Klassismus und Ableismus – Aussagen und Fragen, die Betroffene nicht mehr hören wollen

Bildbeschreibung: Die Titelzeile dieses Blogbeitrages auf grün-blauem Hintergrund.

Inhaltswarnung: In diesem Blogbeitrag gibt es zahlreiche ableistische und/oder klassistische Aussagen, einige davon sind beleidigend oder können sehr schmerzhaft wirken. Bitte achtet auf euch, wenn ihr diesen Beitrag lest.

Kursiv gesetzte Schrift in diesem Text sind Zitate von anderen Personen, die mir freundlicherweise in Social Media geantwortet haben auf meine Frage nach klassistischen oder ableistischen Aussagen/Fragen, die sie nicht mehr hören wollen.

Zunächst einmal, worum geht es hier?

Ableismus ist Behindertenfeindlichkeit bzw. Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und/oder Neurodivergenz

Klassismus ist eine Feindlichkeit gegenüber armen Menschen, bzw. Diskriminierung von Armutsbetroffenen.

Oftmals tritt Klassismus und Ableismus auch in Kombination auf, denn einige Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen oder Neurodivergenz können nicht oder nur eingeschränkt arbeiten, verdienen entsprechend weniger Geld oder sind ganz oder teilweise auf staatliche Leistunggen angewiesen. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, in diesem Beitrag über beide Themen zu schreiben.

Warum teile ich das hier in meinem Autorenblog? Ich bin sowohl von Klassismus als auch Ableismus selbst betroffen. Ich möchte nicht nur allgemein darauf aufmerksam machen, sondern außerdem Autor*innen, die über diese Themen schreiben wollen, aufzeigen, was sie lieber NICHT in ihren Geschichten oder Sachtexten schreiben sollten, um abwertende und verletzende Aussagen zu vermeiden.

Beide marginalisierte Gruppen – Armutsbetroffene und behinderte Menschen (bzw. Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Neurodivergenz) werden oft im Alltag nicht mitgedacht. Dann fallen oft Sätze, die auf Außenstehende möglicherweise harmlos wirken, die aber ableistisch, klassistisch oder beides sind. Im Laufe der Zeit habe ich eine ganze Menge solcher Sätze gelesen oder gehört. Ich zähle zunächst einige auf und kommentiere es, teilweise auch mit Alternativvorschlägen.

„Online Einkaufen ist schlecht für die Umwelt! Der Verkehr, die Verpackungen! Und: Support your local dealer!“
Grundsätzlich ist das richtig. Aber je nach persönlichen Umständen kann diese Aussage klassistisch und ableistisch sein. Denn viele Armutsbetroffene finden online günstigere oder deutlich günstigere Angebote. Viele Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen können z.B. wegen Barrieren oder Reizüberflutung manche Geschäfte oder Einkaufszentren gar nicht oder nur schwer betreten. Oder sie haben Probleme, sperrige Einkäufe zu transportieren, die ihnen bei online Einkäufen direkt an die Haustür oder in die Wohnung geliefert werden.

Radfahren ist besser als Autofahren/mit den Öffis fahren.“
Auch diese Aussage ist grundsätzlich richtig, mit Hinblick auf den Umweltschutz. Aber hier werden viele Menschen mit Behinderung nicht mitgedacht, die auf den Transport mit Öffis oder einem Auto angewiesen sind.

„Zu schade für den Müll.“
Das ist klassistisch. Es impliziert: „Das hier ist nicht mehr gut genug für mich – aber noch gut genug für dich.“ Bitte streicht diesen oder ähnliche Sätze aus eurem Wortschatz.

„Du solltest mehr lesen.“
Manche Menschen mit Behinderung (z.B. Sehbehinderung) oder Legasthenie haben generell Probleme mit dem Lesen. Und nicht jedes Buch gibt es als Audiobook zum Anhören. Manche neurodiverse Menschen haben Schwierigkeiten, Audiobooks zu hören. Armutsbetroffene können sich Bücher oft nur gebraucht oder gar nicht leisten.

„Du hattest Urlaub? Wie schön! Wo bist du hingereist?“
Die Frage nach der Reise impliziert, dass die Angesprochene Person sich eine Urlaubsreise leisten kann. Oder dass sie als behinderter Mensch barrierefrei oder barrierearm verreisen kann. Diese Frage kann für manche Menschen, denen das nicht möglich ist, sehr schmerzhaft sein. Besser wäre stattdessen die neutralere Frage: „Was hast du in deinem Urlaub gemacht, wenn ich fragen darf?“

„Lass uns mal telefonieren, ja?“
Für manche Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder Neurodivergenz stellt Telefonieren eine mehr oder weniger starke Barriere dar. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Neutraler wären hier diese Fragen:

„Wie kann ich dich am besten erreichen?“
„Wie können wir uns mal austauschen?“
„Wie möchtest du mit mir in Kontakt treten/bleiben?“

Manche Menschen haben übrigens Schwierigkeiten mit dem Tippen von Textnachrichten und möchten vielleicht lieber Sprachnachrichten versenden oder auch erhalten.

„Das ist ja voll behindert, haha!“
Ihr ahnt es schon: Behinderung ist weder ein Witz, noch ein Schimpfwort. Wenn man etwas als behindert bezeichnet, ohne eine echte Behinderung zu meinen, ist das für Betroffene nie lustig. Streicht diese Verwendung von „behindert“ bitte aus eurem Wortschatz.

Ungefragt gegenüber einer Person mit Behinderung, z.B. mit Rollstuhl oder Sehbehinderung: „Ich helfe Ihnen.“/ “Ich mache jetzt (dieses und jenes) für Sie.“

Das ist zwar nett gemeint, z.B. einer blinden Person eine Tür zu öffnen oder ähnliches, kann aber auch als übergriffig empfunden werden, denn behinderte Menschen können vieles selbst tun, was Außenstehende sich manchmal nicht vorstellen können. Deshalb wäre hier die Frage besser: „Soll ich Ihnen helfen?“ Um bei dem Beispiel zu bleiben: „Soll ich Ihnen die Tür öffnen?“

Tipps und Vorschläge für praktische Anschaffungen aller Art oder den Kauf von Dienstleistungen:
Armutsbetroffene können ein Lied davon singen, wenn Menschen ihnen vorschlagen, sich dieses oder jenes zu kaufen, was ihren Alltag erleichtern würde. Das ist natürlich nett gemeint, aber oftmals können arme Menschen sich entsprechende Dinge nicht leisten und es kann sehr schmerzhaft sein, daran erinnert zu werden. Hilfreich kann hier unter Umständen die Frage sein, wieviel eine Person ausgeben könnte, also wie hoch ihr Budget ist.

Ein genereller Tipp gegenüber Armutsbetroffenen: Wenn ihr von eigenen Anschaffungen erzählt, nennt nicht den Preis mit, sondern lieber nur auf Nachfrage. Es kann zermürbend für arme Menschen sein, wenn sie Preise mit ihren eigenen finanziellen Möglichkeiten vergleichen.

„Hast du schon [naheliegende Sache XY] ausprobiert?“ und „Probier doch mal [naheliegende Sache XY]!“ und generell ungebetene Ratschläge in allen Variationen; „Und wann wird das wieder besser?“ und „Das muss doch mal besser werden!“ usw.
Chronisch Kranke möchten eher keine guten Ratschläge von Laien hören, was sie alles tun könnten, damit es ihnen besser geht (oft sind das Ratschläge wie Sport, gesunde Ernährung, spezielle Körpertherapien, Entspannungsmethoden oder Physiotherapie oder oder oder…) Die meisten chronisch kranken Menschen haben nämlich schon eine ganze Menge ausprobiert, um etwas zu finden, dass ihnen persönlich auf Dauer hilft mit ihrer chronischen Erkrankung zu leben.

