr Leben und ihren Alltag zu meistern – aber solche Geschichten dienen viel zu oft nicht Betroffenen als »Inspiration Porn« (siehe den Beitrag, der unten verlinkt ist).
In einigen Fällen gibt es leider sehr problematische Darstellungen von Behinderungen, ein Beispiel dafür ist der Bestseller »Ein ganzes halbes Jahr« von Jojo Moyes, das auch verfilmt wurde. Siehe dazu die unten verlinkte Filmkritik Behindert sein = Sterben wollen? Filmkritik “Ein ganzes halbes Jahr” von Judyta Smykowski.
Ich selbst habe eine Gehbehinderung und eine chronische psychische Erkrankung, habe mich aber erst in den letzten Jahren zunehmend mit dem Thema Ableismus auseinandergesetzt und lerne immer noch dazu. Hier ein sprachliches Thema, das mir bis vor einigen Monaten gar nicht bewusst war: Begriffe wie »dumm«, »Idiot«, »Blödmann«, »schwachsinnig«, also jede Menge Schimpfworte, sind ableistisch und ich versuche mittlerweile, sie als Autorin und auch in meiner Alltagssprache komplett zu vermeiden. Diese Begriffe sind ableistisch, weil sie der so genannten Person (oder einer ganzen Personengruppe) das Denkvermögen absprechen, sich also über deren Intelligenz lustig machen. Und das wiederum stigmatisiert zum Beispiel Menschen mit geistigen Behinderungen. Hinzu kommt noch verschärfend, dass einige dieser Begriffe, z.B. »Idiotie« und »Schwachsinn« eine unrühmliche Geschichte haben: In der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie abwertend für Menschen mit geistigen Behinderungen verwendet. Und ich hoffe, ich muss nun nicht extra erklären, dass auch die Bezeichnung »behindert« als Schimpfwort ein absolutes No-Go ist.
Inspiration Porn: Wenn behinderte Menschen als Motivationskick dienen. Konrad Wolf erklärt, warum nicht-behinderte Menschen aufhören müssen, Menschen mit Behinderung für alltägliche Dinge zu bewundern:
online Magazin “Die neue Norm” Eigenbeschreibung: “Das Magazin für Vielfalt, Gleichberechtigung und Disability Mainstreaming. Wir denken Inklusion weiter.”
Bücher mit nichtbinären oder trans Figuren gibt es auch auf der Buchliste »Phantastik mit Diversität«. Bitte am PC mit den Tasten Strg, F die Suchfunktion einschalten und ins Suchfeld »trans« bzw. »nichtbinär« oder »nonbinary« eingeben, dann werden euch entsprechende Bücher angezeigt. http://bit.ly/phantastikmitdiversität
Das von der Regierung geplante Selbstbestimmungsgesetz wird ja zurzeit stark diskutiert. Emma Kohler (auf Instagram: @_emmanzipation_) hat unter anderem diese Petition erstellt, die bereits von zahlreichen Menschen unterzeichnet wurde: #Selbstbestimmung2022 – TSG abschaffen https://www.change.org/p/selbstbestimmung2022-tsgabschaffen
Ich selbst war diese negative Repräsentation leid und das war einer der Gründe, warum ich eine lesbische trans Frau als Protagonistin in meiner viktorianischen Cosy Krimi Reihe »Die mysteriösen Fälle der Miss Murray« geschrieben habe. Da ich selbst cis bin, habe ich dafür auch mit Sensitivity Readern zusammengearbeitet.
Apropos Transfeindlichkeit: Vielleicht habt ihr den Begriff TERF (trans exclusionary radical feminist) gehört und fragt euch, was damit gemeint ist. Dieser Artikel erklärt das gut:
Warum verlieben sich Menschen ineinander? Das ist oft gar nicht einfach zu erklären. Das Genre Romance/Liebesroman hat darauf eine Vielfalt an Antworten und ich gehe später auf einige typische Tropes (Handlungsmuster) ein.
Eine Sache ist mir in Liebesromanen immer wieder aufgefallen: Alle paar Seiten schwärmt eine Figur von dem guten Aussehen ihres Love-Interests, mitunter über ganze Absätze hinweg. Manche Autor*innen machen davon so stark Gebrauch, dass es entweder wahlweise komisch wirkt oder zu ungünstigen Wiederholungen führt, die nervig sein können. Und gutes Aussehen als alleiniger Grund, sich zu verlieben? Das kann sehr oberflächlich sein, es kann Lookism (1) sein und ist aus meiner Sicht auch nicht besonders interessant, denn Schönheit an sich ist kein Charakterzug und teilweise auch sehr austauschbar. Klar, man braucht Attraktivität oder gutes Aussehen nicht vollständig ausblenden, aber es immer wieder (und dann vielleicht noch mit Wiederholungen) zu betonen, wird viele Lesende wohl auf Dauer eher langweilen.
