Metaphern von Marginalisierung in Horrorfilmen und -Serien

Lesezeit: ca 3 Minuten
Ich sehe gern Horrorfilme und -serien, nicht nur in der Gruselsaison, Spuktober oder wie mensch es sonst gern nennen mag. Marginalisierte Menschen haben es schwer in der Welt (1) und mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass entsprechende Probleme auch sehr gern in Horrorfilmen und -serien thematisiert werden, seien es Behinderungen, Queerness, Rassismuserfahrungen, Fluchterfahrungen oder noch andere. In diesem Blogbeitrag geht es mir nicht um Geschichten, die diese Themen dramatisch und klischeebehaftet für Schockeffekte einsetzen, sondern die damit sensibel umgehen.

Hier einige der Filme/Serien, die ich in diesem Zusammenhang sehr sehenswert finde. Ich stelle sie jeweils kurz vor.

His House
erzählt die Geschichte eines geflüchteten Paares aus dem Südsudan, das in England versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Doch in dem Haus, das ihnen zugeteilt wird, passieren mysteriöse Dinge. Hier geht es zentral um das Thema Krieg, Flucht, Tod und damit verbundene Traumata.
https://de.wikipedia.org/wiki/His_House

Still (Originaltitel: Hush)
Eine gehörlose Horrorautorin, die Gebärdensprache spricht, muss sich gegen einen Serienkiller zur Wehr setzen. Aus meiner Sicht ein empowernder und feministischer Film von Mike Flanagan, der auch zahlreiche weitere Serien und Filme im Horrorbereich entwickelt hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Still_(2016)

Get Out
Auf Wikipedia ist zu lesen: „Der satirische Mystery-Horror-Thriller mit Comedy-Elementen basiert auf einem Originaldrehbuch des Regisseurs [Jordan Peele].“ Ein Schwarzer Amerikaner besucht mit seiner weißen Freundin deren ebenfalls weiße Eltern zum ersten Mal, doch der schöne Schein trügt …
https://de.wikipedia.org/wiki/Get_Out

The Old Ways
Ein Folk-Horror-Film über eine mexikanisch-amerikanische Reporterin, die auf der Suche nach einer Story über Hexerei in ihre Heimatstadt in der Nähe von Veracruz (Mexiko) zurückkehrt. Dort wird sie von einer Gruppe von Einheimischen entführt, darunter eine Bruja (eine Art Hexe), die glaubt, dass die Reporterin von einem Dämon besessen sei. In diesem Film gibt es einen starken Fokus auf Folklore, Hexenglauben und alte Traditionen.
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Old_Ways

Niemand kommt hier lebend raus (Originaltitel: No One Gets Out Alive)
Ambar, eine illegale Einwanderin, zieht nach dem Tod ihrer Mutter von Mexiko nach Cleveland, Ohio. Auf der Suche nach einer Bleibe findet sie eine baufällige Pension, doch nachdem sie dort eingezogen ist, geschehen im Haus und anderswo merkwürdige Dinge mit ihr. Dieser Film thematisiert die Schwierigkeiten von Immigrant*innen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Niemand_kommt_hier_lebend_raus

In diese Serie habe ich reingeschaut, sie aber nicht zu Ende gesehen, weil ich es nicht ausgehalten habe, wie ich zugeben muss.

THEM: Covenant
spielt im Jahr 1953 und handelt von einer Schwarzen Familie, die während der zweiten großen Migration von North Carolina in ein rein weißes Viertel in East Compton zieht. Das idyllische Haus der Familie verwandelt sich langsam in ein Epizentrum böser Mächte von nebenan und aus dem Jenseits, die sie heimzusuchen, zu verwüsten und zu zerstören drohen. Was hier besonders stark thematisiert wird, ist Rassismus durch die weiße Nachbarschaft.
https://en.wikipedia.org/wiki/Them_(TV_series)


Den folgenden Film habe ich noch nicht gesehen, er ist aber auf meiner Wunschliste.
They/Them
Ein Slasher-Horrorfilm: Mehrere queere Menschen, auch eine nichtbinäre Person, kommen in ein Camp, das ihnen ihre Queerness austreiben soll (amerikanisch: Conversion Camp) … und das Ganze wird mörderisch.
https://en.wikipedia.org/wiki/They/Them_(film)

Einige weitere Filme mit Marginalisierungsthemen

Forgiveness
https://en.wikipedia.org/wiki/Forgiveness_(2021_film)

Orphan
https://en.wikipedia.org/wiki/Orphan_(2009_film)

A quiet place
https://en.wikipedia.org/wiki/A_Quiet_Place

und die Fortsetzung: https://en.wikipedia.org/wiki/A_Quiet_Place_Part_II

The Silence
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Silence_(2019_film)

Wer sich speziell für das Thema Behinderungen in Bezug auf Horror interessiert:
Disability in Horror Films
https://en.wikipedia.org/wiki/Disability_in_horror_films

In diesem Zusammenhang kann ich auch die Folge „Horrormetaphern“ vom Genderswapped Podcast empfehlen:
https://genderswapped-podcast.podigee.io/47-episode-37

Fußnote
(1) Siehe bei Interesse meinen Blogbeitrag „Die Welt ist gemein zu marginalisierten Menschen“

Buchtipps zum Trans Visibility Day

Hier einige deutschsprachige Bücher (teilweise auch ins Deutsche übersetzt) mit trans Hauptfiguren (oder trans und nonbinary):

Im Februar habe ich „A Midsummer’s Nightmare“ von Noah Stoffers gelesen und kann den Roman sehr empfehlen. Meine Rezension gibt es u.a. hier bei Lovelybooks.

