Ein Protagonisteninterview von Amalia Zeichnerin und Ester D. Jones

… mit den Protagonisten aus „Frei und doch verbunden“ sowie „Das verbotene Verlangen des Earls / Die verlorene Liebe des Earls“

»Danke, dass du dir Zeit genommen hast, mich zu besuchen.« Bettina Kiraly (alias Ester D. Jones) lässt ihre Kollegin Amalia Zeichnerin eintreten, die in der Dunkelheit vor der Tür steht. »Du hast einen weiten Weg nach Niederösterreich auf dich genommen, um mit mir über Historic Gay Romance zu plaudern.«

Bettina bittet Amalia ins Wohnzimmer. »Darf ich dir etwas anbieten? Eine Tasse Kaffee vielleicht? Oder trinkst du lieber Tee?«

Amalia: »Danke, ich trinke beides gern. Was ist dir denn lieber?«

Bettina: »Ich vertrage Kaffee nicht so gut. Darum trinke ich lieber Tee. Ich habe da auch eine ganz besondere Sorte mit dem Namen „Love“. Passender geht es nicht.«

Bettina: »Können wir gleich zum eigentlichen Thema kommen? Ich will dich nicht zu lange aufhalten. Kannst du mir erzählen, wie du das mit der Recherche für deine Bücher machst? Gay Romance in historischen Romanen richtig darzustellen, ist aus meiner Sicht sehr schwierig.«

Amalia: »Ich habe schon für frühere Bücher viel recherchiert, vor allem über das 19. Jahrhundert. Auch, was Themen wie Homosexualität in dieser Zeit angeht. Es ist ja so, dass es schon seit dem 18. Jahrhundert und auch schon davor in den größeren europäischen Städten bereits Vorläufer queerer Communities gab, die aber im Verborgenen bleiben mussten, weil (männliche) Homosexualität verboten war. Natürlich ist vieles verloren gegangen, weil es ein Tabuthema war, aber einiges davon konnte doch überliefert werden. Meine Bücher spielen fast alle in England und für mich ist es ein Segen, dass ich auf Englisch recherchieren kann. Ich habe auch schon englische Bibliotheken oder Archive mit Recherchefragen angeschrieben und dort hilfreiche Antworten erhalten. Und wie machst du es mit der Recherche?«

Bettina: »Ich habe als Ester mit historischen Liebesromanen begonnen. Mein Grundwissen stammt also aus Dutzenden von Regencyromanen. Als ich selbst in diesem Genre zu schreiben begonnen habe, war das Internet meine Hauptinformationsquelle. Ich versuche, historisch möglichst genau zu sein. Aber klar ist, dass sich die Ladys zur damaligen Zeit lange nicht so selbstbewusst, selbstbestimmt oder gar rebellisch verhalten haben. Um eine überzeugende Handlung zu schreiben, die heutige Leser anspricht, muss man als Autor die damalige Realität ein wenig zurechtbiegen. Ich habe bei meiner zweiteiligen Romanreihe gemerkt, dass es Spaß macht, gleich für zwei Helden zu schwärmen. Ich liebe das historische Ambiente. Geht es dir genauso? Was macht für dich den besonderen Reiz aus, diese Art von Büchern zu schreiben?«

Amalia: »Ich hatte schon als Jugendliche ein Interesse an Geschichte und auch an historischen Settings. Ich schätze, da kommt bei mir so eine nostalgische Ader durch. Ich bin auch ein bisschen im Steampunk-Bereich unterwegs, der ja auch viel von Historischem inspiriert ist. Es erfordert eine andere Art zu schreiben, als ein Gegenwartsroman. Man muss ein bisschen altmodisch klingen, aber auch nicht zu sehr.«

Bettina: »Genau. Die Sprache liebe ich auch sehr. So ein bisschen verschnörkelt ist schon toll. Deine Geschichte um Jacob und Nicholas hat mir übrigens sehr gut gefallen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie verwirrend es für einen Mann in der damaligen Zeit gewesen sein muss, das erste Mal mit seiner Sehnsucht nach einem anderen Mann konfrontiert zu werden. Diese Überlegung hat mich auf die Idee zu meiner Geschichte gebracht. Was hat bei dir den Ausschlag gegeben?«

Amalia: „Das weiß ich heute gar nicht mehr so genau. Die Idee zur Geschichte von Jay und Nicholas ist mir schon vor etwa drei Jahren gekommen. Ich glaube, damals kam das zustande als eine Art Variante zu der klassischen Robinson-Crusoe-Geschichte. Ich hab mich damals gefragt, was könnte mit zwei Männern passieren, die auf einer einsamen Insel stranden?“

Link zu den historischen Gay Romance Novellen von Amalia Zeichnerin:
https://amalia-zeichnerin.net/historische-gay-romance/

Die beiden schwärmen den restlichen Abend von ihren Protagonisten und den Geschichten, die nur darauf warten, noch geschrieben zu werden. Die beiden Autorinnen vergessen über ihrer Fachsimpelei die Zeit. Und irgendwann schlafen sie einfach ein.

Ein Geräusch weckt Amalia ein paar Stunden später. Abrupt schreckt sie hoch. Sie kann nicht sagen, was genau sie gehört hat. Aber sie will Ester nicht wecken und schleicht sich in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkommt, hat sich Ester aufgesetzt. »Ich wusste nicht, dass du weitere Gäste eingeladen hast.«

Amalia runzelte die Stirn. »Welche Gäste?«

Ester zeigt in die Ecke, in der vier Männer in historischen Kostümen stehen. Mit einem Kopfschütteln versucht Amalia, den Nebel in ihren Gedanken loszuwerden. Vermutlich spielt ihr ihre Fantasie einen Streich.

Dann kneift sie die Augen zusammen. Nanu? Der junge Mann dort sieht doch genau aus wie … aber natürlich! Bei dem Mann handelt es sich um Sebastian, den Earl of Broomfield aus dem Roman »Das verbotene Verlangen des Earls«. Der Mann Anfang zwanzig mit den blonden Haaren und den grünen Augen ist unverkennbar. Der Mann daneben scheint Mitte dreißig zu sein und hat schwarzes Haar und blaue Augen. Das muss Lucian, der Earl of Westminster, sein.

»Darf ich bekannt machen?«, ergreift dieser das Wort und deutet auf den jüngeren Mann neben ihm. »Dies ist Sebastian, Earl of Broomfield.«

Amalia deutet einen Knicks an und stellt sich vor.

Ester streckt die Hand aus, zieht sich dann aber zurück und verbeugt sich stattdessen. »Wie aufregend. Ich bin ganz aus dem Häuschen, euch … ähm … Sie zu sehen.«

»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, sagt ein ebenfalls etwas älterer Mann, der nun aus dem Schatten heraustritt. Er hat dunkles Haar und scharfgeschnittene Gesichtszüge. »Mein Name ist Nicholas Aldersmith. Darf ich vorstellen, mein Freund Jacob Ealing.« Er deutet auf einen braungebrannten Mann mit zerzaustem Haar, der eine Verbeugung andeutet.

»Was ist denn jetzt mit dem Interview?«, drängelt Sebastian. »Wir haben nicht ewig Zeit.«

»Interview?« Amalia schaut verdutzt.

»Sie haben uns doch herbestellt, weil Sie uns einige Recherchefragen stellen wollten«, erklärt Sebastian. »Wir haben uns extra hierherbemüht.«

»Äh… ja, selbstverständlich. Natürlich«, stottert Amalia und versteht kein Wort. »Das Interview.«

Sie bittet ihre Gäste, sich zu setzen. Dann räuspert sie sich. »Ähm, habe ich Ihnen vorab genaue Informationen gegeben, worüber ich mich mit Ihnen unterhalten will?«

»Über unser … nun, ja … außergewöhnliches Privatleben. Können Sie sich nicht mehr daran erinnern? Fühlen Sie sich vielleicht nicht wohl?«

»Nein, nein. Alles gut.« Amalia bemüht sich um ein Lächeln. » Ester, magst du vielleicht mit den Fragen beginnen, während ich uns Tee aufsetze?«

»Eine großartige Idee«, meint der Earl of Westminster. »Mein Mund ist ganz trocken.«

Ester nickt. »Dann lege ich gleich mal los. Earl of Westminster, sind Sie auf der Suche nach der Dame fürs Leben? Oder sind Sie gar schon verlobt?«

Der Earl of Westminster errötet. »Dieses Thema breite ich eigentlich nicht in der Öffentlichkeit aus. In Wahrheit habe ich meine Gedanken dazu erst einem Menschen anvertraut. Aber ich verstehe, dass Ihr die Information für Eure Recherche benötigt. Darum vertraue ich Euch an, ich habe das Thema Heirat für mich abgeschlossen. Offen gesagt ist mir bewusst, einer Ehefrau nicht die Verbundenheit bieten zu können, die sie verdient hat. Ich glaube nicht, dass Liebe in einer Ehe unbedingt eine Rolle spielen muss. Doch meine dunklen Gelüste … In Eurer Zeit ist so etwas tatsächlich nicht verboten? Es fällt mir dennoch schwer, es zu gestehen. Ich fühle mich zu Männern hingezogen. Ich wäre nicht in der Lage, mit einer Frau zusammenzusein. Im biblischen Sinne. Ich könnte keinen Nachfahren zeugen. Warum sollte ich also eine Frau an mich binden und sie damit unglücklich machen?«

Amalia kommt mit dem Tee zurück und stellt ihn auf dem Tisch ab. Bevor sie vier Tassen vollschenkt und weiterreicht. »Earl of Broomfield, ich hörte, Sie haben eine Schwäche für Kunst. Mögen Sie etwas darüber erzählen?«

Earl of Broomfield: »Ich liebe die Arbeiten Devonos, genauso wie der Earl of Westminster, wenn ich Euch darauf hinweisen darf. Wir haben gemeinsam eine Ausstellung dieses außergewöhnlichen Künstlers besucht. Seine Werke … Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Sie berühren mein Herz, wärmen mich bis in die Fingerspitzen. Ich male selbst, müsst Ihr wissen. Mir fehlt es an Talent, um mich mit Devonos zu vergleichen. Ich bemühe mich um größtmöglichen Realismus. Dennoch fürchte ich, dass meine Kunst nicht ausreicht, um andere Menschen dadurch zu erreichen.«

Der Earl of Westminster legt dem Earl of Broomfield eine Hand auf die Schulter. Wärme leuchtet in seinem Blick. Ein sanftes Lächeln liegt auf seinem Gesicht. »Deine Gemälde strahlen eine unglaubliche Kraft aus. Die Bilder, die du von mir gemalt hast … ich habe mich niemals so lebensfroh, so weich, so perfekt gesehen wie auf deinen Kunstwerken. Du schaffst damit etwas Besonderes. Zweifle niemals an dir.«

Earl of Broomfield: »Dein Vertrauen in mich macht mich zu einem besseren Künstler. Aber ich glaube, so genau wollte die junge Lady das gar nicht hören.«

Link zu Bettina Kiralys Veröffentlichungen:
http://bettina-kiraly.at/veroeffentlichungen/