Aber was kann es stattdessen beziehungsweise noch zusätzlich an Motiven geben, dass sich eine Figur in eine andere verliebt? Hier ein paar Anregungen.
Gemeinsame Interessen Die Figuren haben ein gemeinsames Interesse oder ein Hobby, das sie einander näherbringt und ihnen viel Gesprächsstoff bzw. gemeine Erlebnisse bietet. Vielleicht stehen sie dabei auch in Konkurrenz zueinander (z.B. in gegnerischen Sportmannschaften), nähern sich aber letztendlich doch an.
Gemeinsame Probleme Einige Beispiele: Die Figuren sind Kolleg*innen, doch es gibt Probleme an ihrem Arbeitsplatz. Vielleicht schreibt ihr Unternehmen/ihr Geschäft etc. rote Zahlen und sie müssen um ihre Arbeitsplätze bangen. Oder sie haben gemeinsame Bekannte, die Probleme mit sich bringen und tun sich zusammen, um sich der Probleme anzunehmen.
Typische Tropes
Liebesdreieck Ein sehr beliebtes, oft verwendetes Trope, das allerdings in den allermeisten Fällen auf folgendes Szenario hinausläuft: Eine Figur muss sich zwischen zwei Love Interests entscheiden. Hinzu kommt jede Menge Eifersucht auf die dritte, unerwünschte Figur. Anregung, um die Klischees dieses Tropes zu durchbrechen: Die Figuren könnten zumindest über eine offene Beziehung oder Polyamorie nachdenken. Selbst wenn sie sich letztendlich dagegen entscheiden, weil es ihnen persönlich nicht liegt, wird damit aufgezeigt, dass es auch noch andere Beziehungsformen gibt.
Friends to Lovers Beispiele: Sie sind schon seit Jahren Nachbar*innen. Sie kennen sich schon seit dem Kindergarten. Sie arbeiten zusammen und haben sich angefreundet. Sie sind Freizeitpartner*innen. Und ganz plötzlich (oder auch nicht so plötzlich) gibt es ein Ereignis, das alles verändert, und sie zusammenbringt. Für demisexuelleFiguren ist dieses Trope wie gemacht. Ein sehr passender Song zu „Friends to Lovers“ ist übrigens »1000 und 1 Nacht« von Klaus Lage: https://www.youtube.com/watch?v=oNWe7rG9S8w
Stuck Together Beispiele: Sie kennen sich kaum und stecken fest in einer eingeschneiten Hütte. Draußen tobt ein Gewitter und der Strom ist ausgefallen. Sie sind nach einem Schiffbruch oder einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel gestrandet. Figur A hat einen Anhalter mitgenommen, aber das Auto hat mitten im Nirgendwo eine Panne. Oder ähnliche Szenarien, bei denen die Figuren an einem Ort festsitzen, von dem sie zumindest vorübergehend nicht fort können. Nun müssen sie sich zusammenraufen. Und kommen einander näher, durch die gemeinsam erlebten Strapazen. Eine sehr actiongeladende Version dieses Handlungsmusters gibt es im Film „Speed“ (von 1994), in dem die Charaktere von Keanu Reeves und Sandra Bullock in einem Bus festsitzen, der droht, durch eine Bombe zu explodieren. „Stuck Together“ könnte man übrigens auch mit »Enemies to Lovers« verbinden, und damit unter Umständen noch mehr Spannung zu erzielen, siehe den nächsten Abschnitt:
Enemies to Lovers Mit diesem Trope, das sehr beliebt ist, tue ich mich persönlich schwer, denn ich frage mich oft, wie realistisch ist die Entwicklung Feindschaft zu Liebe? Aber vermutlich ist hier »Gegensätze ziehen sich an« gerade das, was dieses Trope für viele so reizvoll macht. Anregung: Wenn du dieses Trope schreiben möchtest, überlege dir am besten, bei aller Feindschaft der Figuren, auch einige Gemeinsamheiten, die sie letztendlich dazu bringen könnten, ihre Feindschaft zu überwinden. Ein berühmtes Beispiel für dieses Handlungsmuster ist „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen – die beiden Hauptfiguren können sich zunächst überhaupt nicht ausstehen, aber dann kommt alles anders, als sie erwartet haben …
Verbotene Liebe Das vielleicht berühmteste Beispiel für dieses Trope ist Shakespeares »Romeo und Julia« – die Hauptfiguren stammen aus verfeindeten Familien, von daher steht ihre Liebe unter einem schlechten Stern. Andere Geschichten mit diesem Trope behandeln z.B. Tabuthemen wie Inzest, teilweise verstärkt durch den Twist, dass die verwandten Figuren nicht wissen, dass sie verwandt sind (z.B. die Zwillinge Luke und Leia aus »Star Wars«). Oder es gibt ein starkes Machtgefälle in der Beziehung (z.B. ein Uniprofessor und seine Studentin, eine Herrin und ihre Sklavin, ein Vorgesetzter und sein Mitarbeiter…) Ich persönlich schreibe nicht über solche Tabuthemen und kann hier auch keine Ratschläge erteilen. Wovon ich aber immer dringend abraten würde, sind Geschichten, die von einer Liebesbeziehung zwischen einer minderjährigen und einer erwachsenen Person erzählen. Das ist niemals eine Romanze, sondern Missbrauch.