„Bleiben Sie gesund!“
Sehr beliebter Wunsch in diesen Pandemiezeiten und natürlich nett gemeint. Allerdings stößt er vielen chronisch Kranken sauer auf, denn sie sind nun einmal nicht gesund.

Ich sehe deine Behinderung gar nicht mehr / Für mich bist du normal.“
Das ist eine ähnlich problematische Aussage wie „Ich sehe keine Hautfarben.“ Sie ist auch ähnlich wie folgende Aussage in Bezug auf queere Menschen: „Love is Love.“
„Ich sehe deine Behinderung nicht“ ist vielleicht freundlich gemeint, aber macht Behinderungen im Grunde unsichtbar. Damit wird auch letztendlich ausgeblendet, dass es marginalisierte Menschen und dass es deutliche Unterschiede zwischen Menschen gibt, die für diese im Alltag/in ihrem Leben auch starke Konsequenzen mit sich bringen. Wir sind alle verschieden und haben unterschiedliche Bedürfnisse und Probleme. Es ist wichtig, dies anzuerkennen und mitzudenken.

Weitere Aussagen und Fragen, die mir betroffene Personen in Social Media genannt haben, die sie nicht mehr hören wollen (siehe Inhaltswarnung oben):

Ableistisches

„Wieso machst du nicht ‚EINFACH‘ mehr XYZ“. Egal ob Sport. Gesunde Ernährung. Mehr Schlafen, besser Planen. Etc. Oder: „Warum bist du schon wieder so sensibel?“ oder „Warum stellst du dich so an? Wir alle haben Probleme.“ Und Klassiker: „Wieso entschuldigst du dich immer?“

„Du willst ja nur nicht“/“Du strengst dich einfach nicht an“/“Das musst Du doch mal kapieren“/“Jeder andere kann das doch auch“ … die Liste nimmt kein Ende. Fragen … ich wünschte, es würde mal jemand fragen, anstatt zu meinen, es besser zu wissen.

Oh und auch ganz toll: “Super, Sie sind ja ein total interessanter Lehrbuchfall!” Da könnte ich mittlerweile Galle spucken.

„Du bist immer krank.“ An das eine Mal kann ich mich noch sehr gut erinnern. Ich konnte nicht beim gemeinsamen Sport mitmachen, weil ich mal wieder mit Gehhilfen angehumpelt kam.

Fibromyalgie: „Du tust doch nur so“/“Du willst doch nur Aufmerksamkeit.“ (höre ich zum Glück mittlerweile nicht mehr so oft) “Ich glaube, ich weiß jetzt, wie du dich fühlst.“ wenn jemand einmalig (starke) Schmerzen hat. Das ärgert mich besonders, obwohl ich weiß, dass es nicht ganz fair von mir ist, weil es wirklich schwierig ist, sich vorzustellen, wie es ist, immer Schmerzen zu haben und dass für mich das Schlimmste an chronischem Schmerz nicht der Schmerz, sondern das Chronische ist.

„Hast du schon mal überlegt, ob dir dein Unterbewusstsein damit etwas sagen will?“

Mir geht’s ja auch manchmal nicht so gut“
Mir tut auch mal … weh“
Du/Ihr immer mit…“

„Sie haben einen Wasserkopf und haben Abitur gemacht?“ Ein Hydrocephalus (Punkt 1, was mich an dieser Aussage stört) hat primär nichts mit Intelligenz und Lernfähigkeit zu tun (Punkt 2).

Also welche Aussagen ich so leid bin, sind Sachen dazu, wie ich mich kostengüstiger ernähren könnte. Ich ernähre mich schon billig, aber ich bin halt auch chronisch krank und auf bestimmte Sachen kann ich nicht verzichten.

„Probiere es doch mal mit [Tipp für Ernährungsumstellung, gerne mit Link zu einem YouTube-Video von random dude, der meint, mit seiner Ernährung wären sämtliche Stoffwechselerkrankungen Geschichte]“

Reiß dich zusammen!” “Stell dich nicht so an.” Aber noch schlimmer sind eigentlich die, denen man seine Grenzen sagt und die sie wortlos überschreiten.

„Was hast du denn gemacht/gegessen, dass es wieder so schlimm geworden ist?“ Das hat nachhaltig Narben hinterlassen. Und natürlich der Klassiker, ungefragt Heilpraktiker etc. empfohlen zu kriegen oder sogar „Hausmittelchen“ migebracht zu kriegen, die man auch noch bezahlen soll.

„Man muss sich halt auch mal zusammenreißen…“, „Hast du schonmal Yoga probiert?“ „Aber wie haben Sie denn dann zwei Master-Abschlüsse gemacht, wenn Sie solche Probleme haben?“ (letzeres von einem Neuropsychologen (!) bei dem ich wegen meiner ADHS-Abklärung war….)

Und dann noch ein paar Klassiker, vor allem wenn man über chronische Depressionen spricht… „Ist doch alles nicht so wild,“ „Lach halt mal, dann ist das Leben schon viel einfacher,“ „Wenn du öfter rausgehen würdest, wärst du nicht immer so müde“

“ Das kannst du doch lernen.“
“ So schwer ist das doch nicht.“
“ Konzentrier dich doch mal.“
“ Das sind doch alles Scheinargumente.“

„Du wirst ja wohl Mal eben…“ Entweder kann ich es (gerade) nicht, oder der Preis dafür ist zu hoch. „Du bist ja wohl alt genug um…“ „Vielleicht solltest du eine Therapie machen“ ob ich meine psychische Erkrankung behandeln lassen möchte oder nicht das entscheide ICH.

Ja, ich habe eine Therapie angefangen und abgebrochen, weil das für mich nicht passt. Ja, ich habe psychische Altlasten. Ich arbeite daran. Jeden Tag. Auch wenn das nicht jede Person sehen kann. Mein Tempo. Ich bin keine Gefahr für mich oder eine „Zumutung für Andere“

Man sieht mir das nicht an, genauso wenig wie mein handwerkliches Geschick oder dass ich gerne zocke.

Chronisch Erkrankter hier:
„Warst du damit schon mal beim Arzt?“
…no sh*t, sherlock, woher hab ich wohl die Diagnose…
Oder:
„Nimm doch mal [xy], das hat mir geholfen.“
Ja, du bist ja auch Nicht-Chronisch-Erkrankt…

„Für mich bist Du nicht so behindert, wie die Föten, die wegen einer Behinderung abgetrieben werden.“

Das ist doch nicht so schlimm, andere Menschen haben auch ihr Päckchen zu tragen.“

Dir sieht man das ja gar nicht an. Du kannst lachen/lächeln, du kannst nicht depressiv sein. Situation xy ist für normale Menschen auch anstrengend.“

Bist du IMMER NOCH krank? Ach, DAS hast du jetzt also auch noch?“

Ich möchte nie wieder einen getextmarkerten Apotheken-Umschau-Artikel in die Hand gedrückt bekommen. Bitte.

[In Bezug auf eine Essstörung:]
Was mich mehr als alles abfuckt, mehr als Kommentare zur Depression oder sonstige Dinge, sind diese Kommentare á la „Probier doch einfach mal“ oder „wenn man xy richtig zubereitet, schmeckt es aber voll gut, dann machst du das falsch“.