Amalia: »In unserer Zeit dürfen Homosexuelle ihre Orientierung frei ausleben. Wenn man als Gentleman solche Tendenzen bei sich selbst entdeckt, muss das wohl ein wahrer Schock sein. Wie habt Ihr herausgefunden, wonach es Euch verlangt? Könnt Ihr Eure Bedürfnisse auf irgendeine Art und Weise ausleben?«

Nicholas Aldersmith nimmt einen Schluck vom Tee: »Nun, einen Schock würde ich es nicht nennen. Ich meine, man wacht schließlich nicht eines Tages auf und stellt fest, dass man sich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, nicht wahr? Es war für mich eine längere Entwicklung, Beobachtungen meiner Gefühle über Wochen und Monate hinweg – reichlich Gefühlsverwirrungen in meiner Jugendzeit. Irgendwann wurde mir schließlich klar, dass ich anders bin als andere Männer. Ich bin ein rationaler, praktisch veranlagter Mensch. Ich sah für mich zwei Möglichkeiten. Entweder konnte ich mich nun mein Leben lang dafür martern, dass ich nicht wie andere Männer bin. Oder das Beste daraus machen. Ich habe mich für Letzteres entschieden.  Und ich habe bald festgestellt, dass ich nicht allein bin mit solchen Gefühlen und auch zu meiner Zeit gibt es bereits Wege, diese etwas andere Sexualität auszuleben, wenn auch im Verborgenen. In meinem Fall war das zum Beispiel ein Molly House

Jacob Ealing: »Nennen Sie mich gern Jay, wenn Sie möchten. In meinem Fall ist es noch komplizierter. Ich habe erst durch meine Begegnung mit Nicholas begriffen, dass ich mich nicht nur zu Frauen, sondern auch zu Männern hingezogen fühlen. Bis wir uns kennenlernten, war das nie ein Thema für mich. Ich meine, natürlich gab es Männer, die ich mochte, z.B. andere Matrosen auf den Schiffen, auf denen ich zur See gefahren bin. Aber ich habe das immer für rein freundschaftliche Gefühle gehalten. Oder vielleicht habe ich auch verdrängt, dass vielleicht mehr dahinterstecken könnte. Ich war sehr naiv, fürchte ich. Aber dass zwei Männer einander lieben können, das ist zu unserer Zeit etwas, über das nicht gesprochen wird. ich hatte also niemanden, mit dem ich jemals über meine verwirrten Gefühle sprechen konnte. Bis ich Nicholas getroffen habe.«

Earl of Westminster: »Für mich hat es einen echten Schock dargestellt, als ich gemerkt habe, dass ich mich in meinen jungen Jahren in meinen besten Freund verliebt habe. Ich habe es erst nicht verstanden, habe dagegen angekämpft und mich für diese Verwirrung gehasst. Es war von Anfang an klar, dass dieser andere Mann nicht das Gleiche für mich empfindet. Doch später habe ich jemanden gefunden, der mir erklärt hat, wie und wo ich meine Gelüste ausleben kann. Es existieren Häuser, in denen sich Männer für Geld dafür zur Verfügung stellen. Erst in letzter Zeit ist mir klargeworden, dass das nicht ansatzweise mit der Nähe zu einem Menschen zu vergleichen ist, der einem etwas bedeutet.«

Earl of Broomfield: »Ich dachte, ich hätte mich in Lady Rose verliebt. Ich bin davon ausgegangen, eine Ehefrau an meiner Seite wäre mir vorbestimmt. Aber dann habe ich den Earl of Westminster näher kennengelernt. Wir haben Zeit miteinander verbracht, weil ich von ihm die Erlaubnis wollte, um seine Schwester zu werben. Sobald Lucian, also der Earl of Westminster, sich mir gegenüber nicht mehr ablehnend verhalten hat, haben wir festgestellt, wie viel wir gemeinsam haben. Ich habe begonnen, ihn zu mögen. Und schließlich wurde aus unserer Zuneigung noch etwas Größeres. Ich kann mich unendlich glücklich schätzen, diese Erfahrung mit ihm teilen zu dürfen.«

Ester: »Vielen Dank, meine Herren, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.«

Amalia springt auf. »Müssen Sie schon gehen? Wie schade! Es hat sehr viel Spaß gemacht, sich mit Ihnen zu unterhalten. Vielleicht können Sie noch ein wenig bleiben?«

Nicholas Aldersmith: »Es ist an der Zeit. Auch wenn wir Ihre Gastfreundschaft sehr genossen haben.«

Earl of Westminster: »Sie beide sind sehr interessante Damen. Natürlich dürfte ich so etwas in der Vergangenheit nicht aussprechen. Aber wenn ich nach Ihren enthusiastischen, lebhaften Charakteren gehe, ist das in Ihrer Zeit anders.«

Ein Poltern lässt Amalia herumfahren. Vor dem Haus scheint ein Unwetter zu toben. Warum hat sie das Toben des Sturms zuvor noch nicht wahrgenommen? »Ich hätte noch so viele Fragen. Haben Sie vielleicht noch ein paar Augenblicke, damit ich mich nach Ihren Zukunftsplänen erkundigen kann?«

Der Earl of Broomfield schüttelte den Kopf. Er wirkt nervös. »Es ist Zeit für unseren Aufbruch. Ich wünschte tatsächlich, wir können in dieser Zeit der unendlichen Möglichkeiten für Männer wie uns noch ein wenig bleiben. Doch das können wir leider nicht in die Realität umsetzen.«

Jacob Ealing: »Möglicherweise gelingt es uns, Ihnen den Fortgang unserer Geschichte irgendwie zu übermitteln. Auch wenn unser Besuch nur kurz gedauert hat, so hat er dennoch bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen. Vielen Dank für die Hoffnung, die Sie uns für die Zukunft gemacht haben.«

Amalia will sich bei den Männern noch für ihre Offenheit bedanken, doch das Unwetter wird stärker. Das Heulen des Windes ist nun so laut, dass sie nichts anderes als das Klopfen ihres Herzens hören kann. Die vier Männer nickten sich zu und gehen Richtung Ausgang. Sie öffnen die Tür und lassen einen kalten Luftstoß ins Haus.

Während einer nach dem anderen nach draußen tritt, kneift Amalia die Augen zum Schutz vor dem Sturm zusammen. Plötzlich wird sie von einem Lichtstrahl von draußen geblendet. Er ist viel zu hell, um von einer Straßenlaterne zu stammen. Sie dreht den Kopf weg.

»Tut mir leid«, hört sie Bettinas Stimme sagen. »Ich wollte dich nicht wecken. Leider habe ich den falschen Lichtschalter erwischt.«

Amalia blinzelt gegen das Licht. Plötzlich sitzt sie wieder auf der Couch und entdeckt Bettina an der Wohnzimmertür. Der Autorenkollegin ist das schlechte Gewissen deutlich anzusehen. »Kein Problem. Ich hatte gerade einen seltsamen Traum.«

»Hoffentlich habe ich dich nicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt geweckt.«

»Wie man es nimmt.« Amalia lächelt. »Unsere Helden haben mich besucht. Ich konnte mich mit deinen Earls und mit Jacob und Nicholas unterhalten. Gerne hätte ich noch länger mit ihnen über ihr Leben geplaudert. Aber ich glaube, ich darf von Glück sagen, sie überhaupt persönlich getroffen zu haben.«

»Jetzt bin ich tatsächlich etwas neidisch.« Bettina dimmt das Licht und kommt wieder zur Couch. »Eigentlich sollten wir ja schlafen gehen. Es ist kurz vor vier. Vermutlich kann ich jedoch kein Auge zutun. Erzählst du mir von deiner Begegnung?«

»Sehr gerne. In meinem Traum warst du bei dem Gespräch anwesend. Schade, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst.«

»Stimmt. Aber du bist eine tolle Geschichtenerzählerin. Ich bin mir sicher, in wenigen Minuten habe ich das Gefühl, tatsächlich dabei gewesen zu sein.«

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Zur Zeit gibt es übrigens bei Lovelybooks eine Verlosung mit Taschenbüchern zu „Frei und doch verbunden“.

Warum Weltenbau in der Phantastik so wichtig ist

Neulich las ich einen Low Fantasy Roman, der in einer eigenen Welt angesiedelt ist. Die Geschichte war spannend, die Charaktere hatten ihre Ecken und Kanten und es gab überraschende Wendungen. So weit, so gut. Aber wenn es um die Welt an sich ging, geriet ich ins Schwimmen. Oder vielleicht sollte ich sagen, ich tappte quasi im Nebel herum.
Ich bin mir sicher, der Autor hat sich einiges an Gedanken gemacht zu dieser Welt. Allerdings hat er es nicht geschafft, mir diese wirklich nah zu bringen. Orte wurden genannt, ohne sie näher zu beschreiben. Es ging unter anderem um einen Orden, über dessen Hintergrund man jedoch kaum etwas erfuhr. Hier und da wurde ein König erwähnt, aber dabei blieb es dann auch.

Wer sich schon die Mühe macht, eine eigene Welt zu kreiieren, der sollte sie dem Leser so anschaulich wie möglich machen. Zum Beispiel kann man sich folgenden Fragen widmen:

Wie ist das Regierungssystem in dieser Welt?
Ich schätze, in circa 90 % der Low und High Fantasy ist dies ein feudales, mit einem König oder einer Königin an der Spitze. Das hängt häufig damit zusammen, dass hier das europäische Mittelalter als Vorbild genommen wird. Ich habe aber auch schon Fantasyromane gelesen, in denen es andere Regierungssysteme gibt, z.B. mit verschiedenen Parteien und einer Demokratie.

Städte und Dörfer
Gibt es in dem Fantasyland große Städte, oder eher kleinere, oder fast nur Dörfer? Wie sind die Transportwege zwischen unterschiedlichen Orten? Gibt es größere Flüsse, die auch befahren werden.

Die Völker
Gibt es „nur“ Menschen, oder auch Fantasywesen? Und wie kommen diese untereinander und mit anderen Völkern zurecht? Haben die Völker jeweils eigene Führungspersönlichkeiten oder unterstehen sie alle einem König, oder gibt es eine andere Regierungsform? Und wie sehen die Menschen in dieser Welt aus?
In vielen Fantasyromanen, die sich am europäischen Mittelalter orientieren, sind die Menschen weiß. Und zwar alle. Das muss aber nicht sein, zumal man ja auch verschiedene menschliche Völker erfinden könnte, die eventuell aus verschiedenen Gegenden stammen.

Religion
Nicht in jedem Fantasy-Roman spielt Religion überhaupt eine Rolle. Falls sie es tun soll, kann man sich Gedanken über Gottheiten machen, über ihre Priesterschaft, über Tempel oder andere Gebäude, in denen die Gläubigen zusammen kommen. Auch über Gebete, Festtage, Rituale und Jenseitsvorstellungen kann man sich Gedanken machen. Viele Fantasy-Religionen sind mehr oder weniger an reale Religionen angelehnt, aber das muss nicht so sein. Wer Spaß daran hat, hat hier etwas ganz Eigenes kreiieren.