Die zweite Chance Beispiele: Eine Figur hatte Pech in der Liebe. Sie hat eine Scheidung hinter sich. Sie ist verwitwet oder hat andere Schicksalsschläge in Bezug auf Beziehungen erlebt. Vielleicht hat sie auch erst mal die Nase voll von Beziehungen. Nun lernt sie aber eine interessante Person kennen und bekommt eine zweite Chance auf die große Liebe. Dieses Trope eignet sich gut für Figuren, die schon etwas älter sind, aber auch jüngere Figuren könnten entsprechendes erleben.
Seelenverwandte Die Figuren sind füreinander bestimmt, fühlen sich meistens auf Anhieb zueinander hingezogen (siehe auch »Liebe auf den ersten Blick«). Vielleicht wird das Ganze auch mystisch überhöht, oder sie haben das Gefühl, sich schon ewig und drei Tage zu kennen. Wie in den meisten Liebesgeschichten müssen aber auch diese Figuren so manches Hindernis überwinden, um letztendlich zusammenzukommen. Dieses Trope hat den Nachteil, dass die entsprechende Geschichte unter Umständen sehr kitschig werden kann, hier ist also Vorsicht geboten.
Vorgetäuschte Beziehung Aus Gründen beschließen zwei Figuren, eine gemeinsame Beziehung gegenüber ihren Familien, Freundeskreis oder auch Kolleg*innen vorzutäuschen. Sie sind weit davon entfernt, verliebt zu sein (auch hier könnte man wieder »Enemies to Lovers« hinzunehmen, oder aber »Friends to Lovers«). Aber im Laufe der Handlung stellen sie fest, dass sie sich zueinander hingezogen fühlen. Vielleicht fliegt später auf, dass sie die Beziehung zunächst nur vorgetäuscht haben, oder auch nicht. Mehrere romantische Komödien basieren auf diesen Trope und auch die Tragikomödie»Green Card – Schein-Ehe mit Hindernissen« (von 1990).
Liebe auf den ersten Blick Bei diesem Trope denke ich heute oft, das ist eigentlich ein einfacher, etwas billiger Trick aus der Autoren-Werkzeugkiste, um möglichst schnell Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch in die Geschichte zu bringen. Ich habe dieses Trope aber auch schon mal verwendet. Mittlerweile bin ich damit vorsichtiger, weil es nur bedingt realistisch ist, dass sich zwei Leute auf Anhieb ineinander verlieben. Das Gegenstück dazu nennt sich im englischen »Slow Burn«, (»langsames Brennen«), also wenn die Figuren sich erst nach und nach ineinander verlieben. „Liebe auf den ersten Blick“ funktioniert übrigens nicht bei demisexuellen Figuren, hier passt „Slow Burn“ besser.
Hurt/Comfort Eine Figur ist verletzt oder krank, die andere kümmert sich fürsorglich um diese. Das kann der Auftakt zu einer Beziehung werden, weil sich die beiden näherkommen, oder aber stattfinden, während die Beziehung bereits besteht.
Fazit: Es gibt eine ganze Reihe an Tropes in der Romance, ich habe hier nur einige der bekanntesten beschrieben, die mögliche Wege aufzeigen, wie Figuren zueinander finden. Teilweise kann man auch verschiedene Tropes gut miteinander verknüpfen, um die Handlung interessanter zu gestalten. Es kann spannend sein, bekannte Tropes auf den Kopf zu stellen, sie ganz anders zu präsentieren und in jedem Fall würde ich davon abraten, zu tief in die Klischeekiste zu greifen.