„Es ist ja soooo einfach, sich gesund zu ernähren.“
„Jede*r kann sich vegan ernähren!“
„Iss doch einfach mal mehr XY“

Klassistisches

„Ach komm, die 5/10/50€ im Monat hat jede*r übrig, das ist eine Ausrede, wenn du das nicht zahlen willst.“

„Wenn du auch arbeiten würdest, wäre es finanziell halt nicht so eng.“ Von meinem Mann. Kam einmal. Tut immer noch weh.

Mit dem Hinweis, dass es anderen noch viel schlechter geht, bringt man mich erfolgreich auf die Palme.

„Ab einem gewissen Bildungslevel spielt die soziale Herkunft doch keine Rolle mehr. Das ist dann doch bloß faule Ausrede. Da muss man sich halt auch mal anpassen an die Welt, in die man reinwill.“

Für mich besonders „ALG2 ist ja nur überbrückend gedacht“. Ich krieg das jetzt seit Jahren, weil ich zu behindert zum Arbeiten bin und zu wenig behindert für die Rentenkasse. Grundsicherung (kriegen Leute, die keinen Rentenanspruch haben) ist so hoch wie ALG2 und NICHT überbrückend. das heißt, selbst wenn ich behindert genug für die Rentenkasse bin, hab ich dann nur das, was „ja nur überbrückend“ gedacht ist. Aber dauerhaft. Das sorgt für sehr viel emotionale Belastung und eine sehr beschissene finanzielle Situation. Was ich also nicht mehr hören will, ist die Rechtfertigung von Geldbeträgen, die erwiesen unter dem Existenzminimum liegen. Vor allem, wenn diese Rechtfertigung auf die (vermeintliche) zeitliche Begrenzung des Bezugs abstellt, das ignoriert die Lebensrealitäten vieler Betroffener.

Unter Umständen Klassimus und Ableismus in Kombination:

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“/„Wenn du wirklich wollen würdest, würdest du xy auch können…“

„Ach was, echt? Sieht man dir gar nicht an! „

Du musst halt sparen, ich schaffe das doch auch” “Man kann nicht immer nur traurig sein” “Kauf dir doch einfach XY neu” Bin solche Aussagen so leid, weil sie von Menschen kommen, die eine finanziell stabile Position haben und weniger Probleme dadurch.

„Das müssen deine Kinder aber noch lernen!“
„Du hast bestimmt XY! Ganz eindeutig.“
„Schon mal daran gedacht, K1 [Kind 1] ins Internat zu geben?“

Selbst schuld.
Kann ich doch nix für (v.a. Sachbearbeitende).
Stell Dich nicht so an.
Sie müssen doch einfach nur …
Das geht nicht ohne Diagnose.
Oder wenn Bedürfnisse zu Wünschen abgewertet werden

„Da ist ja nur ein bisschen xy drin, das merkst du bestimmt gar nicht“
„Wieso haben dir deine Eltern denn nicht finanziell geholfen?“
Und der Klassiker: „Ach komm, stell dich doch jetzt nicht so an“ geht für alles, zu teuer, zu anstrengend, zu viele Menschen,…

„Kannst du nicht einfach…[irgendein Tipp, den ich nicht „einfach“ umsetzen kann]“

Vielen Dank von mir an alle, die sich beteiligt haben und die ich zitieren durfte.

#DiverserDonnerstag: Hautfarben

Eine Aktion von @equalwritesde

Diesmal mit dem Thema Hautfarben. Mir ist immer wieder aufgefallen, dass Hautfarben gar nicht beschrieben werden, wenn es um weiße Figuren geht. Vielleicht ist da der Gedanke, dass müsse nicht sein, weil Lesende automatisch davon ausgehen, dass die nicht näher beschriebenen Figuren weiß sind. „Weiß als Default“, sozusagen – aber das ist keine gute Einstellung. Ich muss gestehen, dass ich lange Zeit die Hautfarben weißer Figuren auch nicht näher beschrieben habe. Erst in den letzten Jahren ist mir dieses Problem überhaupt bewusst geworden.

Wer Tipps haben möchte, wie man Hautfarben diskriminierungsfrei beschreiben kann, dem empfehle ich die folgenden Texte:

“Warum Hautfarbe allein nichts aussagt” von Victoria Linnea

Und der zweiteilige „Hautfarben-Guide“, eine Übersetzung von Victoria Linnea zu einem Text aus dem Tumblr-Blog „Writing with Color“
Teil 1:

Teil 2:

Und wenn ihr euch gern in diesem oder anderen Bereichen rund um Diversität weiterbilden möchtet, schaut gern mal in meine Literatur- und Linksammlung „Literatur/Links über Diversität, Inklusion und Repräsentation“, diese findet ihr hier (ein Google Doc):
http://bit.ly/literaturundlinksdiversität

Über E-Book Piraterie

Abbildung: Clker-Free-Vector-Images


Viele Autor*innen, und dazu zähle ich mich auch, haben ernsthafte Probleme mit E-Book-Piraterie-Websites, auf denen raubkopierte E-Books unserer Veröffentlichungen illegal kostenlos oder für ein paar Cent heruntergeladen werden können. Wenn Leser*innen E-Books in Facebook-Gruppen oder Foren hochladen, ist das ebenfalls illegal.

Einigen Leuten, die solche illegalen Inhalte nutzen, scheint nicht klar zu sein, was das Problem dabei ist: Man nimmt damit den Autor*innen und ihren Verlagen Einkünfte weg. Was einige offenbar auch nicht wissen: Als Autor*in verdient man ohnehin nicht viel Geld, wenn ein Buch verkauft wird. Oft sind es nur ca. 1 bis 3 Euros, bei günstigen Angeboten sogar noch weniger. Bei einem Selfpublishing E-Book, das eine Autorin für 99 Cent auf Amazon anbietet, verdient sie pro Verkauf nur ca. 30 Cent. Die meisten Autor*innen können nicht vom Schreiben leben, und sie schreiben auch keine Bestseller mit hoher Auflage, das gelingt nur wenigen. Das alles bedeutet letztendlich auch: Wenn du für künstlerische Inhalte zahlst, hilfst du damit aktiv den Autor*innen und ihren Verlagen, ihre schriftstellerische Arbeit auch in Zukunft fortzusetzen.

Das genannte Problem bezieht sich nicht nur auf Bücher, sondern auch auf andere Medien, die als Dateien heruntergeladen werden können (Bilder, Musik, Filme, Spiele …)
Und es gibt noch mehr Probleme, die damit verbunden sind. Autor*innen und andere Künstler*innen (z.B. im Bereich Illustration und Design, Musik, Gesang, Talente in der Filmindustrie …) brauchen Geld, um arbeiten zu können. Wir alle müssen unsere Miete, Nahrungsmittel und Rechnungen aller Art bezahlen. Ich wiederhole es noch einmal: Jede illegal heruntergeladene Datei nimmt den Urheber*innen, den Künstler*innen Geld weg.

Wenn du Bücher, Musik, Filme, Spiele konsumieren willst, aber wenig Geld hast – es gibt mehrere günstige oder sogar kostenfreie Möglichkeiten, dies legal zu tun. Im Internet finden sich z.B. zahlreiche online Radios, Streamingdienste und verschiedene Leihservices wie Skoobe oder Kindle Unlimited. Nicht zu vergessen die örtliche Bibliothek. Du kannst Printbücher auch Second Hand erwerben, z.B. bei Booklooker oder Medimops.