Magie
Falls es in der Welt Magie gibt, zieht das mehrere Fragen nach sich. Wie funktioniert die Magie? Basiert sie auf den Elementen, oder etwas Anderem? Welche Stellung haben Magier in der Welt, werden sie verachtet, gefürchtet oder sind sie im Gegenteil angesehen? Oder werden sie gar gejagt oder auf andere Weise bedroht. Gibt es Magier-Akademien, oder lernen angehende Magier bei einem Meister oder einer Meisterin? Sind magische Fähigkeiten angeboren, oder kann man sie erlernen?
Können Menschen überhaupt Magie wirken, oder ist das Fantasywesen vorbehalten?

Handel und Handwerk
Auch hierzu kann man Gedanken machen. Gibt es Gilden oder Zünfte? Womit wird gehandelt, welche Handwerke sind besonders wichtig? Wie lernen angehende Handwerker*innen? Bei Meister*innen, oder anders? Gibt es reisende Handelstreibende oder große Handelsstraßen? Welche Stellung haben Handwerksleute und Händler*innen in der Gesellschaft?

Die Landschaft(en):
Ist diese eher gleichförmig, oder gibt es verschiedenes, z.B. Gebirge, Sümpfe, Wälder, Brachland, Weiden, Meer, Seen, Dschungel…

Flora und Fauna
Gibt es besondere Tiere und Pflanzen in dieser Welt? Haben einige davon eine wichtige Bedeutung für die Handlung? Was gibt es für Haus- oder Nutztiere?

Wie ist das Klima?
Auch hier orientieren sich viele Romane an Europa, es gibt aber auch andere, die zum Beispiel ein eher subtropisches bis tropisches Klima als Vorbild nehmen. Und in diesen Zusammmenhang sind auch Stürme und andere Unwetter interessant, sofern sie für die Handlung eine Rolle spielen. Oder auch Naturkatastrophen wie zum Beispiel Erdbeben.

Wie sind die gesellschaftlichen Normen?
Auch hier orientieren sich viele am europäischen Mittelalter. Oftmals, aber nicht immer, haben Frauen eine schlechtere Stellung als Männer, und sei es nur, dass sie typische „Frauenarbeit“ verrichten, anstatt zum Beispiel als Kriegerin in die Schlacht zu ziehen. Häufig haben eine oder mehrere Religionen eine starke Bedeutung. In manchen Fantasyromanen wird eine Art fiktiver Rassismus behandelt, oft anhand von Fantasywesen wie Elfen, Zwergen, Orks oder anderen. Auch Sexismus oder Homophobie spielen mitunter eine Rolle oder noch andere gesellschaftliche Probleme.
Aber auch ein utopisches Gegenteil mag auftreten, so habe ich schon Gay Fantasy gelesen, in denen es in der entsprechenden Welt völlig normal und akzeptiert war, dass zwei Männer (oder zwei Frauen) heiraten. Gesellschaftliche Normen lassen sich meistens gut durch die Interaktion verschiedener Charaktere verdeutlichen. Weitere Fragen hier können sein: Wie ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern? Welche Beziehungsformen gibt es – und welche sind gesellschaftlich akzeptiert?

Der Info-Dump
Wenn es um den Weltenbau geht, gibt es allerdings ein Problem, über das manche Autor*innen stolpern – den sogenannten „Info-Dump“. Der Info-Dump vermittelt mitten im Text einen Haufen an Informationen, ohne gleichzeitig die Handlung weiter voran zu bringen. Bei den meisten Lesenden kommt das nicht gut an, außerdem besteht die Gefahr, dass man damit aus dem Fluss der Handlung gerissen wird. Es ist eine hohe Kunst, Wissenswertes zur Welt dosiert einzubringen, so dass sich Lesende nicht von all den Fakten erschlagen fühlen.

Einige andere Möglichkeiten:
Ein kurzer geschichtlicher Abriss zur Welt, der dem eigentlichen Text vorangestellt wird, ähnlich wie ein Prolog.

Zwei Charaktere unterhalten sich und in diesem Gespräch wird einiges über die Welt deutlich. Zum Beispiel könnte sich ein Charakter über Rassismus beschweren, über die hohen Zölle, mit denen Waren belegt werden, über den unfähigen König. Oder jemand schwärmt von den Sehenswürdigkeiten in der Hauptstadt. Und das sind nur einige Beispiele.

Darüber hinaus kann man wohldosierte Beschreibungen auch zwischendurch erklärend im Text einfließen lassen, oder vielleicht denkt ein Charakter über etwas Entsprechendes nach.

Zuviel des Guten
Manchmal übertreiben es Autor*innen mit ihren Beschreibungen zur Welt. Dann wird seitenweise erzählt über die wunderbaren Speisen, die es in der Taverne XY gibt, oder es gibt ellenlange Beschreibungen der Landschaft, die aber nichts zur Handlung beitragen. Oder jemand denkt sich sämtliche Tiere neu aus, die es in der Welt gibt und beschreibt sie in aller Länge und Breite, obwohl sie nur kurz an den Protagonisten vorbeihuschen. Und das sind nur einige Beispiele.
Entsprechende Romane wirken dann in der Regel langatmig, da solche Beschreibungen meistens wie gesagt die Handlung nicht voranbringen.

Und es gibt noch eine andere Gefahr: Man kann sich im Weltenbau unter Umständen verlieren. Ich kenne z.B. eine angehende Autorin, die seit ein Jahren einen Roman schreiben möchte. Als ich sie neulich traf, war sie immer noch in der Phase Weltenbau, hatte sich aber noch kaum Gedanken zum Plot ihrer Geschichte gemacht. Das ist vielleicht ein Extrembeispiel, aber es zeigt, dass Weltenbau aufwändig ist und manche es damit eventuell übertreiben.

Protagonisten-Interview mit den Galway Hunters von Stefanie Foitzik

Machen wir eine kleine Zeitreise ins Jahr 2015…
Ich sitze mit Michael O‘Hara, seiner jungen Mitarbeiterin Cathrine „Cat“ Gallagher und seinem Mitarbeiter Duncan McClary im Galwayer Pub Paddy’s. An unserem Tisch sind außerdem der Chief Inspector Brendon Nolan von der Galwayer Polizei (Garda Síochána), sein Kollege Detective Sergeant Alex Donovan, sowie der verdeckte Ermittler und Anderswelt-Cop Connor O‘Sullivan.

Hier im Pub läuft an diesem Abend Musik aus der Jukebox und in einem Fernseher wird das Spiel der Aran-Islands gegen die Four Roads übertragen.

[Passende Musik dazu gibt es z.B. von Erdenstern: „The Pub“ aus dem Album „The Urban Files“, kostenlos hier zum Probehören: https://erdenstern.bandcamp.com/track/the-pub]

Nolan blickt immer mal mit gerunzelter Stirn auf den Fernsehbildschirm, er scheint das Spiel zu verfolgen. O’Hara besorgt eine Runde Pints. Alex Donovan scheint fast unter seiner Schirmmütze zu verschwinden und ist recht schweigsam Miss Gallagher sieht sich von Zeit zu Zeit sichtlich nervös um. McClary und O’Sullivan scheinen sich nicht ganz grün zu sein, aber vielleicht täuscht dieser Eindruck auch …

Vorlage Duncan und Connor 72dpi

Duncan McClary, Connor O’Sullivan © Amalia Zeichnerin[/caption]

Nolan zuckt zusammen, als in der Jukebox der Song „Bye bye Miss American Pie“ ertönt und sieht zum Tresen hinüber. Ich warte, bis O’Hara mit den Getränken zurückkehrt.

Vielen Dank, dass Sie sich alle die Zeit nehmen für dieses Interview. Mister McClary, Sie sind ein Daywalker. Für die Nichteingeweihten, die sich mit den paranormalen Wesen nicht gut auskennen, die auch einfach gern Paras genannt werden – was ist ein Daywalker?

Duncan McClary schlägt die Beine übereinander. „Bei uns Daywalkern handelt es sich um Halbvampire. Ein Elternteil ist dabei stets menschlich. Das macht auch den wahrscheinlich wichtigsten Unterschied zu reinrassigen Vampiren aus: Wir werden als Halbvampire geboren und nicht verwandelt, wir leben.“

Ich gehe davon aus, dass Sie wesentlich älter sind als Sie wirken? Ich meine, wenn man es in menschlichen Jahren rechnet? Ist das eigentlich eine unhöfliche Frage?

„Nein, natürlich ist das nicht unhöflich“. beruhigt Duncan McClary mich.“Ich wurde 1819 geboren, bin nun also 196 Jahre alt“

Ah, dann haben Sie gewiss eine ganze Menge erlebt… Wie ist das Verhältnis zwischen Menschen und Paras in Galway? Oder in Irland im allgemeinen? Das Outing der Paranormalen war ja 2005, also schon einige Jahre her.

„Das Verhältnis ist nicht gerade einfach“, beginnt Duncan zögernd. „Weder in Galway, noch in Irland allgemein. Nicht jeder ist bereit, seinem ’neuen‘ Nachbarn zu vertrauen. Sie waren in den Legenden schon immer eine Gefahr.“

„Woran die Presse eindeutig ihren Teil dazu beiträgt“, ergänzt Michael O’Hara.

„Manche schaffen das aber auch ganz alleine für einen schlechten Eindruck zu sorgen“, wirft Chief Inspector Brendon Nolan mit düsterem Blick ein.

Oh, das klingt nach vielen Vorurteilen … und so einigen Problemen zwischen den Paras und den Menschen. Hoffentlich wird sich dies mit der Zeit noch zum Besseren verändern.

Miss Gallagher, Mister O‘Hara und Mister McClary wie kamen Sie auf die Idee, als Kopfgeldjäger zu arbeiten, haben Sie dafür entsprechend passende Ausbildungen gemacht?

Cat und Duncan im Pub bei der Vorstellung Kapitel 21 72dpi

Duncan McClary, Cathrine „Cat“ Gallagher © Amalia Zeichnerin

Cat senkt für einen kurzen Moment die Lider. „Ehrlich gesagt war Rache der Grund. Ich wollte, dass der Mörder meiner Eltern seine gerechte Strafe erhält. Und als ich Michaels Stellen-Anzeige las, dachte ich, das wäre die beste Gelegenheit, mein Ziel zu erreichen.“

Ich schweige betroffen. Das klingt nach einem harten Schicksal und alles, was mir gerade einfällt, würde dem nicht gerecht werden.

Duncan nimmt einen Schluck von seinem Pint Guinness. „Ich wollte eine Luftveränderung. Nachdem ich jahrzehntelang mit und für Liam Parker gearbeitet habe und die letzten zehn, elf Jahre im Nachtclub als Sicherheitschef tätig war, wollte ich endlich wieder raus auf die Straße und am Leben Teil haben.“

„Nein, eine Ausbildung braucht man als Bounty Hunter nicht“, übernimmt nun Michael O’Hara das Wort. „Man benötigt natürlich eine weiße Weste bei der Garda Síochána, einen Waffenschein und sollte körperlich in sehr guter Verfassung sein. Ist von den Grundvoraussetzungen also nicht anders wie bei der Detektiv-Lizenz.

Ich verstehe… Sie hatten bis vor einiger Zeit ein Detektiv-Büro, nun haben Sie also eine Hunter-Agentur. Wie kam es zu diesem Wechsel, falls Sie darüber sprechen möchten?