Fußnote (1) Ein Zitat zu Lookism: „Lookism ist die Annahme, dass das Aussehen ein Indikator für den Wert einer Person ist. Sie bezieht sich auf die gesellschaftliche Konstruktion einer Schönheits- oder Attraktivitätsnorm und die Unterdrückung durch Stereotype und Verallgemeinerungen über Menschen, die diesen Normen entsprechen und über diejenigen, die ihnen nicht entsprechen.“ Quelle des Zitats: https://de.wikipedia.org/wiki/Lookism#cite_note-2
Weitere Blogbeiträge von mir zum Thema Liebesbeziehungen in der Literatur
Sicherlich habt ihr schon das eine oder andere Mal Aufrufe von Autor*innen gelesen, doch bitte Rezensionen zu schreiben, wenn ihr ein Buch gelesen habt. Das ist unter anderem möglich auf Amazon und auch bei anderen online Shops, wie z.B. Thalia, in Buchportalen wie Lovelybooks und Goodreads, in Bücherforen und natürlich auch im eigenen (Buch-)Blog. Warum sind Rezensionen so wichtig? Kurz gesagt: Auf Amazon werden Bücher mit vielen Rezensionen und Bewertungen häufiger angezeigt, ihr Ranking steigt, zumindest bei einer guten Durchschnittsbewertung. Und natürlich sind Rezensionen auch in anderen Portalen eine gute Orientierungshilfe für andere Lesende.
Auf Amazon und Goodreads kann man auch einfach nur Sterne-Bewertungen abgeben, ohne eine Rezension zu verfassen. Das ist natürlich sehr leserfreundlich, bietet aber leider auch das Potential für Missbrauch. Zur Vergabe einer Stern-Bewertung muss man das betreffende Buch nämlich gar nicht gelesen haben, außerdem kann man das anonym machen (auf Amazon) und ich fürchte, dass einige Leute dies ausnutzen. Ich habe mittlerweile schon mehrfach von Autor*innen gehört, dass sie häufig 1-Sterne-Bewertungen erhalten, ohne eine entsprechende Rezension. Da liegt der Verdacht nah, dass einige Leute gezielt schlechte Bewertungen verteilen, um bestimmten Autor*innen zu schaden. Besonders stark ist dieser Verdacht, wenn solche Bewertungen schon wenige Stunden oder Tage nach dem Erscheinen eines Buches auftauchen. Gerade habe ich wieder von solch einem Fall gehört.
Dem gegenüber stehen dann aber meistens im Laufe der Zeit deutlich bessere Bewertungen. Und genau das ist wichtig, um solche negativen Bewertungen, die nur aus Sternen bestehen und möglicherweise von Trollen vergeben wurden, auszugleichen: ehrliche Rezensionen, die tatsächlich auf das betreffende Buch eingehen. Das muss kein langer Text sein, einige Zeilen würden schon reichen. Denn ansonsten entsteht unter Umständen ein völlig falscher verzerrter Eindruck von einem Buch, weil es von Trollen bewertet worden ist, die es möglicherweise gar nicht gelesen haben.
Ein ähnliches Phänomen gab es übrigens eine Zeitlang im Film-Bereich. So erhielt der Film „Captain Marvel“ beispielsweise schon vor seiner Premiere haufenweise negative Bewertungen, was natürlich keinen Sinn ergab, da die entsprechenden Leute, den Film noch gar nicht gesehen hatten. (1) Einige Portale, darunter z.B. die IMDB (International Movie Data Base), haben mittlerweile ihre Bewertungssysteme so angepasst, dass man Filme und Serien erst nach dem Erscheinen bewerten kann.
Überlassen wir also den Trollen nicht das Feld, denn deren Beurteilungen würden wie gesagt die Bewertungen verzerren. Dazu ein Zitat aus dem 2019 erschienenen Artikel „Was sind Sterne-Bewertungen bei Büchern heute wert?“ von Stephanie Vonwiller: „Laut dem Institut für Demoskopie Allensbach (AWA) geben nur zehn Prozent der Internetnutzer ihre Meinung ab. Tendenz seit Jahren gleichbleibend. Diese werden von der Branche »Meinungsführer« genannt. Dagegen orientieren sich vor dem Kauf tendenziell immer mehr Menschen an den Bewertungen.“ (2)
Deshalb auch von mir der Aufruf: Wenn ihr Autor*innen unterstützen möchtet, sodass ihre Bücher auf Amazon und Co. mehr Reichweite oder ein besseres Ranking erhalten, schreibt bitte eine ehrliche Rezension. Oder wenn euch das aus Zeitmangel oder anderen Gründen nicht möglich ist, vergebt eine Sterne-Bewertung.
Bildbeschreibung: Die Titelzeile dieses Blogbeitrages auf grün-blauem Hintergrund.
Inhaltswarnung: In diesem Blogbeitrag gibt es zahlreiche ableistische und/oder klassistische Aussagen, einige davon sind beleidigend oder können sehr schmerzhaft wirken. Bitte achtet auf euch, wenn ihr diesen Beitrag lest.
Kursiv gesetzte Schrift in diesem Text sind Zitate von anderen Personen, die mir freundlicherweise in Social Media geantwortet haben auf meine Frage nach klassistischen oder ableistischen Aussagen/Fragen, die sie nicht mehr hören wollen.
