Lesezeit: ca. 3 Minuten Manchmal frage ich mich, warum bin ich eigentlich in der Unterhaltungsbranche? Warum mache ich nicht was Sinnvolleres? Angesichts der vielen Krisen? Klimakrise. Regierungskrise. Kriege und noch so vieles mehr, das ich täglich im Doomscrolling sehe. Und das hat mich ins Grübeln gebracht. Es heißt ja immer, man soll sich engagieren. Aber ich persönlich habe aus gesundheitlichen Gründen nicht die Löffel dafür, zu demonstrieren, in eine Partei einzutreten, ein Ehrenamt zu bestreiten oder oder oder. Seit der Pandemie meide ich auch jegliche Großveranstaltung und schlage 365 Tage im Jahr mit FFP2-Maske überall in Innenräumen auf. So ist das Leben als Risikopatientin.
Stattdessen mache ich das, was manchmal abfällig als Sessel-Aktivismus (englisch: armchair activism) bezeichnet wird. Ich unterschreibe fast täglich Petitionen oder Appelle und teile diese oft. Für den Umweltschutz. Fürs Klima. Gegen die AfD. Und noch vieles mehr, auch hier, bei den Petitionen für den Bundestag: https://epetitionen.bundestag.de/epet/startseite.html Ich schreibe gelegentlich Abgeordnete an, bei https://www.abgeordnetenwatch.de/
Was die Literatur betrifft … Menschen haben sich schon immer Geschichten erzählt. Der Schauspieler Alan Rickman hat einmal gesagt: „Es ist ein menschliches Bedürfnis, Geschichten erzählt zu bekommen. Je mehr wir von Idioten regiert werden und keine Kontrolle über unser Schicksal haben, desto mehr müssen wir uns Geschichten darüber erzählen, wer wir sind, warum wir sind, woher wir kommen, und was möglich sein könnte.“
Wir brauchen Geschichten. Über uns selbst. Über andere. Über die menschliche Existenz. Geschichten erzählen, das ist wie so vieles andere politisch, denn es bildet ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ab, sogar in der Phantastik (1). Bzw. viele Geschichten halten unserer Gesellschaft einen kritischen Spiegel vor.
Und wir brauchen auch all die anderen Kunstrichtungen. Kunst ist etwas, dass das Leben reflektiert. Für viele Menschen ist Kunst auch etwas, womit ihr Leben erträglicher wird. Deshalb schreibe ich mittlerweile größtenteils Wohlfühl-Eskapismus – wholesome und cozy. Zur Entspannung und zum Abschalten vom Alltag. Denn die Realität ist hart genug.
Aber natürlich gibt es auch ganz andere Belletristik, die den Finger in die Wunde legt und zeigt, wo es weh tut. Die auf schmerzhafte Weise aufzeigt, was alles schief läuft in unserer Welt. Oder wie Kafka es ausgedrückt hat: „„Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“
Aus meiner Sicht ist beides wichtig: Kunst zum Entspannen und Kunst, die aufrüttelt.
In der Maslowschen Bedürfnispyramide steht Kunst vielleicht nicht unten an der Basis bei den Grundbedürfnissen, aber sie ist auf jeden Fall ein wichtiger Teil der Kultur. Sie ist mit Sicherheit bei den Individualbedürfnissen zu finden und kann der Selbstverwirklichung dienen.
T. Thorn Coyle hat einen lesenswerten Essay geschrieben: „Flinging Joy in the Face of Oppression: On Fighting Tyranny at Every Turn“. Darin heißt es am Ende: „To fight tyranny is, to quote Emma Goldman, to insist upon “freedom, the right to self-expression, everybody’s right to beautiful, radiant things.““ – Übersetzung: „Die Tyrannei zu bekämpfen bedeutet, um Emma Goldman zu zitieren, auf Folgendes zu bestehen: Freiheit, das Recht auf Selbstausdruck, das Recht einer jeden Person auf wundervolle, strahlende Dinge.“(2)
In diesem Sinne: Auch in schweren Zeiten haben wir nicht nur das Recht auf Leben und Freiheit, sondern auch auf Kunst. Wir haben ein Recht auf wundervolle, strahlende Dinge. Macht bitte weiter mit eurer Kunst. Wir brauchen sie. Sonst haben wir irgendwann nur noch KI-generierte, seelenlose „Kunst“ (3), die nicht von Menschen, sondern Maschinen erschaffen wurde.
Inhaltswarnung: Satanic Panic, kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen (alles nur erwähnt, keine expliziten Schilderungen)
Lesezeit: ca. 6 Minuten
Ich befasse mich seit mehreren Jahren mit Paganismus und Hexenkunst und möchte gern ein wenig aufklären und Vorurteile abbauen. Oft werden moderne Hexen nicht ernst genommen oder belächelt, es wird sich über sie lustig gemacht. Manche Leute, die keine Ahnung von modernen Hexen haben, behaupten, dass es Hexen und Magie ja nur in der Phantastik oder in Märchen, Mythen, Sagen gäbe.
Ich möchte gern vorwegschicken, dass ich mich in diesem Blogbeitrag mit Hexen in westlichen Gesellschaften und Ländern beschäftige. Wenn ich hier von „Hexen“ schreibe, meine ich das völlig genderneutral: Es gibt auch trans, nichtbinäre, genderqueere und männliche Hexen.
Fangen wir an mit Wicca.
Das ist eine eigenständige Religion, die von Gerald Gardner und weiteren Mitstreiter*innen ab den 1940ern in England gegründet wurde. Hexenkunst spielt darin eine wichtige Rolle, ein weiterer Fokus liegt außerdem auf einem paganen Gott und einer Göttin. Entgegen mancher Aussagen basiert diese Religion aber nicht auf einer jahrhundertealten überlieferten Hexentradition, stattdessen gibt es viele Einflüsse aus unterschiedlichen historischen magischen Systemen. Mittlerweile gibt es im Wicca viele verschiedene Strömungen/Traditionen, z.B. Gardnerian Wicca, Alexandrian Wicca, Traditional British Wicca und noch weitere.