Michael scheint bei seiner Antwort einen kurzen Moment zu zögern, doch dann antwortet er: „Auch wenn’s erstmal widersprüchlich klingt, aber als Kopfgeldjäger kann ich gestrauchelten Paras sehr viel besser helfen, als mit meiner Detektiv-Lizenz. Der Detektiv ist letztendlich nichts anderes als ein Spitzel. Als Hunter spüre ich Kautionsflüchtlinge auf und ja, versuche, wenn es in meiner Macht steht, ihnen zu helfen. Nicht jeder, der auf Kaution draußen ist und untertaucht, ist auch wirklich schuldig.“

Brendon hebt bei der Anmerkung seines Freundes die Augenbrauen, offenbar teilt er seine Meinung nicht ganz.

Können Sie uns verraten, an was für einem Fall Sie aktuell arbeiten?

„Wir haben zur Zeit mehrere Fälle, denen wir nachgehen. Drei, um genau zu sein. Da wäre als erstes eine Hexe, die sich wegen ‚Heimtückischer Verführung‘ verantworten muss. Dann ein Leprechaun, der wieder einmal gegen das Spielverbot verstoßen hat und ein Sidhe, der wegen ‚Überfall mit Todesfolge‘ angeklagt wurde.

Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg damit!

Plötzlich erinnere ich mich, dass unter der Schirmmütze auch noch jemand steckt.

Ailig 72 dpi

Alex Donovan © Amalia Zeichnerin


Verzeihung, Detective Sergeant Donovan, ich hätte Sie fast übersehen. Sie wurden zur Polizei nach Galway versetzt und arbeiten jetzt mit Chief Inspector Nolan zusammen an einem Fall, richtig?

„Wir gehen davon aus, dass eine Ärztin aus Limerick, hier in Galway Opfer eines Serienkillers geworden ist. Deshalb unterstützen wir in diesem Fall die Kollegen hier in Galway.“

Ah, sehr gut, dass es eine städteübergreifende Zusammenarbeit für solche Fälle gibt. Ich hoffe sehr, Sie finden die Ärztin noch rechtzeitig. Chief Inspector Nolan, Sie sind mit Michael O‘Hara schon lange befreundet, ist das richtig?

Brendon im Pub - sieht Connor auf der Bühne 72 dpi

Brendon Nolan © Amalia Zeichnerin

„Ja, stimmt, bereits seit unserer Schulzeit“, bestätigt Brendon.

Gibt es da nicht gelegentlich beruflich bedingte Interessenskonflikte – ich meine, Sie arbeiten für die Polizei und Mister O‘Hara als freiberuflicher Kopfgeldjäger…

Brendon schüttelt energisch den Kopf. „Ganz im Gegenteil. Das Aufgreifen von Flüchtigen ist ja kein Wettbewerb, da ist uns jede professionelle Unterstützung recht, die wir bekommen. Schließlich geht es letztendlich ja um die Sicherheit der Bürger, alleine darauf kommt es an.“

Mister O‘Sullivan, verstehe ich es richtig, dass Sie von Limerick aus – was ja von hier ca. 100 km entfernt ist – für eines der drei Reiche der Anderswelt als verdeckter Ermittler arbeiten? Können Sie uns etwas über Ihre Arbeit verraten oder etwas über diese drei Reiche erzählen?

Connor O’Sullivans Augen waren bis eben auf Brendon Nolan gerichtet, jetzt wandert seine Aufmerksamkeit allerdings wieder zurück. „Richtig, ich arbeite für die Andomhainer Blutgerichtsbarkeit und meine Aufgabe ist es, als verdeckter Ermittler die Paras aufzuspüren, die gegen die ‚Neue Ordnung‘ verstoßen. Neben der Unterwelt Andomhain, die vom Sidhe-Fürsten Liam Parker regiert wird, gibt es noch das Seenreich Lochlann und das Totenreich Ildathach. Und auch, wenn meine Leute und ich für Liam Parker arbeiten, greifen wir auch bei Paras der anderen beiden Reiche durch, wenn diese unsere Gesetze verletzen.“

Apropos Totenreich… Mister O‘Hara, ich hörte, dass es in Ihrem Haus spuken soll. Wer ist denn Ihr geisterhafter Untermieter?

„Ja, die Legende vom Renvyle-House darf wohl in keinem Andersweltbuch fehlen.“ Ein Schmunzeln erscheint auf Michaels Gesicht. „Aber Sie wissen ja, wie das mit Legenden so ist.“

In jeder Legende steckt ein wahrer Kern? Aber ich sehen schon, dass Sie lieber nicht darüber sprechen wollen. Was ich gut verstehen kann, immerhin geht es ja um Ihr neu erworbenes Haus.

Mister McClary, Sie haben bis vor kurzem als Sicherheitschef für den Sidhe-Fürsten Liam Parker gearbeitet, im Club Caer Hafgan. Können Sie uns etwas mehr über den Fürsten und diesen Club erzählen?

„Er schafft es wunderbar, sein Reich und den Club gleichzeitig zu führen, der im Übrigen nicht nur bei den Paras sehr angesagt ist.“ Mehr hat Duncan McClary dazu offenbar nicht zu sagen.

Hmm, das macht mich neugierig. Vielleicht sollte ich diesem Club auch einmal einen Besuch abstatten, wenn ich schon mal hier bin… Im Moment bleibt mir nur zu sagen, vielen Dank für das Interview Slainté!

„Wir haben zu danken“ erwidert Michael und prostet mir, wie alle anderen auch, zu. „Slainté!“

Und nun entschuldigen Sie uns bitte. Die Pflicht ruft“, sagte Chief Inspector Nolan. Sein Kollege Donovan und Connor O‘Sullivan erheben sich ebenfalls und auch die drei von der Hunter Agentur stellen die ausgetrunkenen Pintgläser ab und verabschieden sich von mir.

Was aus dem Serienkiller-Fall wird? Wie es im Club Caer Hafgan aussieht? Und ob Duncan, Cat und Michael ihre Hunter-Fälle lösen können? Das und vieles mehr kann man nachlesen in „Galway Hunters: Feuertaufe“ von Stefanie Foitzik.

Eine Leseprobe vom Anfang des Romans gibt es hier:
https://stefaniefoitzik.jimdo.com/leseprobe/

 

Interview mit dem amerikanischen Künstler und Fotografen Tyson Vick

Vor wenigen Tagen hatte ich die Ehre, Tyson Vick zu interviewen*. Wir sprachen über seine künstlerischen und photographischen Arbeiten, über seine multikulturelle Vision vom Steampunk-Genre und noch einiges mehr…

Amalia: Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst für dieses Interview. Ich finde deine Arbeiten außergewöhnlich. Dein jüngsten Fotobuch re-imaginiert Mozart und seine berühmten Werke. Als ich mir einige der Fotos ansah, war mein erster Gedanke, selbst wenn man Mozarts Opern oder andere Musik von ihm nicht kennt, kann man diese farbenfrohen und hoch ästhetischen Fotos sehr genießen. Und sie mögen manch einen neugierig auf Mozart machen.

Tyson Vick: Danke!

Amalia: Bitte erzähle uns ein wenig über deinen Arbeitsprozess. Wie gehst du dabei vor – findet die Planung in deinem Kopf statt, oder machst du Skizzen, Moodboards oder andere Dinge vorab? Und mit wem hast du für dieses Fotobuch zusammengearbeitet?

Tyson Vick: Es sind viele Dinge in “Mozart Reimagined” eingeflossen. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung fürs Filmemachen, daher gehe ich an diese Fotoprojekte so heran, als ob ich einen Film machen würde. Zuerst habe ich die Opern gelesen und gehört, dann über die historischen Aufführungen recherchiert, und, was noch wichtiger ist, die Epoche, in der die Stücke spielen. Danach habe ich Ideen skizziert oder auch Filme gesehen, um Inspirationen zu erhalten. Das hat dann auch die Kostüme und Requisiten beeinflusst, die ich kreiert habe. Nachdem alle Kostüme und Requisiten fertig waren, fing die nächste Phase an: Die Planung des Foto-Shootings. Dazu gehörte es auch, Modelle, Schauspieler und Musiker zu casten, Terminabsprachen und die Produktion.

Bei “Mozart Reimagined” habe ich vor allem mit den Modellen gearbeitet, die die Charaktere darstellten, aber es gab auch zwei Make-Up-Ladies, Jadi Stuart in Kalifornien und Lizzie Web in Montana, wo die meisten der Fotos aufgenommen wurden.

Amalia: Die Beleuchtung und die Kompositionen deiner Fotos erinnern tatsächlich an Standbilder aus Filmen und deine ganzheitliche Vorgehensweise hat wirklich viel Ähnlichkeit mit der Arbeitsweise von Filmregisseuren und -Fotografen.

Schauen wir uns einmal Steampunk an – ein Großteil der Szene lebt ja von der Ästhetik. Die Community an Fotografen und Steampunk ist ja teilweise entstanden, weil sie alle ein starkes Interesse an den Outfits, den Accessoires, den gemoddeten oder speziell gebauten Geräten, Erfindungen etc. haben. Die Szene ist auch recht vielseitig – da gibt es die edle “High Society”, den eher düsteren Dreadpunk, oder auch Ansätze, die Horror und Komik kombinieren, wie dein “A Steampunk Guide to Hunting Monsters”. Dann gibt es dystopische Konzepte, einen “Arbeiter-Look” und natürlich auch Folklore und andere Einflüsse aus aller Welt, von denen sich ebenfalls vieles in dem Steampunk Guide finden lässt. Wie siehst du Steampunk und was gefällt dir am besten daran?

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Tyson Vick: Mir gefällt die Vision eines multikulturellen Steampunks. Es gefällt mir, diese Ästhetik aus verschiedenen kulturellen Perspektiven zu imaginieren. Beispielsweise trägt Philomena [Anmerkung: ein Hauptcharakter aus “A Steampunk Guide to Hunting Monsters”] in dem japanischen Kapitel ein traditionelles koreanisches Hochzeitskleid, ein Hanbok, aber sie trägt es auf eine Weise, die es in einen Britischen Imperialistischen Stil überführt, in Kombination mit einem Korsett, was natürlich sehr steampunkmäßig ist.

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Das Beste am Steampunk ist für mich, dass es so vielseitig anwendbar ist, von der Arbeiterklasse bis zur Oberschicht, von Kultur zu Kultur und von eher realistisch bis hin zu Sci-Fi.

Amalia: Ich finde, dass ist eine wunderbare Vision vom Steampunk, der ja tatsächlich ein weltweites Phänomen ist.

2012, nach einer Kollaboration mit Alisa Kester, hattet ihr beide die Idee zu „A Steampunk Guide to Hunting Monsters“. Seid ihr beide Teil der Steampunk Community? Oder seid ihr einfach – du als Künstler und Fotograf, Alisa als Kostümdesignerin – interessiert an der retrofuturistischen Steampunk-Ästhetik?

Tyson Vick - A steampunk Guide to Hunting Monsters 1 © Tyson Vick – A Steampunk Guide to Hunting Monsters – Model: Brin Merkley

Tyson Vick: Alisa Kester und ich haben einen Fotoshoot für Dark Beauty Magazine in Seattle gemacht. Sie stellte ihre Kostüme zur Verfügung und ich machte die Fotos. Anschließend fragte ich sie, ob sie Interesse hätte an einem Projekt über Monster. Um genau zu sein, hat ihr Interesse an Steampunk meine Entscheidung vorangetrieben, ein auf Steampunk basierendes Fotoprojekt zu gestalten.