Zunächst einmal, worum geht es hier?
Ableismus ist Behindertenfeindlichkeit bzw. Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und/oder Neurodivergenz
Klassismus ist eine Feindlichkeit gegenüber armen Menschen, bzw. Diskriminierung von Armutsbetroffenen.
Oftmals tritt Klassismus und Ableismus auch in Kombination auf, denn einige Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen oder Neurodivergenz können nicht oder nur eingeschränkt arbeiten, verdienen entsprechend weniger Geld oder sind ganz oder teilweise auf staatliche Leistunggen angewiesen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, in diesem Beitrag über beide Themen zu schreiben.
Warum teile ich das hier in meinem Autorenblog? Ich bin sowohl von Klassismus als auch Ableismus selbst betroffen. Ich möchte nicht nur allgemein darauf aufmerksam machen, sondern außerdem Autor*innen, die über diese Themen schreiben wollen, aufzeigen, was sie lieber NICHT in ihren Geschichten oder Sachtexten schreiben sollten, um abwertende und verletzende Aussagen zu vermeiden.
Beide marginalisierte Gruppen – Armutsbetroffene und behinderte Menschen (bzw. Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Neurodivergenz) werden oft im Alltag nicht mitgedacht. Dann fallen oft Sätze, die auf Außenstehende möglicherweise harmlos wirken, die aber ableistisch, klassistisch oder beides sind. Im Laufe der Zeit habe ich eine ganze Menge solcher Sätze gelesen oder gehört. Ich zähle zunächst einige auf und kommentiere es, teilweise auch mit Alternativvorschlägen.
„Online Einkaufen ist schlecht für die Umwelt! Der Verkehr, die Verpackungen! Und: Support your local dealer!“ Grundsätzlich ist das richtig. Aber je nach persönlichen Umständen kann diese Aussage klassistisch und ableistisch sein. Denn viele Armutsbetroffene finden online günstigere oder deutlich günstigere Angebote. Viele Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen können z.B. wegen Barrieren oder Reizüberflutung manche Geschäfte oder Einkaufszentren gar nicht oder nur schwer betreten. Oder sie haben Probleme, sperrige Einkäufe zu transportieren, die ihnen bei online Einkäufen direkt an die Haustür oder in die Wohnung geliefert werden.
„Radfahren ist besser als Autofahren/mit den Öffis fahren.“ Auch diese Aussage ist grundsätzlich richtig, mit Hinblick auf den Umweltschutz. Aber hier werden viele Menschen mit Behinderung nicht mitgedacht, die auf den Transport mit Öffis oder einem Auto angewiesen sind.
„Zu schade für den Müll.“ Das ist klassistisch. Es impliziert: „Das hier ist nicht mehr gut genug für mich – aber noch gut genug für dich.“ Bitte streicht diesen oder ähnliche Sätze aus eurem Wortschatz.
„Du solltest mehr lesen.“ Manche Menschen mit Behinderung (z.B. Sehbehinderung) oder Legasthenie haben generell Probleme mit dem Lesen. Und nicht jedes Buch gibt es als Audiobook zum Anhören. Manche neurodiverse Menschen haben Schwierigkeiten, Audiobooks zu hören. Armutsbetroffene können sich Bücher oft nur gebraucht oder gar nicht leisten.
„Du hattest Urlaub? Wie schön! Wo bist du hingereist?“ Die Frage nach der Reise impliziert, dass die Angesprochene Person sich eine Urlaubsreise leisten kann. Oder dass sie als behinderter Mensch barrierefrei oder barrierearm verreisen kann. Diese Frage kann für manche Menschen, denen das nicht möglich ist, sehr schmerzhaft sein. Besser wäre stattdessen die neutralere Frage: „Was hast du in deinem Urlaub gemacht, wenn ich fragen darf?“
„Lass uns mal telefonieren, ja?“ Für manche Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Neurodivergenz stellt Telefonieren eine mehr oder weniger starke Barriere dar. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Neutraler wären hier diese Fragen:
„Wie kann ich dich am besten erreichen?“ „Wie können wir uns mal austauschen?“ „Wie möchtest du mit mir in Kontakt treten/bleiben?“
Manche Menschen haben übrigens Schwierigkeiten mit dem Tippen von Textnachrichten und möchten vielleicht lieber Sprachnachrichten versenden oder auch erhalten.
„Das ist ja voll behindert, haha!“ Ihr ahnt es schon: Behinderung ist weder ein Witz, noch ein Schimpfwort. Wenn man etwas als behindert bezeichnet, ohne eine echte Behinderung zu meinen, ist das für Betroffene nie lustig. Streicht diese Verwendung von „behindert“ bitte aus eurem Wortschatz.