Es gibt außerdem auch legal zugängliche kostenlose Werke, z.B. gilt das für manche Spiele, für Fanfiction und gratis online Plattformen für Geschichten, z.B. Wattpad und Belletristica. Manche Autor*innen machen auch zeitlich begrenzte Gratis- oder Rabatt-Aktionen für einige ihrer Bücher, so dass man diese günstiger oder sogar kostenlos als E-Book erwerben kann.

Schreibtipp: Erklärt eure Geschichten nicht im Nachhinein

Content Note: Ich erwähne in diesem Blogbeitrag J. K. Rowling. Mir ist bewusst, dass sie aufgrund ihrer Transfeindlichkeit eine problematische Person ist. Ich erwähne sie hier dennoch, in Bezug auf eine ihrer Figuren, um einen bestimmten Punkt zu unterstreichen.

Ich bin seit 2014 als Autorin aktiv. Und in meiner Anfangszeit habe ich so manchen Anfängerfehler gemacht. Einer davon ereignete sich kurz nachdem mein zweiter Roman erschienen war. Eine Rezensentin merkte ein Detail kritisch an, das ich ganz anders sah. Ich schrieb ihr auf Facebook und versuchte ihr dieses Detail aus meiner Sicht zu erklären.

Allerdings wurde meine Sicht auf dieses Detail nicht aus dem Roman allein deutlich. Und hier kommen wir zu einem allgemeinen Problem: Wenn ihr Leuten abseits von eurem Text diesen erklären wollt, ist das praktisch immer zum Scheitern verurteilt. Damit möchte ich sagen: Was nicht direkt (und deutlich) aus einem Buch hervorgeht, oder nur irgendwo tief im Subtext verborgen ist, werden die meisten Leute nicht verstehen. Oder sie werden etwas missverstehen, weil es euch nicht gelungen ist, die betreffende Stelle deutlich und präzise zu formulieren.

Ich habe mir die oben erwähnte Kritik zu Herzen genommen und beleuchtete das Detail in Band 2 der Reihe kurz näher, so dass es aus meiner Sicht deutlicher wurde.

J.K. Rowling hat irgendwann erklärt, ihre Figur Albus Dumbledore sei schwul. Was nirgends in den betreffenden Büchern erwähnt oder auch nur angedeutet wird. Entsprechend gab es viel an Kritik dazu. Denn Erklärungen, die einer Geschichte im Nachhinein hinzufügt werden, führen zu nichts.

Vor einer Weile habe ich ein Detail in einem Phantastikroman gefunden, das mir negativ auffiel, im Sinne eines problematischen Handlungsmusters. Ich schrieb etwas darüber auf Twitter. Darauf schrieb mir die Autorin jenes Romans (unaufgefordert) eine persönliche Nachricht, ebenfalls auf Twitter, und fing an, mir dieses Detail aus ihrer Sicht zu erklären. Mir wurde dadurch zwar klar, warum sie dieses Detail trotz des problematischen Inhalts verwendet hat, aber es änderte nichts an meiner Leseerfahrung, nämlich dass ich beim Lesen der entsprechenden Szenen ein starkes Unbehagen verspürt habe.

An dieser Stelle möchte ich gern ein Zitat von Misha Madgalene anbringen – they hat einmal geschrieben (aus Autorensicht): „What they are reviewing is not what I wrote. What they are reviewing is their experience of what I wrote.“ („Was sie rezensieren ist nicht, was ich geschrieben habe. Was sie rezensieren, ist ihre Erfahrung mit dem, was ich geschrieben habe.“)
Wenn man dies umdreht und aus Sicht von Lesenden betrachtet, macht das deutlich: Meine Erfahrung als Leserin einer Geschichte ist eine andere als jene der Autorenperson, die die Geschichte geschrieben hat. Und auch Erklärungen von Autor*innen ändern daran vermutlich nicht viel, oder sie stellen vielleicht sogar meine Erfahrung mit einem Text in Abrede.

Ich gebe an dieser Stelle auch zu bedenken: In der Regel kennt man als Autor*in nicht die Vorlieben und Abneigungen von Lesenden, man weiß auch nicht oder nur im Ausnahmefall, was für Bücher sie ansonsten noch gern lesen oder welche sie eher meiden. Manche Lesende werden auch leicht von problematischen Inhalten getriggert oder zumindest unangenehm berührt, was wieder ein eigenes Thema für sich ist. (1) Der genannte Phantastikroman verfügte übrigens über Triggerwarnungen. Auch die Leseerfahrungen generell sind sehr unterschiedlich, was teilweise auch damit zusammenhängt, wieviel eine Person liest und wie lange sie schon (regelmäßig) liest.

Fußnote
(1) Zu Triggerwarnungen habe ich diesen Blogbeitrag geschrieben:
https://amalia-zeichnerin.net/triggerwarnungen-in-der-literatur/

#DiverserDonnerstag: Bodyshaming

CN: Fatshaming (auch internalisiert), Abnehmen, Food (erwähnt in einem Buchtitel)

Bodyshaming ist ein Thema, das mich beschäftigt, seit ich dick bin, seit ungefähr 2008, in meinem Fall also Fatshaming.
Während viele Autor*innen mittlerweile Diversität und Repräsentation „auf dem Schirm“ haben und mit mehr Vielfalt schreiben, gilt das immer noch nur in seltenen Fälle für Figuren, die nicht normschön sind, also beispielsweise sehr dünn oder eben dick. Im folgenden beziehe ich mich nur auf Fatshaming, denn mit anderen Formen von Bodyshaming habe ich persönlich keine Erfahrung.

Wie kommt es, dass es so wenig sympathische, authentisch dargestellte Figuren gibt, die dick sind? Vielleicht ist ein Grund dafür, dass auch in Filmen und Serien normschöne Menschen dominieren. Dicke Figuren dagegen sind oft der „funny sidekick“. Oder sie werden negativ dargestellt, zum Beispiel als undiszipliniert, „verfressen“, ungepflegt oder ähnliches. In vielen Fällen sind dicke Figuren auch als – teilweise besonders ekelhaft dargestellte – Antagonist*innen – ein Beispiel dafür ist Jabba the Hutt aus Star Wars (zugegeben, das ist ein Alien, aber dennoch) oder auch mehrere Figuren aus den Geschichten von Stephen King. (1)

Ein Problem für Betroffene, das ich selbst kenne: internalisiertes Bodyshaming. Also die ständige Abwertung des eigenen Körpers, oder auch ein entsprechender Selbsthass, weil dieser Körper nicht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entspricht. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass die meisten Menschen, auch schlanke, nicht zu 100% mit ihrem Körper zufrieden sind. Einige Leute geraten schon in Panik, wenn sie zwei oder drei Kilo mehr auf die Waage bringen als ihr Wunschgewicht. Und nein, das habe ich mir nicht ausgedacht, ich habe entsprechendes in Social Media gelesen. Gründe dafür sind wie gesagt die vorherrschenden, überall in Medien verbreiteten Schönheitsideale und auch ein ständiges Streben nach Selbstoptimierung. Diese sind zum Beispiel verbreitet unter Menschen, die aktiv sind in den Bereichen Lebensberatung/Coaching, Sport, Mindfulness, Diäten, Yoga und Wellness.