Amalia: Es gab sieben Leute in deiner Crew für dieses Projekt – Fotografie, Schreiben, Design, Kostüme, Garderobe, Requisiten, Locations etc. Wo kamen die anderen aus der Crew her und wie habt ihr euch getroffen –  wie habt ihr an diesem Projekt zusammengearbeitet?

Tyson Vick: Durch meinen Hintergrund aus dem Filmbereich tendiere ich dazu, wie ein Filmregisseur an die Dinge heranzugehen. Also suche ich nach Menschen, die passend sind für bestimmte Rollen und die diese auch ernst nehmen. Lizzie Web, die fast die Hälfte der Makeup-Arbeit bei Mozart Reimagined gemacht, hat auch an diesem Buch mitgearbeitet. Ich hatte zwischendurch eine Auszubildende aus dem Bereich Kostüm als Unterstützung, Catey Lockhart, die mir half, meinen Teil der Kostüme für das Buch herzustellen. Ich weiß die genauen Zahlen nicht mehr, aber ich denke Alisa Kester stellte 34 Kostüme bereit und Catey und ich kreiierten ca. 80. Unter den Modellen gab es einige Profis, z.B. Brin Merkley, die ich auch ganz traditionell gecastet habe, aber alle kleineren Rollen wurden durch Freunde und Freunde von Freunden dargestellt.

Amalia: Das ist wirklich beeindruckend. Im Grunde ist das etwas, was viele Steampunks machen. Sie nähen ihre eigenen Kostüme (manche nennen sich Stitchpunks, vom englischen “to stitch something together” = „etwas zusammennähen“). Und da draußen gibt es viele Steampunk Projekte in denen Freunde – oder Freunde von Freunden – involviert werden. Zum Beispiel begann so das Amt für Ætherangelegenheiten mehr oder weniger, eine Erfindung der deutschen Steampunk-Autorin Anja Bagus.

A Steampunk Guide to Hunting Monsters“ soll mithilfe einer Crowdfunding Kampagne des Lysandra Books Verlag ins Deutsche übersetzt werden. Wie begann diese Kooperation? Und sind auch Übersetzungen in andere Sprachen geplant?

Tyson Vick: Der Lysandra Books Verlag sprach mich nach dem Lesen des Buches an. Sie haben den Eindruck, dass es auch einen deutschen Markt finden wird. Ich hoffe, dass das Buch den deutschen LeserInnen gefallen wird, denn wir haben viel Arbeit investiert und ich finde es sehr aufregend, es einem neuen Publikum zu präsentieren. Aktuell bestehen keine Pläne, das Projekt in andere Sprachen zu übersetzen.

Amalia: Wenn du es uns verraten darfst, an welchem Projekt oder welchen Projekten arbeitest du zur Zeit?

Tyson Vick: Ich bin dabei, ein Mode-Projekt rund um Märchen zu entwickeln, mit Kostümen und Fotos von mir. Es geht ein bisschen langsamer als die letzten Projekte, und ich versuche eine passende Größenordnung dafür gestalten. A Steampunk Guide to Hunting Monsters ist ein sehr großes Projekt und war schwer als Print zu realisieren ohne einen Verlag. Deshalb versuche ich nun, das Ganze etwas kleiner zu gestalten und eine gute Möglichkeit zu finden, es unabhängig selbst zu veröffentlichen. Das Projekt ist stark beeinflusst vom Rokoko und von dem Videospiel “Dark Souls”. Es ist ein bisschen, als würde man Süßigkeiten mit einem Eimer rostiger Messer mischen. Es spricht mich aber sehr an auf kreativer Ebene, dieses Flair einzufangen – schöne Prinzessin und dunkle Monster.

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© Tyson Vick – A Steampunk Guide to Hunting Monsters

Amalia: Das klingt sehr spannend. Viel Erfolg mit diesem neuen Projekt. Was machst du außerdem?

Tyson Vick: Davon einmal abgesehen, fotografiere ich weiter Männermode und Fitness-Motive für Magazine und Blogs, außerdem arbeite ich an einigen Romanen (ohne Illustrationen) und hoffe, dass ich diese in den kommenden Jahren veröffentlichen kann. Ich bewege mich immer weiter und probiere neue Dinge aus. Künstler müssen immer am Ball bleiben und ich hoffe meine Arbeit findet ein Publikum, welches es wertschätzen kann, auch die Arbeit, die meine Kollegen und ich hinein investiert haben.

Das hoffe ich auch. Man sieht wirklich, wieviel Zeit und Mühe ihr in diese künstlerischen Arbeiten gesteckt habt. Viel Erfolg für deine Projekte und vielen Dank für dieses Interview!

Die englischsprachige Version von „A Steampunk Guide to Hunting Monsters“ kann als PDF oder in vier Print-Bänden erworben werden:

https://steampunkmonsters.com/2016/10/03/featured-content-2/

http://www.blurb.com/user/tyson_vick

http://tysonvick.com/

Die Seite zum Crowdfunding-Projekt des Lysandra Books Verlag für die deutschsprachige Übersetzung:
http://www.lysandrabooks.de/a-steampunk-guide-to-hunting-monsters/

Die
Facebookseite zu diesem Projekt

*Das Interview habe ich aus dem Amerikanischen selbst ins Deutsche übersetzt.

 

Queer und auf Zeitreise – das etwas andere Protagonisteninterview

Anlässlich des heutigen 48. Jahrestages der Stonewall Riots, an die bis heute auf den jährlichen Gay Pride Paraden und Veranstaltungen erinnert wird, gibt es heute ein etwas anderes Protagonisten-Interview.

Zum Verständnis vorab:
In der Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ geht es nicht, wie sonst oft in Gay Romance Romanen üblich, um eine queere Hauptfigur und deren Partner. Berlingtons Geisterjäger bilden ein Team aus 5 bis 6 Personen mit vier unterschiedlichen sexuellen Orientierungen: lesbisch, schwul, hetero- und bisexuell. Das Ganze ist angesiedelt in einem historischen Urban Fantasy/Steampunk-Setting, im Jahr 1887 in England.

Eine Zeitreise von 1887 bis ins Jahr 2017
Die 5 Hauptcharaktere aus Berlingtons Geisterjäger machen für dieses Interview eine Zeitreise ins Jahr 2017: Lord Victor Berlington, der amerikanische Privatdetektiv Eliott, die irische Hexe Fiona, die französische Spiritistin Giselle und die englische Künstlerin Nica.  Dort haben sie sich einen Abend lang im Schnelldurchgang weitergebildet, was gesellschaftliche Veränderungen angeht in Sachen sexueller Orientierung und Identität. Sie haben auch erfahren, dass es im Jahr 2017 für all die unterschiedlichen Orientierungen jeweils spezielle Begriffe gibt.

Bei einem Sekt-Frühstück in einem Londoner Café spreche ich mit ihnen anschließend über die LGBTQ-Menschen im Jahr 1887 und warum sie sich nicht outen konnten, über staatliche Verfolgung Homosexueller damals und heute und einiges mehr.

Das folgende Interview enthält leichte Spoiler zur Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ (nicht zur Handlung an sich, sondern zu den Charakteren und ihren Beziehungen zueinander). Es wird ergänzt durch Links über LGBTQ+-Geschichte und der heutigen Situation (teilweise englischsprachig).

Interview

Lord Berlington, darf ich offen fragen – wie haben Sie eigentlich herausgefunden, dass Sie schwul sind?

Lord Berlington: Nennen Sie mich einfach Victor. Also… ich bin jetzt sechsundzwanzig, und ich muss gestehen, ich wusste es nicht. Ehrlich nicht. Eigentlich hat es sich schon in meiner Kindheit bemerkbar gemacht, aber in unserer Zeit gibt es dafür keine Begrifflichkeiten. Bzw. es gibt sie schon, aber es sind allesamt Schimpfworte.
Ich meine, natürlich gibt es – wie sagt man heute? – queere Menschen auch in unserer Zeit, also im 19. Jahrhundert, aber es war gesellschaftlich nicht existent. Oder nein, das ist falsch ausgedrückt. Es wurde in der breiten Öffentlichkeit totgeschwiegen. Und Menschen, die nicht heterosexuell waren, haben meistens – wie würden Sie heute sagen? Im Schrank gelebt? Und sie sind nie herausgekommen. Ein Coming Out, das wäre einfach zu gefährlich gewesen, verstehen Sie?

Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang bitte einmal über das Labouchere Amendment sprechen. Was genau war das und wie hat es das Leben für Schwule damals beeinflusst?

Victor: Das war eine schlimme Geschichte. 1885 wurde es beschlossen und ein Jahr später in England eingeführt, in erster Linie, um männliche Prostitution zu unterbinden. Also, im Grunde wurde damit schwuler Sex unter Strafe gestellt. Aber im Grunde auch Liebesbeziehungen zwischen Männern. Das Problem war allerdings, dass dieses Gesetz mehr oder weniger zu Hexenjagden geführt hat. Die Situation für Schwule war aber auch vorher schon ziemlich gefährlich.

Victor Berlington sieht die Hexe Fiona entschuldigend an.

Und das mit der Hexenjagd soll nun kein Wortspiel sein. Zu Zeiten der Inquisition war es ja so, dass irgendwelche Leute einfach den Verdacht aussprechen konnten, jemand sei eine Hexe, und schon war deren Leben in Gefahr. Weil solche Denunzianten oftmals keine Beweise anbringen mussten.

Und ähnlich war das auch mit dem Labouchere Amendment und den Schwulen. Das hat unter anderem massiv zu Erpressungen geführt. Im Grund konnte jeder zur Polizei gehen und behaupten, dieser oder jener Kerl begehe „Buggery“ bzw „Gross Indecency“ * mit einem anderen, und diejenigen damit ins Gefängnis bringen. Und damit Sie das genau verstehen: Das Verbot galt sogar für erwachsene Männer, die im Konsens miteinander waren.

Durch dieses Gesetz sind manche Schwule sogar im Zuchthaus gelandet und mussten Zwangsarbeit leisten. Das war ja nach unserer Zeit, aber das ist sogar dem Dichter Oscar Wilde 1895 passiert, habe ich gestern abend gelesen. Aber ich schweife ab, verzeihen Sie.

Jedenfalls habe ich 1887 einen Mann kennengelernt, der mich gefühlsmäßig völlig verwirrte. Was da genau passiert ist, das steht in unseren Memoiren**. Ich dachte damals zuerst, er sei daran schuld – ich dachte, er habe mich so stark beeinflusst oder manipuliert, dass ich mich plötzlich dem eigenen Geschlecht zuwandte.

Im Radio des Cafés hinter uns singt Lady Gaga gerade „Born this way.

Victor fährt fort: Aber dann hatte ich eine längere Unterhaltung mit Alec – einem Künstlerkollegen von Nica – und er hat mit mir Klartext geredet. Er selbst hat sich sein Leben lang nur in Männer verliebt und hat mir gesagt, dass es für ihn normal ist und keine Krankheit.

Er lauscht einen Moment auf den Text des Songs und schmunzelt schließlich.

Es scheint, dass sich die Dame, die dort singt, auch einige Gedanken dazu gemacht hat. Wir werden so geboren.