Ungefragt gegenüber einer Person mit Behinderung, z.B. mit Rollstuhl oder Sehbehinderung: „Ich helfe Ihnen.“/ “Ich mache jetzt (dieses und jenes) für Sie.“
Das ist zwar nett gemeint, z.B. einer blinden Person eine Tür zu öffnen oder ähnliches, kann aber auch als übergriffig empfunden werden, denn behinderte Menschen können vieles selbst tun, was Außenstehende sich manchmal nicht vorstellen können. Deshalb wäre hier die Frage besser: „Soll ich Ihnen helfen?“ Um bei dem Beispiel zu bleiben: „Soll ich Ihnen die Tür öffnen?“
Tipps und Vorschläge für praktische Anschaffungen aller Art oder den Kauf von Dienstleistungen: Armutsbetroffene können ein Lied davon singen, wenn Menschen ihnen vorschlagen, sich dieses oder jenes zu kaufen, was ihren Alltag erleichtern würde. Das ist natürlich nett gemeint, aber oftmals können arme Menschen sich entsprechende Dinge nicht leisten und es kann sehr schmerzhaft sein, daran erinnert zu werden. Hilfreich kann hier unter Umständen die Frage sein, wieviel eine Person ausgeben könnte, also wie hoch ihr Budget ist.
Ein genereller Tipp gegenüber Armutsbetroffenen: Wenn ihr von eigenen Anschaffungen erzählt, nennt nicht den Preis mit, sondern lieber nur auf Nachfrage. Es kann zermürbend für arme Menschen sein, wenn sie Preise mit ihren eigenen finanziellen Möglichkeiten vergleichen.
„Hast du schon [naheliegende Sache XY] ausprobiert?“ und „Probier doch mal [naheliegende Sache XY]!“ und generell ungebetene Ratschläge in allen Variationen; „Und wann wird das wieder besser?“ und „Das muss doch mal besser werden!“ usw. Chronisch Kranke möchten eher keine guten Ratschläge von Laien hören, was sie alles tun könnten, damit es ihnen besser geht (oft sind das Ratschläge wie Sport, gesunde Ernährung, spezielle Körpertherapien, Entspannungsmethoden oder Physiotherapie oder oder oder…) Die meisten chronisch kranken Menschen haben nämlich schon eine ganze Menge ausprobiert, um etwas zu finden, dass ihnen persönlich auf Dauer hilft mit ihrer chronischen Erkrankung zu leben.
„Bleiben Sie gesund!“ Sehr beliebter Wunsch in diesen Pandemiezeiten und natürlich nett gemeint. Allerdings stößt er vielen chronisch Kranken sauer auf, denn sie sind nun einmal nicht gesund.
„Ich sehe deine Behinderung gar nicht mehr / Für mich bist du normal.“ Das ist eine ähnlich problematische Aussage wie „Ich sehe keine Hautfarben.“ Sie ist auch ähnlich wie folgende Aussage in Bezug auf queere Menschen: „Love is Love.“ „Ich sehe deine Behinderung nicht“ ist vielleicht freundlich gemeint, aber macht Behinderungen im Grunde unsichtbar. Damit wird auch letztendlich ausgeblendet, dass es marginalisierte Menschen und dass es deutliche Unterschiede zwischen Menschen gibt, die für diese im Alltag/in ihrem Leben auch starke Konsequenzen mit sich bringen. Wir sind alle verschieden und haben unterschiedliche Bedürfnisse und Probleme. Es ist wichtig, dies anzuerkennen und mitzudenken.
Weitere Aussagen und Fragen, die mir betroffene Personen in Social Media genannt haben, die sie nicht mehr hören wollen (siehe Inhaltswarnung oben):
Ableistisches
„Wieso machst du nicht ‚EINFACH‘ mehr XYZ“. Egal ob Sport. Gesunde Ernährung. Mehr Schlafen, besser Planen. Etc. Oder: „Warum bist du schon wieder so sensibel?“ oder „Warum stellst du dich so an? Wir alle haben Probleme.“ Und Klassiker: „Wieso entschuldigst du dich immer?“
„Du willst ja nur nicht“/“Du strengst dich einfach nicht an“/“Das musst Du doch mal kapieren“/“Jeder andere kann das doch auch“ … die Liste nimmt kein Ende. Fragen … ich wünschte, es würde mal jemand fragen, anstatt zu meinen, es besser zu wissen.
Oh und auch ganz toll: “Super, Sie sind ja ein total interessanter Lehrbuchfall!” Da könnte ich mittlerweile Galle spucken.
„Du bist immer krank.“ An das eine Mal kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich konnte nicht beim gemeinsamen Sport mitmachen, weil ich mal wieder mit Gehhilfen angehumpelt kam.