Wer Wicca lernen möchte, muss sich auf eine lange Lehrzeit einstellen und eine Initiation, traditionellerweise in einem Coven (Hexenzirkel). Dabei wird auch vieles nach außen hin streng geheim gehalten. Es gibt im Wicca keine übergeordnete Autorität, wie z.B. den Papst im Katholizismus. Stattdessen gibt es zahlreiche kleinere Gruppierungen, bis hin zu den genannten Covens, viele davon haben Hohepriester*innen. Wicca ist eine sogenannte geschlossene Tradition: Nur Eingeweihte, also Leute, die eine entsprechende Initiation durchlaufen haben, dürfen sich als Wicca bezeichnen.
Es gibt allerdings viele Einflüsse aus dem Wicca, die auch auf andere Hexen einen Einfluss hatten oder haben, z.B. der Jahreskreis (englisch „Wheel of the Year“) mit seinen acht Festen. Aber, und das ist wichtig: Nicht jede Hexe ist eine Wicca. Und nicht jede Hexe strebt es an, eine Wicca zu werden.
Hexen und magisch Praktizierende sind vielfältig.
Es gibt pagane Hexen, atheistische und agnostische (ja, wirklich) und Folk-Hexen, englisch „folk witches“. Das sind Leute, die sich mit folkloristischen Überlieferungen beschäftigen und diese in ihren magischen Aktivitäten verwenden. Es gibt monotheistische und polytheistische Hexen. Es gibt auch christliche Hexen (ja, wirklich). In anderen Ländern und Kulturen gibt es weitere magisch Praktizierende, z.B. die lateinamerikanischen Brujas. Viele magische Traditionen sind geschlossen, wie das haitianische Vodou. Außenstehende haben dort keinen Zutritt und da besteht auch schnell die Gefahr kultureller Aneignung. Das sollte respektiert werden. Entsprechend habe ich wenig Kenntnis über geschlossene magische Kulturen/Traditionen. Einige Leute, die Magie praktizieren, lehnen den Begriff Hexe für sich übrigens ab und bezeichnen sich anders. Auch das sollte respektiert werden.
Und was ist mit New-Age-Esoterik?
Die meisten Hexen, die ich kenne, sind bodenständig, sie vertrauen auf evidenzbasierte Medizin, schätzen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften und anderer Wissenschaften. Entsprechend lehnen sie New-Age-Esoterik ganz oder größtenteils ab, denn darin werden beispielsweise esoterische Heilversprechen gemacht, mit zweifelhaften oder sehr schädlichen „Heil“-Methoden. Und, ihr könnt es euch schon denken, solche Heilversprechen sind brandgefährlich. (Es gibt Berichte über Menschen mit potentiell tödlichen Erkrankungen wie Krebs, die sich auf solche Heilversprechen eingelassen haben, evidenzbasierte Behandlungsmethoden ablehnten und daraufhin gestorben sind.) Es gibt sicherlich auch Hexen, die sich mit New-Age-Esoterik befassen, aber es ist ein Vorurteil, dass alle Hexen das befürworten.
Ist Hexenkunst eine Religion?
Das kommt darauf an, wen man fragt. Einige Leute bezeichnen es als Religion oder als den „Hexenglauben“, für andere ist es eine spirituelle bzw. magische Praxis. Da es keine übergeordneten Authoritäten und viele verschiedene Traditionen und Strömungen gibt, gibt es dazu keine allgemeingültige Aussage (vergleiche bei Interesse das von mir unten verlinkte englischsprachige YouTube Video mit Ivy Corvus und Thorn Mooney, in dem diese Frage diskutiert wird).
Magie und Wissenschaft, ist das nicht ein Widerspruch?
Skeptiker*innen lehnen gern alles ab, was nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Oft sind sie auch Atheist*innen. Der britische Physiker und Science-Fiction Autor Arthur C. Clarke hat einmal gesagt: „Magie ist nur eine Wissenschaft, die wir noch nicht verstehen.“
Natürlich ist Hexen und magisch Praktizierenden klar, dass sie mit Magie nicht die Naturgesetze aushebeln können. Teleportation? Telekinese? Fliegen ohne ein Fluggerät – und nein, ich meine keinen Besen? Das ist den Hexen und Magier*innen in der Phantastik, in der Fiktion, vorbehalten.
Stattdessen heißt es unter magisch Praktizierenden gern, dass Magie dem Weg des geringsten Widerstandes folgt. Entsprechend kann eine Hexe oder magisch praktizierende Person die Magie gewissermaßen in eine erwünschte Richtung schubsen, aber es gibt keine Garantie, dass sie so wirkt, wie gewünscht.
Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, Hexe Anne aus Berlin ist in Celebrity Jordan aus USA verknallt und möchte mit dieser Person zusammenkommen. Anne wirkt einen Liebeszauber.
Aber Magie folgt, wie gesagt, dem Weg des geringsten Widerstandes. Und bei diesem Liebeszauber steht einfach viel zu viel im Weg: Celebrity Jordan wohnt auf einem anderen Kontinent, ist glücklich verheiratet, kennt Anne nicht, sie hatten noch nie Kontakt und Anne hat auch keine Möglichkeit, Celebrity Jordan zu kontaktieren. Außerdem hat Anne kein Geld für ein Flugticket in die USA. Und für Celebrity Jordan wäre Anne bestenfalls ein Fan, nicht mehr. Da wird auch der beste Zauberspruch nicht das gewünschte Ergebnis bringen.