Jedenfalls, nach dem Gespräch zwischen Alec und mir hat es noch lange gedauert, bis bei mir der Groschen gefallen ist. Und heute, an diesem Tag hier im 21. Jahrhundert kann ich endlich offen sagen: Ich liebe diesen Mann. Einen Mann. Und ich stehe dazu. Ich darf ihn hier auf unserer Zeitreise sogar in der Öffentlichkeit küssen, ohne dass wir angezeigt werden. Das wäre bei uns im Jahr 1887 undenkbar gewesen.

Heute vor 48 Jahren (1969) gab es in New York übrigens Aufstände, der als die „Stonewall Riots“ in die Geschichte einging. Damals haben sich Schwule, Lesben und Transgender Menschen gegen eine Polizei-Razzia zur Wehr gesetzt und darauf hat sich dann ein Aufstand entwickelt. Daran erinnern noch heute die Gay Pride Paraden jedes Jahr auf der ganzen Welt. Allerdings muss ich dazu sagen, es gibt es noch immer Länder, in denen dies aus politischen Gründen nicht möglich ist.

Eliott: Erstaunlich. Bevor ich Privatdetektiv wurde, war ich Polizist in New York. Aber das war eine ganz andere Zeit mit ganz anderen Verhältnissen...

In sieben Ländern steht selbst heute noch immer die Todesstrafe auf Homosexualität, in einigen anderen weiterhin Gefängnisstrafen.
Ein weiteres Beispiel: In  Tschetschenien werden Schwule seit Monaten massiv verfolgt und sogar ermordet.

Victor (verzieht das Gesicht): Das ist furchtbar. Und sogar schlimmer als in unserer Zeit, zumindest was England betrifft. Das klingt eher nach 1840*** oder früher.

Veronica „Nica“ Chester und Fiona O‘Reilly sitzen nebeneinander, Nica hat einen Arm um ihre Freundin gelegt.

Nica: Das macht mich wütend und traurig zugleich. Das Labouchere Amendment galt damals übrigens nur für schwule Männer, nicht für Frauen, die Frauen lieben. Ich rätsele noch bis heute, warum das so war. Ich denke, unsere Zeitgenossen konnten sich einfach nicht vorstellen, dass zwei Frauen sich sehr gut miteinander vergnügen können. Ohne… na, Sie wissen schon. Ohne einen Mann und seinen…

Nica wird rot und verstummt. Eliott Breeches errötet ebenfalls und unterbricht sie.

Eliott: Schon klar. In unserer Zeit, da spricht man nicht offen über so etwas. Nicht in Anwesenheit von Damen, meine ich. Sogar Unterwäsche wird nur als „die Unaussprechlichen“ bezeichnet.

Fiona: Da ist so eine Sache, die ich nicht verstehe: Was hat es mit diesem Begriff „queer“ auf sich? In meiner Zeit heißt das soviel wie „sonderbar“, „verschroben“ oder sogar „verrückt“. Warum nennen sich denn Leute im 21. Jahrhundert selbst so?

Sie haben Recht, ursprünglich wurde „queer“ als Schimpfwort verwendet. Aber irgendwann haben Menschen aus der LGBT-Community begonnen, den Begriff für sich positiv umzudeuten, und heute wird er sogar mit Stolz verwendet. Er ist heute ein Überbegriff für alle Menschen, die von der Heteronormativität abweichen. Damit schließt er übrigens nicht nur Schwulen, Lesben und Bisexuelle ein, sondern auch Transgender, Intersexuelle, Asexuelle, Genderqueer, Bigender und noch andere. Das erklärt übrigens auch die Abkürzung LGBTQ+. Das Plus nach dem Q steht dabei für alle, die sich nicht oder nur teilweise in den ersten vier Buchstaben wiederfinden.

Fiona: Was, es gibt sogar noch mehr?

Ja, aber viele davon sind noch nicht so allgemein in der Öffentlichkeit bekannt wie Schwule, Lesben und Transgender. Bisexuelle begegnen selbst innerhalb der LGBTQ+Community gelegentlich Vorurteilen, und ähnliches gilt auch für Asexuelle. Ich muss gestehen, Begriffe wie Genderqueer und Bigender sind mir selbst erst vor kurzem zum ersten Mal begegnet.

Ich wende mich an den Amerikaner.

Und wie ist es mit Ihnen, Eliott?

Eliott: Ich bin… heute würde man sagen, straight. Durch und durch. Ich verstehe auch nicht, wie sich zwei Männer oder zwei Frauen ineinander verlieben können. Also ich meine, ich weiß schon, wie sie … naja, Sie wissen schon. Also so von der Anatomie her, meine ich. Ich war auch gelegentlich mal in Freudenhäusern, gebe ich zu. Ich weiß, wie sich zwei Frauen miteinander…

Er räuspert sich und runzelt die Stirn.

Also, wie gesagt, wir sprechen nicht öffentlich darüber. Sehen Sie es mir also nach, wenn ich nicht ins Detail gehe. Ich denke, es ist klar, was ich meine.
Sagen wir mal so, ich kann es nicht persönlich nachvollziehen. Mir ist das fremd. Aber durch Victor, seinen Freund und die beiden Damen hier hab ich einiges erfahren, was an meinem Weltbild gerüttelt hat. Also zum Beispiel, dass eine Frau sich dazu entschließen kann, eher mit einer anderen Frau zusammen zu sein, als eine Familie zu gründen und Kinder zu bekommen.

Heute können sogar lesbische oder schwule Paare zusammen Kinder groß ziehen – das wird dann Regenbogenfamilie genannt.

Der Amerikaner sieht mich mit großen Augen an.

Eliott: Was Sie nicht sagen… da wird mein Weltbild ja noch mehr durcheinander geschüttelt. (Er zuckt mit den Achseln). Naja, aber ich muss ja nicht alles in dieser großen, weiten Welt verstehen… Manche unserer Zeitgenossen im 19. Jahrhundert halten das ja für krank. Also dass Menschen, die sich in ihr eigenes Geschlecht verlieben, krank seien.

Ich muss leider sagen es gibt auch heute noch Länder und Gruppen von Menschen, die das auch heute, im 21. Jahrhundert, noch als krank betrachten. Es werden sogar immer noch angebliche Therapien dagegen angeboten. Aber die Mehrheit sieht es heute anders, einfach als eine weitere Form menschlicher Sexualität.

Eliott: Das ist interessant. Ich denke ja, es gibt noch so vieles in der Medizin, was unerforscht ist. Zumindest in unserer Zeit.

Das ist heute nicht anders, auch wenn es große Fortschritte gegeben hat seit dem 19. Jahrhundert. Aber es sind auch neue Krankheiten aufgetaucht. Aber das würde nun zu weit führen… (Ich verzichte darauf, von AIDS und dem HIV Virus oder weiteren Viren wie Ebola zu berichten, weil es den Rahmen des Interviews sprengen würde.)

Eliott: Der Punkt ist doch: Wenn noch nicht alles erforscht und bewiesen ist, wer kann sich dann anmaßen, Schwulsein oder auch andere sexuelle Orientierungen zu einer Krankheit zu erklären? Unsere Zeitgenossen tun das leider. Weil sie es ihnen fremd ist und weil sie Angst davor haben, vermute ich.

Giselle Butler meldet sich zu Wort. Sie ist die älteste in der Runde, fast fünfzig, und spricht mit einem französischen Akzent.

Giselle: Ja, das ist wirklich traurig. Denn Liebe ist schließlich Liebe, n’est-ce pas ?
Also, ich meine, ich persönlich kann mir das nicht vorstellen, mit einer Frau zusammen zu leben. Aber ich war nie in eine verliebt.
Ich war über 25 Jahre lang glücklich verheiratet und habe eine Tochter, die ebenfalls geheiratet hat. Die meisten meiner Freundinnen waren oder sind auch verheiratet. Aber ich habe einiges gelesen über… sagen wir mal… alternative Lebensstile. Manche Leute heute, in Ihrem Jahrhundert, scheinen sich zu fragen, hat es das denn immer schon gegeben?Also, ich kann natürlich nicht für alle Zeiten sprechen, aber denken Sie doch mal an Georgiana Cavendish, eine Duchess von Devonshire im ausgehenden 18. Jahrhundert, die hat zeitweilig mit einer Frau und ihrem Mann zusammengelebt. Oder kennen Sie das französische Buch „Mademoiselle de Maupin” von Théophile Gautier? Darin verlieben sich ein Mann und dessen Geliebte beide in einen androgynen abenteuerlustigen Mann verlieben, der sich dann als Frau entpuppt. Angeblich eine wahre Geschichte. Und es gab wohl auch einige Gerüchte über den Dichter Lord Byron, und wir sprachen ja auch gerade über Oscar Wilde.

Nica:
Ich war ja auch mal in einen Mann verliebt, und wir sind bis heute Freunde. Aber jetzt bin ich mit Fiona zusammen.

Fiona: Ja, was das angeht, sind wir wohl ein wandelndes Klischee – ich hatte gleich diese Schmetterlinge im Bauch, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Das war Liebe auf den ersten Blick.

Nica (lächelt ihrer Freundin zu): Das ging mir ähnlich, muss ich sagen.

Gestern abend habe ich erfahren, dass man Menschen wie mich im 21. Jahrhundert als bisexuell bezeichnet. Für mich ist das einerlei, ob jemand weiblich oder männlich ist, es kommt einfach auf die Person an. Und als Künstlerin finde ich ebenfalls beide Geschlechter ästhetisch schön.

In dem Damenclub, in dem ich bin, haben sich übrigens alle Frauen der sapphischen Liebe verschrieben. Aber die Gründerin, Lady Thelma, war früher auch verheiratet. Heute… ich meine, 1887, war sie Witwe und lebte mit einer Frau zusammen. Also ist sie wohl auch bisexuell.

Fiona, was sagen Sie denn dazu, dass Nica mal in einen Mann verliebt war?

Fiona: Oh, das hat zu einigen Problemen geführt, muss ich gestehen. Das will ich hier nicht erzählen, aber das können Sie auch in unseren Memoiren (2) nachlesen.

Nica: Dazu möchte ich jetzt auch nichts sagen. Aber mir fällt gerade noch etwas anderes ein. In unserem Damenclub ist auch eine Frau Mitglied, die im Körper eines Mannes geboren wurde. Sie ist gewissermaßen ein Ehrenmitglied. Transgender, nennt man heute wohl? Oder Transfrau. Und vielleicht ist es schwer vorstellbar, aber solche Menschen hat es auch in unserer Zeit schon öfter gegeben, z.B. James Barry, ein englischer Arzt, der ebenfalls erwiesenermaßen als Frau geboren wurde und bis zu seinem Tod unerkannt als Mann gelebt hat.

Früher wurde Transsexualität als krankhaft angesehen. Mittlerweile wurde dies u.a. in Dänemark geändert. Dort gilt Transsexualität nicht mehr als Krankheit und es gibt in vielen Ländern die Möglichkeit zur Transition, d.h. geschlechtsan-passende Operationen. Und es gibt immer mehr Transgender Rights Aktivist*innen*.

Die fünf Zeitreisenden starren mich an.