In Romance-Genre ist folgendes schädliche Trope sehr verbreitet: „Die Protagonistin ist dick und muss erst mal abnehmen, denn erst dann ist sie ihres Mister Rights würdig.“ Das suggeriert eine in der Gesellschaft verbreitete Ansicht: „Du bist als dicker Mensch nicht okay, so wie du bist. Du musst erst all die Schönheitsideale erreichen, die wir haben, dann erst gehörst du auch mit dazu.“
Dabei gibt es viele Gründe, warum einige dicke Menschen nicht abnehmen können, oder nur wenig, hier drei Beispiele:
– chronische (Stoffwechsel-)Erkrankungen, zum Beispiel an der Schilddrüse
– vorübergehende oder ständige Einnahme von Medikamenten, die eine Gewichtszunahme als Nebenwirkung haben.
– Veranlagung
Oft sind es unsichtbare Gründe, aber dicke Menschen sehen sich oft mit Vorurteilen oder Diskriminierung konfrontiert. „Dicke Menschen seien selbst schuld an ihrem Übergewicht – ein gängiges Vorurteil.“ (2)

Das oben genannte Trope von der Figur, die erst mal abnehmen muss, bevor sie Glück in der Liebe haben darf, hat mich irgendwann so genervt, dass ich einen Kurzroman mit Body Positivity (3) geschrieben habe: „Orangen und Schokolade“. Die Protagonistin Sarah ist dick, aber genießt einfach ihr Leben und betreibt einen Back-Blog.
(Mehr Details dazu hier: Liebesromane)

Weiterführende Literatur

Die Bloggerin Marshmallow Mädchen hat einen interessanten Artikel zur Repräsentation dicker Figuren geschrieben: „Warum du dicke Heldinnen brauchst“ – im Artikel geht es um Frauen, aber das lässt sich auf alle Geschlechter erweitern. Dort findest du auch den Artikel „Body Positivity: Bücher mit dicken Heldinnen“.

Fußnoten
(1) siehe diesen englischsprachigen Artikel von Meg Elison:
https://www.fantasy-magazine.com/fm/non-fiction/all-the-kings-women-the-fats/

(2) Zitiert aus dem Artikel „Adipositas – Wie sich Stigmatisierung auf die medizinische Behandlung auswirkt“, von Pia Rauschenberger

(3) Zum Thema Body Positivity kann ich diese Artikel der Bloggerin Marshmallow Mädchen empfehlen:
https://marshmallow-maedchen.de/blog/was-ist-body-positivity-definition/

https://marshmallow-maedchen.de/blog/was-body-positivity-nicht-ist/

Und über Body Neutrality:
https://marshmallow-maedchen.de/blog/was-ist-body-neutrality-definition/

„Bodyshaming: Warum es keine Diskriminierung von dünnen Körpern gibt“ (Artikel in der ZEIT): https://www.zeit.de/zett/2022-01/body-shaming-uebergewicht-duenne-skinny-shaming

Der Druck der sozialen Medien

Bild: Pixabay

CN: Depression (erwähnt)
Lesezeit: ca. 9 Minuten

überarbeitet am 31. Juli 2023

Diese Aktion ist von der Autorin Nadja Losbohm und der Mediengestalterin Kathy von Epic Moon Coverdesign.

Kathy schrieb: „Ich würde gerne eine Aktion ins Leben rufen, die den Druck der sozialen Medien etwas mehr in die Köpfe der Menschen bringen soll. (…) Die Idee zu der Aktion kam mir, als ich die letzten Monate vermehrt bemerkt habe, wie sich Künstler, Autoren, Blogger, aber auch Leute wie du und ich eine Pause von Social Media nehmen mussten, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlten. (…)“
(Quelle: https://www.facebook.com/nadja.losbohm/posts/4808317815873150)

Zunächst möchte ich gern sagen, ich bin viel online. Ich tausche mich gern in Social Media mit Menschen aus. Im vergangen Jahr habe ich bei vielen Hashtag-Aktionen für Autor*innen mitgemacht, weil ich die Zeit dafür hatte. Mittlerweile ist mir das zu viel geworden und ich beschränke mich auf die Aktionen #DiverserDonnerstag und #Autor_innensonntag. Eine Autorenkollegin, die ich sehr schätze, hat mal dazu geraten, täglich etwas in den eigenen Kanälen zu posten, damit die Reichweite erhalten bleibt. Das habe ich eine Zeitlang gemacht. Ich habe auch oft Beiträge geplant, die dann automatisch zur gewünschten Zeit gepostet wurden. Im Folgenden gehe ich auf meine Erfahrungen mit verschiedenen Social Media ein und gebe am Ende einige Tipps.

Die Algorithmen auf Facebook
Mittlerweile ist es auf Facebook so ziemlich egal, wieviel ich poste, meine Reichweite ist tief in den Keller gegangen. Das liegt an den Algorithmen von Facebook, die Werbeanzeigen begünstigen und Beiträge mit Links kaum anzeigen (aber selbst Beiträge ohne Links werden weniger als früher angezeigt).

Instagram – alles schick hier?
Insbesondere auf Instagram sehe ich weiterhin den Trend, die schönen Seiten des Autoren- oder Buchbloggerdaseins zu zeigen. Und manche Autor*innen und Blogger*innen betreiben viel Aufwand, schöne Fotos aus ihrem Alltag, ihren Bücherregalen, Büchern mit Deko, von sich, aus dem Urlaub oder noch andere Dinge zu zeigen. Und ganz ehrlich, da kann und will ich nicht mithalten. Ich schrieb neulich dort den Beitrag: „Ich bin nicht instagramable … und das ist okay.“

Dass im Autor*innenleben bei weitem nicht nur alles „nice and shiny“ ist, zeigte zum Beispiel der #Autor_innensonntag von Justine Pust, mit den Themen „Vom Umgang mit Zweifeln“ oder auch „Toxische Positivität in der Buchwelt“ und „Verbiege ich mich für Instagram und Social Media?“, außerdem „Umgang mit Missgunst und Hate“ und „Konkurrenzkampf“, um einige zu nennen (verlinkt sind meine Beiträge dazu).

Doomscrolling auf Twitter
Als ich noch auf Twitter war, bewegte ich mich größtenteils in einer progressiven Bubble. Oft ging es dort um Diversität, um Repräsentation, Inklusion und um Social Justice Themen. Viele der Leute, denen ich dort folge, berichteten von schlimmen Erfahrungen mit Diskriminierungen oder ihren Mental Health Problemen. Hinzu kamen die vielen Nachrichten zur Pandemie und andere globale oder regionale Probleme und Missstände. Das führte bei mir oft zu Doomscrolling, und da ich als Mensch mit chronischer Erkrankung nicht viel Energie (oder „Löffel“) habe, musste ich immer wieder mit jenem Profil eine Pause einlegen.

Twitch
Ich habe mal kurzfristig im vergangenen Jahr versucht, auf Twitch einen Livestream für Co-Working (gemeinsam Schreiben) anzubieten. Das ist an meinem altersschwachen PC gescheitert, der immer wieder abgestürzt ist. Stattdessen war ich öfter zu Gast in anderen Co-Working Livestreams, zum Beispiel von Ann-Kathrin Karschnick (kann ich sehr empfehlen) und ich werde das sicherlich auch in diesem Jahr wieder machen. Aber ich selbst werde auf Twitch auch in Zukunft nichts Entsprechendes anbieten. EDIT: Ich habe mich mittlerweile komplett von Twitch zurückgezogen und bin dort auch nicht mehr als Gästin bei Livestreams dabei.

TikTok?
Mit TikTok kann ich persönlich nichts anfangen, mir fehlen hier auch die Kenntnisse, deshalb schreibe ich nichts weiter dazu.