Nun ein anderes Beispiel: Felix möchte einen bestimmten Job haben, also macht er einen Erfolgszauber. Außerdem bereitet er sich so gut wie möglich vor: sein Bewerbungsschreiben ist super, er zieht sich entsprechend passend zum Anlass an und ist pünktlich, als er beim Bewerbungsgespräch erscheint. Außerdem hat er sich überlegt, was er sagen wird und mit einem Verwandten Bewerbungsgespräche geübt. Eine Woche später erhält Felix die Zusage für den Job.
Nun werden Skeptiker*innen sicherlich einwenden, den Job hätte Felix in jedem Fall erhalten, weil er sich doch so gut vorbereitet hat, auch abseits dieses Zaubers. Aber wer weiß … vielleicht ist die Magie hier ein zusätzlicher Funke gewesen, der das erwünschte Feuerwerk mit entfacht hat.
Es ist wie mit dem Glauben in einer Religion: So wie die Existenz einer Gottheit nicht wissenschaftlich beweisbar ist, so ist auch die Existenz von Magie nicht beweisbar. Die Nicht-Existenz von Gottheiten oder Magie ist aber ebenfalls nicht beweisbar.
Allein oder in einem Hexenkreis?
Auch hier gibt es eine große Vielfalt: Manche Hexen schließen sich zu einem Coven/Hexenkreis zusammen, andere wirken allein Magie („freifliegende Hexe“, englisch: „solitary witch“) oder in losen Gruppierungen, manche Hexen organisieren Hexenstammtische oder Veranstaltungen in Hexenläden, bis hin zu größeren Events, letztere vor allem in UK und USA. Ob es in anderen Ländern auch größere Events gibt, entzieht sich meiner Kenntnis, u.a. aufgrund der Sprachbarrieren.
Was ist magischer Aktivismus? (1)
Das ist mir vor allem aus dem englischsprachigen Raum bekannt. Manche Aktivist*innen für Social Justice, Climate Justice oder andere Aktivismus-Themen (z.B. die bekannte amerikanische Hexe Starhawk) verstärken ihre weltlichen aktivistischen Aktivitäten mit Magie. Teilweise kann das auch die betreffende Community moralisch stärken, durch gemeinsame Zusammenkünfte, Rituale und anderes. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Magischer Aktivismus kann niemals weltlichen Aktivismus ersetzen, sondern wird lediglich ergänzend eingesetzt.
Kommen wir zu zwei Vorurteilen.
Nein, Hexen sind nicht automatisch Satanist*innen.
Es gibt aber auch satanische Hexen. Bitte unbedingt beachten: Satanismus ist in der Regel nicht das, wie er in der Satanic Panic der 1990er reißerisch dargestellt wurde. (kriminelle, mörderische Aktivitäten wie Tieropfer, Vergewaltigungen, düstere Messen …) (2) Siehe Fußnoten am Ende.
Hexen betreiben nicht automatisch schwarze (destruktive) Magie.
Unter Hexen gibt es eine große Vielfalt an ethischen Grundsätzen. Im Wicca beispielsweise das Threefold Law: Was du aussendest, kehrt dreifach zu dir zurück. Oder auch: Tue was du willst, aber schade niemandem.
Je nach Tradition oder eigener Ethik überlegen sich Hexen, ob sie destruktive Magie anwenden wollen oder nicht. Manche Hexen lehnen es übrigens auch vollständig ab, andere Menschen als sich selbst mit Magie zu beeinflussen.
Es gibt häufig die Bezeichnungen „weiße“ (positive, konstruktive), „schwarze“ (negative, destruktive) Magie, aber auch „graue“ (wortwörtlich eine Grauzone). Im englischsprachigen Raum lehnen manche Hexen diese Farbbezeichnungen ab, da sie als rassistisch betrachtet werden können (im Sinne von weiß = gut, schwarz = schlecht). Ich spreche mittlerweile auch lieber von konstruktiver oder destruktiver oder Schadensmagie, oder einer Grauzone.
Es gibt Hexen, die destruktive Magie (Bannzauber, Bindezauber, Flüche …) gegen Menschen einsetzen, die anderen schaden, z.B. Vergewaltiger, Serienmörder oder anderweitig Kriminelle. Es gibt sicherlich auch moralisch graue Hexen, die auch bei eher kleineren Konflikten und Problemen sofort zu destruktiver Magie greifen, aber das sind wohl eher Ausnahmen.
Ihr möchtet gern Belletristik mit modernen Hexen lesen?
Diese englischsprachige Buchreihe von T. Thorn Coyle kann ich sehr empfehlen: „The Witches of Portland“. Darin geht es nicht nur um moderne Hexen, wie sie Magie erleben und praktizieren, sondern auch um mehrere aktivistische Themen (unter anderem Kampf gegen Korruption und White Supremacists). Die Buchreihe enthält außerdem viel Diversität, auch was die magischen Traditionen betrifft. T. Thorn Coyle praktiziert selbst Magie, they ist aktivistisch tätig und das merkt man auch their Buchreihe an. https://www.thorncoyle.com/series/the-witches-of-portland
Wie wäre es mit modernen Hexen in Hamburg? Mehr über meine Buchreihe gibt es hier: Hexen in Hamburg
Fußnoten:
(1) auf Englisch z.B. bezeichnet als „magical activism“ oder „Resistance Magick“
Bitte beachten: Ich habe diese drei Bücher (noch) nicht gelesen, sie wurden mir aber empfohlen.
Die Wicca-Hohepriesterin Thorn Mooney, die einen PhD in Religionswissenschaften hat, hat ein Buch über Hexen für Außenstehende geschrieben, „Witches Among Us“.
„The Triumph of the Moon“ von dem englischen Historiker Ronald Hutton, über die Geschichte und Entwicklung verschiedener Hexenströmungen, von Wicca über feministische Hexerei und Göttinnenspiritualität über Traditional Witchcraft bis hin zu freifliegenden Hexen.