Neulich habe ich angefangen, „Yadriel & Julian – Cemetery Boys“ von Aiden Thomas, zu lesen, das ist ein Urban Fantasy Bestseller mit vielen guten Bewertungen.

Falls ihr Lust habt, euch weitere passende Buchempfehlungen anzuschauen, stöbert gern mal auf diesen Seiten:

Empfehlungen von Linus Giese:
http://buzzaldrins.de/2018/04/01/bucher-zum-thema-trans-meine-empfehlungen/

Bücher und Filme mit trans Themen in der Lili-Elbe Bibliothek:
https://lili-elbe.de/trans-buecher/alle-buecher/

Hörbücher zum Thema bei Audible:
https://www.audible.de/magazin/buecher-transgender-transsexualitaet

Zehn Büchertipps (trans und nonbinary) von Queer*Welten:
https://queerwelten.de/trans-und-nonbinary-lesetipps/

Und last but not least: Trans Rights are Human Rights. Trans Women are Women. Trans Men are Men. Trans nonbinary people are trans nonbinary people.

Für mehr Diversität im Bücherregal

Neulich schrieb mir jemand im Fediverse, er fühle sich nicht »divers« genug für Phantastik mit Diversität. Er sei ein monogamer cis hetero Mann. Und da möchte ich gern widersprechen. Heute richte ich mich einmal an alle, die diesen Beitrag lesen und straight (heterosexuell), cis und weiß sind. Oder auch ablebodied anstatt behindert, neurotypisch, allosexuell, nicht von Armut betroffen – mit anderen Worten: ich wende mich mit diesem Beitrag an Leute, die nicht einer oder mehreren marginalisierten Minderheiten angehören.

Das Lesen von Belletristik fördert die Empathie und das Sich-Hineinversetzen-Können in andere Lebenswelten. Dazu gibt es übrigens auch psychologische Studien, von denen einige z.B. Elea Brandt in ihrem lesenswerten Blogbeitrag „Ist Phantastik unpolitisch?“ verlinkt hat.

Wer aber als weißer cis hetero Mensch immer nur Bücher von anderen weißen cis hetero Menschen liest, die wiederum nur von weißen cis hetero Menschen handeln … ihr ahnt es schon, so hat man wenig Chancen, sich literarisch in die Erfahrungswelten von Menschen hineinzuversetzen, die nicht so sind, wie man selbst. Zum Beispiel queer. Oder Schwarz. Oder neurodivergent. Oder behindert. Oder oder oder … es gibt viele Diversitätsthemen.

In den USA gibt es zurzeit rechtskonservative bis hin zu noch rechteren Intiativen, die massiv Bücherzensur betreiben und bestimmte Bücher in Bildungseinrichtungen verbieten (googelt mal »Banned Books«). Davon sind auch Klassiker der Weltliteratur betroffen, sowie überdurchschnittlich viele Bücher über marginalisierte Themen, häufig auch von marginalisierten Autor*innen. Es gibt dort also immer mehr Menschen, die wollen, dass nur noch die Lebenswelten von weißen cis hetero Menschen in Büchern Gehör finden. Und wer sich fragt, zum Glück gibt es auch Gegenintiativen, die gegen diese Bücherzensur ankämpfen.

In Deutschland gibt es zurzeit keine Bücherzensur dieser Art und ich hoffe sehr, dass das auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten so bleibt.

Und was können wir heute tun? Ich bin bei weitem nicht die erste Person, die darüber schreibt, aber ich möchte auch gern daran erinnern, falls ihr noch nichts in der Richtung gehört oder gelesen habt: Liebe nicht marginalisierte Lesefans, bitte diversifiziert eure Bücherregale, wenn ihr dazu die Möglichkeit habt – zusätzlich zu dem, was ihr sonst so lest. Auf die Weise findet ihr vielleicht auch die eine oder andere Bücherperle, die euch sonst entgangen wäre. Viel Freude beim Lesen.

#DiverserDonnerstag: Hautfarben

Eine Aktion von @equalwritesde

Diesmal mit dem Thema Hautfarben. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass Hautfarben gar nicht beschrieben werden, wenn es um weiße Figuren geht. Vielleicht ist da der Gedanke, dass müsse nicht sein, weil Lesende automatisch davon ausgehen, dass die nicht näher beschriebenen Figuren weiß sind. „Weiß als Default“, sozusagen – aber das ist keine gute Einstellung. Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit die Hautfarben weißer Figuren auch nicht näher beschrieben habe. Erst in den letzten Jahren ist mir dieses Problem überhaupt bewusst geworden.