Eliott: So etwas ist möglich im 21. Jahrhundert? Das ist erstaunlich. Da hat die Medizin ja wirklich gewaltige Forschritte gemacht, was diese Operationen angeht, meine ich.

Aber ich möchte gern noch etwas anderes ansprechen. Ich mag vielleicht straight sein, aber ich habe nicht dieses… diese… Homophobie. Ja, das war‘s. So heißt das heute. Mir persönlich ist das völlig egal, welcher Erwachsene mit welchem anderen Erwachsenen ins Bett geht und was sie da tun. Ich meine, solange sie beide übereinstimmen in dem was sie da machen. (Er grinst schief.) Und solange ich nicht dabei zu sehen muss oder gezwungen werde, mitzumachen. Das ist eine Privatsache, finde ich. Wenn Leute übereinstimmen, etwas zu tun und sich dabei glücklich fühlen, warum denn nicht?

Ich bin eigentlich sehr für Gesetz und Ordnung, das hab ich noch aus meiner Zeit als Polizist in New York so drin, darauf wurde ich gedrillt. Aber dieses Labouchere Amendment sehe ich sehr, sehr kritisch. Das richtet gewiss viel mehr Schaden als Nutzen an.

Eliott, damit sind Sie Ihrer eigenen Zeit weit voraus. Und aus Sicht heutiger LGBTQ-Menschen ein „Ally“ der Community – ein Heterosexueller, der die LGBTQ-Menschen nicht nur toleriert, sondern auch deren Gleichberechtigung fordert. Ein Verbündeter oder Freund also.

 

Eliott: Wenn Sie es so nennen wollen, von mir aus. Und wie meinen Sie das mit der Gleichberechtigung genau?

In den Ländern, aus denen Sie stammen: USA, England, Irland und Frankreich ist es seit wenigen Jahren LGBTQ-Paaren erlaubt, zu heiraten, bei gleichen Rechten wie heterosexuellen Paaren.

Die anwesenden Zeitreisen sehen mich überrascht an.

Victor: Das finde ich fast nicht vorstellbar, wenn man es mit unserer Zeit vergleicht. Aber es freut mich, das zu hören.

In Deutschland, wo ich lebe, war dies bisher nicht möglich. Es gab zwar seit 25  Jahren die Möglichkeit einer eingetragenen Lebensgemeinschaft, aber nicht mit den gleichen Rechten wie bei Ehen. Das war vor allem auf konservative politische Kreise zurückzuführen, die in dieser Sache auf dem Status Quo verharren, denn nach einer aktuellen Studie sind rund 83 % der Deutschen für eine Öffnung der Ehe für alle und rund 95% befürworten ein gesetzliches Antidiskriminierungsverbot für LGBTQ-Menschen. Aber in diesen Tagen wird in Deutschland Geschichte geschrieben, denn gerade gestern wurde bekannt, dass die Ehe für alle noch diese Woche im Bundestag beschlossen werden soll.  Und die Chancen stehen gut, dass sie tatsächlich beschlossen wird und damit ein Grundrecht für alle zugänglich wird.

Eliott: Hmm, jetzt verstehe ich, was Sie mit Gleichberechtigung meinen. Das ist ein bisschen wie die Frauenrechtsbewegung, nur halt für Menschen anderer sexueller Orientierung. Gleiche Rechte für alle Menschen.

Übrigens, falls Sie sich fragen, ich hab keine Angst, dass mich Victor irgendwie zu seinem Lebensstil bekehren wollen oder mir eine „Gehirnwäsche“ verpassen. Dazu sind sein Freund und er beide viel zu englisch, finde ich. (Er lacht.) Immer höflich und diskret. Außerdem hab ich mir in meinem ganzen Leben noch nichts aufschwatzen lassen und ich lasse mich auch nicht zu Dingen überreden, mit denen ich nichts anfangen kann. Man kann nicht dazu gemacht werden, etwas zu sein, was man nicht ist, das ist meine feste Überzeugung. Victor sagte ja auch schon, man wird so geboren. Außerdem, seit dem was wir zusammen schon erlebt und durchgemacht haben, sind wir alle Freunde geworden. Obwohl wir so unterschiedlich sind. Ist nicht immer einfach, das gebe ich zu. Aber ich finde, Freunde sollten zusammenhalten.

Victor hebt sein Sektglas.

Victor: Lassen Sie uns darauf anstoßen. Auf die Freundschaft, über alle Grenzen und Unterschiede hinweg!

Wir prosten ihm mit eben diesen Worten zu.

Ein gutes Schlusswort, finde ich. Vielen Dank für dieses Interview und eine gute Heimreise zurück in Ihre eigene Zeit.

Anmerkungen:
* historische englische, negativ behaftete Begriffe für schwulen Sex, z.B. Analverkehr
** Mit Memoiren ist natürlich die Buchreihe „Berlingtons Geisterjäger“ gemeint. 😉
*** 1840: Letzte bekannte Hinrichtung wegen männlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen in Großbritannien, die Todesstrafe bleibt aber bis zur Gesetzesreform 1861 theoretisch möglich und wird erst 1861 durch Gefängnisstrafen ersetzt.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_LGBT#Neuzeit)

Ein Kommentar vom 27.6. zur Öffnung der Ehe für alle:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=29148

5 Dinge über das Autorendasein

Foto: Pixabay

Auf diese Idee hat mich Anja Bagus gebracht, und es haben bereits mehrere AutorInnen
etwas über „5 Dinge“ geschrieben.

  1. Man kann nichts mehr wirklich unvoreingenommen lesen
    Wer sich erstmal intensiv mit der Struktur und den grundlegenden Regelnzum Aufbau eines gutes Romans beschäftigt hat, wird nichts mehr lesen können,
    ohne es ganz beiläufig und nebenbei zu analysieren. Die amerikanische Autorin K.M. Weiland beschreibt in ihrem Blog „Helping writers to become authors“, man kann sich probehalber Filme anschauen oder bei Büchern bestimmte Seiten aufblättern, denn nach allgemeinen dramaturgischen Regeln sollte nach circa 25 %, 50% und 75 % der Geschichte etwas Bestimmtes passieren – zum Beispiel der erste Plotpoint, eine überraschende Wende und der Auftakt zum spannende Finale. Das bedeutet z.B. bei einem 90-Minuten-Film, es lohnt sich, einmal zu schauen was in Minute 22  und 45 passiert (+/- ein paar Minuten).
  2. Als AutorIn brauchst du tolerante Freunde, Lebensgefährten und Verwandte.
    AutorInnen sind ein merkwürdiges Volk – sie sind glücklich damit, stundenlang etwas in ihr Notizbuch zu kritzeln – oder auch auf lose Zettel, die überall in der Wohnung herumfliegen, in Handtaschen oder Schubladen verschwinden. Oder sie starren mit ernster Miene ihren Bildschirm an, während sie in die Tasten hauen. Schüchterne Anfragen des Lebensgefährten, wie man denn voran komme, werden häufig mit einem mürrischen „Stör mich nicht!“ beiseite gewischt. Und nicht selten fällt bei der Wahl zwischen Freunde/Verwandte treffen oder etwas gemeinsam unternehmen und einer ausgedehnten Schreibsession die Wahl auf letztere – weil man den gerade vorhandenen Flow ausnutzen muss oder den Kuss der Muse…
  3. Rezensionen sind wichtig, aber nicht alles.
    Ich freue mich, wenn jemand sich die Mühe macht, mein Buch zu rezensieren. Allerdings ist mir bewusst geworden, dass ich es nicht Allen recht machen kann und nicht jeder mein Buch mögen wird. Jede Rezension stellt letztendlich eine subjektive Meinung dar, zumal sie in der Regel von einem Leser und nicht von einem Literaturkritiker geschrieben wird. Und Geschmäcker sind nun mal verschieden…
  4. Andere AutorInnen können deine Freunde sein. Müssen aber nicht.
    Als angehende Autorin und Debütantin im literarischen Bereich hatte ich lange Zeit erst mal eine Riesenehrfurcht vor anderen AutorInnen, die bereits ein oder mehrere Bücher veröffentlicht haben. Und dann wurde ich eingeladen zu einem Fantasy-Autorenstammtisch und war positiv überrascht von den sympathischen Leuten dort.
    Eine AutorIn erzählte von den gerade zu familiären Freundschaften, die sie mit anderen KollegInnen verbindet. Mit dieser Kollegialität geht einher, dass wir gegenseitig Flyer oder Lesezeichen mitnehmen zu Veranstaltungen oder auch mal Bücher unserer schreibenden Kollegen auf Veranstaltungen mit verkaufen, auf denen sie nicht dabei sein können. Da ist nichts zu spüren von Ellenbogen-Mentalität oder Konkurrenzdenken.
    Auf der anderen Seite habe ich in manchen Social-Media-Gruppen gnadenlose Besserwisserei oder auch absurde, negativ gefärbte Diskussionen unter AutorInnen erlebt, was mich ganz schnell dazu bewogen hat, die entsprechende Gruppe wieder zu verlassen.
  5. Irgendwann wird jeder Autor betriebsblind. Jeder.
    Unausweichlich kommt früher oder später der Punkt, an dem man die Distanz zum eigenen Werk verliert. Ich hatte das nicht so stark erwartet, und war ziemlich überrascht. Anschlussfehler, Logiklücken, inkonsequente Charakterhandlungen oder unpassende Perspektivwechsel und manches mehr sind mir entgangen. Und das ist der Moment, wo man sein Werk erst mal ruhen lassen sollte. Einige Tage oder Wochen. Wenn man das Manuskript anschließend wieder liest, ist man objektiver. Außerdem sind Testleser und Lektoren hier die richtigen Ansprechpartner, denn selbst wenn ich mein Buch zehnmal lese und überarbeite, wird es immer noch Dinge geben, die ich übersehe.

 

6 Dinge, die du einen Autor besser nicht fragst

Abbildung: Pixabay

Wieviele Bücher hast du schon verkauft?

Diese Frage ist ähnlich wie die danach, wieviel Geld man verdient. Das kann man unter engen Freunden, Verwandten etc. besprechen, doch in anderen Fällen ist dies unhöflich. Wenn Autor:innen dich dies wissen lassen möchten, werden sie es dir selbst erzählen.
Übrigens misst sich der Wert eines Buches und die literarische Qualität von Autor:innen nicht allein nach Verkäufen. Selbst gehypte und sehr populäre Bestseller können von eher fragwürdiger Qualität sein (siehe beispielsweise die „Twilight“-Reihe oder „Fifty Shades of Grey“).

Ich habe auch eine Kurzgeschichte/einen Roman geschrieben. Kannst du das bitte lesen?

Autor:innen haben in der Regel wenig Zeit, denn das Schreiben eines Buches, das Recherchieren und Überarbeiten bis hin zum letzten Feinschliff dauert lange. Wenn du selbst ein komplettes Buch geschrieben hast, wirst du das wissen. Viele Autor:innen lesen zwar nebenbei noch regelmäßig selbst, aber die meisten suchen sich ihre Lektüren dann lieber selber aus. Falls du Verbesserungstipps zu deinen Texten möchtest, suche dir lieber Testleser oder eine Schreibgruppe.