Ebenfalls von Ronald Hutton: „The Witch: A History of Fear, from Ancient Times to the Present“. Ein ausführliches Buch über die Geschichte magisch Praktizierender aus zahlreichen Kulturen, von der Antike bis heute, die historische Hexenverfolgung und noch mehr.
Und auf Youtube …
Sehenswertes Video (auf Englisch) mit Ivy Corvus und Thorn Mooney „What It Means To Be A Witch: The Rise of Witchcraft, The „Witch“ Label, Religion & MORE“
Diese Methode habe ich vor über 25 Jahren im Rahmen einer Psychotherapie kennengelernt und ich wende sie immer noch gern an.
Anleitung Innere Helfer*innen
Überlege dir ein Wesen, das du als hilfreich oder hilfsbereit betrachten kannst und dem du vertraust. Das kann Folgendes sein: – Eine fiktive Figur aus der Popkultur (ja, auch deine Lieblingsfigur aus einem Buch, Film, Serie, Comic, Game …, wenn du möchtest) – Ein Wesen aus einem Märchen, der Folklore oder Mythologie (z.B. eine gute Fee) – Eine spirituelle Entität (z.B. ein Schutzengel) – Ein Tier oder Fabelwesen (ein Drache, Einhorn …) – oder ein anderes Wesen
Lege oder setze dich für mehrere Minuten an einen Ort, an dem du ungestört bist. Schließe deine Augen. Mach eine Traumreise, in der du diesem Wesen begegnest, in einer von dir gewählten imaginären, angenehmen und sicheren Umgebung, z.B. ein Wald, eine sommerliche Blumenwiese, ein Garten, ein tropischer Strand, eine Höhle, ein Haus, ein Leuchtturm, ein Raumschiff … der Ort kann völlig fiktiv oder real sein. Du kannst diesen Ort so sehr ausschmücken oder eher schlicht lassen, wie du magst.
Wenn du nicht gut visualisieren kannst, also keine inneren Bilder siehst (z.B. durch Aphantasia) – kein Problem. Du kannst stattdessen andere Sinne verwenden, z.B. die Stimme des Wesens hören, den Wind in den Blättern oder Wellen am Strand rauschen hören und ähnliches. Oder du erzählst dir die Traumreise selbst, wie eine Geschichte: „Ich gehe an meinen sicheren Ort, dort sieht es so aus (…) und dort begegne ich meiner inneren Helferin, diese sieht so aus …“
Beginne nun ein Gespräch mit dem hilfreichen Wesen an dem von dir gewählten Ort. Sprich mit diesem Wesen über ein Problem, das du hast. Erwarte nicht zu viel, wenn du noch keine Übung mit dieser Art von Traumreise hast. Probiere es am besten ein paar Mal aus.
Innere Helfer*innen können einem nach meiner Erfahrung andere Perspektiven zu einem Problem aufzeigen. Dabei wirst du unter Umständen auch auf das Kollektive Unbewusste zurückgreifen können. Manche Leute nennen das, was bei solchen Gesprächen zutage treten kann, auch die „innere Weisheit“ oder ähnliches, was im Trubel des Alltags oft nicht leicht abrufbar ist.
Ich wünsche dir gute Erfahrungen mit dieser Übung.
Bitte unbedingt beachten: Ich bin keine Psychotherapeutin. Ich gebe hier nur weiter, was ich selbst während einer Therapie gelernt habe. Ich kann keine Garantie geben, ob diese Übung gut für dich funktioniert. Falls du eine Neurodivergenz und/oder psychische Erkrankung hast und dich in Therapie befindest, besprich bitte mit der therapeutischen Fachkraft, ob diese Übung für dich geeignet ist. Vielleicht kann die Fachkraft auch eine entsprechende Traumreise für dich anleiten, damit du diese Methode in einem geschützten Rahmen kennenlernen kannst.
Eine persönliche Erfahrung, die vielleicht auch anderen hilft
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem inneren Helfer, während einer Traumreise, und ich fand sehr hilfreich, was er mir mitteilte.
Ich solle mir folgende Momentaufnahmen vor Augen führen:
Auch in meiner Stadt gibt es Auswirkungen des Klimawandels, aber ich bin zurzeit nicht von Hochwasser, Hitzewellen oder generell sehr zerstörerischen oder gesundheitsgefährdenden Extremwetterlagen bedroht.
Auch in meiner (Groß-)Stadt gibt es Gewalt, Mord und Totschlag, aber in meinem Land gibt es zurzeit keinen Krieg oder Bürgerkrieg.
Ich muss in meiner Wohnung und auch beim Verlassen dieser nicht um die Sicherheit meines Lebens fürchten.
Ich lebe in einem demokratischen Staat: Ich darf wählen gehen, mich politisch engagieren, bzw. auch meine politische Meinung kundtun.
Ich habe ein Dach über dem Kopf, jede Nacht einen sicheren Schlafplatz, ich habe genug Nahrung, Wasser, Haushaltsmittel, Medikamente, Strom, Heizung und das Internet.
Ich habe Zugang zu medizinischer Versorgung, öffentlichen Verkehrsmitteln, zu diverser Kultur, zu Nachrichten und Bildung.
Ich kann mich mit anderen Menschen austauschen, auch um Rat bitten oder Fragen stellen.
Ich habe Familienangehörige und einen Freundeskreis.
Mein innerer Helfer fuhr fort: „Natürlich ist es denkbar, dass sich einige oder sogar viele dieser Punkte in einigen Jahren oder Jahrzehnten negativ verändern oder nicht mehr möglich sind.“ Aber das läge in der Zukunft und ich solle mich darum kümmern, wenn es so weit ist (bzw. wo es möglich ist, präventive Maßnahmen ergreifen). Und ich solle mich zurzeit an diese Punkte erinnern, wenn ich am Verzweifeln sei oder es mir schlecht ginge. Schaut doch einmal, wenn ihr mögt, wie entsprechende Momentaufnahmen bei euch aussehen würden.