Wer Tipps haben möchte, wie man Hautfarben diskriminierungsfrei beschreiben kann, dem empfehle ich die folgenden Texte:

“Warum Hautfarbe allein nichts aussagt” von Victoria Linnea

Und der zweiteilige „Hautfarben-Guide“, eine Übersetzung von Victoria Linnea zu einem Text aus dem Tumblr-Blog „Writing with Color“
Teil 1:

Teil 2:

Und wenn ihr euch gern in diesem oder anderen Bereichen rund um Diversität weiterbilden möchtet, schaut gern mal in meine Literatur- und Linksammlung „Literatur/Links über Diversität, Inklusion und Repräsentation“, diese findet ihr hier (ein Google Doc):
http://bit.ly/literaturundlinksdiversität

Schreibtipp: Mythologie in der Belletristik, aus paganer Sicht

Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus (c.1484)


Ich sage es heute mal ganz offen: Ich bin seit einigen Jahren eine pagane Polytheistin, d.h. ich verehre einige Gottheiten, die bereits in der Antike verehrt wurden.

Neulich kam auf Twitter eine Unterhaltung auf dazu, wenn sich Autor*innen an antiken Mythologien bedienen, z.B. an der nordischen, keltischen, altägyptischen, römischen, griechischen oder noch anderen. Ich schreibe dazu nun etwas aus meiner pagan Perspektive, das ich bereits auf Twitter in einem Thread geschrieben habe und hier noch um einige Überlegungen ergänze.

Für viele pagane oder polytheistische Menschen sind antike Mythologien nicht einfach nur alte Geschichten, die man nach Belieben nehmen und nach eigenem Gutdünken verändern kann. Diese alten Mythen haben für viele pagane Menschen eine religiöse Bedeutung.

Wenn sich nun Autor*innen daran machen, diese Mythen neu zu interpretieren, gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten:

Methode 1
Die Autor*innen bleiben dicht am Original. Oder an einem der Originale, denn oft ist es so, dass es unterschiedliche Mythen zu ein und derselben Gottheit oder einem Wesen gibt, je nach regionaler (oft zunächst mit mündlicher und erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte später schriftlich festgehaltener) Überlieferung, und ja, manche dieser Mythen widersprechen sich auch.

Die Autor*innen adaptieren dann den vorhandenen Stoff so, dass das Original gewissermaßen noch durchscheint, aber neu interpretiert wird. Damit erweist man den historischen Überlieferungen und der Kultur, in der diese Mythen entstanden sind, einen gewissen Respekt aus meiner Sicht.

Methode 2
Die Autor*innen nehmen sich, was sie wollen aus der mythologischen Vorlage und drehen ihr ganz eigenes Ding draus, ohne Rücksicht auf die Eigenschaften der verwendeten Wesen/Gottheiten oder der historischen Quellen. Zum Beispiel nehmen sie den Namen einer Gottheit und verleihen diesen einem Dämon.

Oder sie versetzen Figuren aus einer bestimmten Region oder einem bestimmten Pantheon ganz ans andere Ende der Welt, ohne das näher zu begründen. Im schlimmsten Fall werden hier historische Mythen gewissermaßen ausgebeutet und das geht in Richtung kulturelle Aneignung.

Diese Gefahr besteht auch, wenn man sich an den Mythen einer Kultur bedient, in der man nicht selbst aufgewachsen ist. Zum Beispiel wenn eine Autorin aus Deutschland sich mit japanischer Mythologie oder Folklore befasst und dann Methode 2 anwendet.

Und man kann es sich schon denken, ich würde immer zur ersten Methode raten.

In der Twitter Unterhaltung kam das Gegenargument zu meiner Position, dass ja auch zahlreiche Motive aus der christlichen Religion auf unterschiedlichste Weise Einzug in die Popkultur gefunden haben und da auch viele Autor*innen einfach machen, was ihnen gefällt (z.B. in der Phantastik Engel, Teufel, Dämonen, im Horror-Genre Exorzismen, oder auch neue Interpretationen biblischer Geschichten in verschiedenen Genres).

Ich möchte allerdings zu Bedenken geben, dass die christliche Religion im Gegensatz zu heutigen paganen Glaubensgemeinschaften seit Jahrhunderten weltweit bestens etabliert ist. Christ*innen werden eher nicht diskriminiert (oder in einigen Fällen nur dort, weltweit gesehen, wo sie eine Minderheit bilden). Von daher haben Christ*innen größtenteils, zumindest was ihren Glauben betrifft, eine privilegierte Position.

Pagane/heidnische Menschen sind dagegen überall eine Minderheit und müssen sich oft mit Vorurteilen oder diskriminierendem Verhalten herumschlagen, wenn sie offen von ihrer Religion sprechen – das zeigt z.B. dieser englischsprachige Bericht über eine Umfrage der Pagan Federation in Schottland:
https://wildhunt.org/2021/03/scottish-pagan-federation-to-release-results-of-discrimination-survey.html

Insofern tut man aus meiner Sicht als Autor*in diesen Menschen einen großen Gefallen, wenn man die alten Mythen, die vielen von ihnen heilig sind, mit Respekt behandelt. Und deshalb würde ich wie gesagt, immer zur ersten Methode raten.