Einige Tipps
Entfolgt oder blockiert toxische Personen, wenn es euch möglich ist. Ihr müsst nicht mit jeder Person in Social Media befreundet sein. Ihr seid ja auch offline nicht mit jeder Person befreundet.

Ich bin in Facebook in vielen Gruppen, die meisten davon beziehen sich auf Bücher. Ich habe aber so gut wie sämtliche Gruppenbenachrichtigungen ausgestellt, weil meine Timeline sonst quasi in Bücherwerbung ertrinken würde.

Es kann auch hilfreich sein, die Benachrichtigungen aus Social Media am Handy auszustellen oder eine App zu nutzen, die eure Social Media Zeit beschränkt (z.B. auf einige Minuten pro Stunde oder für mehrere Stunden am Tag.) Ich nutze dafür gelegentlich die kostenfreie App „Leech Block NG“, in meinem Fall am PC. Man kann sie im Browser installieren, z.B. hier für Firefox: https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/leechblock-ng/

Sucht euch eine oder zwei Social Media Plattformen, mit denen ihr gut zurecht kommt und konzentriert euch ganz darauf. Ich habe mehrfach von Autor*innen gehört, die sich z.B. von Facebook komplett zurückgezogen haben und stattdessen Twitter und Instagram nutzen. Egal, was andere sagen: Ihr müsst nicht auf sämtlichen Social Media aktiv sein.

Ich zitiere aus Instagram-Beiträgen von mir:
Überlegt euch gut, ob ihr in Facebook-Gruppen oder in Internet-Foren aktiv sein wollt, in denen ein toxisches Klima herrscht, in denen zum Beispiel destruktive, hässliche Diskussionen geführt werden, die nicht moderiert werden.

Reagiert nicht auf negative Rezensionen. Regt euch nicht öffentlich darüber auf (diesen Fehler habe ich früher gemacht und ich kann davon nur abraten. Das kommt nicht gut an und entmutigt unter Umständen auch Leute, überhaupt Rezensionen zu schreiben.) Diskutiert nicht mit den Rezensent*innen, auch wenn ihr die Rezension für unfair, unlogisch oder schlichtweg falsch haltet. Bitte immer im Hinterkopf behalten: Rezensionen sind letztendlich Einzelmeinungen. Nach 25 veröffentlichten Büchern habe ich die Erfahrung gemacht, dass praktisch alle davon die ganze Bandbreite an Bewertungen erhalten haben, von einem Stern bis fünf Sterne. Misha Magdalene hat in diesem Zusammenhang in einem Podcast gesagt: »What they are reviewing is not what I wrote. What they are reviewing is their experience of what I wrote.« (Was sie rezensieren, ist nicht das, was ich geschrieben habe. Was sie rezensieren, ist ihre Erfahrung mit dem, was ich geschrieben habe.«)
Ich würde hier im Zweifelsfall zu »Lächeln und winken« raten, also z.B. 1-Sterne- Bewertungen einfach ignorieren, auch wenn es schwer fällt.

Zum Thema Selbstdarstellung und Selbstvermarktung

Bei mir ist der Eindruck entstanden, dass manche Autor*innen eine Selbstdarstellung mit Selbstvermarktung verwechseln. Damit meine ich, dass sie sich im Grunde eher als Privatperson präsentieren anstatt als Autor*innen. Ich lese da in einigen Beiträgen u.a. von Ehrlichkeit und Authentizität.

Meine Sicht dazu: Selbst wenn man sich ehrlich und authentisch präsentieren möchte, ist es dazu nicht notwendig, sein Privatleben in Social Media auszubreiten, wenn man eigentlich in erster Linie für die Tätigkeit als Autor*in werben möchte. Natürlich kann es sein, dass die Themen in den eigenen Bücher eng mit dem Privatleben verknüpft sind, z.B. Bücher, die stark autobiografisch geprägt sind. In einem solchen Fall kann es Sinn machen, über das eigene Leben auch in Social Media zu erzählen. Das habe ich bei zwei Büchern auch schon gemacht.

Aber ansonsten: Als Autorin wird man durch Selbstvermarktung zu einer „Marke“ – und die sollte nicht verwechselt werden mit der Privatperson dahinter. Entsprechend muss man als Autor*in auch in Social Media nicht alles von sich zeigen, das eigentlich in den Privatbereich gehört und nichts mit den eigenen Büchern zu tun hat.

Zwei neuere Blogbeiträge von mir zum Thema Social Media:
https://amalia-zeichnerin.net/digitaler-minimalismus-von-einem-anderen-umgang-mit-social-media/


Ich schreibe Wohlfühl-Eskapismus

TruthSeeker08, Pixabay

Ich bin jetzt seit rund 7 Jahren als Autorin unterwegs und dabei ist mir eines aufgefallen: Ich tue mich sehr schwer mit dem Schreibratgebertipp: „Jedes Kapitel (oder jede Szene) muss einen Konflikt beeinhalten.“ Weil es sonst angeblich langweilig sei.(1)

Ich zähle nicht zu den Autor*innen, die ihre Figuren gern quälen. Einer meiner Grundsätze lautet, dass es bei mir kein „Bury your gays“ (2) gibt: Das heißt, gibt es in einer Geschichte von mir nur eine oder wenige queere Figuren, werden diese nicht sterben.

Ich lese immer wieder, dass Leute gern beim Lesen auf eine „emotionale Achterbahnfahrt“ gehen wollen: Sie wollen mit den Figuren mitfiebern, mitleiden, mitzittern und ganz viel Dramatisches miterleben. Das ist natürlich auch ein Nervenkitzel und ich kann diesen Wunsch verstehen.

Aber ich für meinen Teil schreibe so etwas nicht so gern. Beziehungsweise, ja, ich habe auch schon Dramatisches, Martialisches und Düsteres geschrieben, unter anderem in „Das Herz eines Rebellen“ und „Vanfarin – Von Untoten und Totems“.

Aber im Grunde meines Herzens neige ich zu Wohlfühl-Eskapismus. Mein Alltag steckt voller Probleme, die mit meinen intersektionalen Marginalisierungen zu tun haben. Schreiben wirkt für mich letzendlich therapeutisch, aber nicht in dem Sinne, dass ich über all meine Probleme in einer fiktionalisierten Form als Own Voices Autorin berichten möchte, um sie zu verarbeiten. Stattdessen ist Schreiben für mich ein „Happy Place“ – ein Ort zum Wohlfühlen. Die Autorin Louisa May Alcott wird übrigens zu Beginn der Neuverfilmung von „Little Women“ so zitiert: „Ich hatte viel Kummer in meinem Leben, also schreibe ich heitere Geschichten.“

Von mir wird es auch in Zukunft eher Wohlfühl-Eskapismus geben. Was meine ich damit? Ich möchte über Folgendes schreiben und habe das auch schon immer mal in der Vergangenheit gemacht:

  • Freundschaft und „found families“
  • Zusammenhalt einer Gruppe, auch unter schwierigen Bedingungen oder Konflikten, die von außerhalb kommen
  • Konsens ist sexy
  • Liebes- und andere Beziehungen, die nicht toxisch sind
  • Menschen/Wesen, die sich gegenseitig unterstützen
  • … und so einige Diversitätsthemen, z.B. Queerness, Body Positivity, Polyamorie und noch manches mehr

Und natürlich werde ich in kommenden Geschichten nicht ganz auf Konflikte oder Probleme verzichten. Aber wenn ihr gern ganz viel „Drama“ lesen möchtet, seid ihr bei mir an der falschen Stelle.