Lesezeit: ca 3 Minuten Ich sehe gern Horrorfilme und -serien, nicht nur in der Gruselsaison, Spuktober oder wie mensch es sonst gern nennen mag. Marginalisierte Menschen haben es schwer in der Welt (1) und mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass entsprechende Probleme auch sehr gern in Horrorfilmen und -serien thematisiert werden, seien es Behinderungen, Queerness, Rassismuserfahrungen, Fluchterfahrungen oder noch andere. In diesem Blogbeitrag geht es mir nicht um Geschichten, die diese Themen dramatisch und klischeebehaftet für Schockeffekte einsetzen, sondern die damit sensibel umgehen.
Hier einige der Filme/Serien, die ich in diesem Zusammenhang sehr sehenswert finde. Ich stelle sie jeweils kurz vor.
His House erzählt die Geschichte eines geflüchteten Paares aus dem Südsudan, das in England versucht sich ein neues Leben aufzubauen. Doch in dem Haus, das ihnen zugeteilt wird, passieren mysteriöse Dinge. Hier geht es zentral um das Thema Krieg, Flucht, Tod und damit verbundene Traumata. https://de.wikipedia.org/wiki/His_House
Still (Originaltitel: Hush) Eine gehörlose Horrorautorin, die Gebärdensprache spricht, muss sich gegen einen Serienkiller zur Wehr setzen. Aus meiner Sicht ein empowernder und feministischer Film von Mike Flanagan, der auch zahlreiche weitere Serien und Filme im Horrorbereich entwickelt hat. https://de.wikipedia.org/wiki/Still_(2016)
Get Out Auf Wikipedia ist zu lesen: „Der satirische Mystery-Horror-Thriller mit Comedy-Elementen basiert auf einem Originaldrehbuch des Regisseurs [Jordan Peele].“ Ein Schwarzer Amerikaner besucht mit seiner weißen Freundin deren ebenfalls weiße Eltern zum ersten Mal, doch der schöne Schein trügt … https://de.wikipedia.org/wiki/Get_Out
The Old Ways Ein Folk-Horror-Film über eine mexikanisch-amerikanische Reporterin, die auf der Suche nach einer Story über Hexerei in ihre Heimatstadt in der Nähe von Veracruz (Mexiko) zurückkehrt. Dort wird sie von einer Gruppe von Einheimischen entführt, darunter eine Bruja (eine Art Hexe), die glaubt, dass die Reporterin von einem Dämon besessen sei. In diesem Film gibt es einen starken Fokus auf Folklore, Hexenglauben und alte Traditionen. https://en.wikipedia.org/wiki/The_Old_Ways
Niemand kommt hier lebend raus (Originaltitel: No One Gets Out Alive) Ambar, eine illegale Einwanderin, zieht nach dem Tod ihrer Mutter von Mexiko nach Cleveland, Ohio. Auf der Suche nach einer Bleibe findet sie eine baufällige Pension, doch nachdem sie dort eingezogen ist, geschehen im Haus und anderswo merkwürdige Dinge mit ihr. Dieser Film thematisiert die Schwierigkeiten von Immigrant*innen. https://de.wikipedia.org/wiki/Niemand_kommt_hier_lebend_raus
In diese Serie habe ich reingeschaut, sie aber nicht zu Ende gesehen, weil ich es nicht ausgehalten habe, wie ich zugeben muss.
THEM: Covenant spielt im Jahr 1953 und handelt von einer Schwarzen Familie, die während der zweiten großen Migration von North Carolina in ein rein weißes Viertel in East Compton zieht. Das idyllische Haus der Familie verwandelt sich langsam in ein Epizentrum böser Mächte von nebenan und aus dem Jenseits, die sie heimzusuchen, zu verwüsten und zu zerstören drohen. Was hier besonders stark thematisiert wird, ist Rassismus durch die weiße Nachbarschaft. https://en.wikipedia.org/wiki/Them_(TV_series)
Den folgenden Film habe ich noch nicht gesehen, er ist aber auf meiner Wunschliste. They/Them Ein Slasher-Horrorfilm: Mehrere queere Menschen, auch eine nichtbinäre Person, kommen in ein Camp, das ihnen ihre Queerness austreiben soll (amerikanisch: Conversion Camp) … und das Ganze wird mörderisch. https://en.wikipedia.org/wiki/They/Them_(film)
2019 habe ich den Liebesroman »Orangen und Schokolade« veröffentlicht. Dieser handelt von einer dicken Protagonistin, die sich unter anderem mit dem Thema Body Positivity beschäftigt. Ganz kurz gesagt ist das folgender Ansatz: Alle Körper sind schön und liebenswert. Die dünnen, die schlanken und auch die dicken, fetten. Klingt nach einem guten, inklusiven Ansatz? Auf den ersten Blick ja.
Allerdings habe ich mal weiter nachgeforscht in letzter Zeit und unter anderem das von den USA ausgehende Fat Acceptance Movement recherchiert. Sowie Statements von einigen Fat Acceptance Aktivist*innen, z.B. in deren Videos. Und da sehe ich mittlerweile einen unguten Trend: Dicken Menschen, die versuchen, abzunehmen, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen, wird von Aktivist*innen vorgeworfen, sie würden die Bewegung verraten oder das sei dann keine Body Positivity mehr. So ist es auch einigen Prominenten ergangen, zum Beispiel der Sängerin und Songwriterin Adele. (1)
Aber Body Positivity um jeden Preis ist gefährlich, weil das unter Umständen Menschen davon abhalten kann, sich gesund zu ernähren, Fitness oder Sport zu treiben, oder allgemeiner ausgedrückt: ihren Körper zu pflegen und gesund zu erhalten – oder gesünder zu werden. Und ja, das ist dann auch oft mit Abnehmen verbunden und wer das versucht, wird von Body Positivity Verfechter*innen nicht selten verteufelt.