Was darf ich denn überhaupt noch schreiben?

Foto: Pixabay

Diese und ähnliche Aussagen machen gerade mal wieder die Runde in den Autor_innenbubbles in Social Media, zum Beispiel auch „Ich traue mich gar nicht mehr zu schreiben…“

Im Grunde ist es ganz einfach: Die Kunst ist frei, dazu zählt auch die Literatur. Hier übrigens das entsprechende Gesetz in Deutschland. Du darfst über (fast) alles schreiben. Es gibt einige Grenzen dabei, z.B. können volksverhetzende Texte strafrechtlich verfolgt werden. Deshalb das „fast“.

Mit der Freiheit, über alles schreiben zu können, geht aber auch eine Verantwortung einher.
Du bist für das, was du schreibst, verantwortlich. Diese Verantwortung kannst du auch nicht an ein Lektorat oder einen Verlag abwälzen. Du musst außerdem immer damit rechnen, dass dein Text, dass deine Geschichte auf Kritik stößt – nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich. Wer damit nicht umgehen kann, sollte sich stark überlegen, ob das Veröffentlichen von Geschichten das Richtige für einen ist.

Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der Kritik an Belletristik allein in den Zeitungsspalten, z.B. in einem Feuilleton, in Literaturmagazinen, oder in literarischen TV-Sendungen zu finden ist. Jede Person, die Zugang zum Internet und Social Media hat, kann ihre Meinung zu einem Buch oder einer Kurzgeschichte kundtun. Entsprechend gibt es auch generell mehr Kritik (und sei es lediglich eine reine Sterne-Bewertung bei Amazon).

Marginalisierte Menschen hat es schon immer gegeben, aber erst seit dem Aufkommen der Social Media sind ihre Stimmen weithin hörbar. Aus diesen Stimmen spricht oft eine Menge Wut, Ärger, Traurigkeit, Verzweiflung oder Frustration. Und ja, das kann sich auch auf eine schlechte, unrealistische oder destruktive Repräsentation ihrer marginalisierten Gruppe in fiktiven Werken beziehen. Manche von ihnen outcallen solche Werke, oft laut und verärgert.

Viele Menschen, die privilegierter sind, verstehen das oft nicht und dazu zählen oft auch Autor_innen. Einige von ihnen fangen dann in Diskussionen mit Tone Policing an (1) oder wehren kategorisch alle Kritik ab, fühlen sich persönlich angegriffen und sind nicht zu einem Dialog bereit. Sie fragen sich dann, woher kommt all diese Wut oder andere als negativ gesehene Reaktionen marginalisierter Menschen? Diese Frage kommt meistens dann auf, wenn sie keine entsprechenden Diskriminierungserfahrungen selbst erlebt haben und sich nicht vorstellen können, wie sehr betroffene Menschen unter solchen Erfahrungen leiden. (2)

Was heißt das nun? Wer über sensible Themen, über marginalisierte Menschen oder über gesellschaftskritische Themen (wie Rassismus, Sexismus, Misogynie, Queerfeindlichkeit, Transfeindlichkeit, Antisemitismus, Ableismus, Saneismus, Klassismus oder noch andere Formen von Diskriminierung) schreiben möchte, der tut gut daran, gründlich zu recherchieren und mit Menschen zu sprechen, die davon betroffen sind. Idealerweise sollte man sich entsprechend erfahrene Sensitivity Reader suchen.

Ich wiederhole es noch einmal. Du darfst (fast) alles schreiben. Hier ein persönliches Beispiel.
Ich habe vor kurzem eine Kurzgeschichte geschrieben, in der BDSM eine wichtige Rolle spielt. Aus meiner Sicht ist das ein Diversitätsthema. (3) Ich kenne Menschen, die in der BDSM-Community aktiv sind, bin selbst aber kein Teil dieser Community. In dieser Kurzgeschichte gibt es einen Teil der Handlung, der mit dem Thema BDSM direkt verbunden ist und den ich schwierig fand. Im Sinne von, ist das problematisch? Aber ich konnte nicht genau den Finger darauf legen, ob oder wie das problematisch sein könnte. Vor kurzem habe ich ein sehr ausführliches Feedback von meiner Sensitivity Reader-Person erhalten, die mir in deutlichen Einzelheiten erklärt hat, warum diese Sache in der Kurzgeschichte in der Tat problematisch und ein No-Go ist. Bald werde ich das alles überarbeiten und alle ihre Vorschläge dabei berücksichtigen.

Mit diesem Beispiel möchte ich gern zeigen: Du kannst erst einmal wirklich frei heraus schreiben, was du möchtest. Und es danach am besten von entsprechend erfahrenen Personen auf sensible Themen hin überprüfen lassen, wenn du über solche Themen schreibst.

Eine weitere Möglichkeit ist es natürlich, mit betroffenen Personen schon vorab deine Plotidee durchzusprechen, um herauszufinden, ob es darin etwas Problematisches gibt. In manchen Fällen wird das bereits beim Plot an sich deutlich, z.B. destruktive Tropes wie „Bury your gays“ (4), in anderen Fällen erst im Verlauf der individuellen Ausarbeitung, also erst nach dem Schreiben.