Fibromyalgie: „Du tust doch nur so“/“Du willst doch nur Aufmerksamkeit.“ (höre ich zum Glück mittlerweile nicht mehr so oft) “Ich glaube, ich weiß jetzt, wie du dich fühlst.“ wenn jemand einmalig (starke) Schmerzen hat. Das ärgert mich besonders, obwohl ich weiß, dass es nicht ganz fair von mir ist, weil es wirklich schwierig ist, sich vorzustellen, wie es ist, immer Schmerzen zu haben und dass für mich das Schlimmste an chronischem Schmerz nicht der Schmerz, sondern das Chronische ist.
„Hast du schon mal überlegt, ob dir dein Unterbewusstsein damit etwas sagen will?“
„Mir geht’s ja auch manchmal nicht so gut“ „Mir tut auch mal … weh“ „Du/Ihr immer mit…“
„Sie haben einen Wasserkopf und haben Abitur gemacht?“ Ein Hydrocephalus (Punkt 1, was mich an dieser Aussage stört) hat primär nichts mit Intelligenz und Lernfähigkeit zu tun (Punkt 2).
Also welche Aussagen ich so leid bin, sind Sachen dazu, wie ich mich kostengüstiger ernähren könnte. Ich ernähre mich schon billig, aber ich bin halt auch chronisch krank und auf bestimmte Sachen kann ich nicht verzichten.
„Probiere es doch mal mit [Tipp für Ernährungsumstellung, gerne mit Link zu einem YouTube-Video von random dude, der meint, mit seiner Ernährung wären sämtliche Stoffwechselerkrankungen Geschichte]“
“Reiß dich zusammen!” “Stell dich nicht so an.” Aber noch schlimmer sind eigentlich die, denen man seine Grenzen sagt und die sie wortlos überschreiten.
„Was hast du denn gemacht/gegessen, dass es wieder so schlimm geworden ist?“ Das hat nachhaltig Narben hinterlassen. Und natürlich der Klassiker, ungefragt Heilpraktiker etc. empfohlen zu kriegen oder sogar „Hausmittelchen“ migebracht zu kriegen, die man auch noch bezahlen soll.
„Man muss sich halt auch mal zusammenreißen…“, „Hast du schonmal Yoga probiert?“ „Aber wie haben Sie denn dann zwei Master-Abschlüsse gemacht, wenn Sie solche Probleme haben?“ (letzeres von einem Neuropsychologen (!) bei dem ich wegen meiner ADHS-Abklärung war….)
Und dann noch ein paar Klassiker, vor allem wenn man über chronische Depressionen spricht… „Ist doch alles nicht so wild,“ „Lach halt mal, dann ist das Leben schon viel einfacher,“ „Wenn du öfter rausgehen würdest, wärst du nicht immer so müde“
“ Das kannst du doch lernen.“ “ So schwer ist das doch nicht.“ “ Konzentrier dich doch mal.“ “ Das sind doch alles Scheinargumente.“
„Du wirst ja wohl Mal eben…“ Entweder kann ich es (gerade) nicht, oder der Preis dafür ist zu hoch. „Du bist ja wohl alt genug um…“ „Vielleicht solltest du eine Therapie machen“ ob ich meine psychische Erkrankung behandeln lassen möchte oder nicht das entscheide ICH.
Ja, ich habe eine Therapie angefangen und abgebrochen, weil das für mich nicht passt. Ja, ich habe psychische Altlasten. Ich arbeite daran. Jeden Tag. Auch wenn das nicht jede Person sehen kann. Mein Tempo. Ich bin keine Gefahr für mich oder eine „Zumutung für Andere“
Man sieht mir das nicht an, genauso wenig wie mein handwerkliches Geschick oder dass ich gerne zocke.
Chronisch Erkrankter hier: „Warst du damit schon mal beim Arzt?“ …no sh*t, sherlock, woher hab ich wohl die Diagnose… Oder: „Nimm doch mal [xy], das hat mir geholfen.“ Ja, du bist ja auch Nicht-Chronisch-Erkrankt…
„Für mich bist Du nicht so behindert, wie die Föten, die wegen einer Behinderung abgetrieben werden.“
„Das ist doch nicht so schlimm, andere Menschen haben auch ihr Päckchen zu tragen.“
„Dir sieht man das ja gar nicht an. Du kannst lachen/lächeln, du kannst nicht depressiv sein. Situation xy ist für normale Menschen auch anstrengend.“
„Bist du IMMER NOCH krank? Ach, DAS hast du jetzt also auch noch?“
Ich möchte nie wieder einen getextmarkerten Apotheken-Umschau-Artikel in die Hand gedrückt bekommen. Bitte.
[In Bezug auf eine Essstörung:] Was mich mehr als alles abfuckt, mehr als Kommentare zur Depression oder sonstige Dinge, sind diese Kommentare á la „Probier doch einfach mal“ oder „wenn man xy richtig zubereitet, schmeckt es aber voll gut, dann machst du das falsch“.