Ich war ca. 14 Jahre lang sehr dick. Body Positivity war für mich lange Zeit ein tröstliches, aber wenig hilfreiches Pflaster auf einer schwärenden Wunde, könnte man sagen. Denn ich habe im Laufe der Zeit mehrere gesundheitliche Probleme bekommen, die mit dem Mehrgewicht in direktem Zusammenhang standen. 2021 habe ich nach langer Suche und vielen gescheiterten Versuchen in Sachen Gewichtsreduzierung endlich eine Ernährungsform gefunden, mit der ich langfristig abnehmen kann. Seitdem habe ich auch weniger gesundheitliche Beschwerden.
Gegenentwurf zur Body Positivity: Body Neutrality (Körper-Neutralität).
Dieser Ansatz geht weg von »Alle Körper sind schön« und hat stattdessen eine neutralere Haltung gegenüber Körpern, die sich nicht auf Aussehen und Schönheit fokussiert. Body Neutrality führt weg vom Selbsthass auf den eigenen Körper (internalisiertes Bodyshaming). Aber ohne den Druck zu erzeugen, den eigenen Körper lieben oder schön finden zu müssen. Stattdessen geht es um Respekt dem Körper gegenüber und man kann sich auch daran erfreuen, wie er funktioniert.
Ein Beispiel aus einem Cartoon: »Ich mag meine Beine (nicht wegen ihres Aussehens), weil ich mich ihnen gut laufen kann.« Man könnte auch sagen, es geht dabei eher um die Gesundheit des eigenen Körpers, als um dessen Schönheit. Darüber hinaus ist es bei der Body Neutrality auch völlig in Ordnung, wenn man sich hin und wieder nicht attraktiv fühlt, sondern eben eher neutrale oder auch mal schlechte Gefühle dem eigenen Körper gegenüber hat. Es wird damit also viel weniger innerer Druck erzeugt.
Ich kann mittlerweile mit Body Neutrality wesentlich mehr anfangen als mit Body Positivity. Das spiegelt sich in jenem oben erwähnten Roman von 2019 nicht wider. Falls ich dieses Thema in späteren Geschichten wieder aufgreife, gehe ich aber mit Sicherheit anders daran als damals.
Megan Anne, eine englischsprachige YouTuberin, die sich häufig auf reflektierte Weise mit Kritik am Fat Acceptance Movement befasst: https://www.youtube.com/@heylookitsmegananne
Der Verlag Ohne Ohren feiert den Disability Pride Month und gibt einen ersten Satz vor. Und ich schreibe nun etwas dazu, circa in der Länge einer Instagram-Caption:
„Wir sehen uns, wenn du genug Löffel hast.“ Da war er. Der Satz, den ich befürchtet hatte. Nachdem ich meinem Freundeskreis, meiner Familie und Bekannten die Löffeltheorie erklärt hatte, sprachen sie mittlerweile öfter von „meinen Löffeln“ und fragten, wie es darum bestellt sei. Und nun hatte ich das Treffen mit zwei Freundinnen absagen müssen. Eigentlich hatten wir uns in einem schicken Büchercafé treffen wollen, das hatte wir schon vor drei Wochen geplant, pünktlich zu dessen Neueröffnung. Aber meine Mental Health wollte da nicht mitmachen. Diese verdammten sozialen Ängste. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich mich kaum traute, das Haus zu verlassen. Der Gang zum Briefkasten war schon das höchste der Gefühle, aber selbst da betete ich im Stillen, dass mir keine Nachbarn über den Weg liefen.
„Es tut mir leid“, textete ich. „Kein Problem“, kam Stefanies Antwort kurz darauf. „Ich treffe mich dann allein mit Caro. Ich schick dir Fotos vom Café. Und von unserem Essen.“ Ein Zwinkersmiley folgte. Und prompt bekam ich FOMO. Fear of Missing Out. Ich war sauer. Enttäuscht. Nicht so sehr von Stefanie und Caro, sondern mir selbst gegenüber. Ich machte eine Therapie, aber auch die konnten die Sozialphobie nur lindern, nicht völlig heilen.
Eine halbe Stunde später begann es draußen zu donnern und starker Regen setzte ein. Das Café hatte auch draußen Plätze, aber daran war bei diesem Wetter nicht zu denken. Blitze erhellten mein Wohnzimmer und die Regentropfen prasselten unermüdlich gegen die Scheiben. Meine FOMO wanderte gelangweilt zur Tür hinaus. Mit einem Mal war ich ganz froh, dass ich zu Hause geblieben war. Klar, wieder eins zu null für die Sozialphobie. Andererseits wäre ich wohl selbst mit Regenjacke oder Schirm ziemlich nass geworden auf dem Weg zum Café. Ich kuschelte mich in die weiche Decke auf dem Sofa und griff nach einem spannenden Roman, den ich endlich zu Ende lesen wollte. Das war wohl ein Fall von „Joy of Missing out“…
Polyamorie setzt sich zusammen aus altgriechisch polýs („viel, mehrere“) und amor (lateinisch: „Liebe“) und bezeichnet Beziehungen, in denen Personen mit mehr als einer Person eine Beziehung eingehen – mit dem ausdrücklichen Einverständnis und Wissen aller beteiligten Personen.
Diese Beziehungen können sehr vielseitig sein, sie können romantisch, queerplatonisch, und/oder sexuell sein, Kinks beinhalten oder noch andere Aspekte haben. Es kann dabei Hierarchien geben, oder auch nicht. Nicht jede der Beteiligten Personen muss dabei zwingend mit allen anderen verbandelt sein.
Compersion oder Frubble „Mitfreude“ – wenn man sich freut, dass die Partnerperson erfüllende romantische, sexuelle, sonstige innige Beziehungen mit anderen Menschen hat. Das Gegenstück dazu wäre Eifersucht.