Zensur?

Ich habe mehr als einmal das Vorurteil gehört, Sensivity Reader würden Texte zensieren. Das stimmt nicht. Ich habe nun mehrfach Erfahrungen mit Sensitivity Readern sammeln dürfen und auch selbst schon mehrere Sensitivity Readings durchgeführt. Sensitivity Reader machen Verbesserungsvorschläge. Sie schreiben nicht vor, wie man seinen Text zu gestalten hat. Wie Autor*innen oder Verlage diese Vorschläge umsetzen, bleibt diesen überlassen.

Wenn du keine Lust oder keine Kapazitäten hast, sensible Themen zu recherchieren, mit Betroffenen zu sprechen, dir Sensitivity Reader zu suchen – dann überlege dir am besten, worüber du schreiben kannst und möchtest, in dem all das nicht notwendig ist.

Wenn du gern mit mehr Diversität schreiben möchtest und Tipps für den Anfang suchst, schau gern mal auf diese Linksammlung, da findest du viele Anregungen.

Fußnoten:

(1) Ein Artikel über Tone Policing:
https://feminismus-oder-schlaegerei.de/2019/02/09/tone-policing-lasst-mich-verdammt-noch-mal-wuetend-sein/

(2) Hier dazu ein weiterführender Blogbeitrag von mir:
Die Welt ist gemein zu marginalisierten Menschen

(3) BDSM wird noch heute pathologisiert und oftmals in Medien der Popkultur verfälscht dargestellt.

(4) Einen lesenswerten Beitrag zu diesem Trope hat Elea Brandt geschrieben:
https://eleabrandt.de/2020/12/09/dont-bury-your-gays/

Meine Empfehlungen für mehr Vielfalt im Bücherregal

Dieses Thema gibt es im Rahmen des #Autor_innensonntags von Justine Pust.

Wenn ihr gern Phantastik lest, schaut gern mal auf diese Liste – die dort aufgelisteten Autor*innen sind queer, BI_PoC oder auf andere Weise divers, zum Teil auch intersektional (Teil mehrerer marginalisierter Gruppen):
https://bit.ly/diversePhantastikAutor_innen (oder den QR Code im Bild nutzen).

Und hier folgen einige weitere Empfehlungen:

Tommy Herzsprung schreibt Gay Bücher und Thriller

Der Buchblog »Like a dream« berichtet seit über 15 Jahren über queere Literatur, darunter auch Jugendbücher.

Linus Giese hat ein Buch über seine Lebensgeschichte als trans Mann veröffentlicht (»Ich bin Linus«) und ist als Buchblogger aktiv.

Schwarzrund ist Autor*in der Bücher »Biskaya« und »Quasi«.

Abschließend einige empfehlenswerte (nonfiction) Bücher zum Thema Antirassismus:

exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen
von Tupoka Ogette
Unrast Verlag
ISBN: 978-3897712300

Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus
von Noah Sow
Books on Demand
ISBN: 978-3746006819

Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten
von Alice Hasters
Hanserblau Verlag
ISBN: 978-3446264250

Unter Weißen – Was es heißt, privilegiert zu sein
von Mohamed Amjahid
Hanser Literaturverlage
ISBN: 978-3-446-25472-5

Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken
von Mohamed Amjahid
Piper Verlag, München 2021
ISBN: 978-3-492-06216-9

Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche
Von Reni Eddo-Lodge 
Tropen-Verlag 
ISBN: 978-3608504194

Privilegierte Zerbrechlichkeit

Kira Hoffmann, Pixabay

Ich habe mich lange gefragt, warum sich manche Menschen so gegen Diversität in der Literatur (oder anderen Medien) sperren. Warum sie das entweder nicht interessiert oder sie es sogar offen ablehnen. Oder warum sie sofort genervt reagieren, wenn jemand darauf hinweist, Teil einer marginalisierten Gruppe zu sein. Eigentlich sollte es doch mehr als willkommen sein, die ganze bunte Vielfalt des Lebens in Medien abzubilden. Sollte man eigentlich meinen …

Lasst uns in diesem Zusammenhang über Privilegien reden. Und das wird jetzt einigen Leuten möglicherweise wehtun. Und damit wir das Thema nicht zu weit aufmachen, beschränke ich mich auf den deutschsprachigen Raum.

Der rundum privilegierte Mensch im deutschsprachigen Raum ist weiß, cisgender, heterosexuell und männlich, er hat keine Behinderung. Er ist neurotypisch, dyageschlechtlich (das Gegenstück zu intergeschlechtlich) und allosexuell (Auf dem Spektrum der Sexualität ganz am anderen Ende von Asexualität). Außerdem ist er nicht arm und hat auch sonst wenig Probleme.

Das gilt für eine Mehrheit an Menschen. Und diese Menschen bestimmen den Diskurs, auch in der Literatur. Sie sitzen in Feuilleton-Redaktionen und in den Jurys von Literaturpreisen. Sie sind im Journalismus tätig und pflegen die deutschsprachige Wikipedia. Viele von ihnen sind sehr gebildet, haben Karriere gemacht. Manche von ihnen sind in Vereinen, die sich um die deutsche Sprache sorgen, aber das ist ein Thema für sich und dieses Fass möchte ich nun nicht aufmachen.