Fußnoten
(1)
Dass es auch andere Erzählkulturen und Geschichten gibt, die nicht von einem Konflikt zum nächsten führen, zeigt das japanische Kishōtenketsu, siehe diesen englischsprachigen Artikel:

(2) Elea Brandt hat einen lesenswerten Beitrag zum Trope „Bury your gays“ geschrieben:
https://eleabrandt.de/2020/12/09/dont-bury-your-gays/

Schreibtipp: Mythologie in der Belletristik, aus paganer Sicht

Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus (c.1484)


Ich sage es heute mal ganz offen: Ich bin seit einigen Jahren eine pagane Polytheistin, d.h. ich verehre einige Gottheiten, die bereits in der Antike verehrt wurden.

Neulich kam auf Twitter eine Unterhaltung auf dazu, wenn sich Autor*innen an antiken Mythologien bedienen, z.B. an der nordischen, keltischen, altägyptischen, römischen, griechischen oder noch anderen. Ich schreibe dazu nun etwas aus meiner pagan Perspektive, das ich bereits auf Twitter in einem Thread geschrieben habe und hier noch um einige Überlegungen ergänze.

Für viele pagane oder polytheistische Menschen sind antike Mythologien nicht einfach nur alte Geschichten, die man nach Belieben nehmen und nach eigenem Gutdünken verändern kann. Diese alten Mythen haben für viele pagane Menschen eine religiöse Bedeutung.

Wenn sich nun Autor*innen daran machen, diese Mythen neu zu interpretieren, gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten:

Methode 1
Die Autor*innen bleiben dicht am Original. Oder an einem der Originale, denn oft ist es so, dass es unterschiedliche Mythen zu ein und derselben Gottheit oder einem Wesen gibt, je nach regionaler (oft zunächst mit mündlicher und erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte später schriftlich festgehaltener) Überlieferung, und ja, manche dieser Mythen widersprechen sich auch.

Die Autor*innen adaptieren dann den vorhandenen Stoff so, dass das Original gewissermaßen noch durchscheint, aber neu interpretiert wird. Damit erweist man den historischen Überlieferungen und der Kultur, in der diese Mythen entstanden sind, einen gewissen Respekt aus meiner Sicht.

Methode 2
Die Autor*innen nehmen sich, was sie wollen aus der mythologischen Vorlage und drehen ihr ganz eigenes Ding draus, ohne Rücksicht auf die Eigenschaften der verwendeten Wesen/Gottheiten oder der historischen Quellen. Zum Beispiel nehmen sie den Namen einer Gottheit und verleihen diesen einem Dämon.

Oder sie versetzen Figuren aus einer bestimmten Region oder einem bestimmten Pantheon ganz ans andere Ende der Welt, ohne das näher zu begründen. Im schlimmsten Fall werden hier historische Mythen gewissermaßen ausgebeutet und das geht in Richtung kulturelle Aneignung.

Diese Gefahr besteht auch, wenn man sich an den Mythen einer Kultur bedient, in der man nicht selbst aufgewachsen ist. Zum Beispiel wenn eine Autorin aus Deutschland sich mit japanischer Mythologie oder Folklore befasst und dann Methode 2 anwendet.

Und man kann es sich schon denken, ich würde immer zur ersten Methode raten.

In der Twitter Unterhaltung kam das Gegenargument zu meiner Position, dass ja auch zahlreiche Motive aus der christlichen Religion auf unterschiedlichste Weise Einzug in die Popkultur gefunden haben und da auch viele Autor*innen einfach machen, was ihnen gefällt (z.B. in der Phantastik Engel, Teufel, Dämonen, im Horror-Genre Exorzismen, oder auch neue Interpretationen biblischer Geschichten in verschiedenen Genres).

Ich möchte allerdings zu Bedenken geben, dass die christliche Religion im Gegensatz zu heutigen paganen Glaubensgemeinschaften seit Jahrhunderten weltweit bestens etabliert ist. Christ*innen werden eher nicht diskriminiert (oder in einigen Fällen nur dort, weltweit gesehen, wo sie eine Minderheit bilden). Von daher haben Christ*innen größtenteils, zumindest was ihren Glauben betrifft, eine privilegierte Position.

Pagane/heidnische Menschen sind dagegen überall eine Minderheit und müssen sich oft mit Vorurteilen oder diskriminierendem Verhalten herumschlagen, wenn sie offen von ihrer Religion sprechen – das zeigt z.B. dieser englischsprachige Bericht über eine Umfrage der Pagan Federation in Schottland:
https://wildhunt.org/2021/03/scottish-pagan-federation-to-release-results-of-discrimination-survey.html

Insofern tut man aus meiner Sicht als Autor*in diesen Menschen einen großen Gefallen, wenn man die alten Mythen, die vielen von ihnen heilig sind, mit Respekt behandelt. Und deshalb würde ich wie gesagt, immer zur ersten Methode raten.

Easter Eggs und Anspielungen in meinen Büchern

Amna Zabini fragte heute danach auf Twitter und das hat mich zu diesem Blogbeitrag angeregt, weil ich Easter Eggs liebe und immer gern welche in meinen Geschichten unterbringe, wenn es denn passt. In manchen Fällen sind es deutlich mehr als nur Anspielungen.

Meine Kurzgeschichte „Mein Regenbogenschirm“ dreht sich direkt um diesen Auftritt von Tom Holland bei Lip Sync Battle, aus Sicht einer genderqueeren Person:

Mein Roman „Love & Crime 101“ wurde stark inspiriert durch ein Interview mit Daisy Ridley, John Boyega und Oscar Isaac. Deshalb habe ich ein kurzes „Making of“-Video gemacht, in dem ich erkläre, wie es dazu kam. Mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Buch:

In den Romanen „Die Rolle seines Lebens“ und „An seiner Seite“ spiele ich an auf dieses Video, in dem ein schwarzer Hund als Metapher für Depressionen verwendet wird:

Im Steampunk-Abenteuer-Roman „Der Stern des Seth“ sagt der Wissenschaftler Frederick MacAlistair gern: „Ich bin Wissenschaftler, kein Abenteurer!“ Das ist natürlich eine Anspielung auf diverse Zitate von Dr. McCoy und weiteren Leuten in Star Trek, die gern betonen, „Ich bin Arzt und kein …“

In „Berlingtons Geisterjäger 2 – Mördernächte“ gibt es eine Anspielung auf einen berühmten Doctor aus der Popkultur. Könnt ihr erraten, um wen es geht?

Und noch mehr zu diesem Roman: Darin gibt es True Crime in einem phantastischen Gewand – darin habe ich meine eigene Theorie entwickelt, wer der Mörder Jack the Ripper war. Ich habe dafür sehr viel zu den entsprechenden Morden recherchiert. Davon erzählt auch das Vorwort:

Ich liebe Shakespeare und habe in der historischen Novelle „Sein wahres Selbst“, die in seiner Ära spielt, mehrere Zitate aus seinen Werken, aus „Hamlet“ und „Wie es euch gefällt“. Auch der Titel ist eine Anspielung auf ein Zitat.


In mehreren meiner Romane tauchen reale historische Persönlichkeiten als Nebenfiguren oder per Cameo auf, z.B. der viktorianische Schauspieler und Theaterintendant Herbert Beerbohm-Tree, in „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Theatergeist“

Herbert Beerbohm-Tree in der Rolle des Hamlets, zeitgenössische Abbildung

In „Die mysteriösen Fälle der Miss Murray: Kunstraub in Kensington“ ermittelt Miss Murray im Kunstmilieu und trifft auf einer Feier unter anderem Oscar Wilde, dem ich bei diesem Anlass ein Zitat von ihm selbst in den Mund lege.