„Es ist ja soooo einfach, sich gesund zu ernähren.“ „Jede*r kann sich vegan ernähren!“ „Iss doch einfach mal mehr XY“
Klassistisches
„Ach komm, die 5/10/50€ im Monat hat jede*r übrig, das ist eine Ausrede, wenn du das nicht zahlen willst.“
„Wenn du auch arbeiten würdest, wäre es finanziell halt nicht so eng.“ Von meinem Mann. Kam einmal. Tut immer noch weh.
Mit dem Hinweis, dass es anderen noch viel schlechter geht, bringt man mich erfolgreich auf die Palme.
„Ab einem gewissen Bildungslevel spielt die soziale Herkunft doch keine Rolle mehr. Das ist dann doch bloß faule Ausrede. Da muss man sich halt auch mal anpassen an die Welt, in die man reinwill.“
Für mich besonders „ALG2 ist ja nur überbrückend gedacht“. Ich krieg das jetzt seit Jahren, weil ich zu behindert zum Arbeiten bin und zu wenig behindert für die Rentenkasse. Grundsicherung (kriegen Leute, die keinen Rentenanspruch haben) ist so hoch wie ALG2 und NICHT überbrückend. das heißt, selbst wenn ich behindert genug für die Rentenkasse bin, hab ich dann nur das, was „ja nur überbrückend“ gedacht ist. Aber dauerhaft. Das sorgt für sehr viel emotionale Belastung und eine sehr beschissene finanzielle Situation. Was ich also nicht mehr hören will, ist die Rechtfertigung von Geldbeträgen, die erwiesen unter dem Existenzminimum liegen. Vor allem, wenn diese Rechtfertigung auf die (vermeintliche) zeitliche Begrenzung des Bezugs abstellt, das ignoriert die Lebensrealitäten vieler Betroffener.
Unter Umständen Klassimus und Ableismus in Kombination:
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“/„Wenn du wirklich wollen würdest, würdest du xy auch können…“
„Ach was, echt? Sieht man dir gar nicht an! „
“Du musst halt sparen, ich schaffe das doch auch” “Man kann nicht immer nur traurig sein” “Kauf dir doch einfach XY neu” Bin solche Aussagen so leid, weil sie von Menschen kommen, die eine finanziell stabile Position haben und weniger Probleme dadurch.
„Das müssen deine Kinder aber noch lernen!“ „Du hast bestimmt XY! Ganz eindeutig.“ „Schon mal daran gedacht, K1 [Kind 1] ins Internat zu geben?“
Selbst schuld. Kann ich doch nix für (v.a. Sachbearbeitende). Stell Dich nicht so an. Sie müssen doch einfach nur … Das geht nicht ohne Diagnose. Oder wenn Bedürfnisse zu Wünschen abgewertet werden
„Da ist ja nur ein bisschen xy drin, das merkst du bestimmt gar nicht“ „Wieso haben dir deine Eltern denn nicht finanziell geholfen?“ Und der Klassiker: „Ach komm, stell dich doch jetzt nicht so an“ geht für alles, zu teuer, zu anstrengend, zu viele Menschen,…
„Kannst du nicht einfach…[irgendein Tipp, den ich nicht „einfach“ umsetzen kann]“
Vielen Dank von mir an alle, die sich beteiligt haben und die ich zitieren durfte.
Diesmal mit dem Thema Hautfarben. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass Hautfarben gar nicht beschrieben werden, wenn es um weiße Figuren geht. Vielleicht ist da der Gedanke, dass müsse nicht sein, weil Lesende automatisch davon ausgehen, dass die nicht näher beschriebenen Figuren weiß sind. „Weiß als Default“, sozusagen – aber das ist keine gute Einstellung. Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit die Hautfarben weißer Figuren auch nicht näher beschrieben habe. Erst in den letzten Jahren ist mir dieses Problem überhaupt bewusst geworden.
Wer Tipps haben möchte, wie man Hautfarben diskriminierungsfrei beschreiben kann, dem empfehle ich die folgenden Texte:
“Warum Hautfarbe allein nichts aussagt” von Victoria Linnea
Und der zweiteilige „Hautfarben-Guide“, eine Übersetzung von Victoria Linnea zu einem Text aus dem Tumblr-Blog „Writing with Color“ Teil 1:
Teil 2:
Und wenn ihr euch gern in diesem oder anderen Bereichen rund um Diversität weiterbilden möchtet, schaut gern mal in meine Literatur- und Linksammlung „Literatur/Links über Diversität, Inklusion und Repräsentation“, diese findet ihr hier (ein Google Doc): http://bit.ly/literaturundlinksdiversität