Wenn sie keinen engeren Kontakt mit marginalisierten und/oder intersektionalen Menschen haben, besteht ihre Bubble, ihr Umfeld ebenfalls aus privilegierten Menschen. Und das ist ziemlich bequem. Viele dieser Männer (denn meistens sind es cis Männer, wie schon erwähnt) sind mit einer Literatur aufgewachsen, die mehrheitlich von Menschen geschrieben wurde, die ihnen gleichen: weiß, cis, heterosexuell … siehe die Auflistung oben. Sie sind damit aufgewachsen, selbst wieder und wieder in der Literatur und anderen Medien repräsentiert worden zu sein. Das hat sie geprägt, sie haben dadurch sicherlich auch einiges an Selbstbestätigung gefunden und dieses wunderbare einzigartige Gefühl, wenn man sich in sympathischen, coolen, fiktiven Figuren widergespiegelt findet. Und entsprechend erwarten viele von ihnen auch, immer wieder solche Repräsentationen in der Literatur und anderen Medien zu finden. Weil sie es so gewohnt sind, und weil es bequem ist.

Dieses von mir erwähnte wunderbare Gefühl ist eines, das viele Frauen und nichtbinäre Menschen aus ihrer Kindheit kaum oder gar nicht kennen. Ein einzelnes Beispiel: Ich kann die Euphorie kaum beschreiben, die ich verspürte, als ich zum ersten Mal ever einen Film mit einer Superheldin in der Hauptrolle sah. Das war 2017 und ich war 39.

Kommen wir wieder zurück zu den Menschen mit den Privilegien. Die meisten von ihnen konnten es sich im Laufe ihres Lebens so richtig gemütlich damit einrichten – sie mussten sich nie persönlich auseinandersetzen mit Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus und anderen menschenverachtenden -ismen. Viele von ihnen umgeben sich auch gern vor allem mit Menschen, die ähnlich sind wie sie selbst, also auch ähnlich privilegierte Erfahrungen gemacht haben.

Und dann kam das Internet und ab ca. 2007 verschiedene Social Media. Man kann über beides viel Negatives sagen, aber zugleich bieten diese virtuellen Räume marginalisierten und intersektionalen Menschen den Platz, öffentlich oder halb öffentlich von ihren Erfahrungen zu erzählen, von ihren Wünschen und Bedürfnissen, und ja, auch von Wut und Enttäuschung angesichts von Diskriminierungserfahrungen.

Und das zu lesen, ist unbequem für all die Privilegierten da draußen. Denn während sie es sich in ihrer privilegierten Bubble gemütlich eingerichtet haben, werden nun andere Stimmen laut, die von ganz anderen Erfahrungen erzählen – wie ich schon erwähnte, Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus und andere menschenverachtende -ismen. Darüber hinaus auch von einem Mangel an Diversität und Repräsentation in der Literatur und anderen Medien, aber auch in der Berufswelt, in Communities aller Art und noch anderen Umgebungen.

Es dürfte für die meisten privilegierten Menschen ein unangenehmes Gefühl sein, von Perspektiven weniger privilegierter Menschen zu erfahren. Viele Privilegierte gehen dann schnell in eine Art Abwehrhaltung oder leugnen sogar das, was sie von Betroffenen hören oder reden es klein. Sie sagen vielleicht, »Du stellst dich zu sehr an.« Oder »Du willst nur Aufmerksamkeit.« Oder sie sagen von sich, »Natürlich bin ich gegen Rassismus«, aber sie hören zugleich Menschen, die von rassistischen Erfahrungen betroffen sind, gar nicht erst zu, sondern belehren diese stattdessen, was denn Rassismus sei und was nicht.

Man könnte dies zusammenfassend privilegierte Zerbrechlichkeit nennen (in Anlehnung an Begriffe wie White Fragility, also englisch: Privileged Fragility) – dies beschreibt das Phänomen, dass manche privilegierte Menschen sich schnell angegriffen fühlen, wenn man sie auf menschenverachtende, destruktive -ismen hinweist, oder dass sie diese und damit verbundene Probleme leugnen, weil sie sie nicht wahrhaben wollen.

Oft kommt es in entsprechenden Gesprächen und in Social-Media-Kommentarspalten zu Derailing (Vom Thema ablenken) oder zu Whataboutism (»Ja, aber was ist mit …, das ist doch auch ganz schlimm!«). Denn es ist für viele privilegierte Menschen offenbar zu schmerzhaft oder unangenehm, sich einzugestehen, wie privilegiert sie selbst sind, während andere Menschen in einigen oder sogar mehreren Lebensbereichen immer wieder Diskriminierungen erleben.

Ich vermute, entsprechend ist es zumindest manchen dieser privilegierten Menschen auch sehr unangenehm, über marginalisierte Figuren in der Literatur zu lesen oder sie in anderen Medien zu finden. Denn die sind ja erstens so anders als sie selbst, zweitens schlagen sich diese Figuren womöglich mit unangenehmen -ismen herum und drittens finden die privilegierten Leute sich darin nicht repräsentiert. (Welcome to my world.)