Kommunikation Warum liste ich das hier auf? Idealerweise ist es in polyamoren Beziehungen so, dass alle Beteiligten offen und ehrlich miteinander kommunizieren, was die Beziehungen und ein Zusammenleben betrifft, z.B. Wünsche, Bedürfnisse, mögliche Kompromisse, eigene Grenzen, Organisation von Terminen und noch vieles mehr. Natürlich ist solch eine Form der Kommunikation nicht auf polyamore Beziehungen beschränkt, idealerweise sollte sie in jeder Art von Beziehung stattfinden.
Mononormativ: Die Annahme, dass es normal und wünschenswert sei, dass eine Person ausschließlich mit einer einzelnen anderen Person eine innige Beziehung eingeht.
Metamour: Bezeichnet eine Person A, die mit der eigenen Partnerperson B eine Beziehung hat, aber man selbst hat mit Person A keine Beziehung. Das schließt übrigens nicht aus, dass eine Person sich mit der Metamour anfreundet (siehe auch V-Beziehung)
Polyam Abkürzung für polyamorös oder Polyamorie. Sie wird von manchen Leuten im englischsprachigen Raum bevorzugt, da „Poly“ auch eine Abkürzung für „polynesisch“ ist, also ein regionaler Ausdruck.
Polykül (englisch: Polycule) Polyamores Beziehungsgeflecht. Diese können individuell sehr unterschiedlich aussehen und die Anzahl der beteiligten Person ist dabei nicht auf drei begrenzt, sondern kann noch mehr Personen einschließen.
V-Beziehung In einer V-Beziehung hat eine Person zwei verschiedene Beziehungen, aber die anderen zwei Personen haben miteinander keine Beziehung – im Gegensatz zu einer echten Dreiecksbeziehung, in der alle drei Personen miteinander Beziehungen haben.
Ich habe es schon öfter erwähnt: In diesem Zusammenhang müssen wir auch mal über (mononormative) Liebesdreiecke in der Fiktion sprechen. Die enden meistens unglücklich: Eine Person fühlt sich gedrängt, sich zwischen zwei Personen zu entscheiden, obwohl sie beide liebt oder sehr anziehend findet. Und meistens denkt niemand von ihnen zumindest mal ansatzweise über alternative Beziehungsformen nach.
Leute, die immer noch durchgehend und in jedem Kontext das generische Maskulinum verwenden, sagen gern, alle andere Gender bzw. Geschlechter und auch geschlechtslose Menschen seien mitgemeint. Dieses Argument habe ich schon vor drei Jahrzehnten im Schulunterricht gehört. Jahrzehntelang hat sich kaum jemand darüber beschwert, aber mittlerweile sieht das anders aus.
Wenn heutzutage Frauen, trans Menschen, agender Menschen, nichtbinäre Menschen oder trans/nichtbinäre Menschen erklären: „Ich fühle mich beim generischen Maskulinum aber nicht mitgemeint“, kommt oft wieder nur das Scheinargument: „Aber ihr seid doch mitgemeint!“
Warum ist das ein Scheinargument? Schauen wir uns mal Absichten und Effekte an. Hier einige Beispiele: Wenn jemand ihrer Tanzpartnerin beim Tanzen auf den Fuß tritt, mag das unabsichtlich geschehen sein, aber es wird der Partnerin dennoch weh tun. Macht ein Mensch eine abwertende Bemerkung gegenüber einer marginalisierten Person, mag das nicht in dessen Absicht gelegen haben, aber es wird sie dennoch verletzen. Oder noch krassere Beispiele: Fährt eine Autofahrerin einen Fußgänger an, mag auch das nicht ihre Absicht gewesen sein, aber der Fußgänger ist nun entweder tot oder verletzt. Verwendet ein weißer Geschichtsprofessor das N-Wort und schreibt es sogar aus, mag er das vielleicht damit begründen, dass er es nur in einem historischem Kontext verwende. Aber es wird eine Schwarze Person dennoch verletzen.
Was ich mit diesen Beispielen aufzeigen möchte: Auch ohne eine destruktive Absicht kann eine ganze Menge Mist passieren. Oder es ist so, dass eine Absicht zwar nobel sein mag, wie das „ihr seid doch mitgemeint“. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie den gewünschten Effekt bei den Empfänger*innen hat. Wie heißt es so treffend? Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.
Und wer sich nicht mit Gendersternchen, dem Unterstrich oder anderen Sonderzeichen anfreunden mag, man kann oft auch ohne solche Zeichen entgendern, mit genderneutralen Begriffen. Anregungen dazu bietet z.B. dieses Wörterbuch: https://geschicktgendern.de
Ich hatte vier Jahre lang einen Buchblog und habe regelmäßig Rezensionen geschrieben. Ich schreibe auch heute noch welche, aber nicht mehr zu jedem Buch, das ich lese. Bzw. manchmal beschränke ich mich auf eine Kurzmeinung.
Natürlich kann jede Person so Rezensionen schreiben, wie sie kann und möchte. Ich nenne hier einige allgemeine Tipps, vielleicht inspiriert euch das ja.
Inhaltsangaben? Ziemlich viele Buchblogger*innen oder andere Rezensent*innen schreiben in ihren Rezensionen nicht nur ungefähr, worum es im Buch geht, sondern zeigen den gesamten Handlungsverlauf auf, manchmal sogar bis zum Ende. Das ist aber keine gute Idee, wegen der Spoiler. Die heißen so, weil sie Leser*innen, die das Buch noch nicht kennen, dieses verderben (englisch: to spoil) können. Besonders deutlich wird das im Krimi. Wird in einer Rezension verraten oder auch nur sehr stark angedeutet, wer für den Mord bzw. das Verbrechen verantwortlich ist, kann das dazu führen, dass manche Leute den Krimi gar nicht erst lesen wollen. Rezensionen sind keine Arbeiten aus dem Deutschunterricht, eine komplette Inhaltsangabe eines Buches ist hier nicht notwendig, sondern würde das Lesevergnügen für andere schmälern.