Schreib doch mal was über… (hier generisches Thema einsetzen)

Autor:innen suchen sich in der Regel ihre Themen gern selbst aus, das ist ein Teil ihrer künstlerischen Freiheit. Teilweise bekommen sie auch Vorgaben oder Schreibaufträge von Verlagen, oder sie beteiligen sich an Ausschreibungen zu ganz spezifischen Themen. Natürlich kannst du Autor:innen auch Vorschläge machen, vielleicht inspirierst du sie damit ja sogar. Aber bitte erwarte nicht, dass sie deine Idee auch umsetzen.

Ich habe einige schlechte Rezensionen über deine Bücher gelesen. Was sagst du dazu?

Lass mich dazu ein wenig ausholen. Früher waren Rezensionen z.B. den Feuilletons in Zeitschriften vorbehalten oder auch speziellen Literaturkritik-Medien (auch für die verschiedenen Genres). Die entsprechenden Journalist:innen oder Kritiker:innen haben sich in der Regel umfassende Kenntnisse in Sachen Literatur angeeignet oder auch geisteswissenschaftlich studiert. Man konnte also mit sachlich-fundierten Kritiken rechnen.

Heute ist das anders: Rezensionen gibt es nicht nur in speziellen Literaturmagazinen oder Feuilletons, sie können auch von jedem Leser verfasst und online veröffentlicht werden, egal wie sehr sich dieser mit Literatur oder dem jeweiligen Genre auskennt.

Das größte Portal für Rezensionen ist mittlerweile Amazon, bei dem für alle Waren 1 bis 5 Sterne vergeben werden können. Wenn du einmal die Zeit hast, schau dir einmal dort die Rezensionslisten für einige international anerkannte klassische Literaturwerke oder auch moderne Bestseller an.

Du wirst anhand der vergebenen Sterne schnell feststellen, dass selbst bei diesen die Bewertungen stark schwanken.
Das zeigt, dass Meinungen über Bücher oft weit auseinanderliegen, je nachdem welche Erfahrungen der jeweilige Leser bisher mit dem Genre oder Büchern generell gemacht hat, welche Erwartungen er an ein Buch stellt oder welche Lesegewohnheiten er hat. Die Wahrnehmung eines Buches ist immer zumindest teilweise auch subjektiv. Daher kann ich dir nur raten: Wenn dich ein Buch wirklich interessiert, bilde dir am besten selbst eine Meinung darüber.

Dein Buch ist gerade erst erschienen, wie kann es sein, dass es schon Rezensionen hat – das geht doch nicht mit rechten Dingen zu?!

Häufig vergeben Verlage oder auch Autor:innen schon VOR der Veröffentlichung ihrer Bücher Rezensionsexemplare, z.B. an Bücherblogger:innen. Wenn dann kurz nach dem Erscheinen bald schon die ersten Rezensionen erscheinen, kann dies die Aufmerksamkeit für das Buch erhöhen, daher wird das gern gemacht. Das bedeutet übrigens nicht, dass diese Rezensionen „gekauft“ sind. Gute Bücherblogger:innen und andere seriöse Rezensenten werden eine ehrliche Meinung zu jedem Buch abgeben, unabhängig davon, ob sie ein Rezensionsexemplar erhalten haben oder sich das Buch selbst gekauft haben.

Hast du dein Buch selbst veröffentlicht, weil du keinen Verlag gefunden hast?

Diese Frage impliziert dreierlei – dass jede:r Autor:in sich eine Verlagsveröffentlichung wünscht, dies der einzig wahre Weg zur Veröffentlichung sei oder dass das entsprechende Manuskript zu schlecht war, um einen Verlag zu finden.

Seit einigen Jahren hat sich der Buchmarkt jedoch deutlich gewandelt und Selfpublishing etabliert sich immer mehr. Das ist möglich geworden durch das Publishing on demand Verfahren aber auch den wachsenden E-Book-Markt, der die Veröffentlichungs- und Vertriebskosten gering hält. Es gibt inzwischen Bestseller-Autor:innen, die ausschließlich selbst veröffentlichen. Es gibt sogar Hybrid-Autor:innen – die sowohl in Verlagen als auch als Selfpublisher veröffentlichen. Andere gründen ihren eigenen (Klein-)Verlag, in dem sie entweder nur die eigenen Bücher oder auch noch andere verlegen.

Ich selbst bin übrigens Selfpublisherin, da ich die absolute künstlerische Freiheit schätze, die das mit sich bringt. Allerdings schließe ich nicht aus, dass ich irgendwann einmal Hybrid-Autorin werde.

Der Blog Schreibwahnsinn hat vor einiger Zeit einen lesenswerten, humorvollen Artikel erstellt zum Thema:
10 Dinge, die du nie zu einem Autor sagen solltest.

Stationen meines Lese- und Schriftsteller-Lebenslaufs

Das wird nun ein etwas längerer Beitrag, der aber immerhin über 35 Jahre abdeckt. 😉

Mit 4: Ich denke mir eigene Geschichten aus, die ich mir im Stillen vor dem Einschlafen erzähle. Oder wenn mir langweilig ist. Oder für mein eigenes Kasperle-Theater. Meine Freund*innen und Schwestern müssen bei dem Puppentheater gelegentlich als Zuhörer herhalten, aber über meine Witze lache ich meistens allein.

Mit 5: Ich lerne lesen.

Mit ca. 9: Ich lese alle Bücher meiner älteren Schwester. Die hat nämlich viel mehr als ich.

Mit 10: Ich besuche eine britische Schule in Malawi (Südostafrika) und lerne dort Englisch. Ich verliebe mich in diese Sprache, auch später lese ich noch häufig englische Bücher und sehe englischsprachige Filme am liebsten im Original mit Untertitel.

Mit 11: Wir sind zurück in Deutschland und ich lese alles, was in der Kleinstadtbibliothek zu finden ist.

Zu einem meiner ersten Schulaufsätze sagt meine Deutschlehrerin, ich dürfe einen der Charaktere nicht in Versalien sprechen lassen. Jahre später stelle ich fest, dass Terry Pratchett dieses Stilmittel bei einem Charakter seiner Scheibenweltromane regelmäßig eingesetzt hat.

Mit 16: Ich schreibe meinen ersten, nie veröffentlichen Roman, der von Vampiren in Schottland handelt. Ein Freund sagt mir nach der Lektüre, da fehle leider ein Spannungsbogen. Ich sage mir, dass ich noch viel mehr übers Schreiben lernen muss.

Mit 19: Ich ziehe in die Großstadt und stelle fest, dass die Büchereien dort zahlreicher und viel größer sind. Ich begeistere mich für Phantastik und die viktorianische Ära.

Mit 25: Ich fange an, das Internet regelmäßig zu benutzen und werde Mitglied in einem Fantasyforum. Ich schreibe meinen zweiten, ebenfalls nie veröffentlichten Roman – High Fantasy. Leider habe ich zu dieser Zeit noch keine Ahnung, wie man effektiv plottet, aber einfach drauf los schreiben funktioniert in meinem Fall überhaupt nicht. Ich schreibe den Roman ungefähr 10 Mal ziemlich planlos um, bin aber mit dem Ergebnis immer noch nicht zufrieden und lege ihn zwei Jahre später „ad acta“.

Mit 27: Ich besuche zum ersten Mal die Nordcon und lausche dort einigen Lesungen. Ich erstarre in Ehrfurcht angesichts der bekannten Autor*innen dort.

Mit 29: Ich entdecke Bookcrossing und besuche entsprechende Büchertauschtreffen. Ich fühle mich ein bisschen wie Forrest Gump mit seiner Pralinenschachtel, denn bei Bookcrossing weiß man auch nie, welches Buch man bekommt. Inzwischen habe ich hin und wieder ein paar Kurzgeschichten geschrieben und ein, zwei davon in Independant-Literaturmagazinen veröffentlicht.

Mit 33: Ich werde in der Steampunk-Szene aktiv, entdecke deutschsprachige Steampunk-Bücher und organisiere Treffen in Hamburg, ein Jahr später dann auch das erste Hamburger Steampunk-Picknick.

Mit 36: Ich lese zu Weiterbildungszwecken zwei sehr inspirierende und praktische Schreibratgeber der amerikanischen Autorin K.M. Weiland, die mir unter anderem zeigen, wie man effektiv plottet. Danach beginne, meinen ersten Steampunk-Abenteuer-Roman zu schreiben.

Mit 37: Ich werde Mitglied bei Facebook, dem ich mich bis dahin verweigert habe. Erfreut stelle ich fest, dass es dort hunderte von Bücher- und Autorengruppen gibt. Außerdem lerne ich viel über Selfpublishing.

Ich veröffentliche den fertigen Roman als Selfpublisherin, u.a. weil ich keine Lust habe auf eine Verlagssuche. Außerdem beginne ich, regelmäßig einen Hamburger Autorenstammtisch zu besuchen. Dort treffe ich einmal sogar einen der Autoren, vor denen ich auf der Nordcon damals in Ehrfurcht erstarrt bin.

Ich organisiere meine erste Lesungen und schreibe Teil 1 einer Urban Fantasy Buchreihe, die in derselben Welt angesiedelt ist wie mein erster Roman. Nur mit mehr Grusel, Hexen und Geistern. Aber ohne Vampire. Ich schreibe Artikel für das Steampunk-Magazin Clockworker, darunter auch Buchrezensionen.

Mit 38: Ich veröffentliche „Berlingtons Geisterjäger 1 – Anderswelt“. Teil 2 ist ebenfalls fast fertig und parallel dazu schreibe ich an einem High Fantasy Roman, der noch keinen Titel hat.

Mittlerweile habe ich bei Facebook sechs verschiedene Büchergruppen gegründet. Außerdem erstelle ich ebenfalls dort eine Buchblogseite und schreibe regelmäßig Rezensionen. Seitdem wächst mein SuB kontinuierlich und ich mache mir diverse Listen: was ich als nächstes lesen möchte, was ich schon gelesen habe und welche Bücher ich mir wünsche.

Inzwischen lese ich fast nur noch Romane von Autor*innen, die ich irgendwo einmal persönlich kennengelernt habe oder zumindest über Facebook kenne. An Mainstream-Bestsellern habe ich kein Interesse mehr, oder nur in Ausnahmefällen.

2017: Zum ersten Mal seit 2005 bin ich nicht als Besucherin, sondern als Autorin auf der Nordcon und lese dort aus einem meiner Bücher. Und ich erstarre nicht mehr in Ehrfurcht vor den anderen AutorInnen dort. Oder nur ein kleines bisschen. 😉

Update 2022
2020 habe ich meinen Buchblog aufgegeben und hatte eine monatelange Leseflaute, was Romane betraf. Den Admin-Posten in mehreren Facebook-Büchergruppen habe ich an andere abgegeben.
Mittlerweile habe ich 27 Bücher in verschiedenen Genres veröffentlicht – Romane, Novellen, auch einzelne Kurzgeschichten, außerdem einen Essayband über Diversity in der Literatur und zwei Notizbücher speziell für Autor*innen bzw. Buchblogger*innen. Ich liebe die Abwechslung, deshalb schreibe ich Phantastik, viktorianische Krimis (auch im Dryas Verlag) und Queer Romance. Ich war mittlerweile mehrfach als Autorin auf der BuchBerlin Buchmesse, der Nordcon und weiteren Veranstaltungen.