Ich möchte diesen Beitrag schließen mit einem Zitat des Historikers Patrice Poutus:
„Leute, die privilegiert sind, empfinden Gleichberechtigung als eine Art Unterdrückung“

Weiterführendes:

„Die meisten Weißen sehen nur expliziten Rassismus“
Warum reagieren Weiße so abwehrend, wenn es um Rassismus geht? Weil sie es nicht gewohnt sind, sich mit ihrem Weißsein zu befassen, sagt die Soziologin Robin DiAngelo.

https://www.zeit.de/campus/2018-08/rassismus-dekonstruktion-weisssein-privileg-robin-diangelo

Podcast-Episode: „Weiße Zerbrechlichkeit und weiße Tränen“
von den Journalisten Marcel Aburakia und Malcolm Ohanwe
https://kanackischewelle.podigee.io/21-weisse-zerbrechlichkeit-weisse-traenen

Blogbeitrag von mir: Die Welt ist gemein zu marginalisierten Menschen

https://uebermedien.de/57222/eigentlich-ist-es-ganz-leicht-nicht-ueber-menschen-sprechen-sondern-mit-ihnen/
Tipp zum Anschauen: Youtube-Reihe „Uncomfortable Conversations With A Black Man“ mit Emmanuel Acho

Die Zukunft des Rollenspiels

Alex Chambers, Unsplash

Frank schrieb neulich auf Twitter:

»Mich würde echt sehr interessieren, was dabei herauskäme, wenn queere Rollenspieler*innen, BPoCs, Menschen mit Behinderungen oder Neurodivergenzen und anderen marginalisierten Identitäten berichten würden, wie sie sich die Zukunft des P&P Rollenspiels vorstellen.«

Ich bin mehrfach marginalisiert (intersektional). Wie ich mir die Zukunft des Rollenspiels wünschen würde? Hier einige Anregungen.

1. Liebe SLs, lasst Spieler*innen crossgender oder nichtbinäre Charaktere spielen, wenn sie das wollen. Für manche ist das ein Weg, in einem sicheren, spielerischen Rahmen die eigene Geschlechtsidentität zu hinterfragen, zu erforschen oder diese einfach auszuleben. Denn wir leben in einer Welt, in der queere Menschen noch immer Begegnungen mit Alltags-Queerfeindlichkeit haben, teilweise auch in ihren eigenen Familien. Hier kann das Hobby Rollenspiel unter Umständen zumindest einen leichten Ausgleich bieten.
Und wenn es schwerfällt, sich das jeweilige Pronomen des Charakters während des Spiels zu merken, können sich die betreffenden Spieler*innen einen Button oder ein kleines Schild an die Kleidung heften, auf dem das gewünschte Pronomen steht. Vielleicht schließt sich einfach die gesamte Spielrunde an? Man kann auch die Charakternamen ergänzen.

2. Witze auf Kosten marginalisierter Gruppen jeglicher Art sind out-of-game und in-game ein No-Go. Immer. Auch wenn alle Teilnehmer*innen einer Spielrunde nicht marginalisiert sind – Humor ist vielfältig und muss nicht auf Kosten marginalisierter Menschen stattfinden. Macht es bitte nicht Comedians nach, die bewusst kontrovers und provokativ „nach unten“ treten.

3. Nutzt Safety Tools und die X-Karte oder andere Sicherheitskarten. Sie sind sehr gut. Und sprecht ab, was für euch No-Gos in einem Spiel sind. Bitte bedenkt: Rollenspiel ist ein Hobby, das Freude bringen soll. Traumatisierende Szenen im Spiel können zu echter (Re-)Traumatisierung führen und da hört der Spaß auf.

4. Wenn ihr z.B. in einem gesellschaftskritischen Spiel -ismen erforschen wollt (z.B. Rassismus), dann reflektiert bitte ausführlich vorher darüber,
a) was ihr persönlich davon habt, bzw. was eurer Ziel ist (z.B. wenn das Spiel dem Zwecke der politischen Bildung dient)
b) wie euer Spiel trotz der -ismen so gestaltet werden kann, dass es nicht auf Mitspielende (re)traumatisierend wirkt
Um bei dem Beispiel zu bleiben: Man kann Rassismus auch thematisieren, ohne das N-Wort zu verwenden. Ja, wirklich.

5. Stereotypen werden gern eingesetzt im Rollenspiel, unter anderem wegen des Wiedererkennungseffekts, z.B. der dicke Wirt in der Taverne, die Hure mit Herz, die eiskalte Adlige, die über Leichen geht oder der vom Leben gebeutelte Ermittler mit einem Alkoholproblem und die exotische, undurchschaubare Schönheit. Auch bei Schauplätzen ist das oft der Fall – hier einige Beispiele: der finstere Wald, aus dem kein Wanderer zurückgekehrt ist. Die unheimliche Nervenheilanstalt, aus der niemand gesund wieder herauskommt (beides gibt es auch in unzähligen Horrorfilmen). Die heruntergekommene Hafenspelunke oder das protzige Schloss. Hier ein Tipp: Überlegt doch mal, an welchen Stellen man Klischees vermeiden oder bewusst brechen kann. Insbesondere Klischees über marginalisierte Menschen (wie die exotische Schönheit) würde ich vermeiden. Auf Stereotypen zu verzichten, ist meistens origineller und kann für interessante Überraschungen sorgen.