Oscar Wilde, zeitgenössische Abbildung von 1882

In „Berlingtons Geisterjäger 3 – Die Türme von London“ haben die Geisterjäger und die magisch Begabten Londons eine Audienz bei Königin Victoria … and she is not amused.

Königin Victoria, Abbildung von Alexander Bassano, 1882

Es gibt noch weitere Anspielungen und Referenzen in meinen Büchern, aber ich belasse es nun hierbei.

Was darf ich denn überhaupt noch schreiben?

Foto: Pixabay

Diese und ähnliche Aussagen machen gerade mal wieder die Runde in den Autor_innenbubbles in Social Media, zum Beispiel auch „Ich traue mich gar nicht mehr zu schreiben…“

Im Grunde ist es ganz einfach: Die Kunst ist frei, dazu zählt auch die Literatur. Hier übrigens das entsprechende Gesetz in Deutschland. Du darfst über (fast) alles schreiben. Es gibt einige Grenzen dabei, z.B. können volksverhetzende Texte strafrechtlich verfolgt werden. Deshalb das „fast“.

Mit der Freiheit, über alles schreiben zu können, geht aber auch eine Verantwortung einher.
Du bist für das, was du schreibst, verantwortlich. Diese Verantwortung kannst du auch nicht an ein Lektorat oder einen Verlag abwälzen. Du musst außerdem immer damit rechnen, dass dein Text, dass deine Geschichte auf Kritik stößt – nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich. Wer damit nicht umgehen kann, sollte sich stark überlegen, ob das Veröffentlichen von Geschichten das Richtige für einen ist.

Wir leben nicht mehr in einer Welt, in der Kritik an Belletristik allein in den Zeitungsspalten, z.B. in einem Feuilleton, in Literaturmagazinen, oder in literarischen TV-Sendungen zu finden ist. Jede Person, die Zugang zum Internet und Social Media hat, kann ihre Meinung zu einem Buch oder einer Kurzgeschichte kundtun. Entsprechend gibt es auch generell mehr Kritik (und sei es lediglich eine reine Sterne-Bewertung bei Amazon).

Marginalisierte Menschen hat es schon immer gegeben, aber erst seit dem Aufkommen der Social Media sind ihre Stimmen weithin hörbar. Aus diesen Stimmen spricht oft eine Menge Wut, Ärger, Traurigkeit, Verzweiflung oder Frustration. Und ja, das kann sich auch auf eine schlechte, unrealistische oder destruktive Repräsentation ihrer marginalisierten Gruppe in fiktiven Werken beziehen. Manche von ihnen outcallen solche Werke, oft laut und verärgert.

Viele Menschen, die privilegierter sind, verstehen das oft nicht und dazu zählen oft auch Autor_innen. Einige von ihnen fangen dann in Diskussionen mit Tone Policing an (1) oder wehren kategorisch alle Kritik ab, fühlen sich persönlich angegriffen und sind nicht zu einem Dialog bereit. Sie fragen sich dann, woher kommt all diese Wut oder andere als negativ gesehene Reaktionen marginalisierter Menschen? Diese Frage kommt meistens dann auf, wenn sie keine entsprechenden Diskriminierungserfahrungen selbst erlebt haben und sich nicht vorstellen können, wie sehr betroffene Menschen unter solchen Erfahrungen leiden. (2)

Was heißt das nun? Wer über sensible Themen, über marginalisierte Menschen oder über gesellschaftskritische Themen (wie Rassismus, Sexismus, Misogynie, Queerfeindlichkeit, Transfeindlichkeit, Antisemitismus, Ableismus, Saneismus, Klassismus oder noch andere Formen von Diskriminierung) schreiben möchte, der tut gut daran, gründlich zu recherchieren und mit Menschen zu sprechen, die davon betroffen sind. Idealerweise sollte man sich entsprechend erfahrene Sensitivity Reader suchen.

Ich wiederhole es noch einmal. Du darfst (fast) alles schreiben. Hier ein persönliches Beispiel.
Ich habe vor kurzem eine Kurzgeschichte geschrieben, in der BDSM eine wichtige Rolle spielt. Aus meiner Sicht ist das ein Diversitätsthema. (3) Ich kenne Menschen, die in der BDSM-Community aktiv sind, bin selbst aber kein Teil dieser Community. In dieser Kurzgeschichte gibt es einen Teil der Handlung, der mit dem Thema BDSM direkt verbunden ist und den ich schwierig fand. Im Sinne von, ist das problematisch? Aber ich konnte nicht genau den Finger darauf legen, ob oder wie das problematisch sein könnte. Vor kurzem habe ich ein sehr ausführliches Feedback von meiner Sensitivity Reader-Person erhalten, die mir in deutlichen Einzelheiten erklärt hat, warum diese Sache in der Kurzgeschichte in der Tat problematisch und ein No-Go ist. Bald werde ich das alles überarbeiten und alle ihre Vorschläge dabei berücksichtigen.

Mit diesem Beispiel möchte ich gern zeigen: Du kannst erst einmal wirklich frei heraus schreiben, was du möchtest. Und es danach am besten von entsprechend erfahrenen Personen auf sensible Themen hin überprüfen lassen, wenn du über solche Themen schreibst.

Eine weitere Möglichkeit ist es natürlich, mit betroffenen Personen schon vorab deine Plotidee durchzusprechen, um herauszufinden, ob es darin etwas Problematisches gibt. In manchen Fällen wird das bereits beim Plot an sich deutlich, z.B. destruktive Tropes wie „Bury your gays“ (4), in anderen Fällen erst im Verlauf der individuellen Ausarbeitung, also erst nach dem Schreiben.

Zensur?

Ich habe mehr als einmal das Vorurteil gehört, Sensivity Reader würden Texte zensieren. Das stimmt nicht. Ich habe nun mehrfach Erfahrungen mit Sensitivity Readern sammeln dürfen und auch selbst schon mehrere Sensitivity Readings durchgeführt. Sensitivity Reader machen Verbesserungsvorschläge. Sie schreiben nicht vor, wie man seinen Text zu gestalten hat. Wie Autor*innen oder Verlage diese Vorschläge umsetzen, bleibt diesen überlassen.

Wenn du keine Lust oder keine Kapazitäten hast, sensible Themen zu recherchieren, mit Betroffenen zu sprechen, dir Sensitivity Reader zu suchen – dann überlege dir am besten, worüber du schreiben kannst und möchtest, in dem all das nicht notwendig ist.

Wenn du gern mit mehr Diversität schreiben möchtest und Tipps für den Anfang suchst, schau gern mal auf diese Linksammlung, da findest du viele Anregungen.

Fußnoten:

(1) Ein Artikel über Tone Policing:
https://feminismus-oder-schlaegerei.de/2019/02/09/tone-policing-lasst-mich-verdammt-noch-mal-wuetend-sein/

(2) Hier dazu ein weiterführender Blogbeitrag von mir:
Die Welt ist gemein zu marginalisierten Menschen

(3) BDSM wird noch heute pathologisiert und oftmals in Medien der Popkultur verfälscht dargestellt.

(4) Einen lesenswerten Beitrag zu diesem Trope hat Elea Brandt geschrieben:
https://eleabrandt.de/2020/12/09/dont-bury-your-gays/