Deshalb mein Tipp: Zeigt in euren Rezensionen nicht den gesamten Handlungsverlauf und schreibt keine Spoiler. Bzw. wenn ihr sie aus bestimmten Gründen doch schreiben wollt, dann kündigt das an, z.B. mit einem „ab hier Spoiler“, kennzeichnet sie eventuell zusätzlich durch Leerzeilen oder ähnliches.
Wenn ihr ausführliche Rezensionen schreibt, könntet ihr zu den folgenden Themen etwas schreiben:
1. Wie wirken die Figuren auf euch? Sind sie euch sympathisch, sind es grummelige Anti-Held*innen, „morally grey“ oder ganz anders?
2. Der Schreibstil. Ist dieser eher schlicht? Blumig oder gar kitschig? Hochliterarisch oder poetisch?
3. Der Spannungsbogen. Baut sich die Spannung stetig auf oder hat sie mittendrin ungünstige Schwankungen?
4. Ist die Geschichte langatmig erzählt aus eurer Sicht oder auf den Punkt verdichtet? Oder liegt die Erzählweise irgendwo dazwischen?
5. Werden die Gedanken, Emotionen der Figuren, die Räumlichkeiten, Landschaften, Orte etc. anschaulich und lebendig geschildert? Konntet ihr euch gut in die Figuren hineinversetzen und mit ihnen „mitfiebern“? Oder wirkten sie auf euch eher blass oder flach?
6. Gibt es überraschende Wendungen (Plot-Twists)? Falls ja, lieber diese nicht spoilern.
7. Gibt es Figuren aus marginalisierten Gruppen, z.B. queer, BI_PoC, neurodivergent, behindert oder andere?
8. Was für eine Stimmung herrscht im Buch vor? Zum Beispiel mysteriös, heiter, melancholisch, traurig … Oder wechseln die Stimmungen häufig?
Natürlich könntet ihr euch auch einzelne dieser Themen heraussuchen, ihr müsst nicht zu jedem etwas schreiben.
Weitere Themen In mehreren Genres gibt es noch spezielle Themen, über die man sich in Rezensionen Gedanken machen kann. Hier eine kleine Auswahl, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Phantastik: Wie wirkt der Weltenbau auf euch? Ist er sehr detailliert oder eher oberflächlich? Ist er in sich logisch und stimmig? Das muss übrigens nicht unbedingt heißen, dass alles darin nach Maßstäben gängiger Naturwissenschaften funktionieren muss. Der Weltenbau sollte aber innerhalb der geschilderten Welt Sinn ergeben.
Romance (auch Romantasy): Gibt es im Buch typische Tropes aus dem Romance-Bereich, z.B. „Enemies to Lovers“? Findet ihr die Figuren auf irgendeine Weise liebenswert, bzw. konnte ihr deren romantische/sexuelle/sinnliche Empfindungen füreinander nachempfinden?
Krimis/Thriller: War es euch möglich, mitzurätseln, wer für das oder die Verbrechen verantwortlich war?
Horror: Konntet ihr euch bei der Lektüre schön gruseln? Hattet ihr nachts Albträume mit einem Bezug zum Buch? Oder eine andere Reaktion auf das Buch?
Manche Bücher sind so spannend oder „fesselnd“, dass man sie kaum aus der Hand legen kann. Falls ihr solche Bücher gelesen habt, könnt ihr das natürlich auch in den Rezensionen erwähnen. Oder auch umgekehrt – habt ihr ein aus eurer Sicht sehr langatmiges, langweiliges Buch gelesen? Vielleicht könnt ihr auch benennen, woran es lag?
Über den Begriff „man“
Manche Rezensent*innen verstecken sich gern hinter einem vagen „man“, z.B. in Sätzen wie: „man wird sofort in die Handlung hineingezogen“, „man kann sich nicht gut in die Figuren hineinversetzen“ oder auch Sätze wie: „als Leser*in kann man die Motivation des Protagonisten oft nicht nachvollziehen“.
Macht das besser nicht so. In eurer Rezension geht es nicht um fremde Leute, nicht um andere Leser*innen und deren Bewertungen, es geht um euren ganz persönlichen Eindruck von einem Buch. Schreibt also z.B. „ich fühlte mich sofort in die Handlung hineingezogen“ oder „als Leser*in konnte ich nicht so richtig mit den Figuren mitfiebern und zwar weil …“ oder ähnliches.
Formulierungen wie „ich persönlich finde, dass …“ zeigen auch an, dass es um eure persönliche Meinung geht, nicht um eine allgemein gültige Wahrheit über ein Buch. Denn letztendlich nimmt jede*r Leser*in ein Buch anders wahr, es gibt also nicht eine einzige Meinung, die alles umfasst, was sich zu einem Buch sagen lässt.
Ich hoffe, diese Tipps helfen euch ein bisschen weiter. Viel Spaß beim Lesen und Rezensieren.
Hier einige deutschsprachige Bücher (teilweise auch ins Deutsche übersetzt) mit trans Hauptfiguren (oder trans und nonbinary):
Im Februar 2024 habe ich „A Midsummer’s Nightmare“ von Noah Stoffers gelesen und kann den Roman sehr empfehlen. Meine Rezension gibt es u.a. hier bei Lovelybooks.
Neu auf meiner Wunschliste: „Muskeln aus Plastik“ von Selma Kay Matter, mit einer trans Hauptfigur, die Long Covid hat. Dieser Roman wurde mir empfohlen.
Falls ihr Lust habt, euch weitere passende Buchempfehlungen anzuschauen, stöbert gern mal auf diesen Seiten:
Schaut auch mal in euren Social Media nach dem Hashtag #transreadathon, da gibt es jedes Jahr viele Buchempfehlungen für trans Autor*innen und deren Bücher.