6. Ich wünsche mir mehr Barrierefreiheit an Spielorten (z.B. Personenaufzüge, ebenerdiger Eingang ohne Stufen) und auch mehr Barrierefreiheit in Rollenspielwerken, z.B. für blinde und taube Menschen.

7. Ich wünsche mir generell mehr Spielrunden, in denen nicht nur weiße cis hetero Männer mitspielen oder diese das Spiel leiten. Bzw. die Offenheit und Bereitschaft, Menschen, auf diese Merkmale nicht zutreffen, mitspielen oder leiten zu lassen.

Empfehlenswerte Literatur und Links:
Essayband »Roll Inclusive: Diversity und Repräsentation im Rollenspiel«, hrsg. Von Aşkın-Hayat Doğan, Frank Reiss und Judith Vogt

Hier geht es um LARP, aber einiges davon gilt auch fürs Pen & Paper Rollenspiel:
https://www.teilzeithelden.de/2020/06/14/safety-first-safetytools-consent-und-mentale-sicherheit-im-larp/

Die Sicherheitskarte und andere Safety-Tools
https://spielen.trillitzsch.net/sicherheitskarte/

Drei empfehlenswerte Podcasts mit Themen zu Diversität im Rollenspiel und mehr:
Genderswapped Podcast
https://genderswapped-podcast.podigee.io/

Nerd ist ihr Hobby
https://nerdistihrhobby.podigee.io/

Der nerdige und niveauvolle Trashtalk
https://dernerdigetrashtalk.podigee.io/

Panel-Diskussion „2031 – Die Zukunft des Rollenspiels ist ungerade“
https://www.youtube.com/watch?v=3pB19pkc9N0

Verleidete Nostalgie

Foto: Marc Pascual, Pixabay

Manchmal bin ich frustriert, dass Popkulturelles, was ich als Kind oder Jugendliche mochte, sich nun für mich als -istisch herausstellt. Rassistisch. Sexistisch. Queerfeindlich. Ableistisch, oder noch anders menschenverachtend oder zumindest verletzend.

Das Kinderlied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass”? Rassistisch. Gründe dafür kann man hier nachlesen:

https://interculturecapital.de/drei-chinesen-mit-dem-kontrabass-rassismus-chinesisch-deutschland/

Ganz zu schweigen von all den vielen schon älteren Büchern, in denen vollkommen unreflektiert das N-Wort genannt wird. Ich erinnere auch daran, dass ein langjährig etablierter Fantasyautor kürzlich auf einer Veranstaltung davon sprach, er werde das N-Wort auch weiterhin verwenden.

Gefühlt eine Million romantischer Kömodien der letzten Jahrzehnte – frauenfeindlich, sexistisch, veraltete oder konservative Vorstellungen von Gender, heteronormativ. Oft sind auch toxische Tropes enthalten, wie Stalking (gern romantisch verklärt als „das Erobern einer Frau”) oder Gaslighting.

Dass die einzige queere Figur in einem Film auf dramatische Weise stirbt, war lange Zeit so Standard, dass ich es früher nicht mal hinterfragt habe.
https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/BuryYourGays

Ich könnte nun noch viele Beispiele nennen. Man schaue sich z.B. mal an, was Latinx und Bl_PoC in Hollywood häufig früher (und auch noch heute) für stereotype Nebenrollen angeboten bekommen (haben). Zum Beispiel: Raumpflegerin, Nanny, Kleinkriminelle, Gang-Mitglied, Service-Kraft, Drogensüchtige oder auch der funny Sidekick der weißen Protagonist:innen.

Ich bin frustriert. Filme/Serien, die älter als 10 – 20 Jahre sind, sind oft voll solcher problematischen Tropes. Bücher oft ebenso. Ich habe keine Lust mehr darauf, mir das anzusehen oder es zu lesen. Die Nostalgie, die ich dabei empfinden könnte, wird angesichts all solcher Tropes ganz schnell schal.

Aber eigentlich ist diese Frustration ein gutes Zeichen.

Denn ich bin nicht allein damit und es zeigt mir, wie sehr sich die Gesellschaft und der Zeitgeist verwandelt hat. Dass es immer mehr Menschen gibt, die solche -ismen, solche Tropes hinterfragen. Die das nicht mehr hinnehmen wollen. Die sich inklusiveres Entertainment wünschen, authentischer Repräsentation. Das kommt allmählich auch in den Köpfen der Kunstschaffenden an, bei Autor*innen, in der Filmindustrie und noch anderen Kunstgattungen.

Klar, es gibt noch immer die, die dann als erstes die Freiheit der Kunst mit Händen und Füßen verteidigen wollen. Das sind z.B. Leute, die verlangen, man müsse „die Kunst vor den Moralaposteln” retten. Nein, das muss man nicht. Und die Etablierten, die Privilegierten, die am Alten festhalten, weil es für sie bequemer ist, die werden nicht ewig kreativ sein. Machen wir